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Verfassungsschutzbericht Oktober 2002
Breites Bündnis unter Einschluss von Linksextremisten verhindert NPD-Demo in Freiburg
Die von der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) für den 14. September 2002 in Freiburg angemeldete Demonstration unter dem Motto "Gegen Globalisierung und Meinungsdiktatur in der BRD - für ein freies Deutschland und Europa" war Anlass für zahlreiche Gegenaktionen im gesamten Stadtgebiet. Diese Gegendemonstrationen, unter Beteiligung auch von Linksextremisten, waren erfolgreich bei der Verhinderung des NPD-Auftritts.
Unter Federführung des örtlichen DGB und mit Unterstützung der Stadt Freiburg war ein Aktionsbündnis "Für eine offene Stadt - gegen Fremdenhass und Rassenwahn" gegründet worden, dem neben demokratischen Organisationen auch linksextremistische und linksextremistisch beeinflusste Gruppierungen angehörten. So wurde der Aufruf des Bündnisses "Zivilcourage zeigen - NPD-Aufmarsch in Freiburg verhindern!" unter anderem von der "Deutschen Kommunistischen Partei" (DKP), der "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS), der "Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands" (MLPD), der "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten" (VVN-BdA) und der trotzkistischen Gruppierung "Linksruck" unterzeichnet.
Vom Aktionsbündnis wurden für den 14. September 2002 zahlreiche Kundgebungen, Demonstrationen, Konzerte und sonstige Veranstaltungen als Gegenaktionen zur NPD-Demonstration angemeldet.
Hauptziel der Linksextremisten war ebenfalls nicht allein die Äußerung von Protest, sondern vor allem die Verhinderung der NPD-Kundgebung. Aufrufe aus dem autonomen Spektrum ließen dabei von Anfang an keine Zweifel an der Bereitschaft, zur Durchsetzung dieses Zieles auch Gewalt anzuwenden. So hieß es in einem Ende August verbreiteten Aufruf einer Gruppierung "El Afitna"(1):
(1) Eine Gruppierung "El Afitna" ist in Freiburg bisher nicht in Erscheinung getreten. Vermutlich verbergen sich hinter diesem Anagramm des Begriffs "Antifa" Angehörige des linksextremistischen autonomen Spektrums Freiburg.
"Deswegen rufen wir dazu auf dem Aufmarsch mit einem kreativen, bunten, lauten und entschlossenen Protest ,direkt' entgegenzutreten und zu verhindern! Egal wo. Egal wann. Die Nazis sollen keinen Schritt mit ihrem Aufmarsch voran kommen. Kommt also alle zum Treffpunkt der NPD, nehmt Trillerpfeifen, faules Obst, Eier, Plakate etc mit und stellt euch den Nazis in den Weg!"
(Fehler im Original)
Ein Beitrag in der September-Ausgabe der Freiburger Szenepublikation "Koraktor" schloss mit den Worten:
"Deshalb ist es notwendig, sich den NazimarschiererInnen direkt entgegenzustellen - und zwar mit allen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen. Das ist das Gebot der Solidarität mit den Opfern der Faschisten! Lasst euch nicht von Bürgern, Stadt, Polizei und Nazis diktieren, was ihr zu tun habt!"
Am Tag der Demonstration beteiligten sich insgesamt rund 15.000 Menschen an den unterschiedlichsten Gegenveranstaltungen. Zur Hauptkundgebung hatten sich um 11 Uhr ca. 10.000 Menschen auf dem Platz der alten Synagoge eingefunden. Nach Ende dieser Kundgebung zog ein Großteil der Teilnehmer zum Bahnhof, wo die Demonstration der NPD beginnen sollte, so dass sich um 13 Uhr, dem geplanten Beginn des NPD-Aufzugs, dort ca. 6.000 bis 8.000 Gegendemonstranten eingefunden hatten, darunter 200 bis 300 Angehörige des gewaltbereiten autonomen Spektrums. Schwerwiegende Straftaten blieben zwar aus, dennoch kam es zu kleineren Ausschreitungen: Abfeuern von Leuchtspurmunition, Werfen von Farbbeuteln, Eiern und Bierflaschen in Richtung der NPD-Demonstration. Ein NPD-Anhänger wurde am Rande der Demonstration verprügelt, durch Farbbeutelwürfe wurde ein Polizeifahrzeug beschädigt. Unter mehreren PKWs wurden Molotowcocktails entdeckt, die jedoch keinen Schaden angerichtet hatten.
Angesichts der großen Zahl der Gegendemonstranten entschloss sich die Polizei, das Demonstrationsrecht der ca. 130 am Bahnhof versammelten NPD-Anhänger nicht durchzusetzen, so dass diese nach einer Eröffnungs- und Abschlusskundgebung vor dem Hauptbahnhof Freiburg wieder verlassen mussten.
Stimmen aus der linksextremistischen Szene in Reaktion auf die Ereignisse zeigten sich "erfreut" über die Verhinderung der NPD-Demonstration durch ein "bürgerliches Bündnis". Bisher reklamierten Linksextremisten für sich, sich als einzige aktiv Rechtsextremisten in den Weg zu stellen, während die "Bürgerlichen" - so die Kritik - lediglich demonstrierten, ohne die direkte Konfrontation zu suchen.
Sahen militante Linksextremisten ihre eigenen Zielsetzungen in Freiburg erstmals durch ein "bürgerliches" Bündnis verwirklicht, so wurde andererseits aber das Übergewicht des "bürgerlichen" Faktors letztendlich als "alles andere als ein Sieg" für die "radikale Linke" begriffen, da "linke" Positionen in der Masse kaum hätten Gewicht erlangen können. Erst recht wurde die ausbleibende Solidarität mit von der Polizei eingekesselten Autonomen am Colombipark als Zeichen dafür gewertet, "wie sehr faschistisches Verhalten eben nicht unbedingt nur von den kleinen, als ,extremistisch' eingestuften Parteien ausgeht, sondern allen voran von der Staatsgewalt, die die ,Gefahr' des rechten Extremismus (und damit zwangsläufig auch des linken) als willkommenen Anlass nimmt, um politischer Kritik mit der helfenden Hand ,solidarischer' und ,engagierter' Bürger den Hahn abzudrehen. Wenn Euch also das nächste mal ein ,gutmeinender' und ,toleranter' Bürgermeister, Stadtrat oder Innenminister zu eimem Bündnis gegen ,Rechts' aufruft, versäumt es nicht Allen klarzumachen, dass wir uns ,gegen jede Art von rechter Gewalt und Staatsgewalt' richten."
(Fehler im Original).
Letztendlich, argumentierten wieder andere, sei es eigentlich nur um das "saubere Image" der Stadt Freiburg gegangen, da sich die "bürgerlichen" Demokraten "in keinster Weise mit den Ursachen von Faschismus auseinandergesetzt und auch kein Wort über staatlichen Rassismus verloren" hätten.
