Linke Positionen
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Redebeitrag - 14.September 2002 - (Demonstration gegen den NPD-Aufmarsch)
Liebe Leute,
es ist gut, dass so viele Menschen heute gegen den bundesweiten NPD-Aufmarsch aufgestanden sind. Aufgestanden gegen eine Partei die ein menschenverachtendes nationales Programm vertritt, ein Programm das arbeiter- und gewerkschaftsfeindlich, frauenfeindlich, antisemitisch, völkisch und rassistisch ist.
Freiburg, die Umgebung, auch Menschen aus der Schweiz und Frankreich, demonstrieren hier und heute zusammen für eine OFFENE STADT Freiburg, in der sich alle Menschen wohlfühlen sollen und niemand von Ausgrenzung betroffen sein darf.
In vielen Städten, Stadtvierteln und Regionen in der BRD gehört der Straßenterror der Faschos bereits zum Alltag. Damit die Neonazis hier in Freiburg und in der Region keinen Fuss auf den Boden bringen, ist es wichtig, dass wir uns alle dem NPD-Aufmarsch entgegenstellen und den Nazis eine politische Niederlage beibringen. Nazis und Nazi-Ideologie haben in dieser Stadt und Region nicht zu suchen.
Die Journalistin Andrea Böhm, schreibt in der Zeitung "Die Zeit":
"Die Gewalt von rechts alamiert die Politik. Rot-Grün fordert mutige Bürger." Und sie fragt: "Aber was tut der Staat?"
Sie schreibt weiter: (Zitat) " Alle staatlichen Massnahmen gegen rechtsextreme Gewalt, lautet das Politiker-Credo, blieben wirkungslos, wenn sich das gesellschaftliche Klima nicht ändere. Das ist ja richtig, aber vielleicht sollte man das Problem einmal von der anderen Seite angehen: Zivilcourage und gesellschaftliches Engagement bleiben wirkungslos, wenn staatliche Politik falsche oder zweideutige Signale setzt. Wenn man Asylsuchende in die Rolle von "Sozialschmarotzern" drängt und zur Abschreckung in Sammelunterkünfte steckt, dann signalisiert man der Gesellschaft, dass die Menschenwürde von Flüchtlingen antastbar ist." "Und wenn man, wie Otto Schily, die Grenzen der Belastbarkeit durch Immigranten für überschritten erklärt, dann ist das kein Beitrag zur Integrationsdebatte, sondern einer von viel zu vielen xenophopen Sprüchen aus Mündern von Politikern" (Zitat-Ende)
Menschen im Asylverfahren wird nur 4,5qm Lebensfläche in Unterkünften zugestanden und ihnen damit das Recht auf Wohnen aberkennt, sie bekommen nur 40 Euro Bargeld im Monat und sollen damit ihr Asylverfahren bestreiten, sie unterliegen einem einjährigen Arbeitsverbot und haben auch danach kaum die Möglichkeit einer Arbeitsaufnahme, keine frei Wahlmöglichkeit der Unterkunft, sie haben nicht das Recht auf selbstbestimmte Ernährung und Einkauf, sie haben nicht das Recht auf Bewegungsfreiheit und sind in Stadt- und Landkreise eingesperrt und dürfen diese nur mit Sondergenehmigungen verlassen - wollen sie nicht eine Geld oder gar Gefängnisstrafe riskieren -, etc.
Das alles sind Signale, die von politischen Kräften verstanden werden, die den Rassismus in ihrem Programm haben, dazu zählt auch die NPD. Und genau in dieser Frage sucht die NPD ihre Bündnispartner. Oder in Fragen des Militarismus/ Geschichtsverdrehung wo die NPD gemeinsam mit Mitgliedern der CSU in München gegen die Wehrmachtsausstellung demonstrierte.
Die im Gemeinderat vertretenen Parteien und der Ausländerbeirat der Stadt Freiburg haben 1992 in einer gemeinsamen Erklärung gegen Ausländerfeindlichkeit erklärt, dass man "jedem neuen erwachenden Rassismus entschieden entgegen treten" muss.
Vieles hat sich seitdem insbesondere für Minderheiten in der BRD verschlechtert.
Davon zeugt nicht zuletzt die Postwurfsendung der SPD-Grünen Bundesregierung, die Mitte August in allen Haushalten auftauchte. "Im deutschen Interesse" ist die Propagandaschrift betitelt, und mit erschreckender Selbstverständlichkeit werden die bekannten Schlagworte ins Feld geführt, als da wären: "Weniger Zuwanderung", "Vorrang für deutsche Arbeitnehmer", "Kein Mißbrauch des Asylrechts". Der ungehemmte vorgetragene Anpassungsdruck wird beschönigend als "Bessere Integration" (sprich: Assimilation) angepriesen. Dabei werden genau wieder die Klischees bemüht, die noch im berüchtigten 1989er Wahlkampf der Berliner Republikaner einen öffentlichen Entrüstungssturm entfachten: "Erhöht die Zuwanderung die Kriminalität?" oder: "Was ist mit Ausländern, die sich nicht integrieren wollen?"
Es lohnt sich für eine Offene Stadt einzutreten, das aber konsequent. Eine Stadt ist nur dann offen, wenn die sozialen, kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Menschenrechte für alle gleich anerkannt werden.
Für Menschen, die keine Papiere haben, genauso wir für alle anderen. Um der Rechtlosigkeit von diesen Menschen etwas entgegen zu setzen, soll in Freiburg ein Rasthaus als Anlaufstelle für Illegalisierte entstehen. Am 24. September entscheidet der Gemeinderat darüber. Die offiziellen Stellen, Stadt und Regierungspräsidium, sind gegen das Rasthaus. Mit der Begründung, dass es angeblich rechtlich nicht zulässig sei, lehnen sie jede weitere Auseinandersetzung ab. Eine offene Stadt kann die Menschenrechte von Illegalisierten nicht ignorieren. Das Rasthaus abzulehnen ist keine Lösung.
Nach Schätzungen leben in der BRD ca. 500.000 bis 1 Million Menschen ohne Papiere unter schlimmsten Bedingungen, absolut rechtlos, und werden zu Hungerlöhnen ausgebeutet. Während Belgien, Frankreich, Italien, Griechenland, etc., hundertausende Menschen legalisiert haben, will die BRD Politik nichts davon wissen, und offensichtlich auch Freiburg nicht.
Die emanzipatorischen Forderungen von Minderheiten, MigrantInnen, Sanspapiers, etc. lauten hier im Dreieckland - Schweiz, Frankreich, Bundesrepublik - ähnlich. Das Südbadische Aktionsbündnis sucht den Zusammenschluss über die Grenzen hinweg und hat bereits im Juni mit 80 Menschenrechtsgruppen und Gewerkschaften aus der Nordwestschweiz und dem Elsaß mit ca. 1500 Menschen in Weil am Rhein / Basel demonstriert. Ein gemeinsames Dreiländer-Manifest ist unsere Grundlage.
Dort heisst es: " Wir lehnen die hier stattfindende soziale, politische, kulturelle und wirtschaftliche Ausgrenzung ab, die weitere Ungleichheit schafft. Unser Verständnis des Zusammenlebens beruht auf der Achtung und dem Respekt der Menschen und ihrer Würde. Wir lehnen politische Lösungsvorschläge, die Menschenrechte nicht achten, ab."
In diesem Sinne hoffen wir auf einen weiteren stärkeren Zusammenschluss!
Danke!
Südbadisches Aktionsbündnis gegen Abschiebungen
(SAGA)
September 2002
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Presseerklärung der KTS zu der Offenen Stadt Freiburg am 14.9.02
Vielen Dank Polizei
In Freiburg wurde heute von einem großen bürgerlichen Bündnis der NPD-Aufmarsch verhindert. Natürlich ist es erfreulich, dass die 80 angereisten Faschisten ihre geplante Demonstration nicht durchführen konnten. Statt dessen standen sie gute drei Stunden, umringt von einem massiven Polizeiaufgebot und den GegendemonstrantInnen, auf dem Bahnhofsvorplatz. Der DGB-Sprecher konnte gar nicht genug davon bekommen, sich bei der Polizei für die gute Zusammenarbeit zu bedanken. Diese Verbrüderung mit den "Kollegen" von der Polizei ist für uns Anlass, noch einmal einen kritischen Blick auf die Ereignisse dieses Tages zu werfen.
Neben dem breiten bürgerlichen Bündnis riefen auch mehrere linke Gruppen dazu auf, sich den Nazis entgegenzustellen. In ihren Aufrufen gingen sie über das "Wir halten unser schönes Freiburg sauber" des Bündnisses hinaus und griffen die deutschen Verhältnisse an, die den Nährboden für Faschisten bereiten: die diskriminierende Ausländergesetzgebung und die rassistische Hetze bürgerlicher Parteien.
