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Pressespiegel

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Zeitung Datum Typ Original
Verfassungsschutz  Oktober 2002 Kommentar  VS
Verfassungsschutz  Oktober 2002 Kommentar  VS
Badische Zeitung  Freitag, 25. September 2002 Redaktion  BZ
Badische Zeitung  Samstag, 21. September 2002 Leserbriefe  BZ
StadtNachrichten  Freitag, 20. September 2002 Redaktion  FSN
StadtNachrichten  Freitag, 20. September 2002 Dankschreiben  FSN
Badische Zeitung  Freitag, 20. September 2002 Leserbriefe  BZ  BZ
Stuttgarter Nachrichten  Donnerstag, 19. September 2002 Redaktion  SN
Badische Zeitung  Donnerstag, 19. September 2002 Redaktion  BZ
Badische Zeitung  Donnerstag, 19. September 2002 Redaktion  BZ
Badische Zeitung  Donnerstag, 19. September 2002 Leserbriefe  BZ  BZ  BZ
Freiburger Wochenbericht  Mittowch, 18. September 2002 Redaktion
Badische Zeitung  Mittowch, 18. September 2002 Redaktion  BZ
Badische Zeitung  Mittowch, 18. September 2002 Redaktion  BZ
Badische Zeitung  Dienstag, 17. September 2002 Redaktion  BZ
Badische Zeitung  Dienstag, 17. September 2002 Redaktion  BZ  BZ
Badische Zeitung  Dienstag, 17. September 2002 Rede
Badische Zeitung  Dienstag, 17. September 2002 Rede
Badische Zeitung  Dienstag, 17. September 2002 Leserbriefe  BZ
Basler Zeitung  Montag, 16. September 2002 Redaktion
Neues Deutschland  Montag, 16. September 2002 Redaktion
Frankfurter Rundschau  Montag, 16. September 2002 Redaktion  FR
junge Welt  Montag, 16. September 2002 Redaktion  jW
taz  Montag, 16. September 2002 Redaktion  taz
Süddeutsche Zeitung  Montag, 16. September 2002 Redaktion  SZ
Saarbrücker Zeitung  Montag, 16. September 2002 Redaktion  SaZ
Ostsee Zeitung  Montag, 16. September 2002 Redaktion  OZ
Kölner Stadt-Anzeiger  Montag, 16. September 2002 Redaktion  KSTA
NETZEITUNG.DE  Montag, 16. September 2002 Redaktion  NZ
Freie Presse  Montag, 16. September 2002 Redaktion  FP
Focus  Montag, 16. September 2002 Redaktion  Focus
Berliner Zeitung  Montag, 16. September 2002 Redaktion  BeZ
Stuttgarter Nachrichten  Montag, 16. September 2002 Redaktion  SN
Stuttgarter Nachrichten  Montag, 16. September 2002 Redaktion  SN
Stuttgarter Nachrichten  Montag, 16. September 2002 Kommentar  SN
Badische Zeitung  Montag, 16. September 2002 Redaktion  BZ
Badische Zeitung  Montag, 16. September 2002 Redaktion  BZ
Badische Zeitung  Montag, 16. September 2002 Redaktion  BZ
Badische Zeitung  Montag, 16. September 2002 Redaktion  BZ
Badische Zeitung  Montag, 16. September 2002 Redaktion  BZ
Badische Zeitung  Montag, 16. September 2002 Redaktion  BZ
Badische Zeitung  Montag, 16. September 2002 Kommentar  BZ
Badische Zeitung  Montag, 16. September 2002 Interview  BZ
Der Sonntag  Sonntag, 15. September 2002 Redaktion  DS
Der Sonntag  Sonntag, 15. September 2002 Redaktion  DS
Der Sonntag  Sonntag, 15. September 2002 Redaktion  DS
junge Welt  Samstag, 14. September 2002 Interview  jW
Badische Zeitung  Samstag, 14. September 2002 Redaktion  BZ
Badische Zeitung  Samstag, 14. September 2002 Redaktion  BZ
Badische Zeitung  Samstag, 14. September 2002 Redaktion  BZ
Badische Zeitung  Samstag, 14. September 2002 Redaktion  BZ
Badische Zeitung  Samstag, 14. September 2002 Redaktion  BZ
Badische Zeitung  Samstag, 14. September 2002 Interview  BZ
Basler Zeitung  Freitag, der 13. September 2002 Redaktion
Reutlinger General-Anzeiger  Freitag, der 13. September 2002 Redaktion  RGA
Badische Zeitung  Freitag, der 13. September 2002 Redaktion  BZ
Badische Zeitung  Freitag, der 13. September 2002 Redaktion  BZ
Badische Zeitung  Freitag, der 13. September 2002 Redaktion  BZ
Badische Zeitung  Freitag, der 13. September 2002 Redaktion  BZ
Badische Zeitung  Freitag, der 13. September 2002 Redaktion  BZ
Badische Zeitung  Freitag, der 13. September 2002 Kommentar  BZ
Badische Zeitung  Freitag, der 13. September 2002 Interview  BZ
Badische Zeitung  Freitag, der 13. September 2002 Leserbriefe  BZ
Badische Zeitung  Donnerstag, 12. September 2002 Redaktion  BZ
Badische Zeitung  Donnerstag, 12. September 2002 Redaktion  BZ
Badische Zeitung  Donnerstag, 12. September 2002 Redaktion  BZ
Badische Zeitung  Donnerstag, 12. September 2002 Interview  BZ
Badische Zeitung  Donnerstag, 12. September 2002 Interview  BZ
Freiburger Wochenbericht  Mittwoch, 11. September 2002 Redaktion
Badische Zeitung  Mittwoch, 11. September 2002 Redaktion  BZ
Badische Zeitung  Mittwoch, 11. September 2002 Redaktion  BZ
Badische Zeitung  Mittwoch, 11. September 2002 Redaktion  BZ
Badische Zeitung  Mittwoch, 11. September 2002 Redaktion  BZ
Frankfurter Rundschau  Dienstag, 10. September 2002 Redaktion  FR
Badische Zeitung  Dienstag, 10. September 2002 Redaktion  BZ
Badische Zeitung  Dienstag, 10. September 2002 Redaktion  BZ
Badische Zeitung  Dienstag, 10. September 2002 Redaktion  BZ
Badische Zeitung  Dienstag, 10. September 2002 Redaktion  BZ
Badische Zeitung  Montag, 09. September 2002 Interview  BZ
Der Sonntag  Sonntag, 08. September 2002 Interview
Der Sonntag  Sonntag, 08. September 2002 Interview
Badische Zeitung  Samstag, 07. September 2002 Redaktion  BZ
Badische Zeitung  Samstag, 07. September 2002 Redaktion  BZ
Badische Zeitung  Samstag, 07. September 2002 Leserbriefe  BZ
Stuttgarter Nachrichten  Freitag, 06. September 2002 Redaktion  SN
junge Welt  Freitag, 06. September 2002 Redaktion  jW
StadtNachrichten  Freitag, 06. September 2002 Redaktion  FSN
StadtNachrichten  Freitag, 06. September 2002 Redaktion  FSN
StadtNachrichten  Freitag, 06. September 2002 Redaktion  FSN
Badische Zeitung  Freitag, 06. September 2002 Redaktion  BZ
Badische Zeitung  Freitag, 06. September 2002 Redaktion  BZ
Badische Zeitung  Freitag, 06. September 2002 Kommentar  BZ
Badische Zeitung  Freitag, 06. September 2002 Leserbrief  BZ
Stuttgarter Nachrichten  Donnerstag, 05. September 2002 Redaktion  SN
Badische Zeitung  Donnerstag, 05. September 2002 Redaktion  BZ
Badische Zeitung  Donnerstag, 05. September 2002 Redaktion  BZ
Badische Zeitung  Mittwoch, 04. September 2002 Redaktion  BZ
Badische Zeitung  Mittwoch, 04. September 2002 Redaktion  BZ
Badische Zeitung  Mittwoch, 04. September 2002 Redaktion  BZ
Stuttgarter Nachrichten  Dienstag, 03. September 2002 Redaktion  SN
Badische Zeitung  Dienstag, 03. September 2002 Redaktion  BZ
Badische Zeitung  Dienstag, 03. September 2002 Redaktion  BZ
Badische Zeitung  Dienstag, 03. September 2002 Kommentar  BZ
Badische Zeitung  Dienstag, 03. September 2002 Interview  BZ
Badische Zeitung  Dienstag, 03. September 2002 Leserbrief  BZ
Neues Deutschland  Montag, 02. September 2002 Redaktion  ND
Badische Zeitung  Samstag, 31. August 2002 Redaktion  BZ
Badische Zeitung  Samstag, 31. August 2002 Redaktion  BZ
Badische Zeitung  Mittwoch, 28. August 2002 Redaktion  BZ
Badische Zeitung  Mittwoch, 28. August 2002 Leserbrief  BZ
junge Welt  Dienstag, 27. August 2002 Redaktion  jW
Badische Zeitung  Dienstag, 27. August 2002 Redaktion  BZ
Badische Zeitung  Dienstag, 27. August 2002 Interview  BZ
Badische Zeitung  Montag, 26. August 2002 Redaktion  BZ
Der Sonntag  Sonntag, 25. August 2002 Redaktion
Badische Zeitung  Samstag, 24. August 2002 Redaktion  BZ
Frankfurter Rundschau  Samstag, 24. August 2002 Redaktion  FR
Stuttgarter Nachrichten  Freitag, 23. August 2002 Redaktion  SN
Badische Zeitung  Freitag, 23. August 2002 Redaktion  BZ
Badische Zeitung  Freitag, 23. August 2002 Interview  BZ
Badische Zeitung  Freitag, 23. August 2002 Kommentar  BZ
Stuttgarter Nachrichten  Donnerstag, 22. August 2002 Redaktion  SN
Badische Zeitung  Freitag, 16. August 2002 Redaktion  BZ
Badische Zeitung  Freitag, 16. August 2002 Kommentar  BZ
Basler Zeitung  Donnerstag, 15. August 2002 Redaktion
Badische Zeitung  Donnerstag, 15. August 2002 Redaktion  BZ
Badische Zeitung  Donnerstag, 15. August 2002 Redaktion  BZ
Badische Zeitung  Montag, 12. August 2002 Redaktion  BZ
StadtNachrichten  Freitag, 09. August 2002 Redaktion  FSN
Badische Zeitung  Freitag, 09. August 2002 Redaktion  BZ
Freiburger Wochenbericht  Mittwoch, 07. August 2002 Redaktion
Badische Zeitung  Montag, 05. August 2002 Redaktion  BZ
Der Sonntag  Sonntag, 04. August 2002 Redaktion
Badische Zeitung  Freitag, 02. August 2002 Redaktion  BZ
Badische Zeitung  Freitag, 02. August 2002 Redaktion  BZ
Badische Zeitung  Freitag, 02. August 2002 Leserbrief  BZ
Badische Zeitung  Montag, 29. Juli 2002 Redaktion  BZ
StadtNachrichten  Freitag, 26. Juli 2002 Redaktion  FSN
StadtNachrichten  Freitag, 26. Juli 2002 Kommentar
Badische Zeitung  Donnerstag, 25. Juli 2002 Redaktion  BZ
junge Welt  Mittwoch, 24. Juli 2002 Interview  jW
Stadtkurier  Mittwoch, 24. Juli 2002 Redaktion
Freiburger Wochenbericht  Mittwoch, 24. Juli 2002 Redaktion
Badische Zeitung  Mittwoch, 24. Juli 2002 Redaktion BZ
Der Sonntag  Sonntag, 21. Juli 2002 Kommentar
Badische Zeitung  Samstag, 20. Juli 2002 Redaktion BZ
Stattzeitung  Freitag, 19. Juli 2002 Interview  SW
Badische Zeitung  Freitag, 19. Juli 2002 Redaktion  BZ
Badische Zeitung  Freitag, 19. Juli 2002 Redaktion  BZ
Badische Zeitung  Freitag, 19. Juli 2002 Redaktion  BZ
Freiburger Wochenbericht  Mittwoch, 17. Juli 2002 Redaktion
Badische Zeitung  Mittwoch, 17. Juli 2002 Redaktion  BZ
Badische Zeitung  Dienstag, 16. Juli 2002 Redaktion  BZ
Badische Zeitung  Montag, 15. Juli 2002 Redaktion  BZ
Der Sonntag  Sonntag, 14. Juli 2002 Redaktion
junge Welt  Freitag, 12. Juli 2002 Redaktion  jW
Badische Zeitung  Freitag, 12. Juli 2002 Redaktion  BZ
StadtNachrichten  Freitag, 12. Juli 2002 Redaktion  FSN
Badische Zeitung  Donnerstag, 11. Juli 2002 Redaktion  BZ
Badische Zeitung  Donnerstag, 11. Juli 2002 Kommentar  BZ
Badische Zeitung  Mittwoch, 10. Juli 2002 Redaktion  BZ
Badische Zeitung  Mittwoch, 10. Juli 2002 Kommentar  BZ
Freiburger Wochenbericht  Mittwoch, 10. Juli 2002 Redaktion
Badische Zeitung  Dienstag, 9. Juli 2002 Redaktion  BZ
Badische Zeitung  Dienstag, 9. Juli 2002 Kommentar  BZ

 Inhalt


Verfassungsschutzbericht Oktober 2002

Breites Bündnis unter Einschluss von Linksextremisten verhindert NPD-Demo in Freiburg

Die von der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) für den 14. September 2002 in Freiburg angemeldete Demonstration unter dem Motto "Gegen Globalisierung und Meinungsdiktatur in der BRD - für ein freies Deutschland und Europa" war Anlass für zahlreiche Gegenaktionen im gesamten Stadtgebiet. Diese Gegendemonstrationen, unter Beteiligung auch von Linksextremisten, waren erfolgreich bei der Verhinderung des NPD-Auftritts.

Unter Federführung des örtlichen DGB und mit Unterstützung der Stadt Freiburg war ein Aktionsbündnis "Für eine offene Stadt - gegen Fremdenhass und Rassenwahn" gegründet worden, dem neben demokratischen Organisationen auch linksextremistische und linksextremistisch beeinflusste Gruppierungen angehörten. So wurde der Aufruf des Bündnisses "Zivilcourage zeigen - NPD-Aufmarsch in Freiburg verhindern!" unter anderem von der "Deutschen Kommunistischen Partei" (DKP), der "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS), der "Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands" (MLPD), der "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten" (VVN-BdA) und der trotzkistischen Gruppierung "Linksruck" unterzeichnet.

Vom Aktionsbündnis wurden für den 14. September 2002 zahlreiche Kundgebungen, Demonstrationen, Konzerte und sonstige Veranstaltungen als Gegenaktionen zur NPD-Demonstration angemeldet.

Hauptziel der Linksextremisten war ebenfalls nicht allein die Äußerung von Protest, sondern vor allem die Verhinderung der NPD-Kundgebung. Aufrufe aus dem autonomen Spektrum ließen dabei von Anfang an keine Zweifel an der Bereitschaft, zur Durchsetzung dieses Zieles auch Gewalt anzuwenden. So hieß es in einem Ende August verbreiteten Aufruf einer Gruppierung "El Afitna"(1):

(1) Eine Gruppierung "El Afitna" ist in Freiburg bisher nicht in Erscheinung getreten. Vermutlich verbergen sich hinter diesem Anagramm des Begriffs "Antifa" Angehörige des linksextremistischen autonomen Spektrums Freiburg.

"Deswegen rufen wir dazu auf dem Aufmarsch mit einem kreativen, bunten, lauten und entschlossenen Protest ,direkt' entgegenzutreten und zu verhindern! Egal wo. Egal wann. Die Nazis sollen keinen Schritt mit ihrem Aufmarsch voran kommen. Kommt also alle zum Treffpunkt der NPD, nehmt Trillerpfeifen, faules Obst, Eier, Plakate etc mit und stellt euch den Nazis in den Weg!"
(Fehler im Original)

Ein Beitrag in der September-Ausgabe der Freiburger Szenepublikation "Koraktor" schloss mit den Worten:

"Deshalb ist es notwendig, sich den NazimarschiererInnen direkt entgegenzustellen - und zwar mit allen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen. Das ist das Gebot der Solidarität mit den Opfern der Faschisten! Lasst euch nicht von Bürgern, Stadt, Polizei und Nazis diktieren, was ihr zu tun habt!"

Am Tag der Demonstration beteiligten sich insgesamt rund 15.000 Menschen an den unterschiedlichsten Gegenveranstaltungen. Zur Hauptkundgebung hatten sich um 11 Uhr ca. 10.000 Menschen auf dem Platz der alten Synagoge eingefunden. Nach Ende dieser Kundgebung zog ein Großteil der Teilnehmer zum Bahnhof, wo die Demonstration der NPD beginnen sollte, so dass sich um 13 Uhr, dem geplanten Beginn des NPD-Aufzugs, dort ca. 6.000 bis 8.000 Gegendemonstranten eingefunden hatten, darunter 200 bis 300 Angehörige des gewaltbereiten autonomen Spektrums. Schwerwiegende Straftaten blieben zwar aus, dennoch kam es zu kleineren Ausschreitungen: Abfeuern von Leuchtspurmunition, Werfen von Farbbeuteln, Eiern und Bierflaschen in Richtung der NPD-Demonstration. Ein NPD-Anhänger wurde am Rande der Demonstration verprügelt, durch Farbbeutelwürfe wurde ein Polizeifahrzeug beschädigt. Unter mehreren PKWs wurden Molotowcocktails entdeckt, die jedoch keinen Schaden angerichtet hatten.

Angesichts der großen Zahl der Gegendemonstranten entschloss sich die Polizei, das Demonstrationsrecht der ca. 130 am Bahnhof versammelten NPD-Anhänger nicht durchzusetzen, so dass diese nach einer Eröffnungs- und Abschlusskundgebung vor dem Hauptbahnhof Freiburg wieder verlassen mussten.

Stimmen aus der linksextremistischen Szene in Reaktion auf die Ereignisse zeigten sich "erfreut" über die Verhinderung der NPD-Demonstration durch ein "bürgerliches Bündnis". Bisher reklamierten Linksextremisten für sich, sich als einzige aktiv Rechtsextremisten in den Weg zu stellen, während die "Bürgerlichen" - so die Kritik - lediglich demonstrierten, ohne die direkte Konfrontation zu suchen.

Sahen militante Linksextremisten ihre eigenen Zielsetzungen in Freiburg erstmals durch ein "bürgerliches" Bündnis verwirklicht, so wurde andererseits aber das Übergewicht des "bürgerlichen" Faktors letztendlich als "alles andere als ein Sieg" für die "radikale Linke" begriffen, da "linke" Positionen in der Masse kaum hätten Gewicht erlangen können. Erst recht wurde die ausbleibende Solidarität mit von der Polizei eingekesselten Autonomen am Colombipark als Zeichen dafür gewertet, "wie sehr faschistisches Verhalten eben nicht unbedingt nur von den kleinen, als ,extremistisch' eingestuften Parteien ausgeht, sondern allen voran von der Staatsgewalt, die die ,Gefahr' des rechten Extremismus (und damit zwangsläufig auch des linken) als willkommenen Anlass nimmt, um politischer Kritik mit der helfenden Hand ,solidarischer' und ,engagierter' Bürger den Hahn abzudrehen. Wenn Euch also das nächste mal ein ,gutmeinender' und ,toleranter' Bürgermeister, Stadtrat oder Innenminister zu eimem Bündnis gegen ,Rechts' aufruft, versäumt es nicht Allen klarzumachen, dass wir uns ,gegen jede Art von rechter Gewalt und Staatsgewalt' richten."
(Fehler im Original).

Letztendlich, argumentierten wieder andere, sei es eigentlich nur um das "saubere Image" der Stadt Freiburg gegangen, da sich die "bürgerlichen" Demokraten "in keinster Weise mit den Ursachen von Faschismus auseinandergesetzt und auch kein Wort über staatlichen Rassismus verloren" hätten.

 Inhalt


Verfassungsschutzbericht Oktober 2002

Geringe Beteiligung an NPD-Demonstration in Freiburg

Unter dem Motto "Gegen Globalisierung und Meinungsdiktatur in der BRD - Für ein freies Deutschland und Europa!" wollte der baden-württembergische Landesverband der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) am 14. September 2002 eine Demonstration in Freiburg im Breisgau mit diversen Rednern durchführen. Dazu kam es allerdings nicht. Lediglich etwa 130 Rechtsextremisten standen rund 15.000 Gegendemonstranten gegenüber. Dadurch und durch die Auflagen der Stadt Freiburg konnte der Aufzug nicht wie geplant stattfinden.

Bereits im Vorfeld der Demonstration wurde einem der angekündigten Redner, dem Neonazi Friedhelm BUSSE, ein Redeverbot für die Demonstration erteilt. Am Veranstaltungstag wurde dann gegen einen weiteren Referenten, einen Funktionär der "Partei national orientierter Schweizer" (PNOS), ein Einreiseverbot in das Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland ausgesprochen. Schließlich war der Landesvorsitzende der NPD Siegfried HÄRLE, Riedlingen, der einzige Redner. HÄRLE, der zweimal etwa 20 Minuten zu den Anwesenden sprach, ereiferte sich zu Beginn seiner Rede über die vom Verwaltungsgericht als rechtswidrig aufgehobene Verbotsverfügung der Stadt Freiburg gegen die NPD-Demonstration. Danach griff er die Themen Arbeitslosigkeit, Staatsverschuldung und Rentenreform auf und machte die Ausländer- und Zuwanderungspolitik der Bundesregierung für die Probleme in Deutschland verantwortlich.

Der geplante Demonstrationszug fand auf Anweisung der Polizei letztendlich nicht statt, da es den Ordnungskräften nicht möglich war, den blockierten Demonstrationsweg zu räumen. Die Gegendemonstranten kamen der mehrfachen Aufforderung der Polizei, die Strecke frei zu machen, nicht nach.

 Inhalt


Badische Zeitung vom Freitag, 25. September 2002

Ansteckende Kontakte

Landesamt für Verfassungsschutz antwortet der Linken Liste

Belustigt, aber auch beunruhigt reagierte die Linke Liste auf ein Schreiben des Landesamtes für Verfassungsschutz. Darin wird - auf Anfrage der Linken Liste - erklärt, warum sie in Verbindung mit dem Aktionsbündnis gegen die NPD-Kundgebung als "linksextremistisch beeinflusst" eingestuft worden war. Demnach gilt eine Gruppierung als "extremistisch beeinflusst", wenn "lediglich personelle oder organisatorische Verknüpfungen zu extremistischen Bestrebungen vorhanden" sind.

Der Hintergrund: Nachdem sich in Freiburg ein Aktionsbündnis gegen die NPD-Demonstration gebildet hatte, warf Verfassungsschützer Hans-Jürgen Doll der Stadtverwaltung in einem Rundfunk-Interview vor, sie dulde linksextreme Gruppierungen im Bündnis. Gemeint waren die DKP, die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes und die Linke Liste. Aufgrund der Kritik des Oberbürgermeisters räumte Innenminister Thomas Schäuble später lediglich ein, dass man darüber streiten könne, ob Doll das beamtenrechtliche Gebot zur politischen Zurückhaltung in vollem Umfang berücksichtigt habe. Gründe für die Einschätzung nannte er nicht.

Auch das Antwortschreiben nennt keine Aktionen oder Äußerungen. Vielmehr heißt es: Die Linke Liste Freiburg sei eine der "offenen linken Listen", die "anlässlich der Kommunalwahl in Baden-Württemberg am 24. Oktober 1999 mit 48 Kandidatinnen und Kandidaten antrat". Über mehrere der Kandidaten, die sich zur Wahl stellten, lägen Erkenntnisse vor, die deren Zuordnung zum linksextremistischen beziehungsweise linksextremistisch beeinflussten Spektrum belegten. So hätten auf dieser Liste Mitglieder der linksextremistischen Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS), der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) sowie deren Jugendorganisation Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend kandidiert. Ge-nannt werden auch die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten und der von der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands beeinflusste "Frauenverband Courage". Die Linke Liste habe seither mehrfach mit DKP und PDS zu Aktionen aufgerufen. Abschließend wird erklärt, dass nicht alle, sondern nur wesentliche linksextremistische Bestrebungen im Verfassungsschutzbericht erwähnt würden.

Fazit der Linken Liste: "Linksextremismus scheint ansteckend sein" - was in Freiburg den gesamten Gemeinderat betreffen müsse, weil dieser mit der Linken Liste in ständigem Kontakt sei.

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 Inhalt


Badische Zeitung vom Samstag, 21. September 2002

BRIEFE AN DIE BZ

"Tiefer Griff in den Stadtsäckel"

Die Presse titelt "Sieg der Toleranz" und "Fest der Toleranz". Überhaupt wird in den Berichten das Wort Toleranz arg strapaziert. Hier scheint mir ein Fall von Begriffsverwirrung vorzuliegen. Da pfeift eine 15 000-köpfige Menschenmenge ein Häuflein von 100 jungen Leuten aus, blockiert den zugewiesenen Umzugsweg und hält Tomaten, Eier und andere Wurfgeschosse bereit. Angesichts dieser Drohkulisse bleibt den Demonstranten nichts anderes übrig als ihre Aktion abzubrechen. Was das mit Toleranz zu tun hat, ist mir nicht ganz einsichtig. Auch dann nicht, wenn das Ganze von den Stadtoberen in Gang gesetzt wurde und der neue Oberbürgermeister nach seinem gescheiterten Demonstrationsverbot, das sogar den Verfassungsschutz auf den Plan rief, einen tiefen Griff in den anscheinend gutgefüllten Stadtsäckel tat, um doch noch seinen Willen durchzusetzen.

Peter Hartwig, Freiburg

"Demo gegen Stalin und Gysi"

Den Aktionstag gegen "Rechts" fand ich als parteiloser Demokrat wunderbar und überzeugend. Hierfür danke ich auch von Herzen allen Beteiligten.

Doch wenn man vom Rechtsstaat überzeugt ist und ihn jederzeit verteidigen will, dann darf man auch nicht Grundrechte anderer Menschen verletzten. Was ist denn das für eine, auch wehrhafte Demokratie, die es nicht ertragen kann, dass einhundert verirrte Neonazis durch ihre Demonstration sich selbst disqualifizieren. Solange diese - für mich unerträgliche Partei - nicht verboten ist, hat sie die gleichen verfassungsmäßigen Rechte wie alle anderen Parteien auch. Gerne würde ich eine Demonstration gegen Stalin, Ulbricht, Honecker oder die Nachfolgeorganisation um Herrn Gysi veranstalten. Die Millionen Opfer dieser Regime können sich heute nicht mehr wehren. Aber ich glaube nicht, dass meine Freiburger in ihrer offenen Stadt in diesem Fall auf die Straße gehen würden, Wenn ja, dann würde ich mich an der Organisation beteiligen.

Alexander Clement, Freiburg

"Wenig elegant"

Zunächst Erfreuliches: Mit der "Offenen Stadt" stärkten viele Bürger und Organisationen die freiheitliche-demokratische Grundordnung. Zudem konnte Freiburgs Polizei gemeinsam mit der Göppinger Bereitschaft Eskalation stoppen. Die Blockierung des NPD-Demonstrationsweges nötigte die Einsatzkräfte mit den NPD-Veranstaltern einen Rückzug auszuhandeln. Allerdings brandmarken Letztere dies als Schwäche der Verwaltung und könnten sich nun selbst als friedfertig oder gar als Märtyrer darstellen.

Ich stellte mir das eleganter vor: Die NPD ginge ungehindert den genehmigten Weg, geschützt und beobachtet durch die Polizei, doch kaum beachtet vom Bürger. Vielleicht hätte sie dabei selbst ihre Verfassungsfeindlichkeit bewiesen - eine Steilvorlage für den Verbotsantrag ans Bundesverfassungsgericht! Doch Raffinesse wird uns Deutschen gründlich ausgetrieben von Kind an. Stattdessen herrschen Denkschablonen und einmal gefasste (Vor-)Urteile. Eigentlich Gleichgesinnte nerven, mobben und grenzen einander aus; der wahre Gegner lacht sich ins Fäustchen getreu Cäsar: "teile und herrsche". Das Ausland begegnet dem Faschismus und manch anderem Problem geschmeidiger, siehe Österreich, Frankreich, England.

Peter Gremmelspacher, Donaueschingen

"Was für eine Zuneigung?"

Die am Montag, 9. September, erschienene Anzeige der Aktion "Werbeagenturen / BZ gegen Rechts" ist ein Beispiel dafür, welche Tücken in einer koscheren Absicht lauern können. "Schweinefleisch süß/sauer" heißt es als Metapher für das deutsche Bild vom Chinesen (Türken, Italiener, Thailänder...). "Und den Koch mögen wir auch" - so die ausländerfreundliche Gesinnungsaussage. Davon ausgehend, dass es sich nicht um jenen bestimmten Koch süßsauren Schweinefleischs handelt, den der Absender zum Fressen gern hat, sondern um den "Chinesen (Ausländer) an sich", drängt sich mir die Frage auf, was für eine Art von Zuneigung hier propagiert und nach welchen Kriterien diese wohl vergeben wird? Reicht es aus, Chinese (Ausländer) zu sein, um in den Genuss dieser Zuneigung zu gelangen? Aber was unterscheidet diese "Freundlichkeit" dann von jener "Feindlichkeit", für die ja bekanntlich auch nur dieses eine Kriterium notwendig ist? Beiden gleichermaßen eigen ist jedenfalls eines: die Motivation durch die eigene psycho-historische Befindlichkeit, garniert durch die irrige Vorstellung einer irgendwie homogenen Masse von "Ausländern", die man entweder mag oder nicht. Und die Unfähigkeit, das Individuum, "den Menschen im Ausländer", wahrnehmen zu können - man könnte ihn ja mögen / nicht mögen.

Nazli Kaner, Freiburg

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StadtNachrichten (Amtsblatt) vom Freitag, 20. September 2002

Freiburg verhinderte die NPD und feierte eine große Party

NDP- Aufmarsch konnte wegen großer Zahl an Gegendemonstranten nicht stattfinden

Eins der größten Feste in Freiburg feierten an die 20 000 Menschen am vergangenen Samstag in der Freiburger Innenstadt beim Aktionstag gegen Rechts. Die Freiburger Bürgerschaft, zahlreiche Besucher aus Nachbargemeinden und die rund 100 Gruppen in dem gemeinsamen von der Stadt unterstützten Bündnis hatten zuvor den geplanten Aufmarsch der NPD auf eindrucksvolle und friedliche Weise verhindert. OB Salomon: "Das war ein Tag für Demokratie und Toleranz."