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Verfassungsschutzbericht Oktober 2002
Geringe Beteiligung an NPD-Demonstration in Freiburg
Unter dem Motto "Gegen Globalisierung und Meinungsdiktatur in der BRD - Für ein freies Deutschland und Europa!" wollte der baden-württembergische Landesverband der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) am 14. September 2002 eine Demonstration in Freiburg im Breisgau mit diversen Rednern durchführen. Dazu kam es allerdings nicht. Lediglich etwa 130 Rechtsextremisten standen rund 15.000 Gegendemonstranten gegenüber. Dadurch und durch die Auflagen der Stadt Freiburg konnte der Aufzug nicht wie geplant stattfinden.
Bereits im Vorfeld der Demonstration wurde einem der angekündigten Redner, dem Neonazi Friedhelm BUSSE, ein Redeverbot für die Demonstration erteilt. Am Veranstaltungstag wurde dann gegen einen weiteren Referenten, einen Funktionär der "Partei national orientierter Schweizer" (PNOS), ein Einreiseverbot in das Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland ausgesprochen. Schließlich war der Landesvorsitzende der NPD Siegfried HÄRLE, Riedlingen, der einzige Redner. HÄRLE, der zweimal etwa 20 Minuten zu den Anwesenden sprach, ereiferte sich zu Beginn seiner Rede über die vom Verwaltungsgericht als rechtswidrig aufgehobene Verbotsverfügung der Stadt Freiburg gegen die NPD-Demonstration. Danach griff er die Themen Arbeitslosigkeit, Staatsverschuldung und Rentenreform auf und machte die Ausländer- und Zuwanderungspolitik der Bundesregierung für die Probleme in Deutschland verantwortlich.
Der geplante Demonstrationszug fand auf Anweisung der Polizei letztendlich nicht statt, da es den Ordnungskräften nicht möglich war, den blockierten Demonstrationsweg zu räumen. Die Gegendemonstranten kamen der mehrfachen Aufforderung der Polizei, die Strecke frei zu machen, nicht nach.
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Badische Zeitung vom Freitag, 25. September 2002
Ansteckende Kontakte
Landesamt für Verfassungsschutz antwortet der Linken Liste
Belustigt, aber auch beunruhigt reagierte die Linke Liste auf ein Schreiben des Landesamtes für Verfassungsschutz. Darin wird - auf Anfrage der Linken Liste - erklärt, warum sie in Verbindung mit dem Aktionsbündnis gegen die NPD-Kundgebung als "linksextremistisch beeinflusst" eingestuft worden war. Demnach gilt eine Gruppierung als "extremistisch beeinflusst", wenn "lediglich personelle oder organisatorische Verknüpfungen zu extremistischen Bestrebungen vorhanden" sind.
Der Hintergrund: Nachdem sich in Freiburg ein Aktionsbündnis gegen die NPD-Demonstration gebildet hatte, warf Verfassungsschützer Hans-Jürgen Doll der Stadtverwaltung in einem Rundfunk-Interview vor, sie dulde linksextreme Gruppierungen im Bündnis. Gemeint waren die DKP, die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes und die Linke Liste. Aufgrund der Kritik des Oberbürgermeisters räumte Innenminister Thomas Schäuble später lediglich ein, dass man darüber streiten könne, ob Doll das beamtenrechtliche Gebot zur politischen Zurückhaltung in vollem Umfang berücksichtigt habe. Gründe für die Einschätzung nannte er nicht.
Auch das Antwortschreiben nennt keine Aktionen oder Äußerungen. Vielmehr heißt es: Die Linke Liste Freiburg sei eine der "offenen linken Listen", die "anlässlich der Kommunalwahl in Baden-Württemberg am 24. Oktober 1999 mit 48 Kandidatinnen und Kandidaten antrat". Über mehrere der Kandidaten, die sich zur Wahl stellten, lägen Erkenntnisse vor, die deren Zuordnung zum linksextremistischen beziehungsweise linksextremistisch beeinflussten Spektrum belegten. So hätten auf dieser Liste Mitglieder der linksextremistischen Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS), der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) sowie deren Jugendorganisation Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend kandidiert. Ge-nannt werden auch die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten und der von der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands beeinflusste "Frauenverband Courage". Die Linke Liste habe seither mehrfach mit DKP und PDS zu Aktionen aufgerufen. Abschließend wird erklärt, dass nicht alle, sondern nur wesentliche linksextremistische Bestrebungen im Verfassungsschutzbericht erwähnt würden.
Fazit der Linken Liste: "Linksextremismus scheint ansteckend sein" - was in Freiburg den gesamten Gemeinderat betreffen müsse, weil dieser mit der Linken Liste in ständigem Kontakt sei.
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Badische Zeitung vom Samstag, 21. September 2002
BRIEFE AN DIE BZ
"Tiefer Griff in den Stadtsäckel"
Die Presse titelt "Sieg der Toleranz" und "Fest der Toleranz". Überhaupt wird in den Berichten das Wort Toleranz arg strapaziert. Hier scheint mir ein Fall von Begriffsverwirrung vorzuliegen. Da pfeift eine 15 000-köpfige Menschenmenge ein Häuflein von 100 jungen Leuten aus, blockiert den zugewiesenen Umzugsweg und hält Tomaten, Eier und andere Wurfgeschosse bereit. Angesichts dieser Drohkulisse bleibt den Demonstranten nichts anderes übrig als ihre Aktion abzubrechen. Was das mit Toleranz zu tun hat, ist mir nicht ganz einsichtig. Auch dann nicht, wenn das Ganze von den Stadtoberen in Gang gesetzt wurde und der neue Oberbürgermeister nach seinem gescheiterten Demonstrationsverbot, das sogar den Verfassungsschutz auf den Plan rief, einen tiefen Griff in den anscheinend gutgefüllten Stadtsäckel tat, um doch noch seinen Willen durchzusetzen.
Peter Hartwig, Freiburg
"Demo gegen Stalin und Gysi"
Den Aktionstag gegen "Rechts" fand ich als parteiloser Demokrat wunderbar und überzeugend. Hierfür danke ich auch von Herzen allen Beteiligten.
Doch wenn man vom Rechtsstaat überzeugt ist und ihn jederzeit verteidigen will, dann darf man auch nicht Grundrechte anderer Menschen verletzten. Was ist denn das für eine, auch wehrhafte Demokratie, die es nicht ertragen kann, dass einhundert verirrte Neonazis durch ihre Demonstration sich selbst disqualifizieren. Solange diese - für mich unerträgliche Partei - nicht verboten ist, hat sie die gleichen verfassungsmäßigen Rechte wie alle anderen Parteien auch. Gerne würde ich eine Demonstration gegen Stalin, Ulbricht, Honecker oder die Nachfolgeorganisation um Herrn Gysi veranstalten. Die Millionen Opfer dieser Regime können sich heute nicht mehr wehren. Aber ich glaube nicht, dass meine Freiburger in ihrer offenen Stadt in diesem Fall auf die Straße gehen würden, Wenn ja, dann würde ich mich an der Organisation beteiligen.