Mobilisiert wurde von den linken Gruppen zum Colombipark. Als sich die ersten DemonstrantInnen dort einfanden begannen Gruppen von 4-5 Polizisten, während sie Taschenkontrollen durchführten, mit Sprüchen wie "Wir haben vier Fangkäfige, die wollen wir heute Abend voll haben!" zu provozieren. Wahrscheinlich wollten sie einen Anlass, um gegen die Versammelten vorzugehen, der ihnen auf Grund des ruhigen Verhaltens der DemonstrantInnen jedoch nicht gegeben wurde. "Na dann halt ohne Anlass," wird sich irgendein Einsatzleiter gedacht haben. Während auf dem Platz der alten Synagoge die DGB-Kundgebung begann, wurden die ca. 200 AntifaschistInnen, die sich im Park eingefunden hatten, mir nichts dir nichts von einem massiven Polizeiaufgebot umringt. Ohne Vorwarnung wurde unter Einsatz von Schlagstöcken der Kessel geschlossen.
Einigen gelang es, aus dem Kessel zu entkommen. Sie machten sich auf den Weg zur DGB-Kundgebung, um die dort Versammelten über die Geschehnisse zu informieren und Unterstützung gegen dieses unglaubliche Vorgehen der Polizei zu gewinnen. Die Reaktion darauf spricht Bände über die Solidarität, die von einem bürgerlichen Bündnis erwartet werden kann. An der Bühne wurden sie mit einem "Wir haben hier unser Programm und das ziehen wir durch." abgewimmelt. Als sie daraufhin versuchten, mit einem Megaphon auf ihr Anliegen hinzuweisen, und Leute dazu aufzurufen, zum Colombipark zu kommen, um die Eingekesselten zu unterstützen, wurde versucht, den Sprechern das Megaphon aus der Hand zu reißen und bekundet, dass die Anwesenden jetzt doch den Reden zuhören wollten - kurz, dass es ihnen völlig egal ist, was im Colombipark passiert.
Sie mussten es sich dann auch nicht ansehen. Rechtzeitig bevor die DGB-Demo losging, waren die Eingekesselten einzeln durchsucht, Personalien aufgenommen, Platzverweise für die Innenstadt erteilt und das Polizeiaufgebot abgezogen.
Diese Willkür der Staatsgewalt ist in den Augen des Bündnisses natürlich keine Gewalt. Scheinbar brauchte es erst einmal zweihundert Stadtverbote, um die Stadt so richtig schön offen zu machen und diejenigen zum Schweigen zu bringen, die sich nicht in die allgemeine Selbstbeweihräucherung des ach so toleranten Bündnisses einreihen wollten.
Vielen Dank Polizei!
Freiburg, 14.9.2002
KTS - Autonomes Zentrum
Email: plenum@kts-freiburg.org
Inhalt
"Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung, der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel"
(Schwur der Überlebenden des Konzentrationslagers von Buchenwald)
Für den 14. September mobilisiert die NPD bundesweit nach Freiburg, um hier in den Strassen ihre reaktionäre Gesinnung offensiv zu demonstrieren.
Dagegen hat sich ein Bündnis gebildet, dessen Breite wohl von manchen als beeindruckender Beweis für die Aktion "Offene Stadt Freiburg" gesehen wird.
Gerade in dieser Breite liegt aber auch seine Problematik: Es sind in diesem Bündnis auch Gruppierungen vertreten, deren Politik zumindest auf Bundesebene durchaus inhaltliche Berührungspunkte mit den Zielen der NPD hat.
Während die offen zur Schau gestellte NS-Ideologie von Parteien wie NPD oder der früheren FAP (die nach ihrem Verbot zur NPD schwenkte), vom bürgerlichen Mainstream der Neuen Mitte als rechtsextrem gebrandmarkt wird, haben sich ihre Positionen doch in abgeschwächter Form Zugang zu den Programmen der etablierten Parteien verschafft.
In keinem anderen Punkt wird dies so deutlich wie bei der Migrations- und Asylpolitik. Es ist bald 10 Jahre her, seit mit vereinten Kräften und den Stimmen von Union, FDP und SPD die historische Kastration des Asylrechts durchgesetzt wurde. Seitdem finden sich mehr als genügend Beispiele dafür, daß die "Das-Boot-ist-voll"-Mentalität längst kein Phänomen des äußersten rechten Rands mehr ist. Vielmehr sind solche Positionen im sogenannten "demokratischen Lager" angekommen und werden eifrig bemüht, unabhängig davon, ob die Regierung nun schwarz-gelb oder rot-grün ist.
Schon 1989 bemerkte Herbert Leuninger (heute Pro Asyl), als die CDU nach dem Wahlerfolg der Republikaner in Berlin, mit deutschtümelnden Parolen auf Stimmenjagd gegangen ist, in der Süddeutschen Zeitung: "Die Hatz auf Flüchtlinge ist damit eröffnet".
Hieß es noch in den 80er Jahren: "Ich warne vor Sammellagern... Sie bergen erheblichen sozialen Sprengstoff" (1), "Lager seien aus humanitären Gründen nicht vertretbar" (2), "Großlager würden zwangsläufig Züge von Konzentrationslagern aufweisen" (3), "...daß die zwangsläufige Unterbringung von Ausländern... auf engem Raum in solchen ,Sammel'-lagern zu erheblichen Schwierigkeiten und vor allen Dingen zu Störungen im Zusammenleben mit der deutschen Bevölkerung führen könne. Sie betonte die unvermeidlichen Konsequenzen eines längeren Lageraufenthalts..." (4), so hat sich nach der "Wiedervereinigung" und dem Erstarken eines deutschen Nationalismus in diesem Land ein menschenverachtender Grundkonsens gegenüber Teilen von Migrantinnen und Migranten, aber im Besonderen gegen Flüchtlinge in der politischen Diskussion und Parteienlandschaft durchgesetzt.
Inzwischen ist der Mißbrauch des Themas zu Wahlkampfzwecken an der Tagesordnung, und die Zumutung der Zuwanderung konnte der Mehrheitsbevölkerung letztendlich nur über einen Diskurs nahegebracht werden, in dem sich völkische und pragmatische Positionen gegenüberstanden. Unangetastet blieb dabei aber stets die Prämisse des sogenannten nationalen Wohlergehens.
Davon zeugt nicht zuletzt die Postwurfsendung der Bundesregierung, die Mitte August in allen Haushalten auftauchte. "Im deutschen Interesse" ist die Propagandaschrift betitelt, und mit erschreckender Selbstverständlichkeit werden die bekannten Schlagworte ins Feld geführt, als da wären: "Weniger Zuwanderung", "Vorrang für deutsche Arbeitnehmer", "Kein Mißbrauch des Asylrechts". Der ungehemmt vorgetragene Anpassungsdruck wird beschönigend als "Bessere Integration" sprich: Assimilation) angepriesen. Dabei werden genau wieder die Klischees bemüht, die noch im berüchtigten 1989er Wahlkampf der Berliner Republikaner einen öffentlichen Entrüstungssturm entfachten: "Erhöht die Zuwanderung die Kriminalität?" oder: "Was ist mit Ausländern, die sich nicht integrieren wollen?"
Über die Gruppe der MigrantInnen hinaus sind soziale Ausgrenzung und Entsolidarisierung Bestandteil der Tagespolitik und gesellschaftliche Realität, wie beispielsweise die Lage von Wohnungs- oder Arbeitslosen, bzw. SozialhilfeempfängerInnen zeigt.
Vor diesem Hintergrund gilt für den geplanten NPD-Aufmarsch: ein unüberhörbares NEIN zu Ideologie und Aktivitäten dieser Partei; ein NEIN auch zu einer (Regierungs-)Politik, die kontinuierlich eine Annäherung zu nationalistischen und rassistischen Positionen betreibt und verfestigt.
Für uns als Südbadisches Aktionsbündnis gegen Abschiebungen stehen solche Standpunkte im grundlegenden Gegensatz zu unseren Vorstellungen. Wir lehnen die hier stattfindende soziale, politische, kulturelle und wirtschaftliche Ausgrenzung ab, die weitere Ungleichheit schafft. Unser Verständnis des Zusammenlebens beruht auf der Achtung und dem Respekt der Menschen und ihrer Würde. Wir lehnen politische Lösungsvorschläge ab, die Menschenrechte nicht achten.
Ob ein Mensch hier oder anderswo unbehelligt und mit sämtlichen Rechten lebt, ist weder an ein Stück Papier noch an das Konstrukt seiner Nationalität gebunden. Das chauvinistische Integrieren "derer, die uns nutzen", ist letztendlich kaum weniger unerträglich wie die fundamentale Ablehnung von Migration aus offen rassistischer Überzeugung.
GEGEN-DEMONSTRATION
BAHNHOF
FREIBURG 12.00 UHR
Samstag den 14. Sept. 2002
Wir rufen alle in der Nordwestschweiz und dem Alsace auf,
die Gegendemonstration zu unterstützen!!