Bereits am Vormittag um 11 Uhr hatten sich zu einer zentralen Kundgebung der Stadt und des DGB auf dem Platz der Alten Synagoge vor dem Kollegiengebäude II rund 15.000 Menschen versammelt. Im Mittelpunkt der Kundgebung stand die beeindruckende Rede des Rhetorik-Professors Walter Jens. Außerdem sprachen Oberbürgermeister Dieter Salomon, Volker Finke, Trainer des Sportclub Freiburg, Jürgen Höfflin, DGB- Vorsitzender des Bezirks Südbaden sowie Rainer Bliesener, Landesvorsitzender des DGB.

Nach der Kundgebung strömte die Menschenmenge in Richtung Bahnhof, um dort gegen den NPD- Aufmarsch zu demonstrieren. Rund um den Hauptbahnhof war so der Demonstrationsweg der NPD blockiert, so dass die 100 NPD- Anhänger nicht von der Stelle kamen. Im Interesse der öffentlichen Sicherheit und Ordnung entschied dann gegen 14 Uhr die Polizei in Abstimmung mit der Stadt als Versammlungsbehörde, den Zug der NDP nicht stattfinden zu lassen.

Sowohl Polizei und Stadtverwaltung zeigten sich danach erleichtert und glücklich über den guten Verlauf des Aktionstages und den schwierigen Einsatz der Polizei. Rund 2.000 Einsatzkräfte waren vor Ort gewesen, darunter auch Kräfte des Bundesgrenzschutzes und verschiedene Reiterstaffeln.

Dass der Aktionstag friedlich blieb und es zu keinen Zusammenstößen zwischen NPD und Gegendemonstranten kam, war der klugen und umsichtigen Strategie der Polizei und des Amtes für öffentliche Ordnung zu verdanken, wie Oberbürgermeister Dieter Salomon bei einer Bilanzpressekonferenz im Rathaus feststellte. Sie entschieden frühzeitig, die NPD- Demonstration nicht stattfinden zu lassen, da es aufgrund des zahlenmäßigen Übergewichts der NPD- Gegner nicht zu verantworten war, die Straßen frei zu räumen.

Anstelle des Aufmarsches musste sich die NPD auf eine kaum beachtete Rede ihres Landesvorsitzenden beschränken. Nachdem das Ende der Versammlung verfügt worden war, sind die NPD- Demonstranten in einem Sonderzug wieder aus Freiburg abgereist.

Schließlich hatten die Menschen auf den Straßen nur noch eines im Sinn: feiern. Bei einem riesigen Kulturangebot auf allen Plätzen war für jeden was dabei: Hip Hop auf dem Augustinerplatz, Salsa und Flamenco auf dem Rathausplatz, Rock, Reggae, Soul und Funk auf der Open-Air- Bühne auf dem Theatervorplatz. Hier hatte KOKO Entertainment für ein begeisterndes Open-Air- Erlebnis gesorgt: Den Auftakt machte Son Goku featuring Thomas D., später brachte Fury and the Slaughterhouse das Publikum zum Kochen. Für einen funkigen Abschluss schließlich sorgte Rolf Stahlhofen, einer der Frontmänner der Söhne Mannheims.

 Inhalt


StadtNachrichten (Amtsblatt) vom Freitag, 20. September 2002

Stimmen zum Aktionstag

Eine Fülle von Dankschreiben per Post und E-Mail erhielt das Rathaus nach dem Aktionstag. Fast ausschließlich Dank und Zustimmung gab es für den friedlichen und heiteren Verlauf des NPD-Protestes. Einige Auszüge:

"Der Widerstand der Freiburger gegen Neonazis und Rechtsextremismus war ein Paradebeispiel praktizierter Demokratie!"

"Als Freiburger, aber im Moment in Göteburg studierender Bürger, freue ich mich, durch Internet und Berichte von Freunden aus Freiburg von der gelungenen Anti-Demo gegen die NPD zu hören. ... Diese Stadt hat es wieder einmal geschafft, in mir Heimweh auszulösen."

"Ich habe selten so viel Zivilcourage erlebt. Und auch selten so viele Menschen gesehen, für die dieses Wort nicht nur eine leere Hülse ist." "Es gab einen regelrechten Ruck durch die Stadt und an diesem Samstag hat sich wohl jeder von uns ein bisschen stärker gefühlt. ... Dass sich die Stadt da so reingehängt hat und wirklich eine Menge zu bieten hatte, verdient meinen ganzen Respekt."

"Ich bin stolz, in der Nähe einer solch' tollen Stadt zu wohnen" (eine Zuschrift aus Schramberg).

"Dies hat allen, die es sehen wollten, gezeigt, dass es möglich ist, auf friedlichem Weg Zeichen zu setzen gegen Ignoranz und Untätigkeit".

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Badische Zeitung vom Freitag, 20. September 2002

BRIEFE AN DIE BZ

"Faschos braten lassen"

Die Demo ist gelaufen, und sie ist weitgehend gut gelaufen. Zwar meinten einige Ordnungshüter, sie müssten am Colombipark unter leichtem Knüppeleinsatz einen Polizeikessel um die dort friedlich versammelten DemonstrantInnen ziehen, zwar wurden die Hinweise auf dieses Treiben bei der gleichzeitig stattfindenden Kundgebung ignoriert und die Verbreitung der Nachricht handgreiflich verhindert - im weiteren Verlauf aber blieb es, von Kleinigkeiten abgesehen, auf beiden Seiten friedlich. Mit vereinten Kräften aller gelang es, die Faschos vor dem Bahnhof braten zu lassen. Die vereinten Kräfte aller? Da fehlte doch jemand?! Nun, einige mögen die CDU vermisst haben - ich nicht.

Ulrich Weyer, Freiburg

"Positiv überrascht"

Die Veranstaltungen am letzten Samstag haben uns ganz klar gezeigt, welche Dynamik, Vielfältigkeit und Kreativität unsere Stadt entwickeln kann, wenn es darum geht, elementare Dinge unserer Gemeinschaft zu verteidigen. Wir haben miterleben dürfen, wie viel die Menschen hier bereit sind in eine Sache zu investieren, wenn sie nur glauben, es sei nötig. Wie viele andere Menschen an diesem Tag auch, war ich sehr positiv überrascht. Überrascht davon, wie ausgesprochen friedlich, einsatzbereit und geschlossen die Menschen in Freiburg bereit waren, für das, was sie fühlten, auch einzustehen. Freiburg ist eine moderne Stadt, ein Ort, in dem Menschen weiter denken als die Berge, die sie umgeben. Und das ist es eigentlich, was wir am Samstag ganz deutlich gezeigt haben.

Tillmann Neben, Freiburg

"Hasserfüllte Demonstranten"

Die Presseberichte vom Anti-NPD-Tag in Freiburg machen bedrohliche Befunde bewusst. So wurden überwiegend vulgäre Zurufe aus den Reihen der Gegendemonstranten zitiert. Wiederholte Aufforderungen der Polizei, die Eisenbahnstraße freizumachen, wurden nicht befolgt. Menschen, die gegen eine gefährliche Partei demonstrieren sollten, haben selbst mit hasserfüllten Ausdrücken agiert und die Ordnungsinstanz missachtet. So haben sie die Verhaltensmuster der Gegner übernommen.

Auch die Organisation macht Angst. Wie zu lesen war, wusste die Polizei vorher, dass die Gewerkschaft vor dem Bahnhof "den Sack zuschnüren" wolle. Die Willfährigen haben dem DGB gehorcht, die einzig zuständige Polizei wurde entmachtet und ihrer Autorität beraubt. Davon lernt dann eine NPD, die man doch mit gutem Vorbild neutralisieren und desavouieren wollte.

Wie viele Teilnehmer der Demonstration waren reine Mitglieder der "Spaß- und Fun-Gesellschaft", die erlebnishungrig nur "Event" wollten? Warum mussten offizielle Redner der CDU Vorwürfe machen? Hat die politische Linke die Demokratie gepachtet?

Freiburg will eine offene Stadt sein, aber man hat gerade davor offensichtlich Angst. Zu wenig hat die Presse Gruppen vorgestellt, die sich authentisch, redlich für eine saubere demokratische Luft in der "Grünen Hauptstadt" einbringen. Dankenswert war aber der Hinweis zwischen den Zeilen auf die doppelte Gefährdung der Demokratie und der Bericht insgesamt. Das Geschehen am letzten Samstag wurde gerade durch die offenen Berichte nicht zu einer teuren Pleite für die Demokratie.

Manfred Bonk, Freiburg

"Allgemeine Entspannung"

Sie berichten über das Scheitern des NPD-Aufmarsches aufgrund der Blockade von mehreren tausend Gegendemonstranten. Dabei wurde auch berichtet, dass die Polizei die NPD aufforderte, den Aufmarsch vorzeitig zu beenden. Dieser Entscheidung ging ein von einer Delegation des Friedensforums Freiburg geführtes Gespräch mit der Polizei und Beamten der Krisenintervention in der Eisenbahnstraße voraus. Zentrales Anliegen der Delegation und der Bürger war, die NPD durch Intervention der Polizei zum Abzug zu bewegen. Diese Idee fand bei den Gegendemonstranten einhellige Zustimmung.

Die NPD hatte faktisch ein Demonstrationsrecht bis 16 Uhr. Gegen die Massen der Gegendemonstranten konnte es aber nicht umgesetzt werden. Unser Anliegen, die NPD zu einem vorzeitigen Ende ihrer Versammlung und Demonstration aufzufordern, wurde dann von der Polizei nach einer halbstündigen Beratung akzeptiert und umgesetzt. Gegen 15 Uhr beendete die NPD auf Intervention der Polizei ihre Kundgebung und löste die Versammlung auf. Der vorzeitige Abzug der NPD diente dann der allgemeinen Entspannung der Lage sowohl für die Stadt Freiburg und die Gegendemonstranten, aber auch für die Polizei. Wir glauben, dass wir damit auch einen nicht unerheblichen Beitrag zur Deeskalation der zeitweise angespannten Lage geleistet haben.

U. Bause, Ch. Hechler, H. Luppe, M. Heinke, Freiburg

"Stolz, Freiburger zu sein"

Leider konnte ich wegen anderweitiger Verpflichtungen an der Demonstration nicht teilnehmen. Aus Solidarität habe ich bei meiner Veranstaltung das "Freiburg, für eine offene Stadt"- T-Shirt getragen. Ich kann nur sagen, ich bin stolz, Freiburger zu sein! Zu einer Einwohnerschaft zu gehören, die ohne Gewalt, sondern durch Solidarität die Meinung der Menge durchsetzen kann. Den Organisatoren einen herzlichen Glückwunsch zu dieser tollen Leistung.

Werner Vandeck, Freiburg

"NPD genießt das Blitzlichtgewitter"

Herzlichen Glückwunsch an die NPD zur gelungenen Propaganda-Schlacht! Es ist seit Jahren ein Trauerspiel, da wollen sich ein paar Duzend Ewiggestrige treffen und durch Freiburg ziehen. Wäre das ein Problem? Nicht mehr, als wenn eine Gruppe Pfadfinder die Innenstadt besichtigt. Doch was passiert: Die Stadtverwaltung verbietet mit einer dürftigen Begründung den Aufzug und setzt jenes Prozedere in Gang, dessen Ausgang stets zu Gunsten des Antragstellers, hier der NPD, spätestens beim Oberverwaltungsgericht endet. Bereits hier erhalten die "Glatzen" mediale Aufmerksamkeit, die sie nicht verdienen.

Über die "Stadtoberen", dem DGB bis hin zu den Spontis, Alternativen und so weiter stellen sich alle in den Dienst der guten Sache, will sagen, am Samstag ließen sich diesmal circa 15 000 willfährig vor den Karren spannen und sorgten so für bundesweite Publicity mit ihrer Gegendemo. Fazit: Verkehrschaos, mehr als 1500 Polizisten mit einem weiteren kaputten Wochenende und die NPD sonnt sich im Blitzlichtgewitter.

Natürlich müssen solche verqueren Geister bekämpft werden, doch mit den richtigen Mitteln. Zum einen mehr Ausbildungs- und Arbeitsplätze, weniger Gewalt, Thematisierung zu Hause, in der Schule und in der Gesellschaft, zum anderen aber schlichtweg ignorieren und ihnen den Schild entziehen, auf den sie, auch mit Hilfe der Medien, immer wieder gehoben werden.

Hans-Jochen Köpper, Feldberg

"Erhebendes Gefühl"

Am liebsten möchte ich die Zeitungsberichte vom Freiburger Widerstand gegen Rechts zu Freunden und Bekannten in die ganze Republik senden, um zu sagen: "Es lohnt sich!" Das war einfach ein erhebendes Gefühl, am Samstag mit so vielen Menschen gemeinsam "Nein" zu sagen. Dass diese Stadt ein friedliches Miteinander der Menschen unterschiedlicher Kulturen möchte, hat sie deutlich gezeigt. Wichtig ist aber auf Dauer, aktive Integrationsarbeit zu unterstützen, aufzubauen und zu finanzieren, um Gefühle der Fremdheit und Befremdung auf beiden Seiten und die - im wahrsten Sinne - Sprachlosigkeit abzubauen. Ich bin stolz auf Freiburg, seine mutige Verwaltungsspitze und Polizei -und die pfiffige BZ-Aktion mit den Werbeagenturen!

Fraua Kruse-Zaiß

"Inszeniertes Polit-Theater"

Wenn nur ein Mitglied der Gesellschaft unterdrückt wird, dann ist die ganze Gesellschaft unterdrückt - so hat es Walter Jens als Lehre der Französischen Revolution auf der Freiburger Anti-NPD-Kundgebung am Samstag verkündet. Ist nun das NPD-Häuflein, dem die Polizei vergeblich zu ihrem Demonstrations-Rundgang verhelfen wollte, unterdrückt worden? Oder ist es das gute Recht der "guten" Demonstranten, die NPD unverrichteter Dinge nach Hause zu schicken?

Eine Zivilgesellschaft, die auf sich hält, klagt demokratische Rechte nicht nur gegenüber dem Staat ein, sondern respektiert sie auch in den eigenen Reihen. Das Freiburger Spektakel erinnert doch sehr an die Inszenierung des Polit-Theaters um das Zuwanderungsgesetz im Bundesrat. Ebenso, wie damals beide Seiten einen Schaukampf inszenierten, der keinem weh tat - das Gesetz sollte ja vorerst nicht wirklich scheitern -, wurde jetzt in Freiburg vorgegaukelt, dass alles seinen ordnungsgemäßen Gang nimmt: Der Staat garantiert das Demonstrationsrecht und das "Volk" hat eben dies "ganz spontan" verhindert.

Bernd-Otto Kuper, Freiburg

"Schaut mal wieder vorbei"

Liebe NPD, vielen Dank, dass ihr Jungs nach Freiburg gekommen seid. Ihr konntet zwar nicht marschieren, weil wir euch den Weg versperrt haben. Aber dafür haben wir dann eine riesige Party gefeiert. Die Stimmung war toll, Top-Bands haben umsonst gespielt, und alle waren gut drauf. Alles in allem eines der besten Feste, die Freiburg seit langem hatte! Schaut doch mal wieder vorbei.

Lukas Bischof, Stefan Petersohn, Freiburg

Man hätte ein lückenloses Spalier am Weg einrichten können

Gegenseitiges Schulterklopfen, entspanntes Lächeln, ein Oberbürgermeister, der auf dem Augustinerplatz offensichtlich zufrieden verkündet, dass die NPD-Demo ja "irgendwie doch nicht stattgefunden" hat, alle feiern bis tief in die Nacht den Umstand, dass es gelungen ist, die braune Bedrohung erfolgreich abzuwehren! Doch was ist eigentlich geschehen?

Ungefähr 15 000 mehr oder weniger besorgte Bürger haben durch eine massive Blockade auf dem Aufzugsweg dafür gesorgt, dass eine politische Minderheit an der Ausübung ihres Grundrechts auf freie Meinungsäußerung gehindert wurde - zumindest in der Form, wie sie es selbst geplant hatten und wie es schlussendlich auch durch Gerichtsbeschluss bestätigt worden war.

Um einem Missverständnis gleich vorzubeugen: meine eigene politische Überzeugung findet sich eher im freiheitlich demokratischen, keinesfalls im rechts- (oder links-) extremen Bereich wieder! Vielen Teilnehmern der Gegendemonstration ging es darum, unmissverständlich klarzustellen, dass sich eine Situation, wie sie sich zwischen 1933 und 1945 zu unser aller Entsetzen in Deutschland ereignet hat, niemals wiederholen kann und darf. Und das war gut so!

Allerdings wäre es erheblich besser gewesen, einer immerhin (noch) nicht verbotenen - und damit zwangsläufig (noch) verfassungskonformen - Partei die Möglichkeit auf Wahrnehmung ihres Grundrechtes zu gewähren. Mit 15 000 Gegendemonstranten hätte man ein lückenloses Spalier am gesamten Aufzugsweg einrichten können - dann wäre der unglaublich bedrohlichen Anzahl von 108 NPD-Anhängern auch das Ausmaß des Widerstandes wesentlich deutlicher und vermutlich auch viel lautstarker im Gedächtnis geblieben!

Leider bleibt allein die bittere Erkenntnis, dass unsere scheinbar so wehrhafte Demokratie im Fall der Fälle doch nur in der Lage ist, auf gleichem (äußerst niedrigen) Niveau zurückzuschlagen! Wer hat am Samstag wirklich auf dem Boden unserer Verfassung gestanden?

Volker Hesse, Freiburg

Die Strategie der NPD ist aufgegangen

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Für 108 Rechtsextreme müssen 2000 Polizeibeamte eine Zusatzschicht leisten. Und 15 000 Gegendemonstranten sehen sich genötigt, um solch einer Hand voll NPD-lern Paroli zu bieten. Wer wäre nicht geneigt, daraus zu schließen: Diese Partei kann doch keine Gefahr darstellen?

Dabei war es nur ein ausgesprochen kluger Schachzug der NPD-Aufmarsch-Organisatoren. Als sich abzeichnete, dass halb Freiburg auf den Beinen sein würde, war klar, dass sich mit Gewalt nichts ausrichten lassen würde. Also ist man flexibel und disponiert um: statt mit 500 bis 1000 schlagkräftigen Typen auf Konfrontation zu setzen, schickt man die milde Minimaltruppe und mimt Harmlosigkeit.

Der Artikel von Petra Kistler hat einen deutlich spöttischen Unterton. ("Männer und Frauen im besten Rentenalter mit Gehhilfe, bleiche Buben, strumpfsocken oder barfuß, . . "). Das liest sich süffig. Doch damit kreiert sie genau das Image der Harmlosigkeit, auf das die NPD-Strategie hier in Freiburg abgezielt hat. Als Fazit suggeriert der Artikel: "So schlimm sind sie ja gar nicht. Und für die paar armen Irren lohnt sich der ganze Aufwand nicht. Beim nächsten Mal kann ich zu Hause bleiben." Womit die Strategie aufgegangen wäre.

Noch etwas: Offensichtlich hat die Polizei die Möglichkeit, weitgehende Auflagen zu machen (keine Springerstiefel). Warum geschieht das nicht öfter so?

Ursula Niesert, Freiburg

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Stuttgarter Nachrichten vom Donnerstag, 19. September 2002

Linke Liste fragt beim Verfassungsschutz an

FREIBURG (ute). Die jüngsten Äußerungen von Hans-Jürgen Doll, dem Vizepräsidenten des Landesamtes für Verfassungsschutz, haben ein Nachspiel. Doll hatte im Vorfeld der Freiburger Großkundgebung gegen eine NPD-Demonstration behauptet, bei dem von Stadt und DGB organisierten Aktionsbündnis würden auch "linksextremistisch beeinflusste Gruppierungen wie die Linke Liste/Friedensliste" toleriert. Nachdem der Marsch der NPD durch Freiburg friedlich von mehr als 15 000 Menschen verhindert wurde, will die Linke Liste nun Genaueres wissen.

In Briefen an Innenministerium und Verfassungsschutz fordert die Gruppierung Aufklärung, der nach eigenen Angaben überwiegend Parteilose sowie einige Mitglieder von PDS und DKP angehören. Da der Verfassungsschutzbericht die Linke Liste nicht aufführt, sollen Ministerium und Landesamt darlegen, ob Doll seine Einschätzung als Privatmann oder als Verfassungsschützer abgegeben habe. Im ersten Fall bittet die Gruppierung um eine Klarstellung. Andernfalls erwarte man Informationen darüber, welche Erkenntnisse zum Vorwurf des Linksextremismus geführt haben, heißt es. Ein Sprecher der Polizei Freiburg hatte auf Nachfrage bereits erklärt, seiner Dienststelle lägen keine Informationen über "linksextremistische Beeinflussung" vor. Auch im OB-Wahlkampf im Frühjahr, bei dem Rechtsanwalt Michael Moos als Mitglied der Linken Liste angetreten war, war ein solcher Vorwurf nicht geäußert worden.

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Badische Zeitung vom Donnerstag, 19. September 2002

"Rechte Szene nur klein"

Kripo: "Hand voll NPD-Sympathisanten" / Im Kreis "keine generell gewaltbereiten Neonazis"

EMMENDINGEN. Im Zusammenhang mit der NPD-Kundgebung vor dem Freiburger Hauptbahnhof tauchte in der überregionalen Berichterstattung mehrfach der Kreis Emmendingen als Herkunftsraum von "Rechten" auf - Anlass für die BZ, beim Staatsschutz der Kriminalpolizei nachzufragen.

Eine straff organisierte rechtsradikale oder rechtsextremistische Szene gibt es aber laut Kriminalpolizei im Kreis Emmendingen nicht. Roland Vetter, der fürs Kreisgebiet zuständige Leiter der Staatsschutzabteilung, berichtet von "unter zehn eingefleischten NPD-Anhängern" aus dem Kreisgebiet.

Die parteipolitisch strukturierte rechte Szene im Kreis Emmendingen setzt sich laut Staatsschutz aus "einer Hand voll" NPD-Sympathisanten zusammen. Ein Kripobeamter fügt hinzu, dass es den Erkenntnissen zufolge im Kreisgebiet keine "generell gewaltbereiten Neonazis" gebe. Bekannt seien allerdings in einigen Orten des nördlichen Breisgaus mehr oder minder lockere Gruppen von Jugendlichen mit nationalistischen und fremdenfeindlichen Gedanken. Diese würden sich immer wieder zu privaten Parties treffen und zu den einschlägigen Rockkonzerten in Deutschland oder der Schweiz fahren. Verbunden mit solchen Treffen sei erheblicher Alkoholkonsum - der "Hitler-Gruß" und Attacken auf Andersdenkende können die Folge sein. Nach Einschätzung der Kripo sind diese Jugendlichen mit "rechter Gesinnung" an Politik eher weniger interessiert. Etliche von ihnen hätten keine Ausbildung, andere in der Schule Probleme mit Ausländern oder Aussiedlern. Wer in seinem Ort keinen Kontakt zu sozialen Einrichtungen oder Jugendräumen habe, gerate eher in Gefahr, sich solchen Cliquen anzuschließen. Eine "richtige rechte Szene aber gibt es im Kreis Emmendingen nicht", erklärte der Staatsschutz-Beamte.

Anders als in Medienberichten verbreitet, endete der nach der Freiburger Kundgebung vom Bundesgrenzschutz begleitete Sonderzug mit NPD-Anhängern übrigens nicht in Riegel. Dort hielt er nur. Der Zug fuhr über Lahr und Offenburg bis nach Mannheim. Überall stiegen kleine Gruppen aus.

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Badische Zeitung vom Donnerstag, 19. September 2002

STADTGEPLAUDER

VERGESSLICHER PROFESSOR

Aufregend war der Aktionstag gegen die NPD-Demo. Viele haben sich aufgeregt über den Schlingerkurs der CDU; die CDU hat sich aufgeregt, dass sie - auch von den Medien - ungerecht behandelt worden sei. Aufregend begann der Tag auch für Rhetorikprofessor Walter Jens, der als Hauptredner auf der Kundgebung auftrat. Der Fahrer von Oberbürgermeister Dieter Salomon sollte ihn am Samstagmorgen abholen und klingelte pünktlich kurz nach acht an dessen Haustür in Tübingen. Ein Walter Jens im Schlafanzug öffnete und war schlagartig hellwach - er hatte gedacht, die Veranstaltung finde am Sonntag statt. "So langsam werde ich wohl doch alt", sagte der 79-jährige.

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Badische Zeitung vom Donnerstag, 19. September 2002

BRIEFE AN DIE BZ

"CDU war doch vertreten"

Warum der Berichterstatter der Badischen Zeitung auf der Kundgebung für eine offene Stadt am letzten Samstag "von den bekannten Funktionsträgern" der Freiburger CDU nur zwei gesehen hat, weiß ich nicht. Als einer von drei stellvertretenden Vorsitzenden des Kreisverbands der CDU habe ich nahe der Bühne mehrere Mitglieder des Kreisvorstands und Stadträte getroffen, die mit dem erklärten Anliegen des Aktionstags voll übereinstimmten und aufmerksam den Reden folgten. Nur gefragt hätten sie sagen können, weshalb die CDU, deren Mitglieder zu tausenden in kommunistischen Gefängnissen saßen und zu hunderttausenden aus der Sowjetischen Besatzungszone und späteren DDR geflohen sind, mit kommunistisch geprägten Vereinigungen keine "Bündnisse" zur Verteidigung des freiheitlichen Rechtsstaats schließt.

Gut, dass SC-Trainer Volker Finke, freilich als einziger Redner, von totalitären Regimen an sich (das sind linke wie rechte) sprach und vom (eben nicht nur einem politischen Spektrum zuzuschreibenden) traurigen Hang der Menschen zur Ausgrenzung, wie er auch im Sport zu Tage tritt, sprach. Solche Differenzierung lag Walter Jens fern: Etwas mehr Inhalt seiner in der Tat fulminanten Rede wäre den Lesern, die sie nicht BZ-online haben, schon zuzumuten gewesen. So, dass er das Thema in der ihm eigenen Souveränität dazu nutzte, weniger die NPD als zahlreiche Politiker von CDU und CSU an den Pranger zu stellen. Dass seine Polemik in der Sache durchaus auch zahlreiche Äußerungen und Haltungen sozialdemokratischer Verantwortlicher traf, brauchten die begeisterten Anhänger von SPD und Grünen mangels Nennung von Namen nicht zu bemerken.

Den 34. Paragraphen der französischen Verfassung von 1793 noch im Ohr, konnte man dann am Bahnhof etwas ratlos beobachten, wie ein Teil der Kundgebungsteilnehmer den von keinem Freiburger herbeigewünschten Extremisten ihr Grundrecht nahm, frei nach dem unseligen Satz, dass der gute Zweck die Mittel heilige. Ob die wohl "eher akribisch geplante" Blockade (so sah es jedenfalls die BZ auf ihrer Dritten Seite) das Richtige war, wird man fragen dürfen. Immerhin widersprach sie der Aufforderung des OB, den Anweisungen der ihre Pflicht tuenden Polizei zu folgen.

Wolfgang Albers, Freiburg

"Demokratisches Kaninchen"

Vor einigen Jahren war ich Teilnehmer eines NPD-Aufmarsches (inzwischen gehe ich wieder meine eigenen Wege auf der politischen Landstraße). So sah ich mich als "Nazi", der ich so nicht war und auch nicht sein wollte, einer pöbelnden, übermächtigen Omnipräsenz gegenüber. Natürlich hatte ich in dieser brisanten Situation mehr Angstschweiß auf der Stirn als Vaterlandsliebe im Herzen. Seitdem weiß ich, was Zivilcourage ist: wenn man für seine Überzeugung einer Übermacht gegenüber steht. Die 15 000 Menschen, die am Samstag gegen die NPD, Gott sei Dank friedlich, demonstrierten, brauchten ob ihrer Übermacht sich darüber keine Gedanken machen; ihre Unversehrtheit war zu keiner Zeit bedroht. So schaut das demokratische Kaninchen voller Furcht gebannt auf die rechtsextreme Schlange und merkt gar nicht, dass diese ein politisch zahnloser Regenwurm ist. Der "Protest" der NPD hat sich nicht nur auf der Straße totgelaufen. Wer nur nach rückwärts schaut, kommt nie in der Zukunft an. Wünschenswert wäre es, wenn die 15 000 "guten" Menschen anstatt gegen "Rechts" auch einmal für Rechte auf die Straße gehen würden.

Hans-Jürgen Schwitkowski, Heilbronn

Auf Stimmenfang am rechten Rand

Ob Zuwanderung, Sozialpolitik oder Außenpolitik: Berge von Kreide hatten Stoiber und seine Parteigenossen seit Monaten gefressen, um die politische Mitte für sich zu gewinnen. Aber die Umfragewerte der CDU/CSU wenige Tage vor der Wahl lassen ihre Vertreter an Spitze und Basis wohl jegliche Zurückhaltung aufgeben. Wie blank die Nerven liegen, zeigen, zufällig am gleichen Tag, die neuesten Verlautbarungen Becksteins zum Zuwanderungsgesetz und der unsägliche Leserbrief ( Gesellschaft im Wohlstandschlaf) des Emmendinger CDU-Kreisvorsitzenden.

Nachdem alle Bemühungen der Union um die politische Mitte gescheitert sind, will sie jetzt am rechten Rand des Wählerspektrums die Stimmen einsammeln.

Noch deutlicher macht dies jedoch der skandalöse Leserbrief, wenn auch zu hoffen wäre, dass der Autor sich in seiner Partei damit völlig isoliert: Er diagnostiziert den "Zerfall unserer abendländischen Kultur" und macht dafür "die massenhafte Zuwanderung von Menschen aus der islamischen Welt" verantwortlich; außerdem spricht er alle diejenigen mitschuldig, die nicht sein undifferenziertes Feindbild teilen, und schließlich beklagt er die Dekadenz und fehlende Wehrhaftigkeit unserer durch den Sozialstaat "verfetteten, trägen, selbstgefälligen, feigen Gesellschaft" - dies alles sind Hetzparolen, die einer demokratischen Partei nicht würdig sind, die aber ebenso gut aus der Feder eines Funktionsträgers der "Republikaner" oder der NPD stammen könnten. (Dies ist keine billige Polemik; die entsprechenden Formulierungen gehören vielmehr seit langem bis ins Detail zum Standardrepertoire rechtsextremer Publikationen.)