Alexander Clement, Freiburg
"Wenig elegant"
Zunächst Erfreuliches: Mit der "Offenen Stadt" stärkten viele Bürger und Organisationen die freiheitliche-demokratische Grundordnung. Zudem konnte Freiburgs Polizei gemeinsam mit der Göppinger Bereitschaft Eskalation stoppen. Die Blockierung des NPD-Demonstrationsweges nötigte die Einsatzkräfte mit den NPD-Veranstaltern einen Rückzug auszuhandeln. Allerdings brandmarken Letztere dies als Schwäche der Verwaltung und könnten sich nun selbst als friedfertig oder gar als Märtyrer darstellen.
Ich stellte mir das eleganter vor: Die NPD ginge ungehindert den genehmigten Weg, geschützt und beobachtet durch die Polizei, doch kaum beachtet vom Bürger. Vielleicht hätte sie dabei selbst ihre Verfassungsfeindlichkeit bewiesen - eine Steilvorlage für den Verbotsantrag ans Bundesverfassungsgericht! Doch Raffinesse wird uns Deutschen gründlich ausgetrieben von Kind an. Stattdessen herrschen Denkschablonen und einmal gefasste (Vor-)Urteile. Eigentlich Gleichgesinnte nerven, mobben und grenzen einander aus; der wahre Gegner lacht sich ins Fäustchen getreu Cäsar: "teile und herrsche". Das Ausland begegnet dem Faschismus und manch anderem Problem geschmeidiger, siehe Österreich, Frankreich, England.
Peter Gremmelspacher, Donaueschingen
"Was für eine Zuneigung?"
Die am Montag, 9. September, erschienene Anzeige der Aktion "Werbeagenturen / BZ gegen Rechts" ist ein Beispiel dafür, welche Tücken in einer koscheren Absicht lauern können. "Schweinefleisch süß/sauer" heißt es als Metapher für das deutsche Bild vom Chinesen (Türken, Italiener, Thailänder...). "Und den Koch mögen wir auch" - so die ausländerfreundliche Gesinnungsaussage. Davon ausgehend, dass es sich nicht um jenen bestimmten Koch süßsauren Schweinefleischs handelt, den der Absender zum Fressen gern hat, sondern um den "Chinesen (Ausländer) an sich", drängt sich mir die Frage auf, was für eine Art von Zuneigung hier propagiert und nach welchen Kriterien diese wohl vergeben wird? Reicht es aus, Chinese (Ausländer) zu sein, um in den Genuss dieser Zuneigung zu gelangen? Aber was unterscheidet diese "Freundlichkeit" dann von jener "Feindlichkeit", für die ja bekanntlich auch nur dieses eine Kriterium notwendig ist? Beiden gleichermaßen eigen ist jedenfalls eines: die Motivation durch die eigene psycho-historische Befindlichkeit, garniert durch die irrige Vorstellung einer irgendwie homogenen Masse von "Ausländern", die man entweder mag oder nicht. Und die Unfähigkeit, das Individuum, "den Menschen im Ausländer", wahrnehmen zu können - man könnte ihn ja mögen / nicht mögen.
Nazli Kaner, Freiburg
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StadtNachrichten (Amtsblatt) vom Freitag, 20. September 2002
Freiburg verhinderte die NPD und feierte eine große Party
NDP- Aufmarsch konnte wegen großer Zahl an Gegendemonstranten nicht stattfinden
Eins der größten Feste in Freiburg feierten an die 20 000 Menschen am vergangenen Samstag in der Freiburger Innenstadt beim Aktionstag gegen Rechts. Die Freiburger Bürgerschaft, zahlreiche Besucher aus Nachbargemeinden und die rund 100 Gruppen in dem gemeinsamen von der Stadt unterstützten Bündnis hatten zuvor den geplanten Aufmarsch der NPD auf eindrucksvolle und friedliche Weise verhindert. OB Salomon: "Das war ein Tag für Demokratie und Toleranz."
Bereits am Vormittag um 11 Uhr hatten sich zu einer zentralen Kundgebung der Stadt und des DGB auf dem Platz der Alten Synagoge vor dem Kollegiengebäude II rund 15.000 Menschen versammelt. Im Mittelpunkt der Kundgebung stand die beeindruckende Rede des Rhetorik-Professors Walter Jens. Außerdem sprachen Oberbürgermeister Dieter Salomon, Volker Finke, Trainer des Sportclub Freiburg, Jürgen Höfflin, DGB- Vorsitzender des Bezirks Südbaden sowie Rainer Bliesener, Landesvorsitzender des DGB.
Nach der Kundgebung strömte die Menschenmenge in Richtung Bahnhof, um dort gegen den NPD- Aufmarsch zu demonstrieren. Rund um den Hauptbahnhof war so der Demonstrationsweg der NPD blockiert, so dass die 100 NPD- Anhänger nicht von der Stelle kamen. Im Interesse der öffentlichen Sicherheit und Ordnung entschied dann gegen 14 Uhr die Polizei in Abstimmung mit der Stadt als Versammlungsbehörde, den Zug der NDP nicht stattfinden zu lassen.
Sowohl Polizei und Stadtverwaltung zeigten sich danach erleichtert und glücklich über den guten Verlauf des Aktionstages und den schwierigen Einsatz der Polizei. Rund 2.000 Einsatzkräfte waren vor Ort gewesen, darunter auch Kräfte des Bundesgrenzschutzes und verschiedene Reiterstaffeln.
Dass der Aktionstag friedlich blieb und es zu keinen Zusammenstößen zwischen NPD und Gegendemonstranten kam, war der klugen und umsichtigen Strategie der Polizei und des Amtes für öffentliche Ordnung zu verdanken, wie Oberbürgermeister Dieter Salomon bei einer Bilanzpressekonferenz im Rathaus feststellte. Sie entschieden frühzeitig, die NPD- Demonstration nicht stattfinden zu lassen, da es aufgrund des zahlenmäßigen Übergewichts der NPD- Gegner nicht zu verantworten war, die Straßen frei zu räumen.
Anstelle des Aufmarsches musste sich die NPD auf eine kaum beachtete Rede ihres Landesvorsitzenden beschränken. Nachdem das Ende der Versammlung verfügt worden war, sind die NPD- Demonstranten in einem Sonderzug wieder aus Freiburg abgereist.
Schließlich hatten die Menschen auf den Straßen nur noch eines im Sinn: feiern. Bei einem riesigen Kulturangebot auf allen Plätzen war für jeden was dabei: Hip Hop auf dem Augustinerplatz, Salsa und Flamenco auf dem Rathausplatz, Rock, Reggae, Soul und Funk auf der Open-Air- Bühne auf dem Theatervorplatz. Hier hatte KOKO Entertainment für ein begeisterndes Open-Air- Erlebnis gesorgt: Den Auftakt machte Son Goku featuring Thomas D., später brachte Fury and the Slaughterhouse das Publikum zum Kochen. Für einen funkigen Abschluss schließlich sorgte Rolf Stahlhofen, einer der Frontmänner der Söhne Mannheims.