Kundgebung und Demonstration
Platz der alten Synagoge, Theatervorplatz
11.00 Uhr
ACHTUNG:
Örtliche wie zeitliche Änderungen möglich
Anmerkungen:
(1) Stuttgarter Zeitung vom 13. 2. 1980, Baum FDP
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(2) Schoeler im Bundestag, BT-Drucksache 8/3148
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(3) Hessischer Innenminister Gries, Hessischer Landtag Drucksache 9/345
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(4) Däubler-Gmelin am 14. 5. 1982, Deutscher Bundestag
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Südbadisches Aktionsbündnis gegen Abschiebungen
(SAGA)
Kronenstr. 16a, 79100 Freiburg,
jeden Freitag Treffen ab 20.00 Uhr,
Tel. (nur Freitag) 0761-74003
September 2002
Inhalt
Pressemitteilung zum "Aufstand der Anständigen"
Gegen den für den 14. September angekündigten Aufmarsch der neofaschistischen NPD scheint sich in Freiburg breiter Widerstand zu regen. So hat sich unter anderem ein Bündnis verschiedener politischer Gruppen gegründet. Wir finden es wichtig, dass Menschen gegen die NPD aktiv werden, halten einen einmaligen "antifaschistischen" Aktionismus jedoch für verkürzt, da er sich nur gegen den offen zur Schau gestellten Neofaschismus richtet, alltäglichen und staatlichen Rassismus, ein neues deutsches "Selbstbewusstsein" und Kapitalismus aber außer acht lässt - gesellschaftliche Verhältnisse also, die Neofaschismus erst ermöglichen.
Wir wehren uns gegen jeden "Aufstand der Anständigen", der nur städtische Imagepflege zum Ziel hat. Die jetzt von vielen Seiten betriebene Distanzierung von angeblich gewaltbereiten Gruppen und das Hochhalten des "friedlichen Protests" zeigt, dass es bei der bürgerlichen Ablehnung des NPD-Aufmarsches hauptsächlich um das Ansehen Freiburgs geht.
Anders als vom "Verfassungschutz-Fiffi" Herrn Doll unterstellt, wollen wir dieses Bündnis nicht unterwandern, sondern distanzieren uns von ihm. Die von Herrn Doll ausgelöste Aufregung um eine Beteiligung sogenannter Autonomer an den Protesten gegen die NPD können wir nicht nachvollziehen. Weder die Stadt Freiburg noch das Bündnis haben ein Demo-Monopol. Wir lassen uns unsere radikale Kritik an den bestehenden Verhältnissen von niemanden absprechen.
Unverständnis befiel uns angesichts der Tatsache, dass eine Gruppe wie Kuhle Wampe mit uns "keinesfalls in Verbindung gebracht werden" will (Mathias Krißmer). Eigentlich sollten doch die Spaltungsabsichten des Verfassungsschutzes insbesondere einer Gruppe, die sich selbst als links einschätzt, klar sein, und sie sollte nicht durch das Geschwätz des Verfassungsschutzes der Autorität vorauseilenden Gehorsam leisten. Ebensolchem irrationalen Gehorsam scheint sich Oberbürgermeister Salomon unterworfen zu haben, wenn er sich einerseits über den "Verfassungschutz-Fiffi" aufregt, anderseits aber angesichts dessen Gerede in Aktionismus verfällt und den Link zu den Internetseiten einer so "braven" Gruppe wie Kuhle Wampe löschen lässt. Wir hoffen, dass die Gruppe Jugend für M.u.T. mehr politische Standhaftigkeit beweist und sich nicht von der Stadt unter Druck setzen lässt.
Wer die NPD nur symbolisch, nicht aber direkt bekämpfen will, der und die meint es mit dem Antifaschismus nicht ernst.
Linke Gruppen aus Freiburg,
September 2002
Inhalt
npd - pläne zu fall bringen!
Am 14. September soll zum ersten mal seit Jahren eine Nazi-Demonstration
in Freiburg stattfinden. Zu der Demo, die unter dem Motto "Gegen Globalisierung und
Meinungsdiktatur" angemeldet ist, wird bundesweit und im Elsass sowie in der
Schweiz mobilisiert. Seit einiger Zeit mehren sich die Anzeichen, dass Faschisten
um die NPD und deren Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN) versuchen
auch im "linksalternativen" Freiburg Fuß zu fassen. Dies muss verhindert werden!
In den letzten 10 Jahren starben in Deutschland mehr als 100 Menschen in Folge
von rassistischer Gewalt. In vielen Städten, Stadtvierteln und Regionen in der BRD
gehört der Straßenterror der Faschos schon zum Alltag. Das Weltbild und die Kultur
- besonders von Jugendlichen (nach Umfragen lässt sich bei 30 % der Jugendlichen
in Ostdeutschland ein rechtsextremes Weltbild feststellen) - wird von den Rechten
dominiert. Wenn es den Nazis gelingen sollte hier in Freiburg weiter ihre
Organisierung voranzutreiben, dann heißt das, dass in Zukunft auch in Freiburg
Menschen anderer Hautfarbe Angst um ihr Leben haben müssen (Anfang der 90er Jahre
gab es in Freiburg und Umgebung bereits zahlreiche Angriffe auf Flüchtlinge und
deren Unterkünfte). Wenn Glatzen in der Stadt wieder zum Alltagsbild gehören und
es schaffen sollten in den Schulen und in den Vierteln zu agitieren, ihre rechte
Subkultur (Nazikonzerte, Kleidungsstiel etc.) zu verbreiten und sich auf den
Strassen breit machen, dann bedeutet dies für Nichtdeutsche, Linke, Behinderte und
alle, die nicht in das Bild des "guten, braven Deutschen" passen, eine konkrete
Bedrohung.
Die Stadt Freiburg will die NPD-Demo "nach allen Kräften" verhindern. Jedoch
zeigen Erfahrungen aus anderen Städten, dass es den Nazis in letzter Instanz
meistens gelingt ihre Aufmärsche (die NPD ist als Partei noch nicht verboten) vor
Gericht durchzusetzen. Auf die Justiz kann man sich nicht verlassen. Ein massives
Polizeiaufgebot soll dafür sorgen, dass die Faschisten ihren Aufmarsch durchführen
können. Es genügt nicht "good will" - Parolen abzugeben, sein Unbehagen zu zeigen
und fern ab der Aufmarschroute der Nazis zu demonstrieren. Das Gerede von der
"offenen Stadt" juckt die Nazis wenig! Sie wollen provozieren und mit ihren
Aufmärschen Aufmerksamkeit erregen, um damit neue Leute für sich zu rekrutieren,
die rechte Mobilisierung voran zu bringen und ihre Strukturen aufzubauen.
Dem kann man sich nur entgegenstellen, indem man den NPD-Aufmarsch zu einer
politischen Niederlage für die Nazis macht.
Die Antwort, die den Nazis in Freiburg entgegenschallen muss, soll so deutlich
sein, dass sich die NPD und andere Faschos nicht so schnell wieder in Freiburg
blicken lassen!
Deswegen rufen wir dazu auf den Aufmarsch mit einem kreativen, bunten, lauten und
entschlossenen Protest direkt entgegenzutreten und zu verhindern!
Egal wo.
Egal wann.
Die Nazis sollen keinen Schritt mit ihrem Aufmarsch voran kommen.
Kommt also alle zum Treffpunkt der NPD, nehmt Trillerpfeifen, faules Obst, Eier,
Plakate etc. mit und stellt euch den Nazis in den Weg!
Vorläufiger Termin:
Blockade
13h Hauptbahnhof
Achtet auf Änderungen wg. Ort/Zeit
Einmal demonstrieren reicht nicht...
Es wird trotz allem nicht bei diesem einen Versuch der Nazis bleiben auch in
Freiburg offen aufzutreten. Damit es in Freiburg bei der vergleichsweise geringen
Anzahl von Nazis bleibt, kommt es auch in Zukunft darauf an, dass jede/r in seinem
Alltag, in der Schule, bei der Arbeit und im Wohnviertel rassistischem und
faschistischem Denken und Handeln entgegentritt.
Ebenso wichtig ist es, die gesellschaftlichen Wurzeln des rechten Denkens und
Handelns zu bekämpfen. Rechtsradikalismus, Rechtspopulisten und Rassismus sind
keine Eintagsfliegen, sondern in ganz Europa auf dem Vormarsch - von Haider über
LePen bis hin zu Stoiber. Der rechte Mainstream, auf den die Nazis sich berufen
können, kommt aus der Mitte der Gesellschaft und findet sich tagtäglich in unserem
Alltag - auch hier in Freiburg.
Offene Stadt Freiburg?