Hoffentlich besteht noch Gelegenheit, die CDU in dieser Woche daran zu messen, wie sie mit dieser Entgleisung eines, wenn auch gottlob untergeordneten, Funktionsträgers umgeht.

Patrick Thalacker, Freiburg

Mit dieser Gesinnung möchte ich keinesfalls regiert werden

Zu:  Gesellschaft im Wohlstandschlaf.

Welches Verständnis von Demokratie hat dieser Mensch, wenn er die Gesellschaft mit in höchstem Maße beleidigenden Attributen versieht, nur weil eine Mehrheit dieser Gesellschaft sich nicht seiner oder Meinung der CDU über die Zuwanderung anschließen möchte? Hätte sich die CDU bei der Gegendemonstration zum Aufmarsch der NPD in Freiburg nicht verweigert, so hätten die Verantwortlichen dieser so genannten christlichen Partei deutlich erkennen können, wofür die Mehrheit der Bevölkerung steht und sich eben auch einsetzt. Aber man hatte Angst, dadurch Wählerstimmen am braunen Rand der Gesellschaft zu verlieren. Mich als potenziellen Wahlverweigerer hat Herr Ganter mit seinem Leserbrief geradezu aufgerufen, wählen zu gehen. Denn von Leuten mit dieser Gesinnung möchte ich keinesfalls regiert werden.

Willi Bury, Endingen

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Badische Zeitung vom Mittwoch, 18. September 2002

Medien von den Socken

Ihr Einsatz gegen die NPD macht Freiburgs Bürger berühmt

Bis nach Bangkok reichte die Kunde von den Freiburger Bürgern, die einen NPD-Aufmarsch verhindert haben. Jedenfalls war die Bangkok Post eine der ausländischen Zeitungen, die über das Ereignis berichtet haben. Wenn auch nur kurz und nicht ganz korrekt: Aus dem fernen Freiburg wurde "southern Germany", aus den 15 000 Menschen "more than 10 000 demonstrators" und aus den knapp 100 NPD-Anhängern "150 neo-Nazis". Etwas mehr Platz räumte die Basler Zeitung dem Aktionstag ein. Sie titelte frech: "Freiburg zog NPD die Stiefel aus." Ansonsten hielten vor allem deutsche Zeitungen das Engagement der Freiburger für berichtenswert.

Zum Beispiel die  Süddeutsche Zeitung. Sie klopfte den Freiburgern kräftig auf die Schultern und schrieb genau das, was die Bürger hier gerne hören: "Freiburg ist anders." Was schon die Wahl eines Grünen zum ersten Oberbürgermeister einer deutschen Großstadt belegte und sich auch am Samstag wieder zeigte, "als mehr als zehntausend Freiburger den braunen Spuk der rechtsextremen NPD verscheuchten". Bemerkenswert fand der Autor den Umstand, dass SC-Trainer Volker Finke "auf der Bühne neben dem Tübinger Rhetorik-Professor Walter Jens vor großem Publikum ganz selbstverständlich die Rolle eines politischen Redners übernahm".

Ähnlich beobachtete die  taz das Treiben im Süden der Republik: "Freiburg hat seinem Ruf als sonnige links-alternative Hochburg am Wochenende alle Ehre gemacht", schrieb die Tageszeitung am Montag über die Ereignisse vor dem Hauptbahnhof. Titel: "Braune Socken in Freiburg". Das Motiv der entstiefelten Kundgebungsteilnehmer griffen die Zeitungsmacher natürlich nicht nur für ihre Überschriften, sondern vor allem auch für die Bebilderung ihrer Texte auf: Socken, wohin man auch sah. Die  Stuttgarter Zeitung allerdings zeigte das Menschenmeer, das sich den NPD-Mitgliedern in den Weg gestellt hatte, und titelte: "Steh-Demo statt Zug durch Freiburgs Innenstadt." Im nebenstehenden Kommentar sprach die Autorin den besonnen agierenden Bürgern und Polizeikräften ein Lob dafür aus, dass sie die NPD-Kundgebung "so friedvoll wie erfolgreich" verhindert haben. "Wenn die große Mehrheit der Bevölkerung dies nicht will, dann haben Rechtsradikale in diesem Land keine Chance." Kritik dagegen für die CDU: Durch das Ausscheren ihrer Partei aus dem Aktionsbündnis hätten sich die Repräsentanten der CDU "um ihren Anteil an diesem Erfolg" gebracht.

Andrea Drescher

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Badische Zeitung vom Mittwoch, 18. September 2002

Linke Liste fragt nach beim Verfassungsschutz

Die Linke Liste/Friedensliste will's wissen: In einem Brief an das Landesamt für Verfassungsschutz fordert die Gruppierung Auskunft darüber, wie dessen Vizepräsident Hans-Jürgen Doll zu der Einschätzung kommt, die Linke Liste sei "linksextremistisch beeinflusst". Diese Äußerung hatte Doll in einem Gespräch mit dem Südwestrundfunk fallen lassen, als er das Aktionsbündnis gegen die NPD kritisierte. Da die Linke Liste nicht im Verfassungsschutzbericht auftaucht, will sie nun wissen, "auf welche Erkenntnisse sich diese Aussage stützt." Das Landesamt bestätigte gestern den Eingang des Schreibens, wollte dazu aber nicht Stellung nehmen, sondern erst den Absender informieren.

mac

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Badische Zeitung vom Dienstag, 17. September 2002

NPD will rechtliche Schritte prüfen lassen

Nachdem die NPD am Samstag ihren Aufmarsch vorzeitig beenden musste, weil 15 000 Menschen die Straßen blockierten, sieht sich der Landesverband der Partei "genötigt, rechtliche Schritte gegen OB Salomon und DGB prüfen zu lassen". Als Gründe nennt die NPD in einer Pressemitteilung "massive Verstöße gegen Verordnungen und Auflagen des Verwaltungsgerichts und des BVG". Zudem bietet die NPD Dieter Salomon eine öffentliche Diskussion mit Vertretern ihres Landesverbandes an.

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Badische Zeitung vom Dienstag, 17. September 2002

Eine Synagoge schwebt am Himmel

Als Nachtrag zum Freiburger Tag gegen das NPD-Treffen: Eine Aktion des amerikanischen Künstlers Seth Tillett vor der Universität

Leicht wie Luft, durchsichtig wie Luft, geisterhaft - so schweben die Umrisse der alten, am 9. November 1938 niedergebrannten Synagoge in den zwei Wochen nach der NPD-Demonstration über dem Platz vor der Freiburger Universität. Leuchtend orangefarbene Sperrbänder markieren die Silhouette des jüdischen Gotteshauses, zwölf mal zehn mal zehn Meter. Und das alles vier Meter über dem Boden - eine Erinnerung an Zerstörtes, vielleicht eine Aufforderung, es wieder aufzubauen. Ein Innehalten zwischen Nicht mehr und Vielleicht wieder, ein leises Schwanken in jedem Luftzug, heftiger bei Wind. So wird es sein, wenn das Projekt von Seth Tillett, der viele der Bühnenbilder der Freiburger Balletttruppe "Pretty Ugly" gebaut hat, heute realisiert ist: Wie eine Fata Morgana mag es dem Betrachter vorkommen, wie eine unruhige Luftspiegelung von etwas, das weit entfernt ist.

Angefangen hatte alles mit dem naiven oder auch vorsätzlichen Schrecken des amerikanischen Künstlers, als er das Schild "Gurs - 1027 Kilometer" dem Freiburger Theater gegenüber zum ersten Mal wahrnahm. "Wollen die mich etwa ins KZ schicken?", sei seine erste Reaktion gewesen. Und später dachte er: Warum wird, insbesondere an dem Platz der Alten Synagoge, an das erinnert, was die Nazis taten, und nicht an das, was vernichtet wurde? "Unspeakable Home" hieß dann auch die nächste Inszenierung von Pretty Ugly, etwa: "Unsägliches Zuhause". Auf der Bühne wurde eine exakte Replik der Synagoge von den Tänzern herumgetragen und die Konturen des Gebäudes, aus rotem Seil nachgezeichnet, hingen von der Decke. Wie eine flüchtige dreidimensionale Skizze, wie ein Traum von einem Haus.

Als sich nun einige Freiburger Künstler mit dem Kulturamt zusammensetzten, um sich etwas zum - besser: gegen das NPD-Treffen in Freiburg einfallen zu lassen, kam die Idee von Tillett wieder auf. Und fand Anklang, auch deshalb, weil die bekannten Rituale und Parolen ("Der Schoß ist fruchtbar noch", "Wehret den Anfängen", "Freiburg sagt nein . . ." und was sich noch alles in der 50-jährigen Antifa-Tradition angesammelt hat) so markig, holzschnitthaft und gestrig wirken wie deren Adressaten.

Aber wie baut man eine Synagoge in die Luft? In New York stand Seth Tillett eines schönen Tags in diesem Sommer vor einem Ladenfenster in Soho, in dem verstaubte Bänder und Knöpfe ausgestellt waren. Er ging hinein und befand sich im wahrscheinlich größten Knopf-und Bändergeschäft der Welt. Zwölf Meter breit war der Laden, aber hundert Meter tief, durch den gesamten Häuserblock hindurch. Über zwei Stockwerke.

Vier alte orthodoxe Juden hatten den Laden in der Hand. Was er denn wolle, wurde er gefragt. Und da Tillett nicht recht wusste, wie er von seinem Synagogen-Projekt erzählen sollte, begann er mit "Ich lebe in Freiburg". "Oh Freiburg, da war ich einmal", sei ihm der grauhaarige Verkäufer sofort ins Wort gefallen, "ich war fünf Jahre in Deutschland, ich wurde in Polen geboren, ich war in Auschwitz, dann in Birkenau, irgendwann musste ich lange auf einem Platz stehen, ich denke, es war in Freiburg. Vielleicht auch nicht."

So war es dann nicht schwer, von dem Plan zu berichten, "und der Alte wusste sofort, was richtig ist", erzählt Tillett. "Sie brauchen Bänder, die man von der anderen Seite der Straße sehen kann, ich habe, was Sie brauchen." Und dann kam er mit einer signalorangefarbenen Rolle aus der Tiefe der Gänge zurück.

Heute soll die Freiburger Synagoge in den Lüften nun verwirklicht werden. Zwei Stahlseile werden vom KG II zu den beiden Straßenlaternen davor gespannt. Ein großer Kran kommt zum Einsatz, 18 Meter misst der höchste Punkt der Konstruktion. "Hoffentlich klappt es", sagt Seth Tillett, "ich habe noch nie etwas so Großes gebaut. Es soll im Wind wehen."

Elisabeth Kiderlen

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Badische Zeitung vom Dienstag, 17. September 2002

Für eine offene Stadt...

Vielfältig und bunt für eine offene Stadt: Die Rede von Freiburgs Oberbürgermeister Dr. Dieter Salomon am Aktionstag "Gegen Fremdenhass und Rassenwahn".

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freiburgerinnen und Freiburger, im Namen der ganzen Stadt, im Namen des gesamten Gemeinderates und der Bürgerschaft möchte ich Sie herzlich zu dieser Kundgebung begrüßen.

Herzlich willkommen Professor Walter Jens aus Tübingen, ich begrüße viele Stadträte und Abgeordnete, die Bürgermeisterkollegen und meinen Vorgänger Rolf Böhme. Ich begrüße Volker Finke und den Landesvorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Rainer Bliesener.

Herzlich willkommen alle Gruppen, die in einem Bündnis unter dem Dach des Deutschen Gewerkschaftsbundes und der Stadt Freiburg diesen machtvollen Protest möglich gemacht haben, und ich danke allen für dieses Engagement.

Ich danke weiter allen ehrenamtlichen Helfern, die in den letzten Tagen an der Vorbereitung gearbeitet haben. Und ich danke allen Sponsoren und den Künstlern, die zu diesem Aktionstag ein buntes Programm auf die Beine gestellt haben.

Sie alle und wir alle haben ein gemeinsames Ziel: Freiburg wehrt sich gegen den Aufmarsch von rechts. Wir sind eine offene Stadt, wir haben gern Gäste. Aber bei uns haben Intoleranz, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit keinen Platz.

Vor zwei Jahren ist die Aktion "Für eine offene Stadt" ins Leben gerufen worden. Damals gab es die Bilder aus anderen Städten, in denen Menschen anderer Nationalität und aus anderen Kulturen gejagt, gedemütigt und geschlagen wurden. Wir haben damals gesagt: Nicht bei uns, und wir wollen etwas dazu tun, damit dieser braune Spuk der Ewiggestrigen auch woanders zu Ende geht.

Wir wollen es entschlossen tun, aber wir wollen es friedlich und ohne Gewalt tun. Heute geht es darum, diese Aktion wieder mit Leben zu füllen. Der Aufmarsch der rechtsradikalen NPD ist Anlass für diesen Aktionstag, und die Anmeldung der NPD-Demonstration war Anlass für den Gemeinderat, die Resolution zur Initiative "Für eine offene Stadt" nochmals zu bekräftigen.

Die NPD hat sich in einer zynischen Weise auf dieses Motto berufen. Für die Stadt Freiburg und im Namen des Gemeinderates verwahre ich mich gegen die Beschmutzung und Verhöhnung dieser Aktion durch die Neonazis.

Die Initiative "Für eine offene Stadt" war im Gedenken an Gertrud Luckner ins Leben gerufen worden. Im Gedenken an eine Frau, eine Freiburgerin, die von den Nazis ins KZ gesteckt wurde, weil sie Juden vor der Verfolgung geholfen und viele gerettet hatte.

Meine Damen und Herrn, wir lassen es nicht zu, dass das Andenken an diese mutige Frau und unsere Ehrenbürgerin jetzt von Neonazis besudelt wird. Wir haben im Gemeinderat einstimmig beschlossen, dass wir uns mit allen rechtlichen und politischen Mitteln gegen die NPD wehren wollen. Deshalb sind wir vor Gericht gegangen, im Wissen, dass nur wenig Aussicht auf Erfolg besteht.

Nun hat das Gericht der NPD das Recht zu demonstrieren zugestanden, weil es das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit schützen will. Die Stadt Freiburg und die Polizei werden dieses Recht auch durchsetzen, obwohl wir alle diese Demonstration der Neonazis verabscheuen.

Meine Damen und Herrn, kein einziger der Polizeibeamten ist heute gern bei diesem Einsatz. Deshalb appelliere ich an Sie: Machen Sie der Polizei diese Aufgabe, die schon schwer genug ist, nicht noch schwerer als sie eh?schon ist, sondern vermeiden Sie Auseinandersetzungen. Wir haben es so arrangiert, dass der Demonstrationszug der NPD immer nur links herum führt. Wir sollten die NPD dabei aber rechts liegen lassen.

Eines, meine Damen und Herrn, muss auch klar sein: Es geht nicht um eine juristische Auseinandersetzung, sondern es geht darum, dass wir eine politische Antwort geben. Und es geht darum, dass hier verschiedene Dinge klargestellt werden. - Freiburg setzt gegen den Aufmarsch von rechts eine Stadtpolitik der Toleranz und der Verständigung. -

Freiburg setzt gegen die NPD ein bürgerschaftliches Bündnis, über alle Parteigrenzen hinweg, und getragen von über hundert Gruppen und Gruppierungen, von Vereinen, Institutionen, kirchlichen, weltlichen, deutschen, ausländischen, religiösen und nichtreligiösen, von Sportvereinen, Schulen, Kindergärten, Betrieben, Betriebsräten, von der Wirtschaft, kurzum: ganz Freiburg ist an diesem Bündnis beteiligt.

Und Freiburg setzt gegen die NPD ein Klima des guten Miteinander, der Verständigung und der Gastfreundschaft. Bei uns sind Menschen anderer Nationalitäten und aus anderen Kulturen willkommen. Sie sind eine Bereicherung, sie machen das Leben bunt und interessant.

Als ich gestern das Stadtteilfest Weingarten eröffnete, haben mich elf Schülerinnen und Schüler der Adolf-Reichwein-Schule empfangen, alle so etwa neun oder zehn Jahre alt - in elf Sprachen, der Sprache ihrer Mütter und Väter - und jeweils in einer astreinen deutschen Übersetzung. Und das waren nur elf von sechzig Sprachen, die in Weingarten gesprochen werden.

Meine Damen und Herrn, diese Kinder und Jugendlichen hier zu integrieren, das ist sicher nicht konfliktfrei, aber das ist unsere Aufgabe - und der stellen wir uns. Meine Damen und Herrn, diese Kinder - das ist Freiburg. Und das ist die Zukunft Freiburgs!

Wir stehen hier am Platz der Alten Synagoge. 1938 haben die Nazis hier die Synagoge niedergebrannt und damit das Zentrum der jüdischen Gemeinde zerschlagen. Wir alle wissen, was Hass, Verblendung und nationaler Wahn danach an Greueltaten angerichtet haben. Heute gibt es wieder eine blühende jüdische Gemeinde in Freiburg, und ich will, dass sich jüdische Mitbürger bei uns wieder sicher und zu Hause fühlen können. Auch das ist ein Anliegen dieses Aktionstages, so wie damals Gertrud Luckner dafür ihr eigenes Leben riskiert hat.

Ich will auch, dass Menschen mit einem anderen Pass bei uns ihre Heimat und ihren Platz in einer offenen und vielfältigen Gesellschaft haben. Es ist nicht damit getan, heute mit einem Aktionstag gegen die NPD hinzustehen und morgen zur Tagesordnung überzugehen. Offenheit und Liberalität sind ein hohes Gut, um das wir jeden Tag kämpfen müssen. Lassen wir es uns nicht aus der Hand nehmen, nicht heute von der NPD und nicht morgen von denen, die nichts dazu gelernt haben.

Hinter den Fahnen, die heute von der NPD aufgezogen werden, hinter diesen Fahnen weht der Geist des Hasses. Deshalb brauchen wir die politische Auseinandersetzung mit der NPD. Wir haben im Vorfeld dieses Tages einen Streit erlebt, den ich sehr bedauere. Hier haben manche versucht, vor der Bundestagswahl ein eigenes politisches Süppchen zu kochen. Diese Demonstration ist die richtige Antwort. Verharmlosen und Wegschauen sind keine Rezepte gegen Neonazis.

Deshalb bin ich dankbar für das klare Bekenntnis von 2.500 katholischen und evangelischen Christen, die sich mit klaren Worten zu diesem Aktionstag bekannt haben. Vor zwei Tagen haben der Dompfarrer und der Evangelische Stadtdekan uns die Unterschriften übergeben. Deshalb bin ich auch dankbar, dass Sie in so großer Zahl heute gekommen sind. Wir wollen ein Zeichen setzen gegen rechts, gegen Rassismus, Fremdenhass und Intoleranz.

Lassen Sie uns friedlich demonstrieren für Vielfalt, Buntheit und Toleranz. Ich freue mich, dass drei Persönlichkeiten zu uns sprechen werden. Rainer Bliesener als Landesvorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes, der die Initiative zu diesem Tag in die Hand genommen hat. Wir haben gern und gut mit Ihnen zusammen gearbeitet.

Volker Finke hat für den Sportclub Freiburg vor zwei Jahren als erster die Resolution "Für eine offene Stadt" unterschrieben und uns sehr dabei unterstützt. Herzlichen Dank, dass Sie auch heute gekommen sind.

Besonders herzlich begrüße ich Professor Walter Jens. Vielen Freiburgern ist Ihre Rede anlässlich des 50. Jahrestages der Zerstörung zum 27. November 1994 unvergeßlich geblieben. Sie sind ein Mann klarer Worte. Solche klaren Worte erwarten wir auch heute.

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Badische Zeitung vom Dienstag, 17. September 2002

Setzen wir ein Gegenzeichen!

Die beim Freiburger Aktionstag gegen Fremdenhass und Rassenwahn am vergangenen Samstag vielbejubelte Rede von Walter Jens, Rhetorikprofessor aus Tübingen

Setzen wir an diesem Morgen ein Gegenzeichen! Überlassen wir den militanten Rechten, die von den Fremden, den Ausländern, den Juden oder den Islamisten, und, ihnen gegenüber, den Eigenen, den Deutschen sprechen, nicht das Feld!

Denken wir statt dessen an die Einzelnen, die im Kollektiv, welcher Art es auch sei, nicht preisgegeben werden dürfen; denken wir an Ali, der, weil er so klein ist und mit der deutschen Sprache noch Schwierigkeiten hat, von seinen Klassenkameraden gehänselt wird, an Sarah, die vor dem Schultor von der Polizei beschützt werden muß, oder denken wir an Ibrahim, dem auf dem Gemüsemarkt seine Waren umgeworfen werden.

Denken wir daran, was es für einen von den Nationalsozialisten Verfolgten bedeutet, anno 2002, in hohem Alter, wieder an Hakenkreuzen und geschändeten Gräbern vorbeigehen zu müssen. Wehren wir uns aber auch gegen jene in vorgestanzten Schablonen Denkende, die Juden mit der israelischen Politik à la Scharon oder die Amerikaner mit der die Welt in Gut und Böse einteilenden Militanz der Bush-Administration verwechseln.

Lesen wir stattdessen die gerade heute hunderttausendfach zu verbreitende Analyse des großen Liberalen J. William Fulbright, des Sachwalters der UNO, "Die Arroganz der Macht", einer Schrift, die in den Sätzen gipfelt: "Es gibt zwei Amerikas: Das Amerika Lincolns ist das eine, das Amerika der modernen Superpatrioten das andere. Das eine ist großzügig und human, das andere egoistisch; das eine selbstkritisch, das andere selbstgerecht, das eine hat Humor, das andere ist feierlich, das eine ist einsichtig, das andere im Gebrauch großer Macht arrogant."

Worte eines Amerikaners, die, zumal in einem Land, dem unseren, wegweisend sein könnten, einem Land, das sich unter Federführung Carl Schmitts, des Kronanwalts der nationalsozialistischen Rechtsordnung, vom Gegner aus: dem verhassten Liberalen, Roten, Aufklärer und Weltbürger, seiner selbst gewiss zu werden versuchte.

Demgegenüber gilt es, in einem toleranten Gemeinwesen grenzensprengend zu denken, Trennung zu überwinden und alle jene zu ehren, die schwächer, hilfloser und ärmer sind als wir, und die unseres Beistands und unserer Zivilcourage bedürfen. (Anmerkung: Um selbst nicht dem Schwarz-Weiß-Denken zu verfallen, sage ich ausdrücklich, dass es ein Konservativer war, der den Begriff der Zivilcourage als erster geprägt hat: Otto von Bismarck, ein Kanzler, für den Zivilcourage entschlossenes, zupackendes Verhalten im bürgerlichen Leben - und nicht etwa nur im Kriege bedeutete. Ende der Anmerkung.)

Schauen wir uns getrost einmal um! An Nothelfern mangelt es nicht, wenn es gilt, über den Tellerrand hinauszuschauen und die schrecklichen Vereinfacher, zumal mit dem Blick auf die Geschichte, Mores zu lehren. Rufen wir uns, zum Beispiel, endlich wieder einen Satz in Erinnerung, der, wegweisend für alle Zeit, vor mehr als zweihundert Jahren, 1793, im 34. Paragraphen der Französischen Revolutionsverfassung formuliert wurde: "Um Unterdrückung der gesamten Gesellschaft handelt es sich, wenn auch nur ein einziges ihrer Glieder unterdrückt wird. Um Unterdrückung jedes einzelnen Gliedes handelt es sich, wenn die Gesamtgesellschaft un terdrückt wird." Das heißt: Die Diskriminierung der kleinsten Gruppe, ja, je des Einzelnen, der sich zu ihr bekennt - friedfertig natürlich -, bezeugt die man gelnde Humanität des Staatswesens, das seinerseits, wenn es unterdrückt wird, den Individuen keinen Raum zu menschwürdiger Entfaltung gibt.

Ich denke, dieser Satz enthält die präziseste, umfassendste, ja einzig gültige Definition jeder wahrhaft liberalen, auf dem Prinzip allgemeiner Chancen gleichheit beruhenden Gesellschaft - eine Definition, die leider bis heute nicht in Kraft getreten, sondern Postulat geblieben ist: unverzichtbar, weil nur mit Hilfe dieser konkreten Utopie eine allgemeine Teilhabe an den Ressourcen der Welt, den ökonomischen nicht anders als den spirituellen, zu verwirklichen ist.

Der 34. Paragraph der großen bürgerlichen Revolution ist identisch mit jenem Grundgesetz der brüderlich-schwesterlichen Zivilgesellschaft, das, so unrealisierbar es sich im Augenblick ausnimmt, als Fernziel niemals aus dem Blick verloren werden darf. Der Satz, dass diejenigen, die sich allein ans derzeit Wirkliche halten, darüber auch das Mögliche verlieren, bleibt in Geltung: gerade in einem Augenblick, da die Kluft zwischen Reichen und Armen, Unternehmenden und Unternommenen, Privilegierten und Abgetanen, Menschen der ersten und der zweiten Welt größer ist denn je.

Da gilt es, nicht auf die Maximen der Herrschenden hereinzufallen, in deren Kreis ein mittlerweile in himmlische Regionen aufgestiegener Vertreter einmal gesagt hat: "Der liebe Gott ist kein Sozialist, denn er hat die Menschen ungleich geschaffen, und deshalb hat es auch keinen Sinn, von Chancengleichheit zu reden." Die Menschen sind nun einmal ungleich, die einen sind gescheit, die anderen weniger gescheit", so sprach, in offenbar genauer Kenntnis des lieben Gottes und seiner Gedanken (wer weiß, vielleicht ist Gott ja wirklich kein Sozialist... ), vor vielen Jahren Franz Josef Strauß - und viele seiner Erben reden anno 2002 am Stammtisch nicht anders.

Ausgrenzung der Benachteiligten von der Wiege bis zur Bahre, ohne jede Möglichkeit der Korrektur, heißt die Devise: Keine Chance für den Sohn eines türkischen Bauarbeiters, mit dem man am besten im Infinitiv spricht: ohne zu bedenken, dass heute hunderttausende vermeintliche Ausländer - und nicht nur die Enkel und Urenkel ehemaliger Gastarbeiter - oft ein reicheres Deutsch sprechen, manchmal mit liebenswertem Akzent, dafür konkret und bisweilen sogar poetischer als manche Autochthonen, deren dumpfe Rede nicht nur den Schöngeist zur Verzweiflung bringt.

Vergessen wir also nie: Auf den Einzelnen in seiner konkreten Situation zu schauen bedeutet, jeder Form von vor gängiger Diskreditierung - siehe: "Ausländer raus - "Deutschland den Deutschen!" - Paroli zu bieten, auch wenn sie bisweilen eher auf mangelndem Nachdenken als auf Fanatismus beruht.

Wer von uns hat sich nicht schon über die Bezeichnung "Der Bürger draußen im Land" geärgert: Wieso bin ich eigentlich draußen? Und wieso maßen sich einige schlichte Geister an, drinnen zu sein? Die einen im Schloss und die anderen auf der Straße, Möllemann drinnen, Jens draußen - da kann doch was nicht stimmen. (Anmerkung: Jawohl, auf der Straße: Verbitten wir es uns endlich, dass einige unbedarfte Reaktionäre, und nicht nur sie, jedes basisdemokratische Engagement, jeden gewaltlosen Aufstand von unten - Wyhl bleibt unvergessen, der flüchtige Filbinger auch - als "Druck der Straße" zu denunzieren, dem man sich nicht zu beugen gedenke. Ja hat man denn vergessen, dass es eine Deutsche Einheit ohne diesen 'Druck der Straße', ohne die grandiosen Demonstrationen in Leipzig, Aug' in Aug' mit den eingreifbereiten Truppen der NVA, nicht gegeben hätte?)

Freilich beanspruchen - wir wollen, bitte schön, sorgfältig differenzieren - heute in Freiburg auch jene die Straße für sich, die nicht zur Beförderung der Demokratie, sondern zu ihrer Zerstörung angetreten sind - auf die schändliche Vision eines Reiches abzielend, in dem Ausgrenzung den Charakter eines Grundprinzips hat.

Ich denke, in dieser Situation muss es unsere Aufgabe sein, die Geschichte dieser Abtrennung ("Das Boot ist voll" - "Keine Einwanderer mehr") exakt nachzuvollziehen. Diskriminierung des Undeutschen unter Aufbietung von Zynismen - das haben wir schon einmal gehabt: Es war Hermann Göring - bitte zuhören, Herr Dr. Kohl -, der im Land, das sich "Drittes Reich" nannte, den Vorschlag machte, in der Reichsbahn eigene Judenabteile einzurichten, um die Ansteckung der Arier zu verhindern.

Und es war Jahrzehnte zuvor ein preußischer Honoratiore, der Oberhofprediger Adolf Stoecker, der im kaiserlichen Reichstag, deren rechte Majorität jedes Mal in schallendes Gelächter ausbrach, wenn Lessings "Nathan" genannt wurde (der Mann, hieß es dann, habe gottlob auch bessere Stücke geschrieben); es war ein Christ, der im Parlament eine winzige Minorität, die Juden - Inbegriff des Fremden! - in den Rang einer wichtigen Gruppe erhob, die die Dreistigkeit habe, sich wie die Mehrheit aufzuspielen und - so hatte (leider!) schon Martin Luther gesprochen und so reden die Gegner der Zuwanderung noch heute - im deutschen Volke so prächtig lebten, wie die Made im Speck:

"Meine Herren! Neulich ist hier in einem Berlin benachbarten Kreise die Leiche eines Gestorbenen gefunden worden (Leiche eines Gestorbenen: ideologische Verblendung und falsches Deutsch sind Geschwister). Die Leiche wurde untersucht, und dabei waren ein jüdischer Kreisphysicus, ein jüdischer Wundarzt und ein jüdischer Referendar. Nur die Leiche war deutsch. (Anmerkung im Protokoll: Große Heiterkeit). Meine Herren, wir wünschen nicht, dass dies das Schicksal Deutschlands wird. Wir wollen unser Volk erhalten durch die wirklichen Lebenskräfte, und seien Sie überzeugt, bei diesem Versuch wird unser Volk hinter uns stehen."

Da wurden, in raffinierter Gegenüberstellung von Gut und Böse (der Deutsche: das Opfer. Die Fremden: die Inspektoren) und in einer Umkehrung der tatsächlich bestehenden Machtverhältnisse demagogische Formeln verwendet, die sich heute, nahezu unverwandelt, in den Schulungsbriefen der extremen Rechten finden - und nicht nur in ihnen.