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StadtNachrichten (Amtsblatt) vom Freitag, 20. September 2002
Stimmen zum Aktionstag
Eine Fülle von Dankschreiben per Post und E-Mail erhielt das Rathaus nach dem Aktionstag. Fast ausschließlich Dank und Zustimmung gab es für den friedlichen und heiteren Verlauf des NPD-Protestes. Einige Auszüge:
"Der Widerstand der Freiburger gegen Neonazis und Rechtsextremismus war ein Paradebeispiel praktizierter Demokratie!"
"Als Freiburger, aber im Moment in Göteburg studierender Bürger, freue ich mich, durch Internet und Berichte von Freunden aus Freiburg von der gelungenen Anti-Demo gegen die NPD zu hören. ... Diese Stadt hat es wieder einmal geschafft, in mir Heimweh auszulösen."
"Ich habe selten so viel Zivilcourage erlebt. Und auch selten so viele Menschen gesehen, für die dieses Wort nicht nur eine leere Hülse ist."
"Es gab einen regelrechten Ruck durch die Stadt und an diesem Samstag hat sich wohl jeder von uns ein bisschen stärker gefühlt. ... Dass sich die Stadt da so reingehängt hat und wirklich eine Menge zu bieten hatte, verdient meinen ganzen Respekt."
"Ich bin stolz, in der Nähe einer solch' tollen Stadt zu wohnen" (eine Zuschrift aus Schramberg).
"Dies hat allen, die es sehen wollten, gezeigt, dass es möglich ist, auf friedlichem Weg Zeichen zu setzen gegen Ignoranz und Untätigkeit".
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Badische Zeitung vom Freitag, 20. September 2002
BRIEFE AN DIE BZ
"Faschos braten lassen"
Die Demo ist gelaufen, und sie ist weitgehend gut gelaufen. Zwar meinten einige Ordnungshüter, sie müssten am Colombipark unter leichtem Knüppeleinsatz einen Polizeikessel um die dort friedlich versammelten DemonstrantInnen ziehen, zwar wurden die Hinweise auf dieses Treiben bei der gleichzeitig stattfindenden Kundgebung ignoriert und die Verbreitung der Nachricht handgreiflich verhindert - im weiteren Verlauf aber blieb es, von Kleinigkeiten abgesehen, auf beiden Seiten friedlich. Mit vereinten Kräften aller gelang es, die Faschos vor dem Bahnhof braten zu lassen. Die vereinten Kräfte aller? Da fehlte doch jemand?! Nun, einige mögen die CDU vermisst haben - ich nicht.
Ulrich Weyer, Freiburg
"Positiv überrascht"
Die Veranstaltungen am letzten Samstag haben uns ganz klar gezeigt, welche Dynamik, Vielfältigkeit und Kreativität unsere Stadt entwickeln kann, wenn es darum geht, elementare Dinge unserer Gemeinschaft zu verteidigen. Wir haben miterleben dürfen, wie viel die Menschen hier bereit sind in eine Sache zu investieren, wenn sie nur glauben, es sei nötig. Wie viele andere Menschen an diesem Tag auch, war ich sehr positiv überrascht. Überrascht davon, wie ausgesprochen friedlich, einsatzbereit und geschlossen die Menschen in Freiburg bereit waren, für das, was sie fühlten, auch einzustehen. Freiburg ist eine moderne Stadt, ein Ort, in dem Menschen weiter denken als die Berge, die sie umgeben. Und das ist es eigentlich, was wir am Samstag ganz deutlich gezeigt haben.
Tillmann Neben, Freiburg
"Hasserfüllte Demonstranten"
Die Presseberichte vom Anti-NPD-Tag in Freiburg machen bedrohliche Befunde bewusst. So wurden überwiegend vulgäre Zurufe aus den Reihen der Gegendemonstranten zitiert. Wiederholte Aufforderungen der Polizei, die Eisenbahnstraße freizumachen, wurden nicht befolgt. Menschen, die gegen eine gefährliche Partei demonstrieren sollten, haben selbst mit hasserfüllten Ausdrücken agiert und die Ordnungsinstanz missachtet. So haben sie die Verhaltensmuster der Gegner übernommen.
Auch die Organisation macht Angst. Wie zu lesen war, wusste die Polizei vorher, dass die Gewerkschaft vor dem Bahnhof "den Sack zuschnüren" wolle. Die Willfährigen haben dem DGB gehorcht, die einzig zuständige Polizei wurde entmachtet und ihrer Autorität beraubt. Davon lernt dann eine NPD, die man doch mit gutem Vorbild neutralisieren und desavouieren wollte.
Wie viele Teilnehmer der Demonstration waren reine Mitglieder der "Spaß- und Fun-Gesellschaft", die erlebnishungrig nur "Event" wollten? Warum mussten offizielle Redner der CDU Vorwürfe machen? Hat die politische Linke die Demokratie gepachtet?
Freiburg will eine offene Stadt sein, aber man hat gerade davor offensichtlich Angst. Zu wenig hat die Presse Gruppen vorgestellt, die sich authentisch, redlich für eine saubere demokratische Luft in der "Grünen Hauptstadt" einbringen. Dankenswert war aber der Hinweis zwischen den Zeilen auf die doppelte Gefährdung der Demokratie und der Bericht insgesamt. Das Geschehen am letzten Samstag wurde gerade durch die offenen Berichte nicht zu einer teuren Pleite für die Demokratie.
Manfred Bonk, Freiburg
"Allgemeine Entspannung"
Sie berichten über das Scheitern des NPD-Aufmarsches aufgrund der Blockade von mehreren tausend Gegendemonstranten. Dabei wurde auch berichtet, dass die Polizei die NPD aufforderte, den Aufmarsch vorzeitig zu beenden. Dieser Entscheidung ging ein von einer Delegation des Friedensforums Freiburg geführtes Gespräch mit der Polizei und Beamten der Krisenintervention in der Eisenbahnstraße voraus. Zentrales Anliegen der Delegation und der Bürger war, die NPD durch Intervention der Polizei zum Abzug zu bewegen. Diese Idee fand bei den Gegendemonstranten einhellige Zustimmung.
Die NPD hatte faktisch ein Demonstrationsrecht bis 16 Uhr. Gegen die Massen der Gegendemonstranten konnte es aber nicht umgesetzt werden. Unser Anliegen, die NPD zu einem vorzeitigen Ende ihrer Versammlung und Demonstration aufzufordern, wurde dann von der Polizei nach einer halbstündigen Beratung akzeptiert und umgesetzt. Gegen 15 Uhr beendete die NPD auf Intervention der Polizei ihre Kundgebung und löste die Versammlung auf. Der vorzeitige Abzug der NPD diente dann der allgemeinen Entspannung der Lage sowohl für die Stadt Freiburg und die Gegendemonstranten, aber auch für die Polizei. Wir glauben, dass wir damit auch einen nicht unerheblichen Beitrag zur Deeskalation der zeitweise angespannten Lage geleistet haben.