Das Gerede des OB Salomon von der angeblichen "Offenen Stadt" ist - wenn man
genau hinschaut - bloßer Hohn und eine leere Floskel. Das Mulitkulti- und
Toleranzgelaber kann nicht darüber hinweg täuschen, dass auch in Freiburg
Ausländer und andere Menschen ausgegrenzt werden. Flüchtlinge werden unter
menschenunwürdigen Bedingungen in Heimen untergebracht und zu Menschen zweiter
Klasse gemacht: 40 Euro pro Monat Taschengeld sind allenfalls ein Almosen und
reichen nicht mal für das Notwendigste. Die "Lebensmittelgutscheine" lassen nur
eine Minimalgrundversorgung zu, sind stigmatisierend und berauben den Flüchtlingen
ihr Recht, sich selber zu versorgen. Die sog. "Residenzpflicht" hindert
Flüchtlinge daran den Landkreis zu verlassen und verletzt damit das Recht auf
Bewegungsfreiheit. Im Dreiländereck wird der Grenzraum zunehmend militarisiert.
Grenzkontrollen, Abschiebegefängnisse und Abschiebungen gehören zum Alltag. Auch
das ist Rassismus. Andere Bevölkerungsgruppen sind ebenfalls zunehmend von einer
Ausgrenzungspolitik betroffen: Junkies und Obdachlose werden aus der Innenstadt
und vom Bahnhof vertrieben. Letztes Jahr wurde das Schlaflager von obdachlosen
Jugendlichen unter der Dreisambrücke ohne Verhandlung von der Stadt geräumt.
Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger werden von der Stadt gezwungen zu
Dumpinglöhnen in miesen Jobs zu arbeiten (Kommunale Leitstelle für Arbeit/KOLA)
oder an sinn-losen sog. "Trainingsprogrammen" teilzunehmen - wer sich diesen
Maßnahmen verweigert, dem droht der Leistungsentzug.
Rassismus kommt aus der Mitte der Gesellschaft
Wenn Politiker behaupten, sie würden "gegen rechts" Flagge zeigen, dann ist das
oft heuchlerisch und verlogen. Der sog. "Aufstand der Anständigen" im Sommer 2000
war vor allem eine von oben verordnete Alibi-Veranstaltung, die aus der Angst
heraus losgetreten wurde, dass das zunehmende Problem der rassistischen Übergriffe
und Nazi-Organisierung dem "Image" und der Wirtschaft Deutschlands schade. Erst
kritische Stimmen aus dem Ausland und die Angst um den Wirtschaftsstandort haben
dazu geführt, dass man sich - 8 Jahre nach den Toten und Verletzten der
rassistischen Anschläge von Hoyerswerda, Rostock, Mölln und Solingen - mit dem
Rechtsradikalismus "befasst".
Dabei sind jene Politiker, die jetzt ihre "Abscheu" gegenüber Rechtsradikalismus
bekundet haben, gleichzeitig häufig die Stichwortgeber für Rassismus und soziale
Ausgrenzung. In Zeiten der Globalisierung des Kapitals zeigen der Kapitalismus und
seine Politiker ihr wahres Gesicht: Mit der neoliberalen Politik, die alle
gesellschaftlichen Belange dem Profit, dem Weltmarkt und den Aktienmärkten
unterordnet, wird eine Ideologie befördert, die das Vorrecht des Stärkeren oder
vermeintlich "Besseren" zum Ziel hat. So wird eine Gesellschaft geschaffen, in der
nur noch der "Kampf aller gegen alle" zählt.
Politiker aller Couleur hetzen gegen Ausländer ("Das Boot ist voll") und
Arbeitslose ("soziale Hängematte" und z.B. Schröders "Kein Recht auf Faulheit").
Illegale werden nur all zu gern auf Baustellen, in Gaststätten und als Putzkräfte
zu Hungerlöhnen ausgebeutet, während andererseits die Grenzen abgeschottet werden
und lauthals "Arbeit zuerst für Deutsche" verkündet wird. Erwerbslose und
Sozialhilfeempfänger werden diffamiert und sind immer härteren Verschärfungen
ausgesetzt (drohende Abschaffung der Arbeitslosenhilfe, Kürzung der
Hilfe-Bezugszeiten, verschärfte Zumutbarkeitsregelungen: u.a. soll ein lediger
Arbeitsloser dazu verpflichtet werden überall in Deutschland einen beliebigen Job
anzunehmen). Gleichzeitig wird von oben die Aushebelung der Arbeitsrechte und die
Einführung eines entrechteten Niedriglohnsektors (Kombi-Lohn; Arbeitszwang,
Leiharbeit) vorangetrieben. Der Sozialabbau - der von Rot-Grün unvermindert
fortgesetzt wurde - trifft immer weitere Bevölkerungsschichten (Lohnzurückhaltung
für die "Wettbewerbsfähigkeit des Standort Deutschlands", Rentenbetrug, Gesundheit
und Bildung nur noch für Reiche, überproportionale Steuerentlastung hoher
Einkommen). Auf der anderen Seite erzielen Unternehmen und Aktienmärkte immer
größere Gewinne. Mit dem Gerede vom "Standort Deutschland" im Zuge einer
hysterischen Globalisierungsdiskussion wird eine gigantische Umverteilungspolitik
legitimiert. Auf Kosten der Allgemeinheit werden Konzerne hofiert und
subventioniert damit der "Standort Deutschland" fit für den Wettbewerb gemacht
wird. Entgegen dem Globalisierungsmythos steigt der allgemeine Reichtum.
Allerdings profitieren nur einige wenige davon während der Rest leer ausgeht.
(1999 Betrug das private Geldvermögen der Deutschen 6749 Milliarden DM: Damit ist
es seit 1992 um mehr als die Hälfte gewachsen. Allerdings gehören 10% der
Bevölkerung mehr als die Hälfte der Vermögen). Die Einkommensverteilung klafft
immer stärker auseinander und soziale Ungerechtigkeit und Armut nehmen zu. So wird
eine Gesellschaft geschaffen, in der nur noch Leistungsideologie, persönliche
Gewinninteressen und Ellenbogen zählen. Nach unten treten und nach oben Buckeln
ist die Botschaft der Politik. Rassismus, Ausgrenzung und soziale Ungerechtigkeit
sind die Folge. Die Nazis profitieren von dieser Spaltung der Gesellschaft - für
"Modernisierungsverlierer" erscheint ihre Propaganda oft als die glaubwürdigere
Variante der Politik. Besonders Kleinbürger und Spießer, die sich ihr Leben lang
einer abstrusen Leistungs- und Arbeitsideologie unterworfen haben und alles für
Karriere und Eigenheimglück geopfert haben, sehen jetzt ihre Felle davon schwimmen
und reagieren auf die Wohlstandsverluste mit einem Wohlstandschauvinismus: Jeder,
der von dem eigenen Wohlstand ein Stück abhaben will oder ihn moralisch in Frage
stellt, soll ausgegrenzt, weggesperrt und abgeschoben werden. Kein Wunder das
Nazis und Rechtspopulisten (siehe Schill in Hamburg) mit ihren Parolen und Taten
für solche miesen Charaktere als die konsequentere "Lösung" erscheinen.
Gleichzeitig dienen die Rechtsradikalen immer auch als Speerspitze, um bisher
tabuisierte Themen in die Öffentlichkeit zu bringen. Die "Asylfrage",
Auslandseinsätze der Bundeswehr, "Gesundes Nationalbewusstsein", Kampf gegen
"Sozialschmarotzer", "Innere Sicherheit" - all dies waren Themen, die von den
Nazis in den 80er Jahren aufgeworfen wurden. Mittlerweile sind sie (siehe die
Abschaffung des Asylrechts, Schilys Sicherheitspaket, Auslandseinsätze der
Bundeswehr, Festung Europa etc.) durchweg in der Mitte der Gesellschaft
angekommen.
Nazis und die "bürgerliche Politik" bedingen sich beidseitig. Sie sind zwei
Seiten der gleichen Medaille. Solange es den Kapitalismus gibt, wird es auch
rechtsradikale Ideologien geben.
Machen wir einen Anfang und wehren uns gegen diese Politik: Den NPD-Aufmarsch
verhindern! Fallt nicht auf das Gerede vom Gemeinderat über die "Offene Stadt" und
seine Alibi-Veranstaltung herein! Kämpfen wir gegen den Rassismus und die soziale
Ausgrenzung - egal ob von Seiten der Nazis oder der "neuen Mitte"!
Gegen den Straßenterror der Nazis, Rechtspopulismus
und den Rassismus der Mitte!
Stoppt soziale Ausgrenzung, neoliberale Umverteilungspolitik und Rassismus!
Keine NPD, kein Stoiber, kein Schröder!
El Afitna,
August 2002
Inhalt
Deutschland den Krieg erklären
Gegen die NPD und deutschnationalen Antifaschismus!