Was ist in solcher Lage zu tun? Ich denke dreierlei: Zum ersten: Nüchterne Analyse fremdenfeindlicher Ideologien; Benennung der Wurzeln, die den Unrat sprießen lassen; Enthüllung, in Sonderheit, des christlichen Antijudaismus als eines zentralen Ausgrenzungs-Elements innerhalb der Geschichte beider Kirchen.

Zum zweiten: Versöhnungszeichen, wie sie Georg?Tabori oder Daniel Barenboim (mit seinem palästinensisch-israelischen Orchester) geben, aufzugreifen: Empathie mit den Opfern der Preisgegebenen zu unterstützen, konkreten Beistand im Hier und Jetzt zu leisten: all jenen zugute, die tagtäglich die Zeche bezahlen, als "Kollateralschäden" eingestuft, die nicht nur im Krieg, um der Durchsetzung der vermeintlich gerechten Sache willen, nun einmal, wie es heißt, billigend in Kauf genommen werden müssen: einerlei, ob es um ein Kind mit durch Bodenminen zersplitterten Gliedern oder um einen Türken geht, der, nachweislich gefoltert, in das Land seiner Peiniger zurückgeschickt wird.

(Letzte Anmerkung: Baden-Württemberg ist ein Land, das, in der Frage der Flüchtlinge, die Gesetze dank bestehender Mehrheiten im Petitionsausschuss mit besonderer Rigidität auslegt - und dies selbst dann, wenn es um Leib und Seele halbzerstörter Menschen oder um seit Jahr und Tag gut eingemeindete Bürger geht (Bürger, nicht Mit-Bürger wohlgemerkt!), für deren Verbleiben sich Arbeitskollegen, Mitschüler, Sangesbrüder, Sangesschwestern und Vorgesetzte verwenden. Und trotzdem gnadenlose Abschiebung! Trotzdem Zerstörung von bewährten Familien-Strukturen: O, es gibt viele solche Fälle in unserem Land, dessen Bürger, spätestens seit der Zeit des Nationalsozialismus, doch eigentlich wissen müssten, was Preisgabe bedeutet.)

Wir hier jedenfalls wissen es und wehren uns gegen die in letzter Minute eingeleitete Anti-Ausländerpolitik à la Stoiber und Koch. Die Mitte - kurz vorm Ziel preisgegeben und mit Kreide ausgespuckt. Wir sind dessen Zeugen. Schließlich der dritte Punkt: Wir sollten darangehen, unseren Gegen-Entwurf in der Form eines Buches zu verdeutlichen - eines vor allem den Schulen nützlichen Werks, in dem jene Visionen aufgeführt werden, die vom Geist unseres 34. Paragraphen getragen, immer noch weithin unbekannt sind. Da könnte man Herders Traktat über die "Sieben Gesinnungen" jener "Großen Friedensfrau" lesen, die nur einen Namen haben: "Allgemeine Billigkeit, Menschlichkeit, tätige Vernunft".

Und dann Jean Pauls "Friedenspredigten"! Kants Beschwörung einer "allgemeinen Hospitalität" als oberstes Gesetz, dem Besuchsrecht für alle, an jedem Ort der Erde, um derart gesellig miteinander wohnen zu können. Da wird, leidenschaftlich und souverän, die These widerlegt, dass Gewalt nur durch Gewalt besiegt werden könne: widerlegt in einer Manier, in der auch Sarkasmus und Ironie zu ihrem Recht kommen, die in unserer Anthologie über allgemeine Gleichberechtigung und überzeugend praktizierte Toleranz so wenig fehlen dürfen, wie die beiden Freiburger Paten, die den jesuanischen Satz beati pacifici (selig sind jene, die Frieden tun) exemplarisch veranschaulicht haben: Der eine, Erasmus von Rotterdam, wenngleich nur allzu kurze Zeit in Freiburg wohnend, wieder und wieder die These vertrat, dass es ohne Frieden kein Dasein gebe, das diesen Namen verdiene, und der andere, Reinhold Schneider, der, lange unter uns lebend, in seinen Meditationen über den Geist der Versöhnung geschrieben hat: "Nur wo Häuser des Friedens sind, wird sich das Land befrieden."

Eine lehr- und geistreiche Freiburger Fibel als Gegen-Entwurf zu jeder Form von ausgrenzender Selbstgerechtigkeit - wie wäre es damit, Freiburger Bürgerinnen und Bürger?

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Badische Zeitung vom Dienstag, 17. September 2002

BRIEFE AN DIE BZ

"Walter Jens' unfaire Angriffe"

Durch unsere Teilnahme an der Kundgebung am Platz der Alten Synagoge wollten auch wir deutlich machen, dass wir gegen die rechtsradikale und verfassungsfeindliche NPD und gegen deren Aufmarsch in Freiburg sind. Nun sind Kundgebungen nichts für sensible und nachdenkliche Menschen, weil die Redner fast immer mit der großen Axt draufhauen. Bei einem als "Fest" ausgerufenen Aktionstag, an dem die ganze Bevölkerung zur Teilnahme aufgefordert war, sollte man aber davon ausgehen dürfen, dass Redner, wenn es um die NPD geht, keine Toleranz zeigen, dass sie aber Zurückhaltung üben bei Themen, über die die demokratischen Parteien im Bundestag um den richtigen Weg streiten. Wir waren skeptisch, ob der Hauptredner sich an diese selbstverständlichen Regeln halten würde.

Leider ist unsere Skepsis bestätigt worden. Der Rhetorikprofessor Walter Jens hat Vertreter einer politischen Partei, die seit dem Zusammenbruch des Dritten Reiches am Aufbau und an der Gestaltung eines demokratischen Staatswesens verantwortlich mitgearbeitet hat, in demagogischer, unfairer Weise angegriffen. Er hat damit einen großen Teil der Bevölkerung getroffen, der nicht im linken Spektrum seine politische Heimat hat, aber als Teil der Gesamtbevölkerung aufgerufen war, an der Veranstaltung teilzunehmen. Der Redner sprach gegen Ausgrenzung und grenzte selbst aus. Jens war mit seinen unfairen Angriffen auf die in einzelnen Sachfragen andersdenkenden Demokraten alles andere als tolerant war. Er hat vielmehr die Kundgebung zu Wahlkampfzwecken missbraucht. Diejenigen aber, die sich erst einstimmig eingebracht haben, offenbar ohne sich um die Gestaltung der Veranstaltung zu kümmern, dann aber der Veranstaltung ferngeblieben sind, sollten die Konsequenzen bedenken, bevor sie sich entscheiden.

Walter und Sonja Haas, Freiburg

"Viel beachtetes Zeichen"

Als gebürtiger Freiburger, der aufs engste mit seiner badischen Heimat verbunden ist, habe ich mich sehr gefreut, dass Rechtsradikale in dieser weltoffenen, toleranten Stadt noch weniger einen Fußauf den Boden bekommen als anderswo. Bedeutsam erscheint mir, dass neben all den vielen Initiativen, Organisationen und Parteien zunehmend die Kommunen selbst sich in die politische Pflicht nehmen lassen, die Demokratie aktiv zu verteidigen statt diese Aufgabe gewissermaßen zu privatisieren. Die Ereignisse in Freiburg und letztes Jahr auch in Dortmund zeigen, wie erfreulich breit das gesellschaftliche Spektrum ist, das sich in der Ablehnung von Rechtsradikalismus und Rassismus zusammenfindet. Freiburg hat am vergangenen Wochenende ein viel beachtetes Zeichen gesetzt.

Manuel Kabis, Dortmun

"Heiterkeit im Miteinander"

Oft melden sich kirchliche Vertreter in der Öffentlichkeit aus einem prophetischen Auftrag zu Wort: um zu warnen oder anzuklagen. Ganz anders mein Anliegen: Ich möchte mich bedanken. Ich war begeistert am Samstag über die Mit-Freiburger und -Freiburgerinnen. Was ich selber kaum für möglich gehalten habe, wurde möglich. Statt, was denkbar und empfohlen war, die Rechten rechts liegen zu lassen, verhinderten wir den braunen Spuk einfach durch unser geballtes Dasein. Und schon vorher: Bestimmtheit, aber kein Fanatismus, Entschiedenheit, aber kein tierischer Ernst; da war schon unterwegs soviel Festfreude. Heiterkeit in diesem Miteinander aller Generationen, auch Rücksicht und Hilfsbereitschaft, zum Beispiel für mich als Rollstuhlfahrer. Wir haben ein Zeichen gesetzt, für uns und andere ein Modell geschaffen für überzeugendes politisches Bürgerengagement. Ich bin stolz auf uns.

Klaus Paetzholdt, Pfarrer, Freiburg-Betzenhausen/Bischofslinde

Gesellschaft im Wohlstandsschlaf

Zu: "Wie ein Aufruf zum Kreuzzug", Beitrag von Ludwig Ammann (Kultur, 6. September)

Zur Besprechung von Oriana Fallacis Buch "Die Wut und der Stolz" soll ein Verbrechen sein? Der Antiislamismus gar der Antisemitismus des 21. Jahrhunderts?

Unsinn! Wer die Aggressivität des Islamismus weiterhin negiert oder als Randerscheinung abtut, wer die massenhafte Zuwanderung von Menschen aus der islamischen Welt nach Europa noch immer für hinnehmbar hält, wer am Ende, wie Ludwig Ammann, die Verteidigung unserer freiheitlichen Ordnung den "Antisemitismus des 21. Jahrhunderts" nennt, der nimmt Mitschuld auf sich am weiteren Zerfall unserer abendländischen Kultur.

Oriana Fallaci übertreibt, sie provoziert, attackiert, dramatisiert. Recht hat sie! Wie anders soll man verfettete, träge, selbstgefällige, feige Gesellschaft aus ihrem Wohlstandsschlaf erwecken?

Dr. Rainer Ganter, Kreisvorsitzender CDU-Kreisverband Emmendingen

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Basler Zeitung vom Montag, 16. September 2002

Freiburg zog NPD die Stiefel aus

15 000 Menschen blockierten mit überwiegend friedlichem Protest den Aufmarsch von 110 Rechtsextremen der NPD. Ein Grossaufgebot von Polizei und Bundesgrenzschutz verhinderte Ausschreitungen.

Freiburg. Nicht den Hauch einer Chance hatten 110 Parteigänger der rechtsextremen NPD, ihren Aufmarsch durch die Stadt am vergangenen Samstag zu realisieren (vgl. BaZ vom  13. September). Damit hatten die Stadt und das vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DBG) organisierte «Bündnis gegen Rechts» ihr Ziel erreicht, keine Rechtsextremen durch Freiburgs Strassen marschieren zu lassen. Vor dem Bahnhofsareal kam es lediglich zu einer zweistündigen Kundgebung der NPD. Danach war der Spuk vorbei und Freiburg überliess sich bis spät in die Nacht einem ausgelassenen Multikulti-Happening.

Dank einer strategisch geschickten Taktik von Polizei und Bundesgrenzschutz mit vermutlich weit mehr als 1000 Einsatzkräften kam es weder zu befürchteten Ausschreitungen linksextremer Gruppen noch zur Konfrontation der NPD-Anhänger mit der vom DGB organisierten Gegendemonstration. Sieben vorübergehende Festnahmen und Platzverweise gegen 68 Personen der linken autonomen Szene lautet die Bilanz des Aktionstages «Freiburg steht auf. Gegen Fremdenhass und Rassenwahn», der aus Sicht von Stadt und Polizei «überwiegend friedlich» verlief.

Dass Neonazis in Freiburg unerwünscht sind, war Tenor der Bündnis-Kundgebung, bei der neben dem DGB-Landesvorsitzenden Rainer Bliesener auch Volker Finke, Trainer des Fussball-Bundesligisten SC-Freiburg, und der Tübinger Rhetorik-Professor und Publizist Walter Jens als Redner auftraten. Etwa 15 000 Menschen waren zu dieser Kundgebung gekommen. Sie zogen anschliessend in Richtung Bahnhof, wo Absperrgitter und Polizei postiert waren, um sämtliche Strassen zu blockieren. Für die 110 NPD-Mitglieder gab es damit kein Durchkommen mehr. Ihr Aufmarsch durch Freiburg fiel aus. Das Demonstrationsrecht mit polizeilicher Gewalt durchzusetzen, kam im Interesse der öffentlichen Sicherheit nicht in Frage. «Vor allem für die NPD selbst wäre dies angesichts der Übermacht von Gegendemonstranten gefährlich geworden», so der Freiburger Polizeidirektor Hubert Mayer.

So konnten die Rechtsextremen lediglich ihre Kundgebung vor dem Bahnhofsgelände halten - einige davon barfuss oder auf Socken. Sie mussten aufgrund eines von der Stadt verhängten Verbots ihre Springerstiefel ausziehen. Auch von den angekündigten drei Rednern sprach nur der NPD-Landesvorsitzende. Gegen einen weiteren war bereits im Vorfeld Redeverbot erteilt worden und dem aus der Schweiz angereisten Redner wurde das Verbot erteilt, sich in Deutschland politisch zu betätigen. Um 15 Uhr geleitete der Bundesgrenzschutz die NPD-Demonstranten zu einem bereitgestellten Nahverkehrszug, der sie wieder aus der Stadt brachte. An den Abschiedgruss der Rechtsextremen «Wir kommen wieder!» glaubt in Freiburg niemand.

Er sei froh und erleichtert, kommentierte Oberbürgermeister Dieter Salomon den Aktionstag. Freiburg habe ein deutliches Signal gegen Rechtsextreme gezeigt, friedlich und gewaltfrei. Für Freiburg Grund genug, sich anschliessend selbst bei einem Happening auf vielen Plätzen ausgelassen zu feiern.

Elisabeth Rosenkranz

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Neues Deutschland vom Montag, 16. September 2002

15.000 Gegendemonstranten verhindern NPD-Aufzug

68 Platzverweise gegen autonome Antifas

107 Rechtsradikale waren am Sonnabend nach Freiburg im Breisgau gekommen, um an einem mit Auflagen genehmigten NPD-Aufmarsch "Gegen Globalisierung und Meinungsdiktatur" teilzunehmen. Mehr als den Hauptbahnhof bekamen die Glatzen indes nicht zu Gesicht. Denn rund 15.000 Demonstranten kesselten das von der Polizei geschützte braune Häuflein drei Stunden lang ein und zwangen sie zur vorzeitigen Heimreise. "Angesichts der großen Zahl der Gegendemonstranten war es nicht möglich, einen Demonstrationsweg für die NPD freizugeben", erklärte der Leiter der Polizeidirektion Helmut Mayer. Deshalb habe man in Abstimmung mit der Stadt ein vorzeitiges Ende der NPD-Versammlung verfügt.

Sowohl das vom DGB initiierte Bündnis gegen Rechts, das an diesem Tag unter dem Motto "Freiburg steht auf- Gegen Fremdenhass und Rassenwahn" einen volksfestartigen Aktionstag auf die Beine gestellt hatte, als auch die autonome Szene sprachen in seltener Eintracht von einem großen politischen Erfolg. "Wir haben gezeigt, dass in dieser Stadt für Intoleranz, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit kein Platz ist", sagte Oberbürgermeister Dieter Salomon(Bündnis 90/Grüne). Auch das autonome Zentrum KTS freute sich in einer Pressemitteilung über die Niederlage der Neo-Faschisten, kritisierte jedoch die Platzverweise, die die Polizei am Vormittag gegen 68 autonome Antifaschisten ausgesprochen hatte, als "Willkür der Staatsgewalt".

Zuvor hatte sich Rhetorikprofessor Walter Jens auf einer Großkundgebung gegen jede Form der Diskriminierung von Minderheiten gewandt und die Ausländerpolitik der baden-württembergischen Landesregierung scharf kritisiert. Sportclub-Trainer Volker Finke betonte, dass der Kampf gegen den Rechtspopulismus wichtiger sei als ein oder drei Punkte im Fußball. Die große Resonanz von 15.000 Demonstranten sei ein Beleg, dass mit dem breiten Bündnis gegen die NPD der richtige Weg eingeschlagen worden sei, betonte DGB-Chef Jürgen Höfflin.

Martin Höxtermann

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Frankfurter Rundschau vom Montag, 16. September 2002

Die NPD sieht sich einer Übermacht gegenüber - und gibt klein bei

DGB in Freiburg spricht von "gigantischem Erfolg" gegen den Aufmarsch der Rechtsextremen / Demo in Potsdam abgesagt

Gegendemonstranten haben am Samstag Veranstaltungen von NPD-Anhängern in Freiburg und Potsdam weitgehend verhindert. Die Rechtsextremen in Brandenburg mussten unverrichteter Dinge abziehen, in Freiburg wurden die NPD-Reden von "Nazis raus"-Sprechchören übertönt.

FREIBURG / POTSDAM, 15. September (ap/epd). Rund 13000 Gegendemonstranten verhinderten in Freiburg die Kundgebung der rechtsextremen NPD. Die laut Polizei rund 100 NPD-Anhänger wurden vor dem Bahnhof von tausenden Menschen umstellt. Zu der Gegendemonstration hatte ein von der Stadt Freiburg und dem DGB angeführtes "Bündnis für eine offene Stadt" aufgerufen.

Da die Stadt den NPD-Demonstranten einen Verzicht auf Springerstiefel und Bomberjacken zur Auflage gemacht hatte und die Polizei entsprechende Bekleidungsstücke einsammelte, standen die Rechtsextremen teilweise in Socken oder barfuß vor dem Bahnhofsgebäude. Reden der NPD-Funktionäre wurden von "Nazis raus"-Sprechchören und Pfiffen der Gegendemonstranten übertönt. Die NPD-Anhänger reisten schließlich mit dem Zug ab.

Die antisemitische NPD-Demonstration in Potsdam ist kurzfristig abgesagt worden. Nach Angaben der Polizei beschränkten sich die Veranstalter auf eine Kundgebung an dem abgelegenen Bahnhof Pirschheide in der brandenburgischen Landeshauptstadt. Statt der angemeldeten 500 seien nur 75 Teilnehmer gekommen.

Ein von der Polizei verfügtes Verbot der NPD-Demonstration unter dem Motto "Schluss mit der Masseneinwanderung russischer Juden - Deutschland uns Deutschen" war vom Oberverwaltungsgericht Frankfurt an der Oder am Freitag aufgehoben worden.

Bei einer Gegenkundgebung mit mehr als 1500 Teilnehmern in der Potsdamer Innenstadt rief Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) dazu auf, die Rechte der Jüdischen Gemeinden zu verteidigen und "menschenverachtende" Provokationen der NPD nicht hinzunehmen. Die Aufhebung des Kundgebungsverbotes für die NPD durch die Verwaltungsgerichte sei nicht verständlich. Brandenburgs Ausländerbeauftragte Almuth Berger schloss sich der Kritik an. Jene Richter, die das Demonstrationsverbot aufgehoben hätten, müssten erkennen, dass es nicht nur um die strafrechtliche Relevanz bestimmter Worte, sondern die Botschaft einer solchen Gerichtsentscheidung gehe.

Der wegen Volksverhetzung verurteilte Rechtsextremist Friedhelm Busse durfte in Freiburg nicht sprechen. Einen entsprechenden Verbotsantrag der Stadt hatte das Verwaltungsgericht am Vortag der Demonstrationen genehmigt. Freiburgs Oberbürgermeister Dieter Salomon rief am Morgen auf einer Kundgebung auf dem Platz der Alten Synagoge zu Friedfertigkeit und Entschlossenheit im "Kampf gegen den braunen Spuk der Ewiggestrigen" auf. "Intoleranz, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit" hätten in Freiburg keinen Platz. "Bei uns sind Menschen anderer Nationalitäten und aus anderen Kulturen willkommen", sagte er. Auf der Kundgebung sprachen auch der Trainer des SC Freiburg Volker Finke und der Tübinger Literatur-Professor Walter Jens. Joachim Ruth vom DGB sprach nach dem Abzug der NPD-Anhänger von einem "gigantischen Erfolg der Freiburger Bürger" gegen die NPD-Anhänger.

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junge Welt vom Montag, 16. September 2002

NPD-Pleite in Freiburg

15000 Gegendemonstranten vereitelten angekündigten Neonazi-Aufmarsch

Große Pleite für die NPD in Freiburg: Nicht die erwarteten 500 bis 1000, sondern lediglich 100 ihrer »volkstreuen Kameraden« brachte die rechtsradikale Partei am Sonnabend auf die Beine. Auch aus dem angekündigten Marsch durch die süddeutsche Universitätsstadt wurde nichts. Geschlagene drei Stunden schmorten die Glatzen in der Mittagssonne auf dem Bahnhofsvorplatz, bevor sie ihre Fahnen unverrichteter Dinge wieder einrollen mußten. Zuvor hatte rund 15000 Demonstranten das von der Polizei geschützte braune Häuflein von allen Seiten eingekesselt und damit erfolgreich verhindert, daß sich der Trupp in Bewegung setzen konnte.

»Angesichts der großen Zahl der Gegendemonstranten war es nicht möglich, einen Demonstrationsweg für die NPD freizugeben«, erklärte Freiburgs Polizeichef Helmut Mayer. Mehrmals hatte die Polizei per Lautsprecher dazu aufgerufen, die Blokkade der Straße aufzulösen - ohne Gehör zu finden. »Wir weichen nicht der NPD« und »Nazis, haut ab« skandierten die Demonstranten. Kein Gehör fand auch der NPD-Landesvorsitzende Siegfried Härle. So sehr er auch ins Mikrofon brüllte, seine Worte gingen in den Pfiffen und »Nazi-Raus-Rufen« der Gegendemonstranten unter. Nach drei Stunden war der braune Spuk vorbei, die Polizei geleitete die Glatzen in einen Nahverkehrszug, der sie vom Hauptbahnhof abtransportierte.

»Es diente auch dem Schutz der Versammlungsteilnehmer, daß wir im Interesse der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ein vorzeitiges Ende der NPD-Versammlung verfügt haben«, teilte Mayer mit. »Die Stadt kapituliert vor dem Mob«, ärgerte sich dagegen Härle über den verpatzten Auftritt.

Sowohl das vom DGB initiierte »Bündnis gegen Rechts«, das an diesem Tag unter dem Motto »Freiburg steht auf - Gegen Fremdenhaß und Rassenwahn« einen volksfestartigen Aktionstag initiiert hatte, als auch die autonome Szene sprachen in seltener Eintracht von einem großen politischen Erfolg. »Wir haben gezeigt, daß in dieser Stadt für Intoleranz, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit kein Platz ist«, sagte Oberbürgermeister Dieter Salomon (Bündnis 90/Grüne). Auch im autonomen Zentrum KTS freute man sich über die Niederlage der Faschisten. Zugleich verurteilte man jedoch die Platzverweise, die die Polizei am Vormittag gegen 68 autonome Antifaschisten ausgesprochen hatte, als »Willkür der Staatsgewalt«.

Zuvor hatte Rhetorikprofessor Walter Jens auf einer Großkundgebung die Ausländerpolitik der baden-württembergischen Landesregierung scharf kritisiert. »Einen solchen Tag können wir jederzeit wieder auf die Beine stellen, sollten die Rechtsradikalen auf die Idee kommen, hier noch einmal demonstrieren zu wollen«, kündigte DGB-Chef Jürgen Höfflin an.

Martin Höxtermann

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taz vom Montag, 16. September 2002

Braune Socken in Freiburg

Breites Bündnis verhindert NPD-Demo. Rechtsextreme müssen Springerstiefel ausziehen.

FREIBURG taz Freiburg hat seinem Ruf als sonnige links-alternative Hochburg am Wochenende alle Ehre gemacht. Rund 15.000 Freiburger verhinderten am Samstag eine Demonstration von etwa 110 NPD-Anhängern. Die Partei konnte nur eine Kundgebung auf dem Vorplatz des Hauptbahnhofs abhalten. Da das Freiburger Ordnungsamt vorab Springerstiefel verboten hatte, mussten etwa zehn Jungnazis in Socken den Reden folgen.

Die NPD-Demonstration richtete sich "gegen Globalisierung und Meinungsdiktatur". Angekündigt hatte die Partei 500 bis 1.000 Teilnehmer. Da die NPD zuletzt vor über 30 Jahren in Freiburg demonstrierte, war die Aufregung im Breisgau groß. Zu der vom DGB angemeldeten Gegendemo hatte ein "Bündnis für eine offene Stadt" aufgerufen, dem mehr als 100 Gruppen von der FDP bis zu Linksradikalen angehörten. Nur die CDU machte nicht mit, nachdem der baden-württembergische Verfassungsschutz vor einer Zusammenarbeit mit "gewaltbereiten Linksextremisten" warnte.

Auf einer großen Bühne zwischen Theater und Universität sprachen zunächst Walter Jens sowie der frisch gewählte grüne Oberbürgermeister Dieter Salomon, ein DGB-Vertreter und - typisch Freiburg - der Trainer des Fußballklubs SC Freiburg, Volker Finke. Anschließend zogen die Leute in drei Marschblöcken zum nahe gelegenen Bahnhof. Angemeldet war zwar nur eine Route, doch der DGB entschied, dass es dort angesichts des Andrangs zu eng werden könnte und ließ zwei "Spontandemonstrationen" andere Wege gehen. Nach wenigen Minuten waren alle Straßen am Bahnhof verstopft. Die Stimmung war friedlich, die Sonne strahlte.

Auf dem Bahnhofsvorplatz begann unterdessen die weiträumig abgesperrte NPD-Kundgebung. Einziger Redner war der baden-württembergische Landesvorsitzende Siegfried Härle. Der wegen Volksverhetzung vorbestrafte Ex-FAP-Vorsitzende Friedhelm Busse hatte schon im Vorfeld ein Redeverbot erhalten.

Als die Polizei aufforderte, die Straßenblockade zu beenden, rührte sich bei den NPD-Gegnern niemand. Nach zwei weiteren Durchsagen gab die Polizei auf. Die NPD durfte dann noch etwas auf dem Bahnhofsplatz verweilen und Sprechchöre gegen die USA und den DGB anstimmen. Um 15 Uhr wurden die überwiegend jungen NPD-Anhänger schließlich zu einem von der Polizei bereit gestellten Sonderzug geleitet, der mit vielen Halten bis Mannheim fuhr.

Ordnungsamtsleiter Hans Brugger betonte später, man habe "auch im Interesse der NPD" darauf verzichtet, die Demonstrationsroute zu räumen. Angesichts der Kräfteverhältnisse hätte man die Rechten nicht wirksam schützen können. Das von der Stadt zunächst verhängte Demonstrationsverbot war vom Freiburger Verwaltungsgericht als "offensichtlich rechtswidrig" aufgehoben worden. Es genüge nicht, so die RichterInnen, dass die Mehrheit der Freiburger gegen die NPD sei.

Auch in Potsdam protestierten am Samstag rund 1.000 Menschen gegen eine NPD-Veranstaltung und deren Genehmigung. Wegen der strengen Auflagen verzichtete die NPD auf eine Demonstration durch die Innenstadt und beschränkte sich auf eine Kundgebung am Stadtrand.

CHRISTIAN RATH

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Süddeutsche Zeitung vom Montag, 16. September 2002

Einfach rechts liegen lassen

Mit einer machtvollen Demonstration verscheuchen die Freiburger den braunen Spuk der rechtsextremen NPD

Freiburg ist anders. Das hat die Wahl eines Grünen zum ersten Oberbürgermeister einer deutschen Großstadt im Frühjahr belegt. Und es zeigte sich auch am Samstag wieder, als mehr als zehntausend Freiburger den braunen Spuk der rechtsextremen NPD verscheuchten. Wo sonst gibt es einen Fußballtrainer wie Volker Finke vom SC Freiburg, der auf der Bühne neben dem Tübinger Rhetorik-Professor Walter Jens vor großem Publikum ganz selbstverständlich die Rolle eines politischen Redners übernahm? Fremdenhass zu bekämpfen, sagte der Fußballlehrer Finke, sei viel wichtiger als Punkte in einem Bundesligaspiel.

"Vielfältig und bunt für eine offene Stadt": Mit diesem Motto und einem riesigen Musikprogramm wollte die Universitätsstadt der Provokation der Ultrarechten begegnen. Doch nachdem das städtische Verbot des NPD-Aufmarsches vom Verwaltungsgericht kassiert worden war, wuchsen Befürchtungen, es könnte zu Zusammenstößen zwischen Anhängern der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" und Gegendemonstranten kommen. Die Polizei rechnete mit 500 bis 1000 NPD-lern. Allerdings wurden vom Gericht in letzter Minute etliche Auflagen der Stadt gebilligt, darunter ein Redeverbot für den wegen Volksverhetzung verurteilten Agitator Friedhelm Busse.

Der von Stadt, DGB, Vereinen und Parteien - lediglich die CDU stand aufgrund einer Intervention des konservativen baden-württembergischen Innenministers Thomas Schäuble etwas abseits - getragene Aktionstag "für eine offene Stadt" hätte trotzdem auch für Dieter Salomon brenzlig werden können. Der grüne OB appellierte morgens an die Versammelten auf dem Platz der 1938 von Nazis niedergebrannten Synagoge, die NPD "rechts liegen zu lassen". Aber würden sich daran auch die versprengten Reste militanter Autonomer halten? Dass Freiburg schließlich befreit lachte, war weniger dem heiteren Altweibersommer geschuldet als dem wunderlichen Auftritt eines verlorenen Fähnleins unschlüssiger "Kameradinnen und Kameraden" vor dem von Grenzschutz und Polizei abgeriegelten Hauptbahnhof. Einige der gut hundert meist jungen NPD-Mitglieder, die ihre Springerstiefel nicht tragen durften, standen in Socken auf der Straße und lauschten ihrem Landesvorsitzenden Siegfried Härle.

Dieser, ein oberschwäbischer Bauer aus Riedlingen/Donau, sah die westliche Welt im "Ozean der Verkommenheit und Liederlichkeit" versinken; wie überhaupt die Politik des US-Präsidenten Bush "in den Untergang des Globus" führe. Worauf die rechte Hundertschaft den Sprechchor skandierte "USA - internationale Völkermordzentrale" und angesichts der ungleichen Kräfteverhältnisse endlich den Rückzug antrat.