U. Bause, Ch. Hechler, H. Luppe, M. Heinke, Freiburg
"Stolz, Freiburger zu sein"
Leider konnte ich wegen anderweitiger Verpflichtungen an der Demonstration nicht teilnehmen. Aus Solidarität habe ich bei meiner Veranstaltung das "Freiburg, für eine offene Stadt"- T-Shirt getragen. Ich kann nur sagen, ich bin stolz, Freiburger zu sein! Zu einer Einwohnerschaft zu gehören, die ohne Gewalt, sondern durch Solidarität die Meinung der Menge durchsetzen kann. Den Organisatoren einen herzlichen Glückwunsch zu dieser tollen Leistung.
Werner Vandeck, Freiburg
"NPD genießt das Blitzlichtgewitter"
Herzlichen Glückwunsch an die NPD zur gelungenen Propaganda-Schlacht! Es ist seit Jahren ein Trauerspiel, da wollen sich ein paar Duzend Ewiggestrige treffen und durch Freiburg ziehen. Wäre das ein Problem? Nicht mehr, als wenn eine Gruppe Pfadfinder die Innenstadt besichtigt. Doch was passiert: Die Stadtverwaltung verbietet mit einer dürftigen Begründung den Aufzug und setzt jenes Prozedere in Gang, dessen Ausgang stets zu Gunsten des Antragstellers, hier der NPD, spätestens beim Oberverwaltungsgericht endet. Bereits hier erhalten die "Glatzen" mediale Aufmerksamkeit, die sie nicht verdienen.
Über die "Stadtoberen", dem DGB bis hin zu den Spontis, Alternativen und so weiter stellen sich alle in den Dienst der guten Sache, will sagen, am Samstag ließen sich diesmal circa 15 000 willfährig vor den Karren spannen und sorgten so für bundesweite Publicity mit ihrer Gegendemo. Fazit: Verkehrschaos, mehr als 1500 Polizisten mit einem weiteren kaputten Wochenende und die NPD sonnt sich im Blitzlichtgewitter.
Natürlich müssen solche verqueren Geister bekämpft werden, doch mit den richtigen Mitteln. Zum einen mehr Ausbildungs- und Arbeitsplätze, weniger Gewalt, Thematisierung zu Hause, in der Schule und in der Gesellschaft, zum anderen aber schlichtweg ignorieren und ihnen den Schild entziehen, auf den sie, auch mit Hilfe der Medien, immer wieder gehoben werden.
Hans-Jochen Köpper, Feldberg
"Erhebendes Gefühl"
Am liebsten möchte ich die Zeitungsberichte vom Freiburger Widerstand gegen Rechts zu Freunden und Bekannten in die ganze Republik senden, um zu sagen: "Es lohnt sich!" Das war einfach ein erhebendes Gefühl, am Samstag mit so vielen Menschen gemeinsam "Nein" zu sagen. Dass diese Stadt ein friedliches Miteinander der Menschen unterschiedlicher Kulturen möchte, hat sie deutlich gezeigt. Wichtig ist aber auf Dauer, aktive Integrationsarbeit zu unterstützen, aufzubauen und zu finanzieren, um Gefühle der Fremdheit und Befremdung auf beiden Seiten und die - im wahrsten Sinne - Sprachlosigkeit abzubauen. Ich bin stolz auf Freiburg, seine mutige Verwaltungsspitze und Polizei -und die pfiffige BZ-Aktion mit den Werbeagenturen!
Fraua Kruse-Zaiß
"Inszeniertes Polit-Theater"
Wenn nur ein Mitglied der Gesellschaft unterdrückt wird, dann ist die ganze Gesellschaft unterdrückt - so hat es Walter Jens als Lehre der Französischen Revolution auf der Freiburger Anti-NPD-Kundgebung am Samstag verkündet. Ist nun das NPD-Häuflein, dem die Polizei vergeblich zu ihrem Demonstrations-Rundgang verhelfen wollte, unterdrückt worden? Oder ist es das gute Recht der "guten" Demonstranten, die NPD unverrichteter Dinge nach Hause zu schicken?
Eine Zivilgesellschaft, die auf sich hält, klagt demokratische Rechte nicht nur gegenüber dem Staat ein, sondern respektiert sie auch in den eigenen Reihen. Das Freiburger Spektakel erinnert doch sehr an die Inszenierung des Polit-Theaters um das Zuwanderungsgesetz im Bundesrat. Ebenso, wie damals beide Seiten einen Schaukampf inszenierten, der keinem weh tat - das Gesetz sollte ja vorerst nicht wirklich scheitern -, wurde jetzt in Freiburg vorgegaukelt, dass alles seinen ordnungsgemäßen Gang nimmt: Der Staat garantiert das Demonstrationsrecht und das "Volk" hat eben dies "ganz spontan" verhindert.
Bernd-Otto Kuper, Freiburg
"Schaut mal wieder vorbei"
Liebe NPD, vielen Dank, dass ihr Jungs nach Freiburg gekommen seid. Ihr konntet zwar nicht marschieren, weil wir euch den Weg versperrt haben. Aber dafür haben wir dann eine riesige Party gefeiert. Die Stimmung war toll, Top-Bands haben umsonst gespielt, und alle waren gut drauf. Alles in allem eines der besten Feste, die Freiburg seit langem hatte! Schaut doch mal wieder vorbei.
Lukas Bischof, Stefan Petersohn, Freiburg
Man hätte ein lückenloses Spalier am Weg einrichten können
Gegenseitiges Schulterklopfen, entspanntes Lächeln, ein Oberbürgermeister, der auf dem Augustinerplatz offensichtlich zufrieden verkündet, dass die NPD-Demo ja "irgendwie doch nicht stattgefunden" hat, alle feiern bis tief in die Nacht den Umstand, dass es gelungen ist, die braune Bedrohung erfolgreich abzuwehren! Doch was ist eigentlich geschehen?
Ungefähr 15 000 mehr oder weniger besorgte Bürger haben durch eine massive Blockade auf dem Aufzugsweg dafür gesorgt, dass eine politische Minderheit an der Ausübung ihres Grundrechts auf freie Meinungsäußerung gehindert wurde - zumindest in der Form, wie sie es selbst geplant hatten und wie es schlussendlich auch durch Gerichtsbeschluss bestätigt worden war.
Um einem Missverständnis gleich vorzubeugen: meine eigene politische Überzeugung findet sich eher im freiheitlich demokratischen, keinesfalls im rechts- (oder links-) extremen Bereich wieder! Vielen Teilnehmern der Gegendemonstration ging es darum, unmissverständlich klarzustellen, dass sich eine Situation, wie sie sich zwischen 1933 und 1945 zu unser aller Entsetzen in Deutschland ereignet hat, niemals wiederholen kann und darf. Und das war gut so!