Die momentane Situation
Für den 14. September hat die NPD in Freiburg einen Aufmarsch unter dem
Motto "Gegen Globalisierung und Meinungsdiktatur - für ein freies
Deutschland und Europa" angekündigt. Treffpunkt soll vor dem Intercity-Hotel
am Bahnhof sein. Der NPD geht es vor allem darum, unter ihren Anhängern das
Zusammengehörigkeitsgefühl zu stärken, die örtlichen Nazi-Szenen zu
unterstützen und neue Mitglieder zu gewinnen. Demonstrationen sollen für
sogenannte "desorientierte Jugendliche" und Mitläufer der lokalen
Gruppierungen Orte des rechten "coming-outs" sein, sozusagen die
Eintrittskarte in organisierte Strukturen.
Diese Strukturen um die NPD und
deren Jugendorganisation, den Jungen Nationaldemokraten, wurden in und um
Freiburg in den letzten Jahren ausgebaut und gefestigt. Der Versuch, eine
rechte Szene auch wieder in Freiburg zu etablieren, zeigte sich vor allem im
letzten Jahr ganz deutlich, als es zu mehreren Übergriffen diverser
Stiefelnazis kam. Aus diesen Gründen wurde schon seit längerem vermutet,
dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis auch in Freiburg Nazis versuchen
werden zu marschieren. Damit wird auch in Freiburg Realität, womit schon
lange ein großer Teil Deutschlands immer wieder konfrontiert wird.
Reaktionen in Freiburg
So gut wie alle politischen Kräfte in Freiburg fordern ein entschlossenes
und wie immer wieder betont wird, breites Bündnis gegen die NPD. Was bringt
sie ungeachtet aller bestehenden Unterschiede und Feindschaften zu diesem
Konzept der Einheitsfront?
Alle im Stadtrat vertretenen Parteien rufen zu einem Straßenfest gegen
die NPD auf, es hat sich zudem ein Bündnis von MLPD über DGB und Grüne bis zur
FDP gebildet. Dieses Bündnis will die NPD vor allem deswegen nicht
marschieren lassen, weil sie das tut, was alle bürgerlichen Parteien auch
machen, nämlich "Menschen in nützliche und unnütze [zu] unterteilen" (Aufruf
des Bündnisses); erinnert sei nur an die restriktiven Aufenthaltsregelungen
und an die Asyl- und Abschiebepraxis.
Alle FreiburgerInnen sollen also "ZIVILCOURAGE ZEIGEN" und werden dazu
aufgerufen, "sich laut, bunt und kreativ den Nazis gewaltfrei und friedlich
in den Weg zu stellen." Der von Bismarck geprägte Ausdruck "Zivilcourage"
wird hier ganz in seinem Sinne verwandt, der gerade nicht das Handeln als
selbstständig urteilendes Individuum forderte, sondern den vorauseilenden
Gehorsam des Staatsbürgers zum Erhalt des Gemeinwesens. In diesen
Zusammenhang gehört auch die Gewaltfreiheit: Denn so entschlossen soll der
Antifaschismus dann doch nicht sein, dass er sich sogar Knüppel schwingenden
Sondereinheiten der Polizei entgegenstellt und eine unkontrollierbare
Eigendynamik erhält. Zivilcourage im Sinne von eigenständigem Handeln gegen
Widerstände und unter Inkaufnahme von Nachteilen wäre es beispielsweise, bei
rassistischen Angriffen in der Stadtbahn einzugreifen oder Flüchtlingen vor
der Verfolgung durch die deutsche Staatsgewalt Unterschlupf zu gewähren, der
konformistische Protest gegen die NPD-Demo hat mit Zivilcourage im positiven
Sinne nicht das geringste zu tun.
In den StadtNachrichten vom 26. Juli
begründen die im Gemeinderat vertretenen Parteien und Gruppierungen ihre Ablehnung
eines NPD-Aufmarschs. Je weiter man nach rechts kommt, desto klarer wird, worum es
geht: Die SPD hebt hervor, dass das multikulturelle Klima der Uni-Stadt Freiburg
nützt, wodurch sie offenbar als nichtdeutsch definierten Menschen aufgrund ihrer
Verwendbarkeit ein Existenzrecht einräumt. Außerdem glaubt sie, die NPD der
geistigen Brandstiftung bezichtigen zu können, obwohl es doch erst die vor
allem von SPD und CDU in den Jahren nach der Wiedervereinigung betriebene
Hetze gegen als fremd bestimmte Menschengruppen war, die den neuerlichen
Aufschwung der NPD mit ermöglicht hat. Die Erklärungen von FDP und CDU
machen deutlich, dass es nicht um die Nazis oder gar deren Opfer geht,
sondern darum, "ein unmissverständliches Zeichen gegen diese Form des
Extremismus zu setzen." Die Nazis sind also nur in der momentanen Situation
der Störenfried, der durchaus auch durch aufmüpfige AsylbewerberInnen oder
Linksradikale, die es z.B. nicht hinnehmen wollen, dass weltweit täglich
25.000 Menschen verhungern, ersetzt werden könnte. So kommt man kaum umhin
von einer modernen, postfaschistischen Volksgemeinschaft zu sprechen, in der
gemeinsam ein Schädling ausgeschlossen wird.
Deutlich wurde diese irrationale Dynamik etwa an den wahnhaften Momenten
der Kampagnen gegen Kampfhunde und Kinderschänder. Um die tatsächlichen Probleme
ging es dabei nicht, sondern darum, eine autoritäre Gemeinschaft
herzustellen, und wehe dem, der dem kollektiven Strafbedürfnis mit
sachlichen Argumenten und Ursachenforschung in die Quere kommt. Im Sommer
2000 richtete sich ein solcher "Aufstand der Anständigen" ironischerweise
gegen Neonazis. Die Ersetzbarkeit der Feindbilder und die Beliebigkeit des
Anlasses erkennt man auch daran, dass das öffentliche Interesse ebenso
plötzlich nachlässt, wie es aufgekommen ist. Wie beliebig die Empörung der
"offenen Stadt" ist, kann auch an der weitgehend unkommentiert hingenommenen
Vertreibung junger Obdachloser im letzten Sommer, die unter den
Dreisambrücken campierten oder den kaum nennenswerten Reaktionen auf den
Brand im Flüchtlingsheim an der Bissierstraße festgestellt werden. Und dass
die Grünen auch hier keine Ausnahme bilden, ist beispielsweise daran
erkennbar, dass auch unter einem grünen OB bei den Verhandlungen um ein
Rasthaus für illegalisierte Flüchtlinge keine Fortschritte bekannt wurden.
Die deutsche Entwicklung nach der Wiedervereinigung
Inhaltlich weisen die großen Parteien auch beträchtliche Überschneidungen
mit der NPD auf, so hat z. B. schon jeder Kanzlerkandidat von CDU, SPD oder
FDP mit der bis vor gut 10 Jahren Nazis vorbehaltenen Parole "Ich bin stolz,
Deutscher zu sein" öffentlich betont, dass Deutsche besser als andere
Menschen sind. Denn auf einen bedeutungslosen Sachverhalt könnte man ja wohl
kaum stolz sein.
Die Diskussionen um die Wehrmachtsausstellung, die Verkehrung von Opfern
und Tätern bei den Debatten um die sogenannte "Entschädigung" der
ZwangsarbeiterInnen, Möllemanns Antisemitismus, aber auch das Treffen des
Bundeskanzlers Schröder mit dem Antisemiten Walser am Jahrestag der
Kapitulation des "Dritten Reichs", stellen keinen Widerspruch zum
antifaschistischen Gebaren der Berliner Republik dar. Denn die Überwachung
und Repression gegen militante Naziskinstrukturen, deren Übergänge in die
NPD fließend sind, erfolgt, weil sie ein Ärgernis im neuen Deutschland sind:
Politisch halten sie -zumindest im Ausland- die Erinnerung an den
Nationalsozialismus wach und indem sie anders aussehende Menschen
verprügeln, schaden sie dem Standort, da so immer weniger
ArbeitsmigrantInnen willens sind, nach Deutschland zu kommen.
Die Behandlung rechtsradikaler Gruppen war nicht immer so: War die
rechte Gewalt Anfang der 90er noch ein nützlicher Vorwand, um die faktische
Abschaffung des Asylrechts durchzuführen, so ist die Notwendigkeit von
Einwanderungsbeschränkungen heute Konsens. Nazis sind derzeit unerwünscht.