Wulf Reimer

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Saarbrücker Zeitung vom Montag, 16. September 2002

NPD-Aufmarsch in Freiburg verhindert

Freiburg (ap). 13000 Demonstranten haben am Wochenende in Freiburg eine Kundgebung der rechtsextremen NPD verhindert. Die etwa 100 NPD-Anhänger wurden am Samstag vor dem Bahnhof von tausenden Menschen umstellt und zogen sich unverrichteter Dinge zurück. Die Gegendemo hatte ein von der Stadt und dem DGB angeführtes "Bündnis für eine offene Stadt" organisiert. In Potsdam protestierten 1000 Menschen gegen eine NPD-Veranstaltung unter dem Motto "Schluss mit der Masseneinwanderung russischer Juden - Deutschland uns Deutschen" und deren Genehmigung.

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Ostsee Zeitung vom Montag, 16. September 2002

Tausende demonstrierten gegen NPD-Aufmärsche

Freiburg/Potsdam (AFP) In Freiburg und Potsdam haben am Sonnabend tausende Menschen friedlich gegen Rechtsextremismus protestiert. Im baden-württembergischen Freiburg wandten sich nach Angaben der Veranstalter rund 15 000 Menschen gegen einen Aufmarsch der rechtsextremen NPD. Sie folgten damit einem Aufruf von Stadt und Gewerkschaften. Auf einer Protestaktion in Potsdam sprachen sich Vertreter aller im Bundestag vertretenen Parteien sowie Gewerkschaften und Kirchen gemeinsam gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit aus. Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) rief die rund 1500 Teilnehmer der Demonstration dazu auf, angesichts der menschenverachtenden Parolen rechtsextremer Parteien Farbe zu bekennen.

In Freiburg wurde der Aufmarsch der rund 100 NPD-Anhänger von etwa 6000 Gegendemonstranten behindert, die den Demonstrantionsweg der Rechten blockierten. Die Rechtsextremen kamen deshalb über den Bahnhofsvorplatz nicht hinaus. Befürchtete Zusammenstöße blieben aus.

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Kölner Stadt-Anzeiger vom Montag, 16. September 2002

Tausende protestieren gegen NPD-Demonstrationen

Freiburg/Potsdam - Mehrere tausend Menschen haben am Samstag in Freiburg und Potsdam gegen Aufmärsche der rechtsextremistischen NPD demonstriert. In Freiburg versammelten sich nach Polizeiangaben mehr als 10 000 Teilnehmer, in Potsdam mehr als 1000. Zu den NPD- Demonstration kamen jeweils lediglich gut 70 Rechtsextremisten.

Die Freiburger Polizei verhinderte ein Zusammentreffen der beiden Gruppen. Zwischen der Polizisten und Gegendemonstranten kam es vereinzelt zu Rangeleien. Vorsorglich wurde ein Park in der Innenstadt geräumt. Gegen 25 Gegendemonstranten wurde ein Platzverweis ausgesprochen. Vereinzelt wurden aus der Menge der Gegendemonstranten Leuchtspur-Raketen auf die NPD-Gruppe gefeuert.

In Potsdam richtete sich die Gegendemonstration auch gegen die NPD-Losung "Schluss mit der Masseneinwanderung russischer Juden, Deutschland uns Deutschen". Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) sagte dazu, menschenverachtender könne ein Motto nicht sein. Die Polizei hatte den NPD-Aufmarsch kurzfristig aus der Innenstadt an den Stadtrand verbannt. Nach einer Kundgebung ging die Versammlung ohne größere Zwischenfälle zu Ende gegangen.

Beide Städte hatten in den vergangenen Wochen vergeblich versucht, die Aufmärsche juristisch zu verhindern. (dpa)

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NETZEITUNG.DE vom Montag, 16. September 2002

Demonstranten verhindern NPD-Aufmarsch

Die NPD hat in Freiberg eine angemeldete Demonstration wieder abgesagt. Massenhaft verstopften Gegendemonstranten die Straßen und zwangen die Rechten zum Rückzug.

Mehr als 10.000 Menschen haben am Samstag in Freiburg gegen Rechtsradikale demonstriert. Damit verhinderten sie eine Demonstration von Rechtsradikalen. Die ungefähr 100 Rechten mussten ihren Aufmarsch absagen, Massen von Menschen hatten die geplante Strecke blockiert.

Zu dem Aktionstag unter dem Motto «Freiburg steht auf: Gegen Fremdenhass und Rassenwahn» hatte der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) aufgerufen. Mehr als hundert Vereine und Parteien machten mit.

Die Stadt Freiburg hatte vergeblich versucht, die Nazi-Demo juristisch zu verhindern. Doch die Menschenmassen schafften es. Alle Zufahrtsstraßen in der Nähe des Bahnhofes waren verstopft. Die Rechtsextremisten reisten nach einer kurzen Kundgebung wieder ab.

Die Polizei sagte anschließend, man habe das Grundrecht der NPD auf die Demonstration nicht «mit Gewalt» durchsetzen wollen. Der DGB-Landesvorsitzende Rainer Bliesener nannte den Tag einen «Beweis für eine wache und lebendige Demokratie».

Am Rande der Kundgebung kam es zu kleineren Problemen. Einige linke Demonstranten lieferten sich Rangeleien mit der Polizei, in einem Park gab es eine Schlägerei zwischen einem NPD-Anhänger und Gegendemonstranten. (nz)

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Freie Presse vom Montag, 16. September 2002

Protest gegen NPD-Kundgebungen in Freiburg und Potsdam

Tausende demonstrieren gegen Rechtsextremismus

In Freiburg und Potsdam haben tausende Menschen friedlich gegen Rechtsextremismus protestiert. Im baden-württembergischen Freiburg protestierten nach Angaben der Polizei mehr als 10.000 Menschen gegen einen Aufmarsch der rechtsextremen NPD. Sie folgten damit einem Aufruf von Stadt und Gewerkschaften. In Potsdam wandten sich Vertreter aller im Bundestag vertretenen Parteien sowie Gewerkschaften und Kirchen gemeinsam gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit.

In Freiburg wurde der Aufmarsch der rund 150 NPD-Anhänger von Gegendemonstranten massiv behindert, die den Demonstrantionsweg der Rechten blockierten. Die Polizei nahm die Personalien von 25 Anhängern der linken Szene auf, die Absperrungen überwinden wollten.

Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) rief die rund 1500 Teilnehmer der Demonstration in Potsdam dazu auf, angesichts der menschenverachtenden Parolen rechtsextremer Parteien Farbe zu bekennen.

Brandenburgs Ausländerbeauftragte Almuth Berger wertete die überparteiliche Demonstration in Potsdam als Bekenntnis zu Toleranz und zum friedlichen Miteinander. Zu der NPD-Demonstration in der Nähe eines Bahnhofs am Stadtrand waren statt der angekündigten 300 nach Polizeiangaben lediglich 75 Teilnehmer erschienen. Bei Kontrollen beschlagnahmte die Polizei unter anderem ein T-Shirt mit Hakenkreuz. Die von der Polizei abgeschirmte NPD-Veranstaltung endete ohne weitere Zwischenfälle.

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Focus vom Montag, 16. September 2002

Park in der Innenstadt geräumt

In Freiburg und Potsdam ist es zu Tumulten und Rangeleien wegen NPD-Aufmärschen gekommen. Mehr als 10 000 Menschen versammelten sich am Samstag in Freiburg, um gegen die rechtsextremistische Partei zu protestieren. Von der NPD liefen rund 70 Sympathisanten auf.

Die Freiburger Polizei verhinderte zwar ein Zusammentreffen der beiden Gruppen, doch vereinzelt kam es zwischen der Polizei und Gegendemonstranten zu Rangeleien. Vorsorglich wurde ein Park in der Innenstadt geräumt.

In Potsdam waren rund 1000 Menschen unterwegs, um gegen die NPD-Losung "Schluss mit der Masseneinwanderung russischer Juden, Deutschland uns Deutschen" zu demonstrieren.

Beide Städte hatten in den vergangenen Wochen vergeblich versucht, die Aufmärsche juristisch zu verhindern.

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Berliner Zeitung vom Montag, 16. September 2002

Freiburger verhindern NPD-Demonstration

FREIBURG. Mehr als 10 000 Menschen haben sich am Wochenende in Freiburg einem Aufmarsch von rund 110 NPD-Aktivisten entgegengestellt. Bei einem Aktionstag unter dem Motto "Freiburg steht auf: Gegen Fremdenhass und Rassenwahn" warben sie auf Kundgebungen und mit kulturellen Aktionen für Toleranz und Offenheit. Die NPD sagte ihren Umzug durch die Stadt ab, weil Menschenmassen die Strecke blockierten. (ddp)

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Stuttgarter Nachrichten vom Montag, 16. September 2002

Freiburger blockieren den Aufmarsch der NPD

Rechtsextreme isoliert - Salomon: Stadt hat ein Zeichen gesetzt - 1800 Polizeibeamte im Einsatz

Freiburg - 15 000 Menschen haben am Samstag in Freiburg meist friedlich einen Aufmarsch der rechtsextremen NPD verhindert. Die Gegendemonstranten blockierten die Demonstrationsstrecke und zwangen die rund 110 Rechtsextremen zur Aufgabe.

Die Polizei verhinderte mit einem Großaufgebot ein Zusammentreffen der beiden Gruppen. Im Einsatz waren insgesamt etwa 1800 Beamte aus Baden-Württemberg, Bayern und aus Rheinland-Pfalz. Zwischen Polizei und Gegendemonstranten kam es vereinzelt zu Rangeleien. Aus der Menge der Gegendemonstranten wurden Leuchtspurraketen auf die Gruppe der NPD-Aktivisten abgefeuert. Verletzt wurde niemand. Sieben Personen wurden festgenommen. Die Polizei räumte vorsorglich einen Park in der Innenstadt.

Die NPD versammelte sich vor dem Hauptbahnhof und hielt dort abgeschirmt von der Öffentlichkeit eine Kundgebung ab, ehe die Rechtsextremen mit einem Sonderzug wieder abreisten. Stimmung und Atmosphäre waren giftig. Wütend skandierten sie: "Wir kommen wieder!"

Die Stadt hatte in den vergangenen Wochen vergeblich versucht, den NPD-Aufmarsch juristisch zu verhindern. Die Veranstaltung der Rechtsextremen war schließlich unter strengen Auflagen genehmigt worden. Oberbürgermeister Dieter Salomon (Grüne) sagte, er sei sehr froh, dass die Freiburger ein deutliches Zeichen gegen rechts gesetzt hätten. "Neonazis wollen wir hier in Freiburg nicht", bekräftige der OB. Er sei stolz auf die Freiburger, die den NPD-Marsch mutig gestoppt hätten, sagte Veranstalter Jürgen Höfflin vom DGB. Die Stadt habe ein positives Zeichen gesetzt - bundesweit und auch in Richtung Frankreich. Am Aktionstag in Freiburg beteiligten sich auch 100 Gewerkschafter aus der Schweiz und 200 aus dem Elsass.

Die Polizei, der von der Stadtverwaltung ein Meisterstück an Strategie und Taktik bescheinigt wurde, hatte die beiden Gruppen weiträumig voneinander getrennt. Gegen gewaltbereite Demonstranten gingen die Ordnungskräfte kompromisslos vor. So sprachen sie gegen 68 Mitgliedern des so genannten Schwarzen Blocks Platzverweise aus. Barfuß oder in Socken nahmen zwölf Rechtsextreme an der NPD-Kundgebung teil, weil das Tragen von Springstiefeln vom Ordnungsamt verboten worden war.

Der Leitende Polizeidirektor der Polizeidirektion Freiburg, Helmut Mayer, zeigte sich hinterher "sehr glücklich über diesen Einsatz", der schwierig und politisch nicht ganz leicht gewesen sei. Mayer betrachtete es als Erfolg, dass es gelungen sei, der NPD und dem Gegenbündnis die Ausübung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit zu gewähren.

Das von über 100 Gruppen und 2500 Privatpersonen gebildete und vom DGB organisierte Aktionsbündnis hatte seine Gegendemonstration mit einer Kundgebung auf dem Platz der alten Synagoge gestartet. Als Redner gegen Fremdenhass und Rassenwahn traten Trainer Volker Finke vom Sportclub Freiburg ("Rote Karte für die NPD!"), DGB-Landesvorsitzender Rainer Bliesener ("Die NPD muss endlich verboten werden!") und der Tübinger Rhetorikprofessor Walter Jens ("Die NPD will unsere Demokratie zerstören!") auf. Danach marschierten die von den Gewerkschaften IG Metall und Verdi angeführten Demonstrationsteilnehmer sternförmig zum Hauptbahnhof. Nach der Abfahrt der NPDler in einem Sonderzug nach Riegel feierten die Freiburger Bürger ihren politischen Erfolg mit einem großen Kulturfest auf zahlreichen Plätzen in der Innenstadt. Mehr als 150 Künstler traten bei einem Open-Air-Festival auf, darunter die Gruppen Fury in the Slaughterhouse, Söhne Mannheims sowie der Rapper Thomas D.

KARL-HEINZ ZURBONSEN

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Stuttgarter Nachrichten vom Montag, 16. September 2002

Steh-Demo statt Zug durch Freiburgs Innenstadt

Demonstranten der NPD kommen nicht vom Fleck - Mehr als 15000 Freiburger blockieren die Marschroute - Kaum Zwischenfälle

FREIBURG. Das Kalkül von Stadtverwaltung, DGB und Polizei ist aufgegangen. Der Marsch der rechtsextremen NPD durch Freiburg wurde von tausenden von Bürgern und von besonnen agierenden Polizeikräften verhindert.

Nach nur zwei Stunden war der Spuk vorbei. Die rund hundert NPD-Anhänger, die in der sengenden Sonne vor dem Freiburger Hauptbahnhof ausgeharrt hatten, ließen sich von der Polizei in einen bereitgestellten Sonderzug nach Norden geleiten. Die Demonstration, die durch die Freiburger Innenstadt hätte führen sollen, war vorzeitig aufgelöst worden, nachdem die mehr als 15 000 Gegendemonstranten trotz mehrfacher Aufforderung der Polizei den Weg nicht freigemacht hatten. Tausende von Bürgern womöglich mit Gewalt beiseite zu schieben, um den Umzug von wenigen Rechtsextremen zu ermöglichen, erschien den Verantwortlichen unverhältnismäßig.

Zufrieden zeigte sich denn auch Freiburgs Oberbürgermeister Dieter Salomon bei einem Resümee am Samstag Abend: "Die Freiburger haben der NPD das erhoffte Signal entgegengesetzt und gezeigt: Wir wollen diese Neonazis hier nicht." Statt eines Umzugs von Springerstiefeln habe die Stadt am 14. September "ein gigantisches Fest" erlebt, das vom DGB maßgeblich organisiert, von mehr als hundert Gruppen unterstützt und auch von weiten Teilen der Wirtschaft mitfinanziert worden ist. Die Auftritte der Künstler, die allesamt auf ihre Gage verzichtet hatten, dauerten bis in den Abend an.

Schon am Vormittag hatten mehr als 10 000 Menschen aus Freiburg und dem Umland an der Auftaktkundgebung teilgenommen, bei der neben Oberbürgermeister Dieter Salomon auch SC-Trainer Volker Finke und der Tübinger Professor Walter Jens vor einer Verharmlosung des Rechtsradikalismus warnten. Die Menge war anschließend auf verschiedenen Wegen zum Hauptbahnhof gezogen und hatte dort vor den Absperrungen der Polizei Stellung bezogen. An der Kundgebung des DGB, die vor dem nahen Konzerthaus stattfinden sollte, hatte zu dieser Zeit kaum noch jemand Interesse. Die Gegendemonstranten blockierten statt dessen die Marschroute der wenigen angereisten NPD-Anhänger und harrten wie diese bei sommerlichen Temperaturen aus.

Zu gewalttätigen Zwischenfällen ist es dabei kaum gekommen. Die Polizei zählte am Abend einige Farbbeutelwürfe auf Polizeiautos, ein abgeschraubtes Kennzeichen und zwei Festnahmen nach dem Abschuss von Leuchtspurmunition. Gegen 68 Angehörige der so genannten autonomen Szene wurden Platzverweise erteilt. Sie hatten nach Angaben der Polizei zuvor im Internet dazu aufgerufen, sich nahe der geplanten NPD-Marschroute zu versammeln. Weil dies den Verdacht zuließ, die NPD solle in der Ausübung ihres Demonstrationsrechtes gestört werden, sei ein Einschreiten nötig gewesen, erläuterte die Polizei. Die übrigen mehr als 15 000 Demonstranten hatten einen solchen Verdacht offenbar nicht aufkommen lassen. Diskutiert wurde in den Reihen der Gegendemonstranten immer wieder das Verhalten der Freiburger CDU. Sie hat bei der Kundgebung fast vollständig gefehlt, obwohl sie den Aktionstag zuvor mit beschlossen hatte.

Dann aber hatte der Vizepräsident des Landesamtes für Verfassungsschutz behauptet, das Freiburger Rathaus dulde linksextremistische Gruppen bei dieser Veranstaltung. Auch Innenminister Thomas Schäuble (CDU) nannte ein solches Bündnis "unerträglich".

Ute Köhler

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Stuttgarter Nachrichten vom Montag, 16. September 2002

Unglücklich

Freiburgs CDU schert aus

Die Freiburger wollten am Samstag nicht nur sich selbst, sondern der ganzen Republik etwas beweisen: Wenn die große Mehrheit der Bevölkerung dies nicht will, dann haben Rechtsradikale in diesem Land keine Chance.

Der Beweis ist eindrucksvoll angetreten worden, und dies nicht nur, weil die NPD so schwach erschienen ist. Die Bürger aus Stadt und Umland haben sich ebenso besonnen gezeigt wie die Polizeikräfte, und manches Vorpreschen von weniger friedlichen Demonstranten wurde von den Umstehenden schon im Keim erstickt. "Freiburg steht auf: Gegen Fremdenhass und Rassenwahn" hatte der Aufruf gelautet, und die Freiburger haben gezeigt, dass sie dieses Motto mittragen.

Um so erstaunlicher muss die Haltung der örtlichen CDU erscheinen. Nachdem sie offenbar Nachhilfe aus Stuttgart erhalten hatte, machte der Kreisvorstand plötzlich linksextreme Mitglieder im Aktionsbündnis aus. Die Teilnahme an der Kundgebung wurde abgesagt. Damit hat der Kreisvorsitzende Klaus Schüle seine Partei zum zweiten Mal innerhalb weniger Monate auf einen Irrweg geführt. Schon im OB-Wahlkampf hat er mit seinen maßlosen Auftritten vor dem zweiten Wahlgang der CDU-Kandidatin mehr geschadet als genutzt. Auch diesmal sind führende Parteimitglieder alles andere als glücklich über sein Vorgehen, aber offenbar haben sie sich wieder einmal gefügt.

Den liberal gesonnenen Freiburgern wird das in Erinnerung bleiben. Sie haben die Demonstration der NPD am Samstag so friedlich wie erfolgreich verhindert. Die Repräsentanten der CDU haben sich um ihren Anteil an diesem Erfolg gebracht.

Ute Köhler

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Badische Zeitung vom Montag, 16. September 2002

NPD-Umzug in Freiburg blockiert

15 000 Gegendemonstranten

FREIBURG (BZ). Etwa 15 000 Menschen haben am Samstag in Freiburg eine NPD-Demonstration auf friedliche Weise verhindert. Die Rechtsextremen mussten ihren Umzug absagen, weil Gegendemonstranten die Strecke blockierten und die Polizei auf eine Räumung verzichtete. Vor dem Hauptbahnhof hatten sich nur 108 NPD-Anhänger versammelt statt der erwarteten 500. Sie mussten nach einer in Pfiffen und ohrenbetäubendem Lärm der Gegendemonstranten untergegangenen Kundgebung wieder das Feld räumen. Die Polizei verhinderte mit einem Großaufgebot ein Zusammentreffen der Gruppen. Zu dem Aktionstag unter dem Motto "Freiburg steht auf - Gegen Fremdenhass und Rassenwahn" hatten die Stadt und die Gewerkschaften aufgerufen.

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Badische Zeitung vom Montag, 16. September 2002

15 000 blockieren NPD

Rechte kommen nicht zum Demonstrieren / Freiburg feiert riesiges Stadtfest bis in die Nacht

Rund 15 000 Menschen haben am Samstag den geplanten NPD-Aufmarsch verhindert. Sie blockierten die Straßen rund um den Bahnhof, so dass die 108 Rechtsextremen gegen 14.45 Uhr unverrichteter Dinge wieder abzogen. Das Kulturprogramm des Aktionstags für Toleranz und Offenheit, den Deutscher Gewerkschaftsbund und Stadt Freiburg gemeinsam organisierten, lockte weitere Tausende von Menschen an. Bis in den späten Abend feierte Freiburg ein "gigantisches Stadtfest", wie Oberbürgermeister Dieter Salomon zufrieden resümierte.

Zufrieden war auch Polizeidirektor Helmut Mayer. Der schwierige Einsatz sei "überwiegend friedlich" verlaufen. Laut Mayer gab es ein halbes Dutzend Festnahmen: wegen Abfeuerns einer Leuchtpistole, Schlägerei und Rauschgiftdelikten.

Bereits am Morgen wurde ein Transparent vom Münster entfernt, um 11 Uhr kesselte die Polizei etwa 100 Autonome im Colombi-Park ein, die sich via Internet dort verabredet hatten. Augenzeugen zufolge setzte sie auch Schlagstöcke ein, was der Polizeidirektor vor der Presse jedoch zurückwies. Es seien nur die Personalien festgestellt und 68 Platzverweise erteilt worden.

Begonnen hatte der Aktionstag mit einer Kundgebung auf dem Platz der Alten Synagoge zwischen Theater und Kollegiengebäude II (siehe nebenstehenden Bericht). Rund 10 000 Teilnehmer hörten eine fulminante Rede des Tübinger Professors Walter Jens, der während des Zweiten Weltkriegs in Freiburg studiert hatte. Vier Tage, so Jens, habe er an seiner Rede gearbeitet - keine leichte Kost zur Mittagszeit.

Gegen 12 Uhr marschierten die Gegendemonstranten zielgerichtet los. Über den Friedrichring näherten sich Teilnehmer mit Flaggen der Gewerkschaft Verdi, gegenüber beim Busbahnhof wehten bald darauf IG Metall-Fahnen. Mit rund 250 Maschinen riegelte der Motorradclub Kuhle Wampe mit Vertretern der Bunten Liga den Bahnhof Richtung Stühlinger ab. Für die offizielle Abschlusskundgebung vor dem Konzerthaus interessierten sich nur wenige hundert Menschen.

Vor dem abgesperrten Bahnhof trafen sich 108 NPD-Anhänger, die aufgrund der Menschenmassen rings um sie herum jedoch nicht marschieren konnten und sich auf ihre Auftakt- sowie Abschlusskundgebung beschränken mussten. Die Polizei hatte ihren Versuch, die mit 6000 Menschen gefüllte Eisenbahnstraße freizubekommen, nach zweimaliger Aufforderung per Lautsprecher abgebrochen. Laut Hanns Brugger, Leiter des Amts für öffentliche Ordnung, ist die vorzeitige Auflösung der Kundgebung "im Interesse der NPD-Demonstranten" erfolgt. Die Einsatzkräfte hätten keine 100 Leute vor 6000 schützen können. Allein der Versuch wäre eine "unverhältnismäßige Maßnahme" gewesen.

ad/mac

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Badische Zeitung vom Montag, 16. September 2002

Doch kein Marsch durch Freiburg

NPD-Kundgebung mit 108 Teilnehmern endet vorzeitig in einem Sonderzug Richtung Norden

108 Teilnehmer am NPD-Aufmarsch zählte die Polizei vor dem Hauptbahnhof, der in alle Richtungen durch Gitter sowie Beamte von Polizei und Bundesgrenzschutz (BGS) abgeriegelt war. Zur Demonstration kam es nicht, da 6000 Bürger die Eisenbahnstraße versperrten. Nach zweimaliger Aufforderung per Lautsprecher erklärte die Polizei den Versuch, den Weg für die NPD frei zu machen, für gescheitert. Polizeieinsatzleiter Franz Semling sagte später, "die NPD hat die Lage erkannt", weshalb sie es bei zwei Reden ihres Landesvorsitzenden Siegfried Härle beließ.

Um 15 Uhr leitete die Polizei die Demonstranten geschlossen durch die Bahnhofsunterführung zu einem Sonderzug Richtung Norden. Dessen erster Halt war in Riegel. Hier sorgte der BGS dafür, dass die vorwiegend jungen Männer nicht nach Freiburg zurückkehrten. Offenbar waren viele von ihnen aus Emmendingen und Offenburg angereist. Auch der Lautsprecher-Wagen der NPD hatte Emmendinger Kennzeichen. Ein paar ältere Teilnehmer waren in Freiburg hinzugestoßen, unter anderem eine gehbehinderte Frau. Eine der wenigen, meist sehr jungen Frauen musste wegen einer Kreislaufschwäche von Sanitätern behandelt werden.

Die ersten Teilnehmer der NPD-Demonstration waren gegen 11.30 Uhr am Bahnhof eingetroffen. Da sich der BGS auf eine Anreise per Bahn eingestellt hatten, waren bereits in Mannheim Beamte auf Züge in Richtung Süden angesetzt. In Freiburg führten BGS-Kräfte die NPD-Anhänger ins abgesperrte Bahnhofsuntergeschoss. Dort wurden ihnen die Auflagen mitgeteilt. Wer mit Springerstiefeln und Bomberjacken bekleidet war, musste beides ausziehen; etwa zehn NPD-Anhänger standen daher barfuß oder in Socken auf der Straße. Einer der beiden per Gerichtsentscheid verbotenen Redner war aus der Schweiz angereist und wurde wieder heimgeschickt.

Wie viele Polizei- und BGS-Kräfte im Einsatz waren und welche Kosten dadurch entstanden sind, sagte Polizeidirektor Helmut Mayer trotz Anfrage nicht. Polizeiintern war von 1800 Beamten die Rede. Zu sehen waren Einsatzhundertschaften, berittene Polizisten sowie ein Polizeihubschrauber.

ad

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Badische Zeitung vom Montag, 16. September 2002

"Zeichen gegen Intoleranz"

Kundgebung als Auftakt

Die Freiburger CDU ist der Kundgebung und Demonstration gegen die NPD ferngeblieben. Von den bekannten Funktionsträgern waren einzig Stadtrat Berthold Bock zu sehen (allerdings rein dienstlich - er ist Polizist) sowie Baubürgermeister Matthias Schmelas. Er stand auf der Bühne in einer Reihe mit Vertretern aller anderen Gemeinderatsgruppierungen und den angeblichen Linksextremisten von der Linken Liste und der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN-BdA). Auch dabei: Ex-OB Rolf Böhme und Ex-Sozialbürgermeister Hansjörg Seeh (beide SPD).

"Wir wollen ein Zeichen setzen gegen Rechts, gegen Rassismus, Fremdenhass und Intoleranz", sagte Oberbürgermeister Dieter Salomon. SC-Trainer Volker Finke hält das Thema für "wichtiger als die Frage, ob man drei Punkte oder einen im nächsten Bundesligaspiel holt." Gerade der Sport, der sich immer wieder von totalitären Regimen habe benutzen lassen, müsse Position beziehen. DGB-Landesvorsitzender Rainer Bliesener wertete das Freiburger Aktionsbündnis als "Beweis für eine wache und lebendige Demokratie".

Rhetorikprofessor Walter Jens analysierte die Ausgrenzung in einer Gesellschaft und die damit verbundenen Folgen. Seine 20-minütige Rede endete mit viel Applaus für die Idee einer "Freiburger Fibel als Gegenentwurf zu jeder Form von ausgrenzender Selbstgerechtigkeit" - mit den Autoren Herder, Kant, Erasmus von Rotterdam und Reinhold Schneider. Meist im Hintergrund bewegte sich der DGB-Regionalvorsitzende Jürgen Höfflin. Ausgestattet mit Knopf im Ohr und Funkgerät, dirigierte er den Aktionstag. Dass die meisten Demonstranten nicht zur Abschlusskundgebung, sondern zum Bahnhof marschierten, sei nicht geplant gewesen - allzu viel dagegen unternommen hat er natürlich auch nicht. So standen 6000 Menschen in der Eisenbahnstraße, skandierten "Nazis-raus"-Rufe und warteten fast vier Stunden. Zu sehen bekamen sie die Neonazis nicht oder nur von Ferne. Als die NPD abzog, brandete Beifall auf - jetzt konnte gefeiert werden.

mac

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Badische Zeitung vom Montag, 16. September 2002

Die NPD tritt auf der Stelle

15 000 Demonstranten verhindern einen Aufmarsch der Rechtsradikalen in Freiburg

Da steht er nun, der junge DGB-Vorsitzende und muss zuschauen, wie ihm die Zuhörer gleich scharenweise davonlaufen. Gut zehntausend waren es noch beim Platz der Alten Synagoge, als Walter Jens, Volker Finke, Rainer Bliesener und Dieter Salomon über Toleranz und Zivilcourage sprachen. Zwanzig, höchstens dreißig Menschen harren bei ihm aus. Die anderen haben sich längst vom Zug des Deutschen Gewerkschaftsbundes getrennt und sich in den Straßen rund um den Freiburger Hauptbahnhof verteilt.

Fünftausend, wenn nicht sogar sechstausend stehen allein in der Eisenbahnstraße. Viertausend warten dicht gedrängt vor dem Inter-City-Hotel. Etwa die gleiche Zahl steht gegenüber hinter den Metallgittern am neuen Planetarium und in der Rosastraße. Sie alle blicken auf ein kleines Häuflein von Rechtsextremen, die vor dem Hauptbahnhof eine Demonstration abhalten wollen. Die erste seit 31 Jahren in Freiburg. Durch die Stadt wollte die NPD marschieren. Mit 500 bis tausend Mann Stärke zeigen. Es sind es gerade mal 108 Teilnehmer, und die kommen auch nur 50 Meter weit: Dann versperren ihnen 15 000 Gegendemonstranten den Weg.

"Was will man machen? Die Teilnehmer der Kundgebung sind einfach nicht dem DGB-Zug gefolgt", sagt der Gewerkschaftsvorsitzende Jürgen Höfflin später. "Ich kann doch niemandem vorschreiben, welchen Weg er zu nehmen hat." Alles Zufall? Wohl eher akribisch geplant. Höfflin, der das Bündnis gegen die NPD angeregt und zur Gegendemonstration aufgerufen hatte, ist müde, aber zufrieden. Die Zivilcourage von Zehntausenden habe verhindert, dass die Rechtsextremen durch die Stadt marschieren konnten, sagt er. "Ich bin stolz. Freiburg und der Oberrhein haben gezeigt, wie man mit der NPD umgehen kann."