Allerdings wäre es erheblich besser gewesen, einer immerhin (noch) nicht verbotenen - und damit zwangsläufig (noch) verfassungskonformen - Partei die Möglichkeit auf Wahrnehmung ihres Grundrechtes zu gewähren. Mit 15 000 Gegendemonstranten hätte man ein lückenloses Spalier am gesamten Aufzugsweg einrichten können - dann wäre der unglaublich bedrohlichen Anzahl von 108 NPD-Anhängern auch das Ausmaß des Widerstandes wesentlich deutlicher und vermutlich auch viel lautstarker im Gedächtnis geblieben!
Leider bleibt allein die bittere Erkenntnis, dass unsere scheinbar so wehrhafte Demokratie im Fall der Fälle doch nur in der Lage ist, auf gleichem (äußerst niedrigen) Niveau zurückzuschlagen! Wer hat am Samstag wirklich auf dem Boden unserer Verfassung gestanden?
Volker Hesse, Freiburg
Die Strategie der NPD ist aufgegangen
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Für 108 Rechtsextreme müssen 2000 Polizeibeamte eine Zusatzschicht leisten. Und 15 000 Gegendemonstranten sehen sich genötigt, um solch einer Hand voll NPD-lern Paroli zu bieten. Wer wäre nicht geneigt, daraus zu schließen: Diese Partei kann doch keine Gefahr darstellen?
Dabei war es nur ein ausgesprochen kluger Schachzug der NPD-Aufmarsch-Organisatoren. Als sich abzeichnete, dass halb Freiburg auf den Beinen sein würde, war klar, dass sich mit Gewalt nichts ausrichten lassen würde. Also ist man flexibel und disponiert um: statt mit 500 bis 1000 schlagkräftigen Typen auf Konfrontation zu setzen, schickt man die milde Minimaltruppe und mimt Harmlosigkeit.
Der Artikel von Petra Kistler hat einen deutlich spöttischen Unterton. ("Männer und Frauen im besten Rentenalter mit Gehhilfe, bleiche Buben, strumpfsocken oder barfuß, . . "). Das liest sich süffig. Doch damit kreiert sie genau das Image der Harmlosigkeit, auf das die NPD-Strategie hier in Freiburg abgezielt hat. Als Fazit suggeriert der Artikel: "So schlimm sind sie ja gar nicht. Und für die paar armen Irren lohnt sich der ganze Aufwand nicht. Beim nächsten Mal kann ich zu Hause bleiben." Womit die Strategie aufgegangen wäre.
Noch etwas: Offensichtlich hat die Polizei die Möglichkeit, weitgehende Auflagen zu machen (keine Springerstiefel). Warum geschieht das nicht öfter so?
Ursula Niesert, Freiburg
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Stuttgarter Nachrichten vom Donnerstag, 19. September 2002
Linke Liste fragt beim Verfassungsschutz an
FREIBURG (ute). Die jüngsten Äußerungen von Hans-Jürgen Doll, dem Vizepräsidenten des Landesamtes für Verfassungsschutz, haben ein Nachspiel. Doll hatte im Vorfeld der Freiburger Großkundgebung gegen eine NPD-Demonstration behauptet, bei dem von Stadt und DGB organisierten Aktionsbündnis würden auch "linksextremistisch beeinflusste Gruppierungen wie die Linke Liste/Friedensliste" toleriert. Nachdem der Marsch der NPD durch Freiburg friedlich von mehr als 15 000 Menschen verhindert wurde, will die Linke Liste nun Genaueres wissen.
In Briefen an Innenministerium und Verfassungsschutz fordert die Gruppierung Aufklärung, der nach eigenen Angaben überwiegend Parteilose sowie einige Mitglieder von PDS und DKP angehören. Da der Verfassungsschutzbericht die Linke Liste nicht aufführt, sollen Ministerium und Landesamt darlegen, ob Doll seine Einschätzung als Privatmann oder als Verfassungsschützer abgegeben habe. Im ersten Fall bittet die Gruppierung um eine Klarstellung. Andernfalls erwarte man Informationen darüber, welche Erkenntnisse zum Vorwurf des Linksextremismus geführt haben, heißt es. Ein Sprecher der Polizei Freiburg hatte auf Nachfrage bereits erklärt, seiner Dienststelle lägen keine Informationen über "linksextremistische Beeinflussung" vor. Auch im OB-Wahlkampf im Frühjahr, bei dem Rechtsanwalt Michael Moos als Mitglied der Linken Liste angetreten war, war ein solcher Vorwurf nicht geäußert worden.
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Badische Zeitung vom Donnerstag, 19. September 2002
"Rechte Szene nur klein"
Kripo: "Hand voll NPD-Sympathisanten" / Im Kreis "keine generell gewaltbereiten Neonazis"
EMMENDINGEN. Im Zusammenhang mit der NPD-Kundgebung vor dem Freiburger Hauptbahnhof tauchte in der überregionalen Berichterstattung mehrfach der Kreis Emmendingen als Herkunftsraum von "Rechten" auf - Anlass für die BZ, beim Staatsschutz der Kriminalpolizei nachzufragen.
Eine straff organisierte rechtsradikale oder rechtsextremistische Szene gibt es aber laut Kriminalpolizei im Kreis Emmendingen nicht. Roland Vetter, der fürs Kreisgebiet zuständige Leiter der Staatsschutzabteilung, berichtet von "unter zehn eingefleischten NPD-Anhängern" aus dem Kreisgebiet.
Die parteipolitisch strukturierte rechte Szene im Kreis Emmendingen setzt sich laut Staatsschutz aus "einer Hand voll" NPD-Sympathisanten zusammen. Ein Kripobeamter fügt hinzu, dass es den Erkenntnissen zufolge im Kreisgebiet keine "generell gewaltbereiten Neonazis" gebe. Bekannt seien allerdings in einigen Orten des nördlichen Breisgaus mehr oder minder lockere Gruppen von Jugendlichen mit nationalistischen und fremdenfeindlichen Gedanken. Diese würden sich immer wieder zu privaten Parties treffen und zu den einschlägigen Rockkonzerten in Deutschland oder der Schweiz fahren. Verbunden mit solchen Treffen sei erheblicher Alkoholkonsum - der "Hitler-Gruß" und Attacken auf Andersdenkende können die Folge sein. Nach Einschätzung der Kripo sind diese Jugendlichen mit "rechter Gesinnung" an Politik eher weniger interessiert. Etliche von ihnen hätten keine Ausbildung, andere in der Schule Probleme mit Ausländern oder Aussiedlern. Wer in seinem Ort keinen Kontakt zu sozialen Einrichtungen oder Jugendräumen habe, gerate eher in Gefahr, sich solchen Cliquen anzuschließen. Eine "richtige rechte Szene aber gibt es im Kreis Emmendingen nicht", erklärte der Staatsschutz-Beamte.
Anders als in Medienberichten verbreitet, endete der nach der Freiburger Kundgebung vom Bundesgrenzschutz begleitete Sonderzug mit NPD-Anhängern übrigens nicht in Riegel. Dort hielt er nur. Der Zug fuhr über Lahr und Offenburg bis nach Mannheim. Überall stiegen kleine Gruppen aus.