Auch das ideologische und ökonomische Programm der NPD ist überhaupt nicht
zeitgemäß. Wesentlich eleganter und effizienter wußte sich dagegen Rot-Grün
von den Einschränkungen der Vergangenheit zu befreien, indem Auschwitz ins
Kosovo gelogen wurde und dadurch ein deutscher Angriffskrieg legitimiert
wurde. Die NPD hätte es im Übrigen auch nie geschafft, was spätestens mit
der Möllemann-Affäre wieder möglich wurde: Den Juden ins Gesicht zu sagen,
was man über sie denkt. Weil der Nationalismus und der Antifaschismus des
Deutschlands im Jahre 2002 zusammengehören, wird auch immer nur vom Phänomen
"Nazis", aber nie von "Deutschland" oder vom "Kapitalismus" gesprochen, wenn
Neonazis thematisiert werden. Denn es geht um die Erhaltung der bestehenden
Gesellschaftsformation und keinesfalls darum "alle Verhältnisse Umzuwerfen
in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein
verächtliches Wesen ist". (Marx)
Antisemitismus und Rassismus als Resultate des Kapitalismus
Dass zwischen der bestehenden Gesellschaftsordnung und sowohl
Antisemitismus als auch Rassismus ein Zusammenhang bestehen könnte, wird nicht
angesprochen, obwohl dies der Fall ist. Antisemitismus personalisiert den
Hass auf die moderne, kapitalistische Zivilisation. Kapitalismus ist das
gesellschaftliche Verhältnis, worin jede wirtschaftliche Produktion in
erster Linie auf den Gewinn von Mehrwert abzielt, das Produkt wird also für
den Tausch produziert. Die praktische Seite, der Gebrauchswert, der zur
Befriedigung von Bedürfnissen dient, stellt nur ein Anhängsel des
Tauschwerts dar. Der Tausch ist somit das Prinzip, das die kapitalistische
Gesellschaft antreibt, obwohl er materiell nicht zu fassen ist. Sichtbar
wird er allein dort, wo der konkrete Gebrauchswert fehlt, z.B. an Münzen, an
Banken, aber auch an Institutionen wie dem Internationalen Währungsfond.
Irrtümlicherweise wird sehr oft aus dem Umstand, dass nur hier das
Tauschverhältnis sichtbar wird, gefolgert, dass das Geld die Ursache des
Kapitalismus ist - obwohl es doch nur das materiell gewordene
Austauschmittel darstellt. Die Zirkulationssphäre wird nicht als einer von
vielen Bereichen gesehen, die untrennbar miteinander verbunden sind, sondern
als die Wurzel allen Übels. Zudem besteht psychologisch das Bedürfnis
danach, diese anonymen Kräfte, die durch die Menschen hindurch wirken, einer
konkret fassbaren Gruppe von Menschen zuzuschreiben. Das ist die
Funktionsweise von Antisemitismus: Unabhängig von den Handlungen jüdischer
Menschen werden sie im kranken Bewusstsein als Mensch gewordener
Kapitalismus angesehen.
Antisemitismus hat aber auch noch eine andere Ursache: Da der
Kapitalismus in Nationalstaaten organisiert ist, haben alle Staatsbürger das
Bedürfnis durch mehr als nur den Zufall der Geburt in diesem Zusammenhang gelandet
zu sein. Sie wollen zum Volk werden, aber diese Einheit der vollkommen
verschiedenen Menschen kann nur durch Ausschluss erzielt werden: Weil den
Juden über fast 2000 Jahre - zumeist aus religiösen Gründen - die
Integration in die Gesellschaft verweigert wurde, haben sie in der Moderne
und vor allem in Deutschland die Rolle des Fremden bekommen, über den die
eigene Identität festgelegt wird.
In der Bundesrepublik kann jedoch auch noch eine andere, spezifisch
deutsche Form des Antisemitismus beobachtet werden: Aus einem schlechten Gewissen
heraus besteht das Bedürfnis, Juden und auch Israel als jüdischem Staat
selbst Untaten zu unterstellen, um die eigenen zu relativieren. Denn die
Vernichtung der europäischen Juden war der Ausgangspunkt, auf dem dann die
demokratische Bundesrepublik errichtet wurde. In diesem Fall werden die
Juden dafür gehasst, dass sie einer Existenz als normaler Nation
entgegenstehen: Im antisemitischen Bewusstsein werden so die Deutschen durch
Auschwitz zu den Opfern der Juden.
Im Gegensatz zum Antisemitismus wird im Rassismus nicht neidisch nach
oben geblickt, sondern die als fremd vorgestellten Menschen werden von Anfang an
als minderwertig betrachtet. So haben die Objekte im Bewusstsein der
RassistIn aber auch keine so zentrale Rolle inne und werden zwar als äußerst
störend empfunden, aber von ihrer Vernichtung soll nicht das Glück der Welt
abhängen wie dies im Judenhass der Fall ist. In der kapitalistischen
Konkurrenz braucht der Staatsbürger irgendein Kriterium, das ihn besser
macht als den Menschen aus einem anderen Land, der ebenfalls wie er über
Arbeitskraft verfügt, auf die es allein ankommt. Deswegen werden auf diese
Gruppe die eigenen Wünsche projiziert, die dem Überleben entgegenstehen
könnten, wenn er von seinem disziplinierten Verhalten abweichen und in den
Naturzustand zurückfallen würde: So etwa Faulheit, Triebhaftigkeit,
Irrationalität, aber auch Kriminalität. Diese Denkform zielt nicht notwendig
auf Vernichtung, sondern vor allem auf Ausschluss.
Zwei Arten des Engagements für Deutschland
Selbst wenn der NPD-Aufmarsch durch eine riesige Bürgerversammlung
verhindert werden sollte, könnte dies nicht als Sieg fortschrittlicher
Kräfte angesehen werden, sondern dies dient der Stärkung des neuen
selbstbewussten Deutschland, in diesem Fall der Öko-Hauptstadt. Eine
NPD-Demo in Emmendingen würde von den meisten Freiburger
Anti-NPD-Demo-AktivistInnen vermutlich außer mit einem ablehnenden
Kopfschütteln kaum beachtet werden. Wer es ernst damit meint, Rassismus und
auch die Voraussetzungen davon anzugreifen, muss an diesem Tag beide
Varianten eines kapitalistischen Deutschlands, die faschistische der NPD und
die bürgerlich demokratische des Bündnisses ins Visier nehmen. Beide Modelle
stehen nämlich einer Welt der freien Menschen, in der es nicht auf
Hautfarbe, Staatszugehörigkeit oder Geschlecht ankommt und die frei von
Ausbeutung und anderer Unterdrückung ist, radikal entgegen, weil dies nur
durch die Abschaffung von Staat und Kapital geschehen kann.
Mindestens genauso wichtig wie Nazis zu bekämpfen ist es derzeit, falsche
Denkstrukturen zu kritisieren. Wer subjektiv für eine bessere Welt kämpfen
will, kann trotzdem objektiv die schlechte alte erhalten und stärken. Die
Beteiligung am Aufstand der Anständigen FreiburgerInnen ist dafür ein gutes
schlechtes Beispiel. Dieser Text ist auch als kritische Intervention an
diejenigen gedacht, die sich aus tatsächlicher Empörung über die mörderische
Ideologie und Praxis der NPD in ein Bündnis eingereiht haben. Dass deutsche
Gewerkschaften das tun, was ihre Funktion ist, nämlich jeden Widerstand
autoritär zu verwalten und in systemkonforme Bahnen zu lenken, ist nicht
weiter bemerkenswert. Aber dass auch einige linke und antirassistische
Gruppen angesichts einer angekündigten NPD-Demo ihr Wissen um den
demokratisch-kapitalistischen Normalzustand über Bord werfen, ist nicht nur
verwunderlich, sondern auch ärgerlich. Jener skandalöse Normalzustand, der
für viele Menschen der permanente Ausnahmezustand ist, wird in dem
Bündnissaufruf mit keinem Wort erwähnt und geradezu peinlich mit
ehrfürchtigem Zitieren irgendwelcher Stadtratsbeschlüsse verklärt.
Die Notwendigkeit radikaler Kritik und theoretischer Reflexion zeigt sich
auch angesichts des Mottos der NPD-Demo. Die NPD ist für ein "Europa der
freien Völker", die "nicht entarten [sollen] zu dem, was man Weltbürger
nennt." (www.npd.net) Die NPD hat anlässlich des Bush-Besuchs einfach auf
Seiten der "linken" KriegsgegnerInnen verwiesen, betreibt Websites namens
www.gegen-globalisierung.de und www.gegen-krieg.de, sie hat einen Link zum
Antiglobalisierungsforum der Frankfurter Rundschau und bezieht sich positiv
auf die Proteste von Genua, um nur einige Beispiele für die rechte
Querfrontstrategie zu nennen, wodurch sie mit populären Themen
gesellschaftlich relevant werden will. Wer aber glaubt, sie würde dies nur
aus agitatorischen Motiven tun, übersieht, dass die NPD sich durchaus nicht
zufällig auf einige in weiten Teilen der "Linken" verbreitete Argumente
beziehen kann. Man nehme beispielsweise die Erklärung der sozialen
Bewegungen auf dem letztjährigen World Social Forum in Porto Alegre. In
diesem traurigen Dokument wird Globalisierung mit "Spekulation",
"internationaler Wucherei", "Arroganz" beschrieben. Mit Begriffen also, die
nicht nur verkürzt sind, sondern auch zumindest potentiell antisemitisch.