Die Stadt Freiburg hatte in den vergangenen Wochen vergeblich versucht, den NPD-Aufmarsch juristisch zu verhindern. Die Veranstaltung der Rechtsextremen war schließlich unter strengen Auflagen genehmigt worden. Das erklärt auch, warum an diesem Samstagmittag ein Dutzend junger Männer mit zum Teil wilden Tätowierungen und bösen Sprüchen auf dem T-Shirt strumpfsocken oder barfuß vor dem Bahnhof wartet. Das Tragen von Springerstiefeln und schwarzen Bomberjacken war verboten worden. Wer sich nicht daran hielt, musste das Neonazi-Accessoire in aller Öffentlichkeit ausziehen. Eine schwere Demütigung. Das Gericht setzte klare Grenzen: Gegen den mehrfach wegen Volksverhetzung vorbestraften Rechtsextremen Friedhelm Busse wurde ein Redeverbot verhängt. Ein Schweizer Redner wurde des Landes verwiesen. Blieb nur der NPD-Landesvorsitzende Siegfried Häring übrig: Der Landwirt aus Riedlingen schimpfte auf Amerika, Präsident Bush und die Globalisierung, auf Europa und den Freiburger Oberbürgermeister, um sich ein ums andere mal in seinen eigenen Sätzen zu verirren. Was aber nicht groß störte. Ihm hörten nicht mal die eigenen "Kameraden" zu. Die händelten derweil mit den Fotografen: keine Aufnahmen. Männer und Frauen im besten Rentenalter waren unter den Demonstranten, die, den Yorkshire-Terrier unterm Arm und die Gehhilfe vor sich, von längst untergegangenen Reichen schwärmen.

Doch die meisten sind noch im schulpflichtigen Alter: Bleiche Buben mit glatt rasierten Schädeln und gepiercten Augenbrauen, die ab und an eine NPD-Fahne schwenkten und versuchten so grimmig wie möglich zu schauen. Was in Strümpfen nicht ganz einfach ist. Andere hatten ihre Freundinnen mitgebracht und hielten Händchen wie beim Schulausflug. Ab und an wurden wirre Parolen gebrüllt, dann antwortete die Gegenseite mit einem Pfeifkonzert: "Nazis raus, Nazis raus". Die Distanz ist enorm. Der Sicherheitsabstand auch. Die Situation ist entspannt.

Vier Minuten nach 14 Uhr, die beiden Gruppen stehen sich seit anderthalb Stunden gegenüber, kommt der kritische Punkt. Die NPD will zu ihrer genehmigten Demonstration starten, doch alle umliegenden Straße sind gesperrt. Jetzt muss die Polizei ihnen den Weg freimachen. Die Konfrontation scheint unausweichlich. Ein Lautsprecherwagen rückt einige Meter in die Eisenbahnstraße vor: "Wir fordern Sie auf, die Blockade sofort zu beenden. Sie gefährden das Grundrecht anderer." Allen Beobachtern ist klar, dass die Straße nicht geräumt werden kann. Wenige Minuten später die zweite Aufforderung: "Sie werden aufgefordert, die Eisenbahnstraße freizumachen." Wieder rührt sich nichts. Hinter den Absperrgittern versuchen einige Autonome die Situation aufzumischen. "Bleibt ruhig", ermahnen die Veranstalter. "Lasst euch nicht provozieren. Keine Gewalt. Bleibt friedlich." Bierdosen fliegen in Richtung Polizei. Dann setzen sich die Besonnenen durch.

Die Lager stehen sich stumm gegenüber. Dazwischen die Polizei, die mit 2000 Beamten aus Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz im Einsatz war. Um 14.20 Uhr rollt der Lautsprecherwagen zurück. "Wir haben versucht, die Demonstration zu ermöglichen. Aber das war an diesem Tag nicht möglich", erklärt später Einsatzleiter Paul Semling. "Wir konnten auch die Sicherheit der Demonstranten nicht garantieren." Die Stadtverwaltung ordnet an, dass die Versammlung 74 Minuten früher als geplant beendet werden muss. Die kleine Truppe von der Polizei in die Bahnhofsunterführung gebracht. "Wir kommen wieder", schreien einige trotzig. Einer streckt den Arm zum Hitlergruß. Die Eisengitter gehen runter, Bahnsteig eins wird blitzschnell vom Bundesgrenzschutz geräumt, ein leerer Zug rollt an, in den die Rechtsextremen einsteigen müssen. Ein Hubschrauber des Grenzschutzes überwacht die Fahrt. In Riegel ist Endstation.

"Sie sind abgehauen." Diese Botschaft wollen die Gegendemonstranten erst gar nicht glauben. Im DGB-Haus, im Rathaus und in der Polizeizentrale atmen die Verantwortlichen durch: Der Aktionstag "Gegen Fremdenhass und Rassenwahn", mit dem hundert Freiburger Gruppen dem Aufmarsch der Rechtsextremisten ein positives Zeichen entgegensetzen wollten, war ein Erfolg. Freiburg feiert - bis tief in die Nacht. Und wenn die Rechtsextremen wiederkommen? "Wir sind bereit", sagt Jürgen Höfflin. "Jederzeit."

Petra Kistler

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Badische Zeitung vom Montag, 16. September 2002

Fast die ganze Stadt sonnte sich

IMPRESSIONEN VOM AKTIONSTAG: Freiburg feierte sich und seine Offenheit gegenüber Fremden / Multikulturelle Veranstaltungen lockten Tausende

Prognosen sind die eine Sache, die Wirklichkeit steht auf einem anderen Blatt. "Stellt euch vor, es ist Aktionstag", hatten Skeptiker im Vorfeld geunkt, "und keiner geht hin". Tatsache ist: Am Samstag drängten sich viele tausend Menschen in Freiburgs Innenstadt. Vorwiegend junge Leute, und viele von ihnen - das verriet ihr Akzent - waren aus größerer Entfernung angereist. Aus Straßburg waren sie gekommen und aus Stuttgart, aus Basel oder aus Bruchsal. Warum sie gekommen sind? Natürlich versicherte jeder von ihnen, sie seien nur nach Freiburg gekommen, um mit den Bürgern dieser Stadt ein Zeichen zu setzen. Gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Und um den Walter Jens zu hören. Und den Volker Finke. Dann aber, im Vorübergehen, ließen sich viele von ihnen als Musiktouristen ertappen. "Wo geht heut' das Ding mit ,La Cosa Nostra' ab?", fragten drei junge Schweizerinnen mittags auf dem Rathausplatz. "Und wo feiert man sonst noch cool?"

"Cool" gefeiert wurde überall. Ganz Freiburg schien sich an diesem Samstag unter einem öchslefördernden Spätsommerhimmel selber zu feiern und in seiner Weltoffenheit zu sonnen. "Wenn NPD-Demos immer für ein so sonniges Klima sorgen, dann nur weiter her damit", lachte ein alter Freiburger mittags vor dem Rathaus.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Es gab unendlich viele Menschen, denen der ernste Blick auf den Hintergrund, von dem dieser Aktionstag seinen Ausgang genommen hatte, nicht abhanden kam. Jene, die bei der Klezmermusik, die mittags am Rathausplatz erklang, still wurden. Jene, die eine Stunde später sichtlich nachdenklich am Sockel des Mahnmals für die Opfer des Faschismus saßen, während nebenan am Platz der Alten Synagoge ein Open-Air-Konzert das Trommelfell einer schweren Prüfung unterzog. Und die vielen, die sieben Euro ausgaben, um an einem der Straßenstände jenes nicht unbedingt kleidsame grellgelbe T-Shirt zu kaufen, mit dem Freiburg Flagge gegen Fremdenhass zeigt. Und es gab viele, die sich dann beim kunterbunten Familienfest im Stadtgarten mit ihren Kindern spielerisch dazu anregen ließen, die liebens-und erlebenswerte Vielfalt einer multikulturellen Gesellschaft neu zu erfassen.

Und doch war's zuvörderst ein unpolitisches spätsommerliches Volksfest, was da in Freiburgs Stadtkern ablief. Es roch nach Flammkuchen und Currywurst, nach Apfelsaft und neuem Süßen, und am Abend, lange nach der Gartenparty zwischen den Blumenrabatten, Bastelecken und Hüpfburgen im Stadtgarten, genossen viele hundert junge Leute auf den Treppenstufen und dem Kopfsteinpflaster des Augustinerplatzes Bier und fetzige Musik. Wie beim Jazz-Festival 14 Tage zuvor. Und erneut leistete ein Team der Stadtreinigung am frühen Sonntagmorgen ganze Arbeit.

Eine Frau, die mittags mit einem Sonnenblumenstrauß vom Markt zum Stadtgarten schlenderte, kommentierte es trefflich: "Was auch immer passiert: Mir Freiburger mache halt e Feschtle draus." Nein, fremdenfeindlich ist diese Haltung nicht.

Reinhard Leßner

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Badische Zeitung vom Montag, 16. September 2002

MÜNSTERECK

Keine Chance für Gewalt

Gelungener Aktionstag

Das Konzept ging auf: Statt dumpfer rechter Töne in Freiburgs Straßen gab es ein riesiges Stadtfest, dessen Atmosphäre viele an das "Tour-de-France-Feeling" vom Sommer 2000 erinnerte. Froh, glücklich, erleichtert waren alle: Wo immer man sich nach der Abreise der NPD-Demonstranten umhörte, überall waren dieselben Worte zu hören. Denn es hätte auch schief gehen können. Zwar gab es keinen offiziellen Aufruf dafür, sämtliche Straßen rings um den Bahnhof zu verstopfen. Doch gewusst hat im Vorfeld jeder, dass es so kommen würde. Selbst die Polizei. Deutlich genug hatte sie vorab verlauten lassen, dass man notfalls auch die NPD schützen müsse. So war denn auch nicht das rechte Häuflein das Problem, sondern die Gruppe aufgeheizter Autonomer inmitten der Menschenmassen. Dass es nirgendwo zu einer Eskalation kam, ist sicher dem umsichtigen Einsatz der Polizei zu verdanken. Aber nicht nur: Freiburg muss vor allem seinen Bürgern ein dickes Lob aussprechen. Aus allen Gruppen, die sich um den Bahnhof herum platziert hatten, war zu hören, dass einzelne Farbbeutelwerfer sofort von Umstehenden an weiteren Aktionen gehindert worden waren. Die Freiburger haben bewiesen, wie ernst es ihnen mit ihrem Aktionstag für Toleranz und Menschenwürde war. Gewalt - egal aus welcher Richtung - hatte da wenig Chancen. Bestens!

Andrea Drescher

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Badische Zeitung vom Montag, 16. September 2002

"Das war ein tolles Verhalten gegen die Nazis"

BZ-UMFRAGE zum Verlauf des Freiburger Aktionstages gegen den geplanten Aufmarsch der NPD / Teilnehmer waren durchweg begeistert

15 000 Menschen haben friedlich gegen den Aufmarsch der NPD demonstriert und ihn dadurch verhindert. Die BZ hörte sich in Freiburg um.

Claudia Gneiting, 52, Lehrerin: "Das ist einmalig. Dass die Leute so geballt und so friedfertig auftreten. Das haben wir gut gemacht. Ich habe auch Schülerinnen und Schüler aktiviert - auch ausländische. Gerade die waren glücklich, dass die Stadt so ein Zeichen setzt."

SPD-Fraktionsvorsitzender: "Ich war froh, dass die CDU-Fraktion den gemeinsamen Aufruf unterzeichnet hat. Ich hatte die Hoffnung, dass das ein Signal war, hier gemeinsam für die Stadt Flagge zu zeigen. Ich bedaure, dass es nicht dazu gekommen ist."

Hans-Jürgen Voss, 49, Unternehmensberater: "Das war ein tolles Verhalten der Demokraten gegen diese Nazis. Die suchen sich Freiburg sicher nicht noch einmal aus. Ich bin beeindruckt von der Solidarität der Bevölkerung. Fast alle Gruppierungen sind vertreten. Und man hat gesehen, was man mit friedlichen Mitteln erreichen kann."

Gudrun Heckle, 43, Kunsthistorikerin: "Seit heute Morgen habe ich nichts gegessen. Aber falls es nötig sein sollte, warte ich hier noch zwei weitere Stunden. Und ich werde die ganze Nacht auf der Straße sein. Es könnte ja sein, dass noch ein paar Pöbler auftauchen."

Dieter Salomon, 42, OB: "Wir haben es so arrangiert, dass der Demonstrationszug der NPD immer nur links herum führt. Wir sollten die NPD dabei aber rechts liegen lassen. Es ist nicht damit getan, heute mit einem Aktionstag gegen die NPD hinzustehen und morgen zur Tagesordnung überzugehen. Offenheit und Liberalität sind ein hohes Gut, um das wir jeden Tag kämpfen müssen."

Christof Stein-Schneider, 40, Gitarrist von "Fury in the Slaughterhouse": "Der Auftritt war für uns auf jeden Fall was Besonderes. Spaß gegen Rechts ist das Beste, was man tun kann. Wenn man diese Dödels nicht verhindern kann, dann muss man denen zeigen, dass wir das bessere und schönere Leben haben."

Walter Jens, 79, Rhetorik-Professor: "Wer von uns hat sich nicht schon über die Bezeichnung ,Der Bürger draußen im Land' geärgert: Wieso bin ich eigentlich draußen? Und wieso maßen sich einige schlichte Geister an, drinnen zu sein? Die einen im Schloss Parlament und die anderen auf der Straße. Möllemann drinnen, Jens draußen - da kann doch was nicht stimmen!"

DGB-Regionsvorsitzender: "Einerseits bin ich sehr erfreut, andererseits sehr stolz auf den gesamten Oberrhein. Die Freiburger haben Zivilcourage gezeigt: Vor ihnen ziehe ich den Hut."

Helmut Mayer, 58, Leitender Polizeidirektor: "Es war ein schwieriger Einsatz, politisch nicht ganz leicht. Aus rechtsstaatlichen Gründen mussten wir die NPD schützen. Ich bin daher glücklich über diesen Ausgang."

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Der Sonntag vom Sonntag, 15. September 2002

Ein Fest der Toleranz

110 Rechtsradikale sehen sich mehr als 15000 Gegendemonstranten gegenüber

Rund 110 Rechtsradikale sind gestern einem Demonstrations-Aufruf der NPD nach Freiburg gefolgt. Die NPD selbst war im Vorfeld von 1000 Teilnehmern ausgegangen. Am Vormittag hatte Freiburgs DGB-Chef Jürgen Höfflin, Oberbürgermeister Dieter Salomon, SC Freiburg-Trainer Volker Finke, DGB-Landeschef Rainer Bliesener und Professor Walter Jens rund 15000 Zuhörer bei einer Gegenveranstaltung aufgefordert, friedlich gegen die NPD zu demonstrieren.

"Lassen Sie uns dem rechten Wahnsinn ein fröhliches Fest entgegensetzen", rief Salomon die Zuhörer auf dem Platz der Alten Synagoge auf. Der Freiburger Oberbürgermeister bezeichnete es als einen Gipfel des Zynismus, dass sich die NPD das Motto der Stadt Freiburg "Für eine offene Stadt" zu eigen mache und hier für Rassismus demonstriere. Salomon verwies darauf, dass über 100 Organisationen, Unternehmen, Betriebsräte und der gesamte Gemeinderat - "kurz: die ganz Stadt" - hinter der Gegen-Veranstaltung stehe.

Ein Großteil der Stadträte stand auf der Bühne hinter den Rednern. Es fehlte jedoch fast die komplette CDU-Fraktion, die zwar im Gemeinderat für das Bündnis gegen die NPD-Demonstration votiert hatte; der Kreisverband der CDU jedoch hatte eine Teilnahme wegen der Beteiligung verfassungsfeindlicher, linker Organisationen abgelehnt. Ohne die CDU beim Namen zu nennen, kritisierte Oberbürgermeister Dieter Salomon dies scharf: "Hier haben manche versucht, vor der Bundestagswahl ein eigenes politisches Süppchen zu kochen."

Volker Finke, Trainer des SC Freiburg, wies darauf hin, dass sich der Sport immer wieder von menschenfeindlichen Regimen hat benutzen lassen. Für ihn sei es deshalb keine Frage gewesen, an der Kundgebung teilzunehmen. "Wenn ich nicht als Redner eingeladen worden wäre, würde ich jetzt da unten bei Ihnen stehen. Das ist wichtiger als ein oder drei Punkte im Fußball." Finke bezeichnete es als den größten Widerspruch in der Fußball-Bundesliga, dass es Fans gebe, die der eigenen Mannschaft mit andersfarbigen Spielern tausendfach zujubeln, ausländische Spieler des Gegners aber beleidigen.

Für DGB-Landeschef Rainer Bliesener ist das Bündnis gegen die NPD ein Beweis für lebendige Demokratie. Die Kritik des Landesverfassungsschutzes an der Beteiligung linker Organisationen an dem Freiburger Bündnis, wies er zurück. "Das sind mutige Demonstranten und nicht besserwisserische Beamten." Stattdessen forderte Bliesener die NPD endlich zu verbieten.

Als letzter Redner rief der Tübinger Professor Walter Jens dazu auf, den militanten Rechten nicht das Feld zu überlassen. Jens erinnerte an die französische Revolution, in der vor über 200 Jahren festgeschrieben wurde, dass die gesamte Gesellschaft unterdrückt sei, wenn nur ein Mitglied der Gesellschaft unterdrückt werde. Er wünschte sich, dass aus dem Postulat bei uns endlich ein Gesetz werde. Jens kritisierte auch die rigide Ausländerpolitik in Baden-Württemberg. Als er dann die "Anti-Ausländer-Politik à la Stoiber und Koch" angriff, war der Redner im Wahlkampf angekommen. Baubürgermeister Matthias Schmelas (CDU) fiel da auf der Bühne der Applaus sichtlich schwer.

Nach der Kundgebung zogen die Demonstranten zu einer Abschlusskundgebung auf den Konrad-Adenauer-Platz. Kulturelle Veranstaltungen in der Stadt gingen noch bis in den späten Abend.

Klaus Riexinger

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Der Sonntag vom Sonntag, 15. September 2002

Kaum ein Fußbreit für die NPD

Rund 6000 Demonstranten verhindern den Demonstrationszug der Rechtsradikalen - Eskalation vermieden

Um 14.50 Uhr muss die NPD in den Untergrund. Die Freiburger Polizei schickt die 110 Teilnehmer der rechtsradikalen Demonstration ins Dunkel der Unterführung auf dem Bahnhofsvorplatz. Die NPD-Anhänger verdecken ihre Gesichter vor den Pressefotografen, einer wagt es, kurz den rechten Arm auszustrecken. Auf Bahnsteig Eins kommt die Gruppe wieder ans Licht, ein leerer Zug rollt an, die Polizei verfrachtet die NPD hinein. Ein Pfiff - weg sind sie. Das kurze Ende einer Demonstration, die sich drei Stunden zwischen Stagnation und Eskalation bewegt hatte.

"Nazis raus!" - es ist 12.17 Uhr, als sich unter den 100 Schaulustigen, die an der Absperrung vor dem Hauptbahnhof lehnen, etwas rührt. Gerade hat sich die Einsicht durchgesetzt, dass das Häuflein dort vor dem Eingangsportal des Bahnhofes die angekündigte NPD-Demo sein muss. Ein Polizist in olivgrüner Kampfmontur mit schwarzem Schlagstock bringt es auf den Punkt: "Links stehen die Rechten, rechts die Linken, ganz einfach", sagt er grinsend einer älteren Dame, die gerade mit dem Zug aus Offenburg ankommt und wissen will, was das für ein Volksauflauf vor dem Bahnhof ist. Noch sind alle recht entspannt.

Das ändert sich. "Nazis verpisst euch" - keine zehn Minuten später hat sich die Situation geändert. Die Kundgebung, die kurz vorher noch vor dem Stadttheater abgehalten wurde, hat sich mit all ihren Mitgliedern zum Bahnhof verlagert. Erste DGB-Fahnen gesellen sich zu den "Nazis raus"-Transparenten.

Eine halbe Stunde später sind beide Fahrtrichtungen der Bismarckallee sowie die Eisenbahnstraße durch tausende von Gegendemonstranten blockiert. Die Teilnehmer kommen aus Freiburg, aus der weiteren Region, aus dem Elsass und aus der Schweiz. In der Mitte des Bahnhofsvorplatzes steht die NPD-Gruppe. Eingekesselt, und nur geschützt von der Polizei, die die Gegendemonstranten nach allen Seiten zurückhält. Dann ist Warten angesagt.

Auch für die NPD. Gar nicht so martialisch sehen sie aus, ihre Anhänger. Nur wenige über 30 Jahre sind darunter, dafür einige Mädchen im Teeniealter mit Schlaghosen und "Eastpac"-Rucksack oder Handtasche. Daneben nicht viel älter wirkende Jungs mit kurzen Haaren, die sich auf noch eingerollte Fahnen stützen. Kleidung: Jeans und Sweat-Shirts, dazu bunte Turnschuhe. Vier Jungs stehen auf Socken da - dass Springerstiefel, nicht erlaubt waren, hatten sie wohl zu spät erfahren.

Unten in der Bahnhofsunterführung letzte Anweisungen an die NPD-Ordner: "Das Rufen mit der Wortfolge 'Nationaler Widerstand' ist untersagt", und: "Kein Alkohol". Als dann um 13.25 Uhr der NPD-Landesvorsitzende Siegfried Härle die Kundgebung mit den Worten "Liebe Kameraden aus nah und fern" beginnt, hören die etwa 100 Meter entfernten Gegendemonstranten nur Wortfetzen. Von "Taten" ist die Rede, und einem "freien Deutschland". Dieter Salomon sei ein Wolf im Schafspelz, sagt der Redner, einer, der das Grundgesetz missachte.

Die Gegenseite antwortet mit einem Pfeifkonzert. "Nazis raus, Nazis raus", ruft die Menge zwischen Bahnhof und Stadtbahnbrücke immer lauter. Alle schauen in Richtung Bahnhofsvorplatz. "Eure Eltern sind Geschwister", rufen einige, "Pfuiiii" und "Halts Maul" viele andere.

Doch noch ist die Stimmung gut, es wird viel gelacht unter den Plakaten der Evangelischen Studentengemeinde, dem SPD-Ortsverein Weingarten, der IG Metall und dem U-Asta der Uni. Auch Kinder heben eifrig Plakate in die Höhe - gegen Fremdenhass und Rassenwahn.

Derweil retten Sanitäter einen NPD-Anhänger aus dem Parteieigenen Lautsprecherwagen: Der kreidebleiche junge Mann ist unpässlich geworden. Das Fahrzeug, in dem er sitzt, sieht auch aus, als würde es nicht mehr lange halten. Der alte Passat ist übersäht mit Roststellen, am Heck hängt ein Plakat: "1000 D-Mark Kindergeld für Deutsche". Die Euro-Umstellung hat die Partei ignoriert.

Kurz nach vierzehn Uhr dann die Situation, vor der sich viele Entscheidungsträger der Stadt und der Polizei gefürchtet hatten. Die NPD will losmarschieren, doch die Straße ist versperrt. Ein Lautsprecherwagen der Polizei ist wenige Meter in die von 6000 Demonstranten versperrte Eisenbahnstraße vorgerückt: "Wir fordern sie auf, die Blockade sofort zu beenden" ruft der Sprecher, "sie beeinträchtigen das Grundrecht Anderer". Das Grundrecht der NPD ist es, ihre Route zu laufen, die Polizei müsste die Strecke frei machen - angesichts der tausenden Blockierer ist sich auch ein Beamter sicher: "Dann kracht's".

Die Demonstranten rühren sich nicht. Um 14.17 Uhr die zweite Aufforderung: "Sie werden aufgefordert, die Eisenbahnstraße freizumachen." Wütendes Pfeifkonzert. Jemand vom Freiburger Friedensforum ruft in ein Megaphon: "Bleibt hier bis 16 Uhr. Es darf keine Ausbrüche der NPD geben." An den Eisengittern warten einige nur darauf, dass die Polizei die Straße räumt: Punker haben sich vor den Beamten in Stellung gebracht: "Wir kriegen euch alle." Ein Mann mit Zigarette im Mundwinkel hält einen Kanonenschlag in der rechten Hand. Die Stimmung wird gereizter. Böller knallen, weiße Farbe spritzt von einem Balkon.

Plötzlich rollt der Lautsprecherwagen der Polizei wieder zurück. Die Menge jubelt siegesgewiss, die Polizei fordert die Rechtsextremen auf, ihre Abschlusskundgebung zu beginnen. "Wir haben versucht, einen Aufzug über die Eisenbahnstraße zu ermöglichen", sagt Polizei-Einsatzleiter Franz Semling der Presse, "aber das war an diesem Tag nicht möglich."

"Ein Armutszeugnis der Verwaltung", kommentiert NPD-Vorstand Siegfried Härle die Sachlage. Dann hält er die Schlussrede. Noch einmal ein Rundumschlag gegen die Freiburger Verwaltung, gegen George Bush, gegen Globalisierung: "Wir fordern die Auseinandersetzung mit der globalen Universalisierung", proklamiert er rätselhaft. Danach verschwinden er und seine Kameraden durch die Unterführung in den bereitgestellten Zug. Die Gegenseite kann den rechten Rückzug kaum sehen, deswegen dauert es eine Weile bis es sich auch in die hinteren Reihen herum gesprochen hat: "Sie sind abgehauen."

In der sich auflösenden Menschenmenge dann die ersten Resümees. Rangeleien, ja die habe es gegeben. Aber "bei so viel Leuten war das für uns in einem vertretbaren Rahmen", so Franz Semling von der Polizei. Tatsächlich ist eine Situation, die mühelos zu einer Straßenschlacht größeren Ausmaßes hätte ausarten können, friedlich beendet worden. Mit Begleiterscheinungen allerdings: In der Eisenbahnstraße ist ein Sympathisant der NPD verprügelt worden, 68 Personen aus der autonomen Szene, die sich vor der Veranstaltung im Colombipark versammelt hatten, hatte die Polizei ein für die ganze Innenstadt geltendes Platzverbot ausgesprochen. Gegen zwei Personen wird ermittelt, da sie mit Leuchtmunition geschossen hätten.

Bevor die Gegendemonstranten zu tausenden dem Rockkonzert vor dem Stadttheater zustreben, laufen sie noch einmal siegesgewiss lachend am Bahnhof auf und ab. Am Taxistand rollen drei Bunthaarige ihr Plakat wieder ein. "Kein Fußbreit den Faschisten" steht darauf. Ganz hat sich diese Forderung nicht erfüllt: Rund 50 Meter Auslauf hat die NPD an diesem Tag in Freiburg gehabt.

Jens Kitzler und Dirk Sattelberger

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Der Sonntag vom Sonntag, 15. September 2002

Sieg der offenen Stadt

110 Rechtsradikale sehen sich in Freiburg 15 000 Gegendemonstranten gegenüber

Rund 110 Rechtsradikale sind gestern einem Demonstrations-Aufruf der NPD nach Freiburg gefolgt. Die NPD selbst war im Vorfeld von 1 000 Teilnehmern ausgegangen. Am Vormittag hatten DGB-Chef Jürgen Höfflin, Oberbürgermeister Dieter Salomon, SC-Freiburg-Trainer Volker Finke, DGB-Landeschef Rainer Bliesener und Rhetorik-Professor Walter Jens rund 15 000 Zuhörer bei einer Gegenveranstaltung aufgefordert, friedlich gegen die NPD zu demonstrieren.

Auch aus dem Dreiland hatten sich sowohl linke als auch rechte Gegendemonstranten in Freiburg eingefunden: Die Lörracher und Markgräfler Attac-Gruppen waren vor Ort präsent. Ein Basler Funktionär der als rechtsextremistisch eingestuften Partei National Orientierter Schweizer war von der NPD als Redner angekündigt worden.

"Lassen Sie uns dem rechten Wahnsinn ein fröhliches Fest entgegensetzen", rief Salomon (Bündnis 90 / Die Grünen) die Zuhörer auf dem Platz der Alten Synagoge auf. Der Freiburger Oberbürgermeister bezeichnete es als einen Gipfel des Zynismus, dass sich die NPD das Motto der Stadt Freiburg "Für eine offene Stadt" zu eigen mache und für Rassismus demonstriere.

Bereits seit März wusste das Ordnungsamt Freiburg um die Pläne der NPD, erst im Juli jedoch hatte die Öffentlichkeit davon erfahren - auch der neue Oberbürgermeister, der darüber nicht gerade erfreut war. Kurze Zeit später hatte sich in Freiburg spontan ein vom Deutschen Gewerkschaftsbund initiiertes "Bündnis gegen Rechts" gebildet. Dessen Aufruf, sich mit friedlichen Mitteln der NPD-Kundgebung entgegenzustellen, hatten sich in den folgenden Wochen von Kolpinghaus bis Caritas und vom Stadttheater bis zum SC Freiburg über 100 Gruppen angeschlossen.

Ohne Kontroversen war die Bildung des Bündnisses jedoch nicht geblieben. So hatte der Stuttgarter Verfassungsschützer Hans-Jürgen Doll bemängelt, dass auch linksradikale Gruppen, die unter Beobachtung des Verfassungsschutzes stünden, am Bündnis teilnehmen würden. Gemeint waren die im Stadtrat sitzende Partei Linke Liste, die DKP und die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes. Zudem wäre es auch gewaltbereiten Autonomen möglich, im Bündnis gegen die NPD zu demonstrieren. So war die Situation vor dem gestrigen Tag etwas skurril, denn zwei Gruppierungen hatten dem Bündnis schlussendlich den Rücken gekehrt: die linksautonome Szene und die CDU. Letztere hatte nach der Intervention des Verfassungsschutzes verkündet, nicht mit linksextremistischen Gruppen demonstrieren zu wollen, die wirklich Linksextremen wiederum hatten das Bündnis als Heuchelei verdammt und angekündigt, selbst aktiv zu werden.

Volker Finke, Trainer des SC Freiburg, wies darauf hin, dass sich der Sport immer wieder von menschenfeindlichen Regimen hat benutzen lassen. Für ihn sei es deshalb keine Frage gewesen, an der Kundgebung teilzunehmen. "Wenn ich nicht als Redner eingeladen worden wäre, würde ich jetzt da unten bei Ihnen stehen. Das ist wichtiger als ein oder drei Punkte im Fußball."