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Badische Zeitung vom Donnerstag, 19. September 2002
STADTGEPLAUDER
VERGESSLICHER PROFESSOR
Aufregend war der Aktionstag gegen die NPD-Demo. Viele haben sich aufgeregt über den Schlingerkurs der CDU; die CDU hat sich aufgeregt, dass sie - auch von den Medien - ungerecht behandelt worden sei. Aufregend begann der Tag auch für Rhetorikprofessor Walter Jens, der als Hauptredner auf der Kundgebung auftrat. Der Fahrer von Oberbürgermeister Dieter Salomon sollte ihn am Samstagmorgen abholen und klingelte pünktlich kurz nach acht an dessen Haustür in Tübingen. Ein Walter Jens im Schlafanzug öffnete und war schlagartig hellwach - er hatte gedacht, die Veranstaltung finde am Sonntag statt. "So langsam werde ich wohl doch alt", sagte der 79-jährige.
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Badische Zeitung vom Donnerstag, 19. September 2002
BRIEFE AN DIE BZ
"CDU war doch vertreten"
Warum der Berichterstatter der Badischen Zeitung auf der Kundgebung für eine offene Stadt am letzten Samstag "von den bekannten Funktionsträgern" der Freiburger CDU nur zwei gesehen hat, weiß ich nicht. Als einer von drei stellvertretenden Vorsitzenden des Kreisverbands der CDU habe ich nahe der Bühne mehrere Mitglieder des Kreisvorstands und Stadträte getroffen, die mit dem erklärten Anliegen des Aktionstags voll übereinstimmten und aufmerksam den Reden folgten. Nur gefragt hätten sie sagen können, weshalb die CDU, deren Mitglieder zu tausenden in kommunistischen Gefängnissen saßen und zu hunderttausenden aus der Sowjetischen Besatzungszone und späteren DDR geflohen sind, mit kommunistisch geprägten Vereinigungen keine "Bündnisse" zur Verteidigung des freiheitlichen Rechtsstaats schließt.
Gut, dass SC-Trainer Volker Finke, freilich als einziger Redner, von totalitären Regimen an sich (das sind linke wie rechte) sprach und vom (eben nicht nur einem politischen Spektrum zuzuschreibenden) traurigen Hang der Menschen zur Ausgrenzung, wie er auch im Sport zu Tage tritt, sprach. Solche Differenzierung lag Walter Jens fern: Etwas mehr Inhalt seiner in der Tat fulminanten Rede wäre den Lesern, die sie nicht BZ-online haben, schon zuzumuten gewesen. So, dass er das Thema in der ihm eigenen Souveränität dazu nutzte, weniger die NPD als zahlreiche Politiker von CDU und CSU an den Pranger zu stellen. Dass seine Polemik in der Sache durchaus auch zahlreiche Äußerungen und Haltungen sozialdemokratischer Verantwortlicher traf, brauchten die begeisterten Anhänger von SPD und Grünen mangels Nennung von Namen nicht zu bemerken.
Den 34. Paragraphen der französischen Verfassung von 1793 noch im Ohr, konnte man dann am Bahnhof etwas ratlos beobachten, wie ein Teil der Kundgebungsteilnehmer den von keinem Freiburger herbeigewünschten Extremisten ihr Grundrecht nahm, frei nach dem unseligen Satz, dass der gute Zweck die Mittel heilige. Ob die wohl "eher akribisch geplante" Blockade (so sah es jedenfalls die BZ auf ihrer Dritten Seite) das Richtige war, wird man fragen dürfen. Immerhin widersprach sie der Aufforderung des OB, den Anweisungen der ihre Pflicht tuenden Polizei zu folgen.
Wolfgang Albers, Freiburg
"Demokratisches Kaninchen"
Vor einigen Jahren war ich Teilnehmer eines NPD-Aufmarsches (inzwischen gehe ich wieder meine eigenen Wege auf der politischen Landstraße). So sah ich mich als "Nazi", der ich so nicht war und auch nicht sein wollte, einer pöbelnden, übermächtigen Omnipräsenz gegenüber. Natürlich hatte ich in dieser brisanten Situation mehr Angstschweiß auf der Stirn als Vaterlandsliebe im Herzen. Seitdem weiß ich, was Zivilcourage ist: wenn man für seine Überzeugung einer Übermacht gegenüber steht. Die 15 000 Menschen, die am Samstag gegen die NPD, Gott sei Dank friedlich, demonstrierten, brauchten ob ihrer Übermacht sich darüber keine Gedanken machen; ihre Unversehrtheit war zu keiner Zeit bedroht. So schaut das demokratische Kaninchen voller Furcht gebannt auf die rechtsextreme Schlange und merkt gar nicht, dass diese ein politisch zahnloser Regenwurm ist. Der "Protest" der NPD hat sich nicht nur auf der Straße totgelaufen. Wer nur nach rückwärts schaut, kommt nie in der Zukunft an. Wünschenswert wäre es, wenn die 15 000 "guten" Menschen anstatt gegen "Rechts" auch einmal für Rechte auf die Straße gehen würden.
Hans-Jürgen Schwitkowski, Heilbronn
Auf Stimmenfang am rechten Rand
Ob Zuwanderung, Sozialpolitik oder Außenpolitik: Berge von Kreide hatten Stoiber und seine Parteigenossen seit Monaten gefressen, um die politische Mitte für sich zu gewinnen. Aber die Umfragewerte der CDU/CSU wenige Tage vor der Wahl lassen ihre Vertreter an Spitze und Basis wohl jegliche Zurückhaltung aufgeben. Wie blank die Nerven liegen, zeigen, zufällig am gleichen Tag, die neuesten Verlautbarungen Becksteins zum Zuwanderungsgesetz und der unsägliche Leserbrief ( Gesellschaft im Wohlstandschlaf) des Emmendinger CDU-Kreisvorsitzenden.
Nachdem alle Bemühungen der Union um die politische Mitte gescheitert sind, will sie jetzt am rechten Rand des Wählerspektrums die Stimmen einsammeln.
Noch deutlicher macht dies jedoch der skandalöse Leserbrief, wenn auch zu hoffen wäre, dass der Autor sich in seiner Partei damit völlig isoliert: Er diagnostiziert den "Zerfall unserer abendländischen Kultur" und macht dafür "die massenhafte Zuwanderung von Menschen aus der islamischen Welt" verantwortlich; außerdem spricht er alle diejenigen mitschuldig, die nicht sein undifferenziertes Feindbild teilen, und schließlich beklagt er die Dekadenz und fehlende Wehrhaftigkeit unserer durch den Sozialstaat "verfetteten, trägen, selbstgefälligen, feigen Gesellschaft" - dies alles sind Hetzparolen, die einer demokratischen Partei nicht würdig sind, die aber ebenso gut aus der Feder eines Funktionsträgers der "Republikaner" oder der NPD stammen könnten. (Dies ist keine billige Polemik; die entsprechenden Formulierungen gehören vielmehr seit langem bis ins Detail zum Standardrepertoire rechtsextremer Publikationen.)