Den "Interessen des Kapitals" werden die "Bedürfnisse[n] und Erwartungen der
Völker", die "Lebensbedingungen der Völker", die "fundamentalen
Menschenrechte [der Völker]" usw. entgegengehalten. Statt die Rechte des
Individuums gegen Zwangskollektive, also auch gegen "traditionelle
Gesellschafts- und Familienordnungen zu stärken, wird völlig unkritisch mit
einer Kategorie wie "Volk" argumentiert und diese dadurch noch bestätigt und
als scheinbar "natürlich" dargestellt.
Globalisierung ist ein Vorgang, der neben
brutalster Herrschaft und Ausbeutung eben auch die Möglichkeit bedeutet, die
Menschheit als "Gattung" (Marx), als freie Vereinigung von Individuen herzustellen,
in dem man die falsche Einheit der Menschheit revolutionär überwindet, die der
Weltmarkt schon heute ist. Anstatt sich aber positiv auf diese revolutionäre
Möglichkeit zu beziehen, die auch aus der (oft schmerzhaften) Zerstörung von
bornierten Identitäten entspringt, sorgt man sich um die "Identität der
Völker", die bezeichnenderweise in ein einem Atemzug mit "Wasser, Erde,
Nahrung, Wald, Saatgut" genannt wird.
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass
einer "Linken", der bei der erstbesten Gelegenheit jegliches kritische
Potential zugunsten von "Praxis" und von "breiten Bündnissen" abhanden
kommt, auch weiterhin mit solch "zersetzender" Ideologiekritik die Laune
verdorben werden muss - nicht als Selbstzweck, sondern um gemeinsam die
Waffen der Kritik zu schärfen, in der Hoffnung, damit nicht nur auf taube
Ohren zu stoßen.
Also was tun?
Aber nur weil die bürgerlichen Kräfte kein sonderlich erfreuliches
Weltbild haben, macht dies die NPD nicht besser. Und da der Antifaschismus der
Zivilgesellschaft wie auf Knopfdruck mit dem "Aufstand der Anständigen"
angeschaltet wurde, ist davon auszugehen, dass er zum Ziel haben wird, sich
als "offene Stadt" wichtig zu machen und nicht in erster Linie die
Nationaldemokraten anzugreifen. Deshalb ist es notwendig, sich den
Nazimarschierern direkt entgegenzustellen - und zwar mit allen Mitteln, die
uns zur Verfügung stehen. Das ist das Gebot der Solidarität mit den Opfern
der Faschisten!
Lasst euch nicht von Bürgern, Stadt, Polizei und Nazis diktieren, was
ihr zu tun habt!
Linke Gruppen aus Freiburg,
August 2002
Inhalt
Was tun gegen den geplanten NPD-Aufmarsch am 14. September 2002 in Freiburg?
Neofaschisten der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) haben
für den 14. September 2002 einen Aufmarsch unter dem Motto "Gegen Globalisierung
und Meinungsdiktatur" in Freiburg angekündigt. Treffpunkt soll 13 Uhr am
Hauptbahnhof sein. Es ist skandalös, dass Neofaschisten immer wieder
nationalistische Demonstrationen abhalten können. Ein mögliches, derzeit
aber zweifelhaftes Verbot der NPD wird derartige Demonstrationen immerhin
erschweren. Darüber hinaus ist von einem Verbot der NPD nicht viel zu
erwarten. Es wird nicht der entscheidende Schlag gegen Rassismus und
Nationalismus in Deutschland sein, auch wenn die Bundesregierung diesen
Schritt noch so selbstgefällig als Sieg der Demokratie über die bösen
Überreste der Barbarei feiern mag. Die neofaschistischen Gruppen in
Deutschland sind dezentral und unbürokratisch organisiert, so dass sie auf
Verbote einzelner Organisationen sehr schnell und flexibel reagieren können.
Was also tun? Zuerst einmal der Auffassung begegnen, die NPD sei das
radikal andere böse im ansonsten zivilgesellschaftlichen politischen Spektrum in
Deutschland. Und zum zweiten derjenigen Auffassung, ihre Anhänger seien
arme, arbeitslose Ausgegrenzte. Die NPD ist eine nationalistische und
rassistische Partei und als solche Teil des politischen Netzwerkes der
Neofaschisten. Ihr Rassismus unterscheidet sich nicht qualitativ, sondern
lediglich graduell vom sonstigen Rassismus in Deutschland. Allerdings wir er
deutlich militanter von ihren Anhängern vertreten.
Was ist Rassismus? Rassismus ist eine gesellschaftliche Praxis von
Individuen oder Institutionen, in Wort und Tat Menschengruppen wegen ihrer
Herkunft oder ihrer Hautfarbe zu diskriminieren (1). In Deutschland
verbreitete rassistische Praktiken sind beispielsweise: Beleidigungen von
Farbigen auf der Strasse oder in den öffentlichen Verkehrsmitteln;
kulturelle Zuschreibungen wie "Die Afrikaner haben die Musik im Blut"; die
Weigerung vieler Vermieter, an Farbige zu vermieten; die Weigerung vieler
Arbeitgeber, Migranten einzustellen; körperliche Angriffe (bei denen nach
Recherchen der "Frankfurter Rundschau" und des Berliner "Tagesspiegel" in
Deutschland seit 1990 bislang mindestens 35 Menschen ermordet worden sind) (2);
die Passgesetze und die Ausländergesetze des Staates (sie sortieren die
Menschen überhaupt erst offiziell nach Deutschen und Ausländern); nicht
zuletzt: die unzähligen Schikanen in den staatlichen oder städtischen
Behörden (z.B. fehlende Dolmetscher für die im üblichen grässlichen
Bürokratendeutsch verfassten Formulare). Diese Liste ließe sich beliebig aus
dem Erfahrungsschatz von rassistisch Diskriminierten erweitern. Es gibt
Rassismus also im wesentlichen auf zwei Ebenen: zum einen den institutionell
durch den Staat produzierten und reproduzierten Rassismus, zum anderen
rassistische Überzeugungen und Handlungen einzelner Menschen.
Das Bild vom irregeleiteten und sozial oder psychisch verwahrlosten
neofaschistischen Skinhead ist eine Medienfiktion. Soziologische Studien
haben ergeben, dass radikale Rechte - die immer radikale Rassisten sind - in
Deutschland aus allen sozialen Schichten kommen (3). Es gibt keinen
Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und neofaschistischer politischer
Orientierung. Wer humanistisch denkt und empfindet, wird auch nach zwanzig
Jahren ohne Job wahrscheinlich an der kapitalistischen Wirtschaftsweise und
am Staat verzweifeln, aber nicht auf die Idee kommen, dafür Farbige zu
hassen, die nun wirklich nichts für sein Elend können. Und wer sich mit
seinem Deutschsein identifiziert, kann zwanzigtausend Mark im Monat
verdienen, ohne dass ihn das davon abhält, Migranten für Sozialschmarotzer
zu halten, die ihm das letzte Haar vom Kopf fressen. Rassismus hat nicht mit
Farbigen oder Migranten oder Ausländern zu tun, sie sind nur dessen erste
Opfer.
Es gibt kaum einen gesellschaftlichen Bereich, in dem rassistische
Praktiken nicht üblich sind. Sei es in den Betrieben, wo Farbige fast immer
schlechter bezahlt werden als weiße Deutsche, die weniger qualifizierte Arbeiten
machen müssen und den Beschimpfungen und Ausgrenzungen der weißen deutschen
Arbeiter oder Angestellten ausgesetzt sind. Seien es die Universitäten, an
denen es - abgesehen von ein paar Sprachlehrern - kaum festangestellte
nichtdeutsche Dozenten gibt und zu denen die ausländischen Studierenden nur
nach sehr restriktiven Verfahren zugelassen werden. Sei es der öffentliche
Raum, in dem die Polizei in immer größerem Umfang Personenkontrollen
farbiger Menschen durchführt - zu beobachten z.B. bei jeder Zugfahrt nach
Basel. Weil in Deutschland derart häufig rassistisch ausgegrenzt wird, gibt
es auch zahllose Möglichkeiten, sich individuell und kollektiv, situativ und
politisch organisiert, am Arbeitsplatz, im Wohnquartier oder anderswo gegen
Rassismus zu engagieren. Ein sinnvolles und wichtiges antirassistisches
Engagement weißer Deutscher wäre beispielsweise, sich dafür einzusetzen,
dass in allen gesellschaftlichen Bereichen gleiche Rechte für alle in
Deutschland lebende Menschen gelten.