DGB-Landeschef Rainer Bliesener wies die Kritik des Landesverfassungsschutzes an der Beteiligung linker Gruppen am Bündnis zurück. "Das sind mutige Demonstranten und nicht besserwisserische Beamten."

Die im Vorfeld befürchteten Ausschreitungen blieben aus. Lediglich Rangeleien, so Franz Semling, einer der Einsatzleiter der Polizei, habe es gegeben. Aber "bei so vielen Leuten war das für uns in einem vertretbaren Rahmen". Ein Sympathisant der NPD wurde verprügelt, gegen 68 Personen aus der autonomen Szene, die sich vor der Veranstaltung versammelt hatten, war ein für die Innenstadt geltendes Platzverbot ausgesprochen worden.

Klaus Riexinger und Jens Kitzler

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junge Welt vom Samstag, 14. September 2002

Anti-NPD-Demo in Freiburg: Sport gegen Rechtsradikale?

jW sprach mit Volker Finke, Trainer des SC Freiburg

Der Trainer des Fußballzweitligisten SC Freiburg spricht am heutigen Samstag auf einer Kundgebung gegen einen NPD-Aufmarsch in Freiburg, dem sich ein breites Bündnis nahezu aller politischen Kräfte (ohne die CDU) mit diversen Veranstaltungen entgegenstellt

F: Warum steigen Sie gegen die NPD aufs Podium?

Hier in Freiburg gab es natürlich Irritationen darüber, daß eine NPD-Kundgebung stattfinden soll. Eine Initiative an diesem Tag soll zeigen: Freiburg ist eine offene Stadt, eine tolerante Stadt. Da möchte ich als Vertreter des Sports präsent sein. Daß eine Stadt sich positioniert, daß wir zeigen, daß wir gegen rechtspopulistische Inhalte sind, das ist okay. Ich möchte dem Rechtspopulismus aus Überzeugung die rote Karte zeigen. Mehr ist es nicht. Aber auch nicht weniger.

F: Der CDU-Kreisverband unterstellt dem Veranstalterbündnis »Freiburg steht auf - gegen Fremdenhaß und Rassenwahn« eine Nähe zum sogenannten Linksextremismus und nimmt nicht teil.

Ich schaue nicht, wer sich beteiligt. Ich bin gegen Rechtspopulisten. Die sind ausgrenzend und respektlos gegenüber Minderheiten. Das ist ein Thema, das man nicht unter den Teppich kehren sollte!

F: Sollten NPD-Demos grundsätzlich verboten sein?

Ich weiß es nicht genau. Solange eine Partei zugelassen ist, muß man davon ausgehen, daß man nicht einfach Verbote fordern kann. Eine Gegenveranstaltung ist sicherlich ein wichtiges Signal. Noch wichtiger ist aber unsere Haltung im Alltag, in dem man den subtilen kleinen Rassismus nicht aufkommen lassen darf.

F: Das heißt?

Der tägliche Respekt sollte dasein, die Bereitschaft von anderen zu lernen. Andere Menschen, Sprachen, Religionen kennenzulernen. Sport ist ein gutes Beispiel. Der professionelle Bereich, in dem ich arbeite, ist mittlerweile völlig internationalisiert. Die Hälfte aller Profis sind Spieler aus anderen Ländern, mit anderen Kulturen und Religionen. Wir haben viele Moslems, Menschen verschiedener Hautfarben in der Mannschaft. Da praktizieren wir täglich, wie man Menschen zusammenführt, Kulturen zusammenführt. Wir müssen den gleichen Respekt haben. Respekt vor der jeweiligen Kultur und Religion. Es ist eine qualitative Bereicherung der eigenen Sichtweise. Wenn sich dann gegenseitig etwas befruchtet, muß man keine großen Konflikte austragen.

F: Ihre Mannschaft ist nicht nur für ihre Spielkultur bekannt. Spieler sprechen immer wieder vom speziellen Umgang beim Sportclub.

Das ist nicht nur Friede, Freude, Eierkuchen, sondern auch wirklich davon geprägt, daß man sich mal reibt. Mal ist Ramadan, mal haben wir das Problem, wie in einer Profimannschaft mit Körperschmuck umgehen? Wichtig ist, offen zu sein. Wenn man weiß, mit welchen Orientierungen jemand aufgewachsen ist, kann man vieles besser einordnen. Möglicherweise viel besser helfen. Der SC ist mehr als elf Fußballer, und das macht Spaß.

F: In manchen Fußballstadien werden farbige Spieler weiterhin mit rassistischem Gegröle empfangen.

Das ist ein sehr komplexes Thema. Man sollte nicht anklagen, sondern mit den Leuten präventiv arbeiten und kommunizieren. Ich finde es ganz schlecht, wenn immer mehr Polizei und noch mehr Ordner geholt werden. Wenn unsere ausländischen Spieler auf dem Sportplatz angemacht werden, dann würde ich den Zuschauern gern mal sagen, wieviel auch ein schwarzer Fußballer zum Bruttosozialprodukt beiträgt und daß er richtig viel Geld beispielsweise für den Solidaritätszuschlag abführt. Das sind kleine konkrete Beispiele.

* Samstag, 14. September, Freiburg, 11 Uhr, Platz der Alten Synagoge/Theatervorplatz, anschließend Demo zum Konrad Adenauer Platz (Konzerthaus)

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Badische Zeitung vom Samstag, 14. September 2002

Redeverbot für Rechtsextremist Busse

Verwaltungsgericht billigte Auflagen der Stadtverwaltung für die heutige NPD-Demonstration

Das Verwaltungsgericht Freiburg hat gestern die Auflagen der Stadt für die heutige NPD-Demonstration gebilligt. Ein entsprechender Eilantrag der rechtsextremen Partei wurde abgewiesen. Damit hat das Gericht insbesondere das Redeverbot für den vorgesehenen Hauptredner Friedhelm Busse bestätigt.

Der 73-jährige Busse war letzter Vorsitzender der 1995 verbotenen Freiheitlichen Arbeiterpartei (FAP). Erst im April war er vom Landgericht Essen wegen Volksverhetzung verurteilt worden. "Wenn Deutschland erst judenfrei ist, dann brauchen wir kein Auschwitz mehr", hatte er auf einer NPD-Demonstration geäußert. Die Stadt befürchtete, dass der mehrfach einschlägig vorbestrafte Busse auch in Freiburg eine volksverhetzende Rede halten könnte und verbot seinen Auftritt. Daraufhin hatte die NPD angeboten, Busses Redemanuskript vorab vorzulegen.

Das Verwaltungsgericht hielt dies jedoch für kein geeignetes Mittel. Busse sei auch früher schon von vorbereiteten Redetexten abgewichen und habe hinterher erklärt, "die Leidenschaft" sei mit ihm durchgegangen. Bestätigt wurde vom Verwaltungsgericht außerdem die Auflage, dass bei der Demonstration keine Parolen mit den Worten "nationaler Widerstand" gerufen werden dürfen. Diese seien ein "Erkennungszeichen gewaltbereiter Rechtsextremisten", heißt es in dem Gerichtsbeschluss.

Etwas unklar war den Richtern dagegen die dritte umstrittene Auflage. Hier verlangte die Stadt von der NPD, dass "rechtsextremistische Bekundungen" im Zusammenhang mit der (nicht verbotenen) schwarz-weiß-roten Fahne des deutschen Kaiserreiches unterlassen werden. Das Gericht untersagte den Demonstranten nun alle strafbaren Äußerungen - was aber eine Selbstverständlichkeit ist. Alle übrigen Auflagen an die NPD-Demo - insbesondere das Verbot von Springerstiefeln, Bomberjacken und Uniformierung - wurden von der NPD akzeptiert und standen beim Verwaltungsgericht deshalb nicht mehr zur Debatte.

Die Polizei wird die Auflagen durch Zugangskontrollen durchsetzen. "Wer in Springerstiefeln kommt, muss notfalls in Socken demonstrieren", erklärte Hans Brugger, Leiter des Freiburger Ordnungsamtes. Wie aber reagiert die Polizei, wenn aus der NPD-Demo plötzlich Hoch-Rufe auf den "nationalen Widerstand" erfolgen? "Dann müssen NPD-Ordner das unterbinden und notfalls die Rufer aus der Versammlung ausschließen," erläutert Brugger. Setzt der Versammlungsleiter der NPD die Auflagen nicht durch, droht ihm ein Strafverfahren.

Schwierig ist die Situation für Brugger und die Polizei, wenn sich morgen sehr viele Menschen in Bahnhofsnähe aufhalten. So forderte gestern die ehemalige Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) die Bevölkerung dazu auf, sich dem NPD-Aufmarsch "laut, aber friedlich öffentlich entgegenzustellen."

Einerseits muss Ordnungsamtsleiter Brugger die Polizei anweisen, die NPD-Demonstration zu ermöglichen. Andererseits muss die Polizei in eigener Verantwortung aber auch gewalttätige Auseinandersetzungen vermeiden. Vermutlich wird die Polizei behutsam vorgehen, weil sie gar nicht wissen kann, wer die NPD-Demo tatsächlich verhindern möchte und wer nur aus Neugier nach Abschluss der DGB-Gegendemonstration im Bahnhofsviertel verbleibt.

Christian Rath

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Badische Zeitung vom Samstag, 14. September 2002

Gewerkschaftsaufruf sorgt für Wirbel

IKA-Werke untersagen Verteilen von Flugblättern des Aktionsbündnisses gegen die NPD-Demo

STAUFEN/FREIBURG (apt). Für Wirbel hat der Aufruf der IG Metall zur Teilnahme an der Kundgebung des Aktionsbündnisses gegen die NPD-Demo am heutigen Samstag in Freiburg in den Staufener IKA-Werken gesorgt. Geschäfts- und Personalleitung hatten den Betriebsrat mit Hinweis auf das Betriebsverfassungesetz schriftlich dazu aufgefordert, die Flugblätter aus dem Betrieb zu entfernen. Die IG Metall, die die Geschäftsführung auch beschuldigt, den Aufruf widerrechtlich vom schwarzen Brett von Betriebsrat und Gewerkschaft entfernt zu haben, wirft der Unternehmensleitung in einer Pressemitteilung nicht nur einen Verstoß gegen die im Grundgesetz verankerte Koalitionsfreiheit vor, sondern wertet das Vorgehen auch als Zeugnis von einem "verquerten politischen Denken".

Zwar habe es ein Schreiben an den Betriebsrat gegeben, den Aushang von Betriebsrat und Gewerkschaft habe man jedoch nicht angerührt, sagte Julia Sahli, Personalleiterin der IKA-Werke auf Anfrage der BZ. Die Gewerkschaft habe auch Flugblätter an den Arbeitsplätzen verteilt, diese habe man eingesammelt.

Unter dem Motto "Zivilcourage zeigen - NPD-Aufmarsch in Freiburg verhindern" forderte die IG-Metall in dem Flugblatt dazu auf, sich an der Kundgebung gegen die NPD-Demo zu beteiligen. Der Inhalt des Flugblattes sei eindeutig parteipolitisch, ohne jeden besonderen Bezug auf den Betrieb, schrieben Geschäfts- und Personalleitung der IKA-Werke an den Betriebsrat. Mit der Verbreitung des Flugblattes werde gegen das Betriebsverfassungsgesetz verstoßen, nach dem jede parteipolitische Betätigung im Betrieb zu unterlassen sei, begründete die Geschäftsleitung ihre Haltung, wobei sie darauf hinwies, dass ihr "jegliche Sympathie für die NPD fern liege". "Im Gegenteil, wir setzen mit einem hohen Ausländeranteil bei den Beschäftigten auch ein Zeichen", sagte Julia Sahli gegenüber der BZ. Der Gewerkschaft warf sie mangelnde Gesprächsbereitschaft vor, vergeblich habe sie versucht, mit der Zentrale der IG Metall in Frankfurt Kontakt aufzunehmen.

In 130 Betrieben sei der Aufruf aufgehängt worden, nirgendwo sonst hab es ein Problem gegeben, so Jochen Schroth, Gewerkschaftssekretär der IG Metall in Freiburg. Viele Unternehmensführungen hätten den Aufruf mit unterschrieben und den Aktionstag mit Spenden unterstützt. Im Übrigen hätten Gewerkschaftsmitglieder das Recht, während der Pausen Flugblätter und Informationen an die Beschäftigten zu verteilen. Daher sei der Betriebsrat durch das Schreiben der Geschäftsleitung rechtswidrig unter Druck gesetzt und eingeschüchtert worden.

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Badische Zeitung vom Samstag, 14. September 2002

"Kuhle Wampe" gegen Rechts

9 Uhr Fahrt nach Freiburg

EMMENDINGEN (BZ). "Motorradfahrer gegen Rechts, für eine offene Stadt, gegen Fremdenhass und Rassenwahn!" Unter diesem Motto lädt der Motorradclub Kuhle Wampe, unterstützt von mehreren Motorradclubs aus der Region, zu einem Motorradcorso gegen die NPD-Kundgebung nach Freiburg ein. Dort wollen die Biker mit vielen anderen Motorradfahrerinnen und -fahrern ein friedliches Zeichen gegen Rechtsextremismus, rechte Gewalt und Rassismus setzen. Abfahrt ist heute in Emmendingen um 9 Uhr am Marktplatz. Mit den Freiburger Bikern trifft man sich um 9.30 Uhr hinter der "Fabrik" in der Schänzlestraße. Der Motorradcorso wird um 11 Uhr dann zur Auftaktkundgebung der Stadt Freiburg, des DGB und vielen anderen Organisationen erwartet.

Auch die Kreisvereinigung der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten bittet alle, denen es möglich ist, heute in Freiburg gegen die NPD zu demonstrieren.

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Badische Zeitung vom Samstag, 14. September 2002

Aktion gegen Fremdenhass

Grüne unterstützen DGB

MARKGRÄFLERLAND. Bündnis 90/Die Grünen, Kreisverband Breisgau-Hochschwarzwald, unterstützen den Aufruf des DGB gegen den NPD-Aufmarsch in Freiburg, "Für eine offene Stadt - gegen Fremdenhass und Rassenwahn".

In einem Aufruf erinnern Bündnis 90/Die Grünen ihre Mitglieder und "alle, die für Demokratie, Freiheit, eine offene Gesellschaft und gegen Rassismus, Antisemitismus und Ausgrenzung von Minderheiten eintreten wollen", daran, dass am 14. September, um 11 Uhr auf dem Theatervorplatz in Freiburg eine Kundgebung mit anschließender Demonstration stattfindet. Durch die Teilnahme daran, könne jeder deutlich machen, "dass für nationalistisches und faschistisches Gedankengut in der Region kein Platz ist".

Der geplante Aufmarsch der rechtsextremen NPD in Freiburg betreffe die ganze Region, so die Grünen, deshalb müsse sich die ganze Region auch geschlossen dagegenstellen. Es dürfe nicht sein, dass auf den Straßen wieder Hetze gegen Minderheiten und Andersdenkende, verbreitet werde. In Solidarität mit dem Gemeinderat und dem Oberbürgermeister der Stadt Freiburg und dem Bündnis "Für eine offene Stadt - gegen Fremdenhass und Rassenwahn" gelte es, dem in friedlicher und gewaltfreier Weise entgegenzutreten.

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Badische Zeitung vom Samstag, 14. September 2002

Tiefer Einblick ins Herz der Finsternis

Beim Aktionstag gegen die NPD ist das "Himmler-Projekt" zu sehen, eine einzigartige Dokumentation von Romuald Karmakar

Am 4. Oktober 1943 hielt der "Reichsführer SS" Heinrich Himmler in Posen vor 92 Generälen seiner Organisation eine rund dreieinhalbstündige Brand- und Durchhalterede. Angesichts der sich hinziehenden Ostoffensive handelte sie in der Hauptsache von den militärischen Aktionen der Reichswehr und "neben-bei" auch vom "Anstand", mit dem die Judenvernichtung betrieben werde. Die berüchtigte Rede, die auf zwei Wachsschallplatten aufgezeichnet wurde und so im Wortlaut erhalten blieb, ist immer wieder zitiert worden, aber nur in schmalen Auszügen.

Der 1965 geborene Regisseur und Dokumentarfilmer Romuald Karmakar hat eins der wichtigsten Zeugnisse nationalsozialistischer Gesinnung am 27. November 1999 in einem Fotostudio von dem Schauspieler Manfred Zapatka vor neutralem grauen Hintergrund sprechen lassen und diesen dabei gefilmt, wobei er mit nur fünfzig Schnitten auskam. Das "Himmler-Projekt" ist nun in Freiburg zu sehen: Im Rahmen des städtischen Aktionstags gegen die NPD-Großkundgebung zeigt das Freiburger Theater den 185 Minuten langen Film - mit anschließender Podiumsdiskussion, an der der Freiburger Publizist Klaus Theweleit, die Historikerin Isabel Heinemann und die Intendantin des Theaters Amélie Niermeyer teilnehmen; es moderiert Dorothea Strauß, Leiterin des Freiburger Kunstvereins.

Dass sich das Theater im Verein mit Kommunalem Kino, Kulturamt und der Landeszentrale für politische Bildung der Zumutung dieses Films stellt, ist überaus begrüßenswert. Es gab und gibt nämlich kaum Gelegenheit, ihn zu sehen. Er ist seinerzeit nicht in die Kinos gekommen, weil die NRW-Filmstiftung aus - völlig unbegründeter - Angst vor Beifall von der falschen Seite eine Verleihförderung ablehnte. Dafür bekam das "Himmler-Projekt", das zweimal spätabends im Fernsehen gezeigt wurde, den Adolf-Grimme-Preis.

Zu Recht. Denn diese einzigartige Dokumentation gewährt einen tiefen Einblick ins Herz der nationalsozialistischen Finsternis - zwischen überhitztem Erlösungswahn und kalter Planungsrationalität, männerbündischem Ordensritual und bestürzender Banalität; einen Einblick, so Karmaker, in die erschreckende Primitivität der Legitimierungsstrukturen für millionenfachen Mord.

Der Film ist in erster Linie eine grandiose Leistung von Manfred Zapatka, der in einer äußersten Reduktion der Darstellungsmittel keine Identifikation mit der Figur zulässt. Zapatka spielt Heinrich Himmler nicht - und vermeidet so auch das Klischee der geifernden Nazi-Bestie -, sondern spricht ihn, mit unbewegter Miene, lässt allein seine nackten ungeheuerlichen Worte sprechen, eins nach dem anderen, ohne Rhetorik und Pathos - eine Qual, die aus der Distanz in die Nähe der Täter führt, ohne deren Perspektive die Geschichte des Nationalsozialismus nicht vollständig zu erfassen ist.

Der Freiburger Historiker Ulrich Herbert versucht auf wissenschaftlicher Ebene Ähnliches, wie es Karmaker mit dem "Himmler-Projekt" gelungen ist. Man kann dem Regisseur, der von den Gremien der Filmförderung bis heute nicht geliebt wird, beipflichten: Filmisch, so Karmaker in einem taz-Interview, sei man bei diesem Thema total eingefahren und versuche, bis auf wenige Ausnahmen, nicht mehr, Zeitgeschichte darzustellen. Das "Himmler-Projekt" gehört dazu.

Bettina Schulte

- Sonntag, 15. September, 15.30 Uhr, im Freiburger Theater. Am 16. September, 20 Uhr, wird der Film im Kommunalen Kino Freiburg wiederholt.

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Badische Zeitung vom Samstag, 14. September 2002

Gernot Erler erfrischt Demonstranten

BZ-UMFRAGE mit den Bundestagskandidaten

Was sie morgen zwischen 11 Uhr und 14 Uhr machen - also in der Zeit, in der Kundgebung und Demo gegen den NPD-Aufmarsch laufen -, wollte die BZ von den fünf Direktkandidaten im Wahlkreis Freiburg wissen.

Kerstin Andreae (Grüne): "Ich bin natürlich bei der Kundgebung am Platz der Alten Synagoge und dann bei der Demo. Besonders gespannt bin ich, was SC-Trainer Volker Finke sagen wird, der hält sich ja sonst politisch eher raus. Vorher bin ich am Wahlkampfstand in der Fußgängerzone und beim Jugendfest am Augustinerplatz. Wir werden dann mit dem Kreisvorstand samt Transparenten zur Kundgebung ziehen."

Angelika Doetsch (CDU): "Ich bin vormittags in Breisach bei einem Info-Stand. Das ist der einzige dort im ganzen Wahlkampf. Der Termin ist schon seit langem vereinbart. Nachmittags gehe ich nach Freiburg und besuche das Kulturprogramm des Aktionstags. Was genau, weiß ich noch nicht. Ich will mich dann umsehen."

Gernot Erler (SPD): "Um 11 Uhr bin ich bei der Kundgebung. Danach werde ich - logischerweise - mitgehen bei der Demo. Dabei werde ich mich als Erfrischungsstelle betätigen. Wir haben 2000 Demo-Sets mit dem Aufdruck: "Fit für die offene Stadt" vorbereitet. Darin befinden sich je eine Flasche Wasser, ein Müsliriegel und eine Rolle Pfefferminz. Aber das Set bekommt nur, wer einen Aufkleber trägt, mit dem er sich als Unterstützer der gemeinsamen Aktion ausweist."

Patrick Evers (FDP): "Natürlich gehe ich zur Kundgebung für eine offene Stadt. Schließlich bin ich Mitglied des Gemeinderates, der sich einstimmig dafür ausgesprochen hat, gegenüber allen fremdenfeindlichen Tendenzen Flagge zu zeigen. Davor und danach werde ich an unserem Info-Stand am Bertoldsbrunnen Rede und Antwort stehen."

Gregory Mohlberg (PDS): "Ich nehme zuerst an der Kundgebung teil. Dann gehe ich zum Hauptbahnhof, wo die NPD sich trifft. Auch wenn die Route für deren Demo inzwischen feststeht, geht es mir doch eher darum, dass diese Leute in Freiburg keinen Platz finden. Am besten wäre es, wenn sie es gar nicht aus dem Bahnhof raus schaffen würden."

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Basler Zeitung vom Freitag, 13. September 2002

Demos halten Freiburg in Atem

In Freiburg wird es am morgigen Samstag eng werden: die rechtsextreme NPD demonstriert, das «Bündnis gegen Rechts» hält dagegen. Die Einsatzkräfte der Polizei sind auf einen Grosseinsatz vorbereitet.

Freiburg. Kein anderes Thema kocht derzeit in Freiburg derart hoch wie die morgige Demonstration der rechtsextremen Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) im Vorfeld der Bundestagswahl. Dazu werden auch Gesinnungsgenossen aus Österreich und der Schweiz erwartet. Um zu zeigen, dass Rechtsextreme in der Stadt unerwünscht sind, hat sich unter Federführung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) ein breites «Bündnis gegen Rechts» formiert, dem rund 100 Gruppen und Organisationen angehören (vgl. BaZ vom 15. August). Dieses Bündnis versteht Freiburg als «kraftvolles, vor allem aber friedliches Bekenntnis für eine offene Stadt gegen Rassenwahn und Fremdenhass», so Oberbürgermeister Dieter Salomon an der gestrigen Medienorientierung. Dass die Stadt demgegenüber mit ihrer Verbotsverfügung gegen die NPD-Demo juristisch auf verlorenem Posten stand, war indes vorhersehbar.

Neonazis sind in Freiburg unerwünscht. Dies ist breiter politischer Konsens in der Stadt. Nicht umsonst werden rund 10 000 Personen erwartet, die sich den Aktionen des «Bündnis gegen Rechts» anschliessen. Dazu wird auf allen zentralen Plätzen in der Stadt ein kulturelles Programm von Rock-, Pop- und Folklorekonzerten internationaler Gruppen bis hin zu Spielaktionen für Kinder geboten, um ein friedliches Zeichen gegen den NPD-Aufmarsch zu setzen. Im Anschluss an die zentrale Kundgebung gegenüber dem Freiburger Theater am späten Vormittag will das «Bündnis gegen Rechts» zum Bahnhof marschieren, um dort die NPD «zu empfangen» - friedlich und gewaltfrei, lautet der Appell. Doch exakt an diesem Punkt liegt ein gewisses unkalkulierbares Risiko, das der Stadt seitens des Landesverfassungsschutzes und des Innenministeriums harsche Kritik und schwere Vorwürfe eingebracht hat.

Von unnötiger Aufwertung der NPD war die Rede und davon, dass die Verbotsverfügung der Stadt geradezu die «Rechtswidrigkeit auf der Stirn» trage. Hinzu komme, dass die Stadt in dem vom DGB organisierten «Bündnis gegen Rechts» auch linksextremistische Gruppierungen und gewaltbereite Autonome dulde. Damit sind die Linke Liste, die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) und die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VNN) gemeint. Er halte dieses Bündnis für «unerträglich», wird Innenminister Thomas Schäuble in der «Badischen Zeitung» zitiert. Oberbürgermeister Dieter Salomon argumentiert dagegen, dass Freiburg als offene Stadt, die sich entschieden gegen Rassenwahn und Fremdenhass wende, einen NPD-Aufmarsch nicht einfach ignorieren könne. Weil aber auch Salomon davon ausgeht, dass sich linke autonome Gruppen in Position bringen werden, müsse Ziel sein, möglichst viele friedliche Menschen für den Aktionstag zu gewinnen.

Weil die NPD keine verbotene Partei ist, wurde die städtische Verbotsverfügung gegen die Demonstration vom Freiburger Verwaltungsgericht aufgehoben. In seinem Urteil machte das Gericht die Stadt allerdings auf rechtliche Möglichkeiten aufmerksam, den NPD-Aufmarsch mit Auflagen einzuschränken. Wie Freiburgs Polizeidirektor Helmut Mayer ausführte, dürfen die NPD-Anhänger weder Trommeln, Flaggen und Transparente oder Waffen mitführen. Bomberjacken und Springerstiefel sowie das Marschieren in Blöcken ist ebenfalls verboten. Gegen einen von drei gemeldeten NPD-Rednern wurde ein Redeverbot verhängt.

Auch der NPD-Demonstrationsweg, der sich um das Bahnhofsviertel herum bewegt, ist genau vorgeschrieben. Um eine Konfrontation und Ausschreitungen zu vermeiden, nimmt die «Bündnis»-Gegendemonstration einen anderen Weg, der beim Konzerthaus endet. Dennoch bleiben Unwägbarkeiten, was den Grosseinsatz laut Polizeichef Mayer zu einer «schweren Aufgabe» macht.

Elisabeth Rosenkranz

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Reutlinger General-Anzeiger vom Freitag, 13. September 2002

Aktionsbündnis gegen Rechts

Freiburg wird zum Schauplatz politischer Auseinandersetzung

Freiburg. (dpa) Acht Tage vor der Bundestagswahl wird die Freiburger Innenstadt zum Schauplatz politischer Auseinandersetzung. Weil die rechtsextreme NPD am kommenden Samstag (14. September) durch die badische Universitätsstadt marschieren will, hat sich dort ein breites Gegenbündnis formiert. Bei einem Aktionstag gegen den Aufmarsch der rechtsextremen Partei rechnen die Veranstalter mit mehr als 10 000 Teilnehmern. Zu der NPD-Demonstration werden 500 bis 1 000 Rechtsextreme aus ganz Deutschland erwartet.

»Der braune Mob hat in unserer Stadt nichts zu suchen«, betont der Freiburger Oberbürgermeister Dieter Salomon (Grüne). Er hat sich an die Spitze der Anti-NPD-Aktionen gestellt. Mit zahlreichen Veranstaltungen will die Stadt ein »politisches Zeichen gegen Fremdenhass und Rassenwahn« setzen. Das Motto: »Freiburg steht auf.« Bei einer Kundgebung am Samstag sollen außer Salomon der Trainer des Fußball-Zweitligisten SC Freiburg, Volker Finke, sowie der Tübinger Literaturwissenschaftler Walter Jens sprechen. Mehr als 25 000 Euro investiert allein die Stadt Freiburg in den Protest.

Dem Aufruf zu dem Aktionstag haben sich inzwischen mehr als 100 Organisationen und 2 200 Privatpersonen angeschlossen. Unterstützt wird der Protest gegen die NPD von Gewerkschaften, Kirchen, Parteien, Verbänden und Vereinen. Außer der Kundgebung wird es Konzerte, Ausstellungen, Spiel- und Malaktionen sowie einen Motorradcorso geben. Um eine NPD-Kundgebung zu verhindern, hat der DGB für den 14. September alle öffentlichen Plätze in der Innenstadt für sich reserviert.

Die Polizei wird mit einem Großaufgebot im Einsatz sein. Voraussichtlich werden sich am Freiburger Hauptbahnhof NPD-Aktivisten und Gegendemonstranten um die Mittagszeit gegenüberstehen. Vertreter des Anti-NPD-Bündnisses haben angekündigt, die Eingänge des Bahnhofes blockieren und damit den Marsch der Rechtsextremen durch die Innenstadt verhindern zu wollen. Die Polizei ist auf gewalttätige Ausschreitungen vorbereitet, da neben dem von der Stadt initiierten Bündnis auch mehrere autonome Gruppierungen gegen die NPD auf die Straße gehen wollen. Aus dem zunächst gemeinsamen Bündnis ist die CDU wegen möglicher linksradikaler Proteste wieder ausgetreten. »Wir werden nicht gemeinsam mit Linksradikalen gegen Rechtsradikale marschieren«, sagte der Freiburger CDU-Chef Klaus Schüle.

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Badische Zeitung vom Freitag, 13. September 2002

NPD marschiert am Bündnis vorbei

Stadt und Polizei rufen in einem Flugblatt zur Friedfertigkeit auf / Oberbürgermeister Dieter Salomon demonstriert nicht mit

Was am Samstag auf Freiburg zukommt, ist schwer einzuschätzen. Fest stehen nur die Routen, auf denen sich die Demonstranten der NPD und des Aktionsbündnisses bewegen müssen: Nach seiner Kundgebung auf dem Platz der Alten Synagoge (11 Uhr) zieht das Aktionsbündnis um die Mittagszeit über die Sedanstraße zum Konzerthaus. Die NPD-Route (13 bis 16 Uhr) führt vom Hauptbahnhof über Eisenbahnstraße, Rotteckring, Friedrichstraße und Bismarckallee zurück zum Bahnhof.

Obwohl sich die Gruppen kaum begegnen können, rufen Stadt und Polizei in einem Flugblatt zur Friedfertigkeit auf. Touristen sollen in einem viersprachigen Faltblatt über Anlass und Programm des Aktionstages informiert werden. Zudem bittet die Polizei die Bürger, den Personalausweis mitzuführen, da Personenkontrollen geplant sind.