Hoffentlich besteht noch Gelegenheit, die CDU in dieser Woche daran zu messen, wie sie mit dieser Entgleisung eines, wenn auch gottlob untergeordneten, Funktionsträgers umgeht.
Patrick Thalacker, Freiburg
Mit dieser Gesinnung möchte ich keinesfalls regiert werden
Zu: Gesellschaft im Wohlstandschlaf.
Welches Verständnis von Demokratie hat dieser Mensch, wenn er die Gesellschaft mit in höchstem Maße beleidigenden Attributen versieht, nur weil eine Mehrheit dieser Gesellschaft sich nicht seiner oder Meinung der CDU über die Zuwanderung anschließen möchte? Hätte sich die CDU bei der Gegendemonstration zum Aufmarsch der NPD in Freiburg nicht verweigert, so hätten die Verantwortlichen dieser so genannten christlichen Partei deutlich erkennen können, wofür die Mehrheit der Bevölkerung steht und sich eben auch einsetzt. Aber man hatte Angst, dadurch Wählerstimmen am braunen Rand der Gesellschaft zu verlieren. Mich als potenziellen Wahlverweigerer hat Herr Ganter mit seinem Leserbrief geradezu aufgerufen, wählen zu gehen. Denn von Leuten mit dieser Gesinnung möchte ich keinesfalls regiert werden.
Willi Bury, Endingen
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Freiburger Wochenbericht vom Mittwoch, 18. September 2002
15.000 Freiburger gegen Rechts - NPD scheitert
Breit war das Bündnis gegen die NPD-Kundgebung am vergangenen Samstag,
so breit, dass die 107 angereisten Rechtsextremen ihren geplanten Marsch durch
Freiburg gar nicht erst antreten konnten. 6.000 Gegendemonstranten aus allen
Bevölkerungsschichten versperrten allein den Weg durch die Eisenbahnstraße, mehrere
Tausend blockierten außerdem die Bismarckallee in beiden Richtungen. Ein gellendes
Pfeifkonzert machte die Rede des NPD-Landesvorsitzenden auch für seine eigenen
Anhänger weitgehend unhörbar. Einige der NPDler standen barfuß oder auf Socken vor dem Bahnhof, weil sie auf Grund eines von der Stadt verhängten Verbots ihre
Springerstiefel ausziehen mussten. Insgesamt waren 15.000 Freiburger auf den Beinen,
um ein Zeichen gegen Rechts zu setzen. Ausdrücklich dankte OB Salomon der Polizei
und dem Amt für öffentliche Ordnung für die kluge und überlegte Strategie. Dem
Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) und seinem Vorsitzenden Jürgen Höfflin galt der
Dank für die Bildung und Koordination des Bündnisses gegen die NPD. Höfflin hatte zu einer Demonstration vom Platz der Alten Synagoge vor der Universität zum Konrad-Adenauer-Platz vor dem Konzerthaus aufgerufen, nicht jedoch zu einer Blockade der NPD vor dem Bahnhof, wie sie dann tatsächlich stattgefunden hat.
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Badische Zeitung vom Mittwoch, 18. September 2002
Medien von den Socken
Ihr Einsatz gegen die NPD macht Freiburgs Bürger berühmt
Bis nach Bangkok reichte die Kunde von den Freiburger Bürgern, die einen NPD-Aufmarsch verhindert haben. Jedenfalls war die Bangkok Post eine der ausländischen Zeitungen, die über das Ereignis berichtet haben. Wenn auch nur kurz und nicht ganz korrekt: Aus dem fernen Freiburg wurde "southern Germany", aus den 15 000 Menschen "more than 10 000 demonstrators" und aus den knapp 100 NPD-Anhängern "150 neo-Nazis". Etwas mehr Platz räumte die Basler Zeitung dem Aktionstag ein. Sie titelte frech: "Freiburg zog NPD die Stiefel aus." Ansonsten hielten vor allem deutsche Zeitungen das Engagement der Freiburger für berichtenswert.
Zum Beispiel die Süddeutsche Zeitung. Sie klopfte den Freiburgern kräftig auf die Schultern und schrieb genau das, was die Bürger hier gerne hören: "Freiburg ist anders." Was schon die Wahl eines Grünen zum ersten Oberbürgermeister einer deutschen Großstadt belegte und sich auch am Samstag wieder zeigte, "als mehr als zehntausend Freiburger den braunen Spuk der rechtsextremen NPD verscheuchten". Bemerkenswert fand der Autor den Umstand, dass SC-Trainer Volker Finke "auf der Bühne neben dem Tübinger Rhetorik-Professor Walter Jens vor großem Publikum ganz selbstverständlich die Rolle eines politischen Redners übernahm".
Ähnlich beobachtete die taz das Treiben im Süden der Republik: "Freiburg hat seinem Ruf als sonnige links-alternative Hochburg am Wochenende alle Ehre gemacht", schrieb die Tageszeitung am Montag über die Ereignisse vor dem Hauptbahnhof. Titel: "Braune Socken in Freiburg". Das Motiv der entstiefelten Kundgebungsteilnehmer griffen die Zeitungsmacher natürlich nicht nur für ihre Überschriften, sondern vor allem auch für die Bebilderung ihrer Texte auf: Socken, wohin man auch sah. Die Stuttgarter Zeitung allerdings zeigte das Menschenmeer, das sich den NPD-Mitgliedern in den Weg gestellt hatte, und titelte: "Steh-Demo statt Zug durch Freiburgs Innenstadt." Im nebenstehenden Kommentar sprach die Autorin den besonnen agierenden Bürgern und Polizeikräften ein Lob dafür aus, dass sie die NPD-Kundgebung "so friedvoll wie erfolgreich" verhindert haben. "Wenn die große Mehrheit der Bevölkerung dies nicht will, dann haben Rechtsradikale in diesem Land keine Chance." Kritik dagegen für die CDU: Durch das Ausscheren ihrer Partei aus dem Aktionsbündnis hätten sich die Repräsentanten der CDU "um ihren Anteil an diesem Erfolg" gebracht.
Andrea Drescher
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Badische Zeitung vom Mittwoch, 18. September 2002
Linke Liste fragt nach beim Verfassungsschutz
Die Linke Liste/Friedensliste will's wissen: In einem Brief an das Landesamt für Verfassungsschutz fordert die Gruppierung Auskunft darüber, wie dessen Vizepräsident Hans-Jürgen Doll zu der Einschätzung kommt, die Linke Liste sei "linksextremistisch beeinflusst". Diese Äußerung hatte Doll in einem Gespräch mit dem Südwestrundfunk fallen lassen, als er das Aktionsbündnis gegen die NPD kritisierte. Da die Linke Liste nicht im Verfassungsschutzbericht auftaucht, will sie nun wissen, "auf welche Erkenntnisse sich diese Aussage stützt." Das Landesamt bestätigte gestern den Eingang des Schreibens, wollte dazu aber nicht Stellung nehmen, sondern erst den Absender informieren.
mac
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