Die Demonstrationen der Neofaschisten sind besonders brutale rassistische
Praktiken im öffentlichen Raum. Die martialische Form des Auftretens:
geschlossene Formation, das übliche Outfit der Rechten: Glatze, Bomberjacke,
klobige Stiefel, dazu die deutschnationalen Skandierungen - all dies
verbreitet Angst unter den Schwächeren der Gesellschaft, gerade unter den
Farbigen und Migranten, drängt sie aus dem öffentlichen Raum der Straße. Die
in rechten Gruppen organisierten Neofaschisten unterscheiden sich insofern
von Schreibtisch- und Stammtischrassisten, als dass sie über administrative
Schikanen und Angriffe gegen Farbige und Migranten hinaus, diese auch
körperlich attackieren. Dabei verletzen sie die Opfer häufig schwer oder
töten sie. Deswegen erfordert das gewalttätige Auftreten de Neofaschisten im
öffentlichen Raum eine besonders entschiedene öffentliche Gegenreaktion.
Es ist feiger Liberalismus, radikalen Rassisten mit Verweis auf die
Meinungsfreiheit das Recht auf nationalistische Demonstrationen
zuzugestehen. Ein Verbot durch den Staat ist Ausweichen vor der
Auseinandersetzung. Wir sind der Ansicht, dass alle humanistisch denkenden
Menschen den öffentlichen Auftritten der Neofaschisten im präzisen Sinn des
Wortes: entgegentreten müssen. Die rassistische Gewalt der Neofaschisten in
Deutschland ist anhaltend und immer wieder tödlich (extreme Gewalt ist ein
rein männliches Phänomen, sie ist von rechten Frauen bislang nicht
ausgeführt worden). Angesichts dessen denken wir, dass es zu wenig ist,
gegen den Aufmarsch der NPD am 14. September ein frisches, fröhliches
Freiburg zu organisieren, wie es der DGB und zahlreiche andere Freiburger
Gruppen beabsichtigen. Go-Cart Rennen auf dem Friedrichring und Döneressen
gegen Rechts mögen zwar bei gutem Wetter geeignet sein, das tolle eigene
friedfertige Gemüt spazieren zu führen, taugen aber nichts im Kampf gegen
Rassismus und Neofaschismus. Nicht alles ist politisch.
Grundsätzlich sind die unzähligen rassistischen Übergriffe und Morde in
Deutschland nur möglich, weil es einen rassistischen Grundkonsens in den
Parteien und in der Bevölkerung gibt. Man ist sich einig, dass "zu viele
Ausländer in Deutschland" leben und dass die "uns die Arbeit wegnehmen",
dass sie "hingehen sollen, wo der Pfeffer wächst". Wir verurteilen die
verbreitete rassistische Einstellung in Deutschland. Wir fordern die
politisch Zaghaften, Passiven und Gleichgültigen auf, sich aktiv gegen den
Rassismus an den Orten seines Erscheinens zu engagieren. Wir unterstützen
die Initiative Matthias Deutschmanns, die NPD-Demo zu verhindern, statt ihr
ein multikuturelles Sahnehäubchen aufzusetzen. Deswegen rufen wir alle
Freiburger auf, am 14. September ab morgens den Bahnhof zu blockieren, so
dass die Neofaschisten nicht losmarschieren können. Und sich über diesen Tag
hinaus für eine Gesellschaftsordnung zu engagieren, in der alle Menschen
ohne Angst verschieden sein können.
Anmerkungen:
(1) Eine sehr gute erste Lektüre zum Thema ist: Detlev Claussen, Was heißt
Rassismus?, Darmstadt 1994.
zurück
(2) Dies sind die im engeren Sinne rassistischen Morde. Hinzu kommen die
Morde an Linken, Obdachlosen und anderen - insgesamt ermordeten die Rechten
in den vergangenen zehn Jahren mindestens 98 Menschen. Siehe: "Todesopfer
rechter Gewalt seit der Vereinigung - eine Bilanz", Sonderdruck "Der
Tagesspiegel", Berlin, Januar 2001.
Der Sonderdruck ist im Netz bei der Frankfurter Rundschau spezi@l unter dem
Titel Was tun gegen rechts? abrufbar.
zurück
(3) Siehe z.B.: Bernd Wagner, "Bei Erichs Enkeln gehört "rechts" zum
Zeitgeist", in: Frankfurter Rundschau, 6. März 1999, S. 22. Bernd Wagner,
"Rechtsextremismus und völkische Orientierung - Zur gegenwärtigen Lage in
den neuen Bundesländern", in: Wolfgang Benz, Jahrbuch für
Antisemitismusforschung, Band 9, Frankfurt a. M. / New York 2000.
zurück
Antirassitische Gruppe Freiburg,
August 2002
Inhalt
Nazis morden - Rotgrün schiebt ab
Auch der Ausländer, der vielleicht morgen abgeschoben wird, soll sich heute noch auf unseren Straßen sicher fühlen können. (Günter Beckstein, CSU).
Mit diesen Worten macht der Innenminister Bayerns klar, was den Kern der Rechtsextremismusdebatte ausmacht, die seit dem letzten Sommerloch durch die bundesweiten Medien geistert. In trauter Eintracht verurteilen die Industrie, Rotgrün und Teile der Union den gewalttätigen Rechtsextremismus hierzulande.
Doch nach all dem Medienrummel ist zumindest klar geworden, worauf mensch hinaus will: Das Bild eines sauberen Deutschlands soll wiederhergestellt werden. Wie die Realität aussieht, zeigt aber beispielsweise die Debatte über die Abspeisung der NS - ZwangsarbeiterInnen und die antisemitische Brandrede Martin Walsers. Ein weiteres Beispiel war die rotgrüne Begründung des Angriffskriegs gegen die Bundesrepublik Jugoslawien mit der zynischen Bemerkung, gerade die Täternation von Auschwitz sei nun dazu berufen, überall auf der Welt militärisch für Ordnung sorgen. Im Kosovo können albanisch - völkische Gruppierungen nun unter dem Schutz deutscher Soldaten weiterhin daran arbeiten, diese Region Juden- und Romafrei zu machen.
Es geht also nicht um Menschenwürde, sondern um den Standort (Green-Card), um das Wir Deutsche als standortbewußte, leistungsdenkende Produzenten und Konsumenten. Inwiefern aber gerade der Standort für hierlebende Menschen, insbesondere für nichtdurchschnittsaussehende Menschen, gefährlich sein kann, wird nicht thematisiert. Viele dieser Menschen erfahren es aber tagtäglich am eigenen Leib, was es heisst, nicht deutsch genug zu sein. Einerseits sind sie körperlichen Übergriffen von Nazis und RassistInnen ausgesetzt, andererseits unterliegen sie staatlichen rassistischen Gesetzen, wie der Residenzpflicht (Flüchtlinge, deren Asylverfahren noch bearbeitet wird, dürfen den Landkreis, in dem sie gemeldet sind, nicht ohne behördliche Genehmigung verlassen). Gerade dieses Hand - in - Hand von Volk und Staat macht den Ruf nach einem NPD-Verbot heuchlerisch: denn dadurch wird nur das immense Bedürfnis nach einem Sündenbock befriedigt - und alles kann bleiben, wie es ist.
Die Grundlagen des Rassismus werden damit aber nicht angetastet. Diese liegen einerseits in den Auschlußmechanismen von Staat und Volk, anderseits in der kapitalistischen Logik der Verwertung von Humankapital. Ohne beides wären Nazis gar nicht möglich. Die Parole Ausländer raus! ist nämlich meistens auch die verbale Kurzform für das, was viele Bundesbürger fordern (vgl. Diskussion über die Doppelte Staatsbürgerschaft), sowie für das, was nach den Abschiebeknästen erfolgt. Die politische Sprache muß sich ändern, seit langer Zeit betreibt sie etwa verbale Mobilmachung gegen Flüchtlinge: Da müssen Fluchtwege abgeschnitten, da muß Abschreckung praktiziert werden. Solange Migrationspolitik im Stil von Katastrophenpolitik gemacht und über Flüchtlinge geredet wird wie über eine Heuschreckenplage, sind solche Verbotsforderungen peinlich.
Gleichzeitig nutzen die Herrschenden die Verbotsdebatte zur Stärkung der sog. Inneren Sicherheit. Das Demonstrationsrecht soll verschärft, die gerade erst wegen rechtsstaatlichen Bedenken abgeschaffte Kronzeugenregelung wieder eingeführt und viele weitere repressive Maßnahmen ergriffen werden. Der Ruf nach einem NPD-Verbot ist damit zugleich der Ruf nach einem Starken Staat, er schürt Illusionen, der Rechtsnachfolger des 3. Reichs, die BRD, könnte tatsächlich die faschistische Gefahr bannen.
Lieber einen anständigen Aufstand als den Aufstand der Anständigen!
Weltrevolution statt NPD-Verbot! Für freies Fluten!
La Banda Vaga,
Januar 2001
Inhalt
disclaimer