OB Dieter Salomon und der Leitende Polizeidirektor Helmut Mayer machten gestern in einem Pressegespräch klar, dass die Polizei Menschen schützen muss - "auch die der NPD". In ihrem Flugblatt bitten sie die Bürger, sich von der NPD-Demonstration fern zu halten, "um nicht in Auseinandersetzungen verwickelt zu werden". Sollten sich die DGB-Demonstranten der NPD in den Weg stellen, muss die Polizei einschreiten. Mayer: "Eine Blockade wäre rechtswidrig." Konkrete Zahlen wollte der Polizeidirektor aus strategischen Gründen nicht nennen, nur so viel, dass 1000 Beamte bei diesem Einsatz nicht ausreichten. Offenbar werden die Freiburger Beamten von Kollegen aus ganz Baden-Württemberg und aus Rheinland-Pfalz unterstützt. Am Bahnhof ist zudem der Bundesgrenzschutz im Einsatz.

Um der NPD ihren Marsch zu erschweren, hat ihr das Amt für öffentliche Ordnung mehr als 20 Auflagen gemacht. Diese betreffen unter anderem das Mitführen von Transparenten strafbaren Inhalts, von Waffen, Uniformteilen, Bomberjacken und Springerstiefeln. Gegen das erteilte Redeverbot für den mehrfach vorbestraften Rechtsextremen Friedhelm Busse hat die NPD beim Verwaltungsgericht Einspruch erhoben. Die Entscheidung wird heute erwartet.

Im Mittelpunkt des von Stadt und DGB initiierten Aktionstages steht die Kundgebung am Platz der Alten Synagoge. Sprechen werden unter anderem OB Salomon, SC-Trainer Volker Finke, DGB-Landesvorsitzender Rainer Bliesener und der Publizist Walter Jens. Von der Demonstration wird sich der OB "als Repräsentant und Vertreter der Verfügungsbehörde" aber fernhalten. Käme es zu Auseinandersetzungen, hätte die Stadt ein juristisches Problem. Weshalb sie auch froh ist, dass der DGB die Regie übernommen hat.

Andrea Drescher, siehe  Münstereck

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Badische Zeitung vom Freitag, 13. September 2002

Verdi Freiburg wählt einen neuen Vorstand

FREIBURG. Seine Mitgliederversammlung veranstaltet der Ortsverein Freiburg der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi am heutigen Freitag, 13. September, ab 15 Uhr im Stadthotel Kolping, Karlstraße 7. Auf der Tagesordnung stehen unter anderem die Neuwahl des Vorstandes sowie aktuelle Informationen zur NPD-Kundgebung am Samstag und den Gegenaktionen. Schwerpunktthema werde die Tarifpolitik sein.

hos

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Badische Zeitung vom Freitag, 13. September 2002

"Wir würden Blumen werfen"

NPD schwört Gewaltfreiheit

Die NPD will in Freiburg eine "friedliche und gewaltfreie Demonstration für ein freies Deutschland" über die Bühne bringen. Organisator Stefan Maier distanzierte sich gestern vom Internet-Aufruf des "Freien Forums", das am Samstag für "schöne Überraschungen" sorgen will, damit Freiburg "noch lange an uns denken" wird. Der NPD-Landesvorsitzende Siegfried Weiß-Stüßlin würde sogar seine "Hand darauf wetten", dass die Teilnehmer des morgigen Aufmarsches keine Ausschreitung provozieren werden. "Wir lassen uns beschimpfen und bespucken und ignorieren jeden Affront", sagte er. "Wenn wir etwas zurückwerfen, dann Blumen." Die NPD rechnet mit 500 bis 1000 Teilnehmern aus Deutschland, Frankreich und der Schweiz.

ko

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Badische Zeitung vom Freitag, 13. September 2002

SPD gegen Rechts

Morgen, am Samstag, 14. September, will die NPD in Freiburg aufmarschieren. Die Waldkircher SPD begrüßt in einer Pressemitteilung das politische Signal, das von der durch die Stadt Freiburg ausgesprochenen Verbotsverfügung ausgeht. Gegen die geplante NPD-Demo formiert sich in Freiburg breiter Widerstand. In der letzten Vorstandssitzung haben die Sozialdemokraten den Aufruf des DGB für eine gewaltfreie und friedliche Gegendemonstration ausdrücklich begrüßt. Auch Mitglieder der Waldkircher SPD und des Vorstandes werden daran teilnehmen und hoffen, dass Waldkircher Bürgerinnen und Bürger ebenfalls ein Zeichen gegen Rechts setzen und an den Gegendemos teilnehmen.

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Badische Zeitung vom Freitag, 13. September 2002

Christen loben Aktionsbündnis

2500 Unterschriften

Dompfarrer Wittner hat gestern 2500 Unterschriften, die katholische und evangelische Christen gegen die NPD sammelten, an Bürgermeister Ulrich von Kirchbach übergeben. In dem Aufruf "Christinnen und Christen gegen NPD-Kundgebung" wird das Gebot der bedingungslosen Nächstenliebe als unvereinbar mit dem Programm der NPD bezeichnet. Unterschrieben hätten unter anderem Gemeindemitglieder aus allen evangelischen Pfarreien Freiburgs, betonte gestern der Freiburger Dekan Traugott Schächtele. Er begrüßte das breite Aktionsbündnis gegen die NPD-Demonstration. Dies werte er als ein "einmaliges Zeichen", sagte Schächtele. Die NPD sei in dieser Stadt "nicht erwünscht". Er wolle nicht, dass rechtsradikales Gedankengut gesät werde.

BZ

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Badische Zeitung vom Freitag, 13. September 2002

MÜNSTERECK

Stimmen oder lieber Signale?

Aktionstag der Freiburger

Eine erstaunliche Leistung, was die Bürger dieser Stadt innerhalb weniger Wochen auf die Beine gestellt haben, um sich gegen das Eindringen rechten Gedankenguts in ihre "offene Stadt" zu wehren. Der Aktionstag mit seinem üppigen Veranstaltungsprogramm ist ein weiterer Beweis dafür, dass die Freiburger ihre Kampagne "gegen Fremdenhass und Rassenwahn" ernst nehmen. Auch zeigen die hohe Spendenbereitschaft in wirtschaftlich engen Zeiten und das vielfältige ehrenamtliche Engagement, was alles möglich ist, wenn nur alle an einem Strang ziehen. Das ist selten genug der Fall. Schon ist man dabei zu vergessen, was der eigentliche Anlass dieses riesigen Stadtfestes ist: der Aufmarsch der NPD. Am Samstag wird er wieder in Erinnerung rücken. Ebenso wird auffallen, dass die CDU fehlt. Ob sie sich mit ihrem Ausscheren einen Gefallen getan hat? Natürlich darf man anderer Meinung sein. Dazu leben wir in einer Demokratie. Nur gilt es eben auch abzuwägen, was mehr zählt: Die Gefahr, ein paar Wähler aus der konservativen Ecke zu verlieren. Oder das Signal, das eine so geballte Einigkeit der gesamten Bürgerschaft nach außen trägt. Und nach innen.

Andrea Drescher

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Badische Zeitung vom Freitag, 13. September 2002

Ein Junge mit reinem Herzen

BZ-INTERVIEW mit Thomas D. zum Freiburger Aktionstag

Der Freiburger Aktionstag gegen den Rechtsextremismus wird auch ein Rock- und Pop-Fest. Organisiert von KoKo-Entertainment treten am Samstag Bands und Sänger aus der Region und aus dem ganzen Land auf - ab 14 Uhr vor dem Stadttheater. Den Anfang macht Thomas D., einer der "Fantastischen Vier", mit seiner neuen Band "Son Goku". Mit dem Rapper sprach Thomas Steiner.

BZ: Wie kommt's, dass du nach Freiburg kommst, eigentlich waren Son Goku doch schon woanders gebucht?

Thomas D.: Wir haben zwar an dem Tag noch abends ein Konzert in Leutkirch, aber weil Freiburg auf dem Weg liegt und es für ein gute Sache ist, gehen wir da vorbei am Mittag.

BZ: Deine neue Band ist nach einem Charakter aus der Manga-Serie "Dragonball" benannt. Was ist so toll an dem?

Thomas D.: Son Goku ist ein kleiner Junge, der ein reines Herz hat und die Welt rettet. Und wir arbeiten auch an der Weltrettung, die Dinge hier und da zum Guten zu ändern, indem man Lebenslust und Lebensfreude nicht verliert.

BZ: Musikalisch ist es nicht mehr der HipHop der Fanta 4.

Thomas D.: Man kann es Alternative Rock nennen. Mein Sprechgesang geht jetzt auch über in Gesang, es ist melodiöser als beim Rap.

BZ: Wie geht das zusammen, die Lebensfreude mit der Konfrontation mit den Rechtsextremen?

Thomas D.: Ich finde, es geht eher darum, seine Meinung kund zu tun, klar zu machen: Wir sind nicht auf deren Seite, wir stehen für etwas anderes ein. Und diese Werte muss man auch zelebrieren.

BZ: Was würdest du machen, wenn dir einer der NPD-Anhänger gegenüberstünde?

Thomas D.: Ich habe einen Super-Text letzthin geschrieben, der vielleicht aufs nächste Fanta-4-Album kommt. Der fängt so an: "Wenn ich einem in die Fresse hau', weil er ein Nazi ist, dann kann ich mir schnell den Ruf versau'n, weil ich bin Pazifist." Ich kann keinen schlagen, und ich werde das auch nie machen. Ich müsste schon versuchen, meinen Standpunkt durchzuhalten und ihm auch die andere Wange hinzuhalten.

- Nach Thomas D. treten beim Aktionstag unter anderem Stoppok, Fury in the Slaughterhouse und 4 Lyn auf. Aktuelles Programm unter  www.koko.de.

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Badische Zeitung vom Freitag, 13. September 2002

BRIEFE AN DIE BZ

NPD-DEMO

Die Freiburger CDU hat angekündigt, sich an dem Bündnis gegen die NPD-Demo am morgigen Samstag, nicht zu beteiligen. Mit dieser Nachricht beschäftigen sich drei Leser. Ein weiterer antwortet auf die Briefe von Constanze Metzger und Werner Schätzle, die am  7. September erschienen.

"Toleranz für die NPD"

Die Aussage "es sollte in einer Anzeigenserie für Toleranz und Miteinander geworben werden", steht in krassem Gegensatz zur Intoleranz, die gegenüber der Partei, über deren Zukunft zu entscheiden sich bisher selbst das Bundesverfassungsgericht schwer tut, von Seiten der BZ sowie Freiburger Agenturen demonstriert wird. Die BZ täte gut daran, wenn sie auch den Trägern des breiten Bündnisses in der Stadt gegen diesen "Aufmarsch" belehrend klarmachen würde, was der Begriff Toleranz aussagt. Toleranz praktizieren setzt nämlich auch großzügige Geisteshaltung voraus, die diesen "selbst ernannten Demokraten" wohl fehlt. Da lobe ich die Entscheidung der Freiburger CDU, den Aktionstag gegen die NPD-Demo nicht in der beabsichtigten Form mitzutragen, zumal erwiesenermaßen Gewalt in erster Linie von linksextremen Gruppierungen ausging.

Walter Ambrosch, Emmendingen

"Die NPD ist gefährlich"

Es gibt seit Jahren keinen Linksextremismus mehr, der gefährlich wäre. Es gibt aber sehr wohl einen Rechtsextremismus, der dazu führt, dass in ganzen Stadtteilen oder gar Landstrichen sich Menschen nicht mehr auf die Straße trauen können, die irgendwie "anders" aussehen, seien es Dunkelhäutige, Obdachlose oder Juden. Es gibt seit der Wiedervereinigung verstärkt einen Rechtsterrorismus, der sich hunderte von wehrlosen Opfern gesucht hat, darunter sehr viele Todesopfer.

Nun ruft der (noch) legale Arm dieses Rechtsterrorismus, die NPD, erstmals seit vielen Jahren wieder zu einer Demonstration in Freiburg auf, und dem CDU-Innenminister fällt angesichts des entschlossenen Widerstands der gesamten Stadt nichts anderes ein, als Teile dieser Gegenbewegung zu diffamieren. Schäuble hat in dem Amt eines Hüters der Verfassung nichts mehr zu suchen!

Schon das Liebäugeln der Freiburger CDU mit dem gesunden Volksempfinden im Fall des Theaterstücks Corpus Christi vor zwei Jahren hat sich als Rohrkrepierer erwiesen. Jetzt versagt sich der Kreisverband erneut der Geschlossenheit aller Demokraten. Etwas mehr Rückgrat gegenüber den Stuttgarter Oberen wäre der Freiburger CDU zu wünschen gewesen. Beschämend!

Dirk Stefan Becker, Freiburg

"NPDler sind auch Menschen"

Es ist aller Ehren wert, wie sich die Verfasser Metzger und Schätzle gegen die ins Haus stehende NPD-Veranstaltung ins Zeug legen. Sie vergessen dabei aber, wie schon unmittelbar nach seinem Amtsantritt unser neuer OB, dass es in einer Demokratie auch Spielregeln gibt, die nicht jedem gefallen. Der Herr Schätzle, auch wenn er mal Stadtrat der Linken Liste gewesen sein mag, sollte sich doch nicht so echauffieren, dass es nicht nur Ost und West, sondern außer Links auch noch Rechts gibt. Wer denn, in aller Welt, garantiert ihm, dass seine Linie bei der Schlussabrechnung des Daseins die richtige ist oder war? Und hat der verehrte Friedenswächter denn vergessen, dass die Randale mit den Rechten immer erst losging, wenn die Linken auf der Bildfläche erschienen, unter ihnen die vermummten "Autonomen", die so autonom sind, dass sie jede bürgerliche Ordnung ablehnen, alles bestreiten außer ihren eigenen Lebensunterhalt, und mit der vom bourgeoisen Feind gezahlten Staatsknete nach Hannover oder anderswohin zu Chaostagen reisen können. Die Demokratie, die zwar nicht die ideale, aber doch von den bekannten Regierungsarten die beste ist, wird zunehmend von Menschen okkupiert, die es für undemokratisch halten, wenn jemand anderer Ansicht ist als sie selbst. Es geht doch nicht darum, die NPD zu fördern, sondern darum, dass hier auch Menschen sind, die eine Meinung haben, auch wenn sie von der eigenen abweicht. Erst das Verbieten und Unterdrücken Andersdenkender hat vor 70 Jahren zur Diktatur geführt. Demokraten sollten dafür kämpfen, dass auch der politische Gegner seine Meinung frei äußern kann. Nicht Verbote sollen überzeugen, sondern Argumente.

Conrad Kaffenberger, Dorfstr. 15, 79100 Freiburg, Telefon 0761/290066, Handy 0172/7608383, Fax 0761/2907752

"Reist mal nach Dachau"

Kaum von unserer Urlaubsreise aus Thüringen und Bayern zurück, wo wir, Familie mit 13-jähriger Tochter, die Gelegenheit nutzten, auch einen Tag das ehemalige Konzentrationslager (KZ) in Dachau zu besuchen, lese ich in der BZ, dass es die Freiburger CDU ablehnt, sich an der gemeinsamen Veranstaltung von DGB und Stadt Freiburg gegen den geplanten NPD-Aufmarsch zu beteiligen, "weil Linke wie DKP und VVN" daran beteiligt sind. Die früheren Freiburger Reichstagsabgeordneten der katholischen Parteien Zentrum aus Freiburg Prälat Föhr und Josef Wirth würden sich bei dieser CDU-Argumentation im Grabe herumdrehen.

Im Jahr 1932 hatte das Zentrum unter Prälat Föhr keine Probleme damit, gemeinsam mit allen Gegnern der Nazis (also auch Gewerkschaften oder Kommunisten) Hitlers Auftritt in unserer Stadt zu verhindern. Dies veranlasste darum Hitler, während seiner 12-jährigen Herrschaft, Freiburg zu meiden. Dies berichtete mir persönlich noch voller Stolz an seinem Krankenbett vor über 31 Jahren Prälat Föhr, als ich als junger Sozialist die ersten Protestaktionen gegen die NPD 1971 in Freiburg mit organisierte.

Nun ist die NPD schon immer eine Partei, die dem Untergang des Hitlerfaschismus nachtrauert und darüber hinaus das leugnet, wovon die ehemaligen Konzentrationslager warnendes Zeugnis ablegen. Freiburgs CDU-Verantwortlichen wäre von ihrem jetzigen Vorstandsbeschluss dringend anzuraten gewesen, mal eine gemeinsame Reise in ein früheres KZ wie Dachau durchzuführen. Sie hätten dort feststellen können, dass die Nazis keinen Unterschied machten, ob Andersdenkende Christen, Marxisten, Liberale, Juden, Zigeuner oder sonst wer waren.

Wie soll ich meinen Kindern erklären, warum die CDU heute den Nazis widerstandslos die Straße überlassen will, nur weil auch Kommunisten den Naziaufmarsch mitverhindern wollen?

Wolfgang Schmidt, Freiburg

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Badische Zeitung vom Donnerstag, 12. September 2002

"Geschlossen gegen NPD"

Aufruf der Grünen

FREIBURG (BZ). Der Kreisverband Breisgau-Hochschwarzwald der Grünen unterstützt den Aufruf des DGB gegen den NPD-Aufmarsch in Freiburg. Der Kreisverband ruft seine Mitglieder "und alle, die für Demokratie, Freiheit, eine offene Gesellschaft und gegen Rassismus, Antisemitismus und Ausgrenzung von Minderheiten eintreten wollen, auf, an der Kundgebung am 14. September um elf Uhr auf dem Theatervorplatz und der anschließenden Demonstration teilzunehmen und durch ihre Anwesenheit deutlich zu machen, dass für nationalistisches und faschistisches Gedankengut in unserer Region kein Platz ist". Der geplante Aufmarsch der rechtsextremen NPD in Freiburg betreffe die ganze Region, so die Grünen, deshalb müsse sich die ganze Region auch geschlossen dagegenstellen.

Gestern hat sich auch der Kreisverband Emmendingen der CDU kritisch zum Vorgehen der Stadt Freiburg im Hinblick auf die NPD-Demonstration geäußert. Kreisvorsitzender Rainer Gantert pflichtete seinem Kollegen Gundolf Fleischer bei, indem er sagte, man habe der NPD den großen Gefallen getan, sie ins Zentrum einer wochenlangen Kampagne zu stellen und damit unnötig aufzuwerten.

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Badische Zeitung vom Donnerstag, 12. September 2002

"Vereint gegen Extremisten"

Appell von Gantert (CDU)

KREIS EMMENDINGEN (BZ). In Freiburg hat sich ein breites Aktionsbündnis gegen die von der NPD geplante Demonstration gebildet. Auch Vereinigungen aus dem Emmendinger Kreisgebiet haben zum Protest gegen die Freiburger NPD-Veranstaltung aufgerufen.

Der CDU-Kreisvorsitzende Rainer Gantert (Elzach) lehnt zwar die Demonstration der rechtsextremen NPD ebenfalls ab, äußert sich aber kritisch zum Vorgehen der Stadt Freiburg. Damit teilt Gantert die Auffassungen seines Breisgau-Hochschwarzwälder Kollegen, des CDU-Landtagsabgeordneten Gundolf Fleischer. Gantert erklärte, man habe der NPD "den großen Gefallen getan, sie ins Zentrum einer wochenlangen Kampagne zu stellen". Dadurch sei ihr unnötig Aufmerksamkeit zugebilligt worden. Gantert: Nur wenn alle demokratischen Parteien dem Beispiel der CDU folgten und eine Nähe zu extremen Parteien "gleich welchen Randes" erst gar nicht aufkommen ließen, würden diese auch weiterhin in verdienter Bedeutungslosigkeit verharren.

Dagegen zeige sich am Beispiel der SPD/PDS-Koalitionen auf Länderebene, wie sehr eine linksextreme Partei "vom Ritterschlag durch Demokraten profitieren" könne. Der CDU-Kreisvorsitzende Gantert rief alle Kräfte des demokratischen Spektrums dazu auf, sich vereint gegen extremistische Gruppierungen von rechts und links und gegen Islamisten zur Wehr zu setzen.

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Badische Zeitung vom Donnerstag, 12. September 2002

BREISGAUTIPP

Satire gegen Rechts

DENZLINGEN (mzd). Im Vorfeld der Proteste gegen die Kundgebung der NPD veranstaltet das Jugendzentrum an der Mühlengasse 7 am Freitag, 13. September, eine Lesung. Aus seiner bewegenden Satire "Hitlers letzte Rede" wird Autor Heinz Ratz von 20 Uhr an lesen.

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Badische Zeitung vom Donnerstag, 12. September 2002

"Teil dieser Stadt zu sein, ist toll"

UZ-INTERVIEW mit Hanna Mössner und Benjamin Greschbach vom Bündnis "Jugend für Menschlichkeit und Toleranz"

Am Samstag werden viele tausend Demonstranten in Freiburg erwartet, die sich gegen den geplanten NPD-Aufmarsch formieren wollen. Teil des breiten Bündnisses ist "Jugend für Menschlichkeit und Toleranz", kurz: "Jugend für M.u.T.". Für die JuZ sprach Philipp Appenzeller mit zwei Mitgliedern des Jugend-Bündnisses.

JuZ: Welche Aktionen hat Jugend für M.u.T. eigentlich bisher schon gemacht?

Hanna Mössner: Im Februar haben wir eine sehr große Podiumsdiskussion im Bürgerhaus Seepark zum Thema Asylpolitik auf die Beine gestellt. Über 450 Schüler waren da, wir haben extra für diese Veranstaltung einen Kurzfilm gedreht, ein Interview mit einer Flüchtlingsfamilie, und es kamen Experten aus allen gesellschaftlichen Bereichen, aus Flüchtlingshilfe, Kirche, Politik und Justiz. Das Thema ist uns sehr wichtig, weil man in der Schule darüber eigentlich gar nichts mitkriegt. Und die Diskussion war so informativ, dass wir auch selbst ganz viel mitnehmen konnten.

Benjamin Greschbach: Eine andere Aktion war eine Diskussion mit Dieter Salomon und Cem Özdemir zum Thema Rechtsextremismus. Eine weitere die Aufführung von einem Theaterstück über Vorurteile und deren Auswirkungen. Na, und dann gab's auch einige Flyeraktionen.

JuZ: Wie bekannt seid ihr unter Freiburgs Jugendlichen - und gibt es irgendeine hörbare Resonanz auf euer Engagement?

Benjamin: Man kennt uns schon und viele Leute finden gut, dass es uns gibt und was wir machen, aber es ist sehr schwierig, sie zu eigenem Engagement zu bewegen. Das heißt, es gibt viel Akzeptanz und auch viel Respekt.

JuZ: Gibt es auch Gegenwind, irgendeine Kritik an diesem Netzwerk gegen Rechts?

Benjamin: Nein, negative Stimmen gibt es nicht. Die Stimmung in Freiburg - und natürlich auch unter Jugendlichen - ist einfach so, dass man unser Engagement auf jeden Fall begrüßt.

Hanna: Auch offiziell - wir haben sogar einen Preis von der Stadt für "ehrenamtliches bürgerschaftliches Engagement" bekommen.

JuZ: Trotzdem gibt es offenbar immer noch viele Jugendliche, die gar nichts von Jugend für M.u.T. wissen ...

Hanna: Das Problem dürfte sein, dass wir "die" Jugendlichen insgesamt nicht einladen können. Meistens waren es einzelne Schulklassen, zu denen wir Kontakt hatten - und die sagen fast alle, dass es toll ist, dass es so was gibt. Das Erreichen ist vielleicht schwierig, aber das Interesse ist eigentlich immer da.

Benjamin: Es ist schwierig, etwas zu machen, das sich in die Jugend hineinträgt. Deswegen ist es wichtig, die Kräfte zu bündeln und große, vernetzte Aktionen zu machen. Etwas, wo auch was hängen bleibt, wie zum Beispiel unsere Diskussion mit den vier Bürgermeisterkandidaten im Jazzhaus oder auch jetzt die Aktion gegen den NPD-Aufmarsch.

JuZ: Hat sich das Interesse an euch verändert, seit der NPD-Aufmarsch bekannt ist?

Benjamin: Es ist mehr Aufmerksamkeit da. Ob sich auch das Interesse verändert hat, ist schwer zu sagen. Dieser Aufmarsch ist eben etwas Außerordentliches. Klar, kriegen wir da auch Anfragen von Leuten, von denen man das nicht erwarten würde.

Hanna: Viele sind froh, dass es welche gibt, die was tun. Mir hat vor kurzem ein Mädchen gesagt, dass sie die NPD-Aufkleber gesehen hat und total erschrocken ist. Daher war sie dann auch froh, als sie gesehen hat, dass wir schon mit Flyern gegen die Demo mobil machen.

JuZ: Was bewegt die Jugendlichen jetzt?

Benjamin: Man spürt, dass der Ernst dieser Sache bei Jugendlichen wahrgenommen wird und dass man unter Jugendlichen auch das Gefahrenpotenzial erkennt.

Hanna: Viele haben sich auch schon selbst überlegt, was sie machen können. Das ist ein großes Thema für Jugendliche. Viele wollen wissen, wie sie beteiligt sein können.

Benjamin: Wir haben ziemlich schnell reagiert und hatten deswegen auch ein sehr positives Echo. Am einen Tag stand das mit dem Aufmarsch in der Zeitung, und schon am nächsten Morgen hatten wir unsere Flyer in den Schulen.

JuZ: Was erwartet ihr euch vom 14. September?

Benjamin: Sehr viel. Ich bin recht zuversichtlich, dass man es schafft, viele Leute auf die Straße zu bringen. Und wenn dann 10 000 oder mehr kommen, dann wird das ein Riesenerfolg.

Hanna: Ich hoffe, dass die Jugendlichen wirklich sagen, da will ich hingehen.

JuZ: Wie werdet ihr euch verhalten, wenn es zu Gewalttätigkeiten kommt?

Benjamin: Dazu wird es nicht kommen. Dieses Gewalt-Szenario ist doch völlig unrealistisch. Es wird ein massives Polizeiaufgebot geben - und es ist im Interesse aller, dass das Ganze nicht eskaliert. Es werden so viele Leute aus allen Altersgruppen auf der Straße sein, dass alle gemeinsam wohl vernünftig reagieren werden.

Hanna: Falls doch was wäre, würden wir von der Bühne aus ansagen, dass man Konflikten da aus dem Weg gehen soll.

JuZ: Verändert der NPD-Aufmarsch die Stimmung in Freiburg?

Benjamin: Wenn, dann positiv.

Hanna: Es ist für Freiburg so ein großer Tag, weil alle auf die Straße gehen. Ich finde es toll, dass gleich die ganze Stadt auf den Beinen war und aufgeschrien hat. Und Teil dieser Stadt zu sein, ist einfach toll.

JuZ: Was können Freiburger Jugendliche jetzt tun?

Benjamin: Am 14. September auf die Straße gehen - und am 22. September auf jeden Fall zum Wählen. Und sich überhaupt mehr mit Politik auseinander setzen, die Dinge kritischer betrachten und nicht alles als gegeben hinnehmen. Durch Engagement kann man etwas erreichen und es gibt auch viele Jugendorganisationen, die gehört werden.

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Badische Zeitung vom Donnerstag, 12. September 2002

"Wer sich von Nazis beeinflussen lässt, ist sowieso nicht zu retten"

JUZ-UMFRAGE unter Jugendlichen zum bevorstehenden NPD-Aufmarsch in Freiburg und seinen Auswirkungen auf die politische Lage in der Stadt

Wie sehen Freiburgs Jugendliche den NPD-Aufmarsch am 14. September? Machen sie sich überhaupt Gedanken darüber? Dass das Thema bei Jugendlichen sehr wohl hohe Priorität hat, zeigt unsere Umfrage: tatsächlich wusste jede/r Bescheid und jede/r hatte eine Meinung dazu, was das für Freiburg bedeutet und wie man sich am besten verhalten sollte. Philipp Appenzeller hat diese Meinungen für die JuZ aufgezeichnet.

Sebastian Meier, 21 Jahre, Student: "Ich bin grundsätzlich dafür, die NPD und übrigens auch die Demonstration zu verbieten. Es gibt Unterschiede zwischen rechts und rechtsextremistisch - das gilt genauso für links. Aber die NPD finde ich eindeutig extremistisch."

Jan Heider, 19 Jahre, Schüler: "Ich finde es richtig scheiße, dass die NPD-Demo hier steigt. Ich denke sie versuchen, zu provozieren. Wenn die Gegendemonstranten gewalttätig würden, und sie selber ruhig blieben, könnten sie sich als die "armen Opfer" hinstellen. Das könnte ihnen vielleicht sogar noch Sympathien einbringen."

Elena Lehmann, 20 Jahre, Studentin: "Generell bin ich für freie Meinungsäußerung, leider gilt das auch für die rechtsextreme Meinung. Man kann eine Demo nicht einfach verbieten, nur weil einem die Meinung der Demonstranten nicht passt. Die Leute, die darüber entscheiden dürfen, haben wahrscheinlich Angst, dass jemand beeinflusst werden könnte. Allerdings - wenn sich jemand von demonstrierenden Nazis beeinflussen lässt, ist er eh nicht mehr zu retten!"

Lisa Spiegelhalter, 18 Jahre, Schülerin: "So einen Aufmarsch gab es noch nie in Freiburg, deswegen muss man sich hier jetzt so sorgfältig damit auseinander setzen. Ob das dann schließlich positive oder negative Auswirkungen für die Stadt haben wird, weiß ich nicht."

David Höfle, 18 Jahre, Schüler: "Ich halte nichts von der NPD-Demo, weil ich den Nationalsozialismus verabscheue. Aber für ein Verbot bin ich nicht - schließlich haben wir Meinungsfreiheit. Die Aktion ,Für eine offene Stadt - gegen Fremdenhass und Rassenwahn' finde ich gut, aber die wäre noch viel wichtiger für ganz Deutschland. Fangt an miteinander zu leben, nicht gegeneinander!"

Verena Haas, 16 Jahre, Schülerin: "Eigentlich hat jeder das Recht auf freie Meinungsäußerung. Aber die NPD greift die Grundrechte der Menschen an, deswegen sollte sie verboten werden. Das Problem ist aber auch, dass die Radikalen immer wählen gehen - ob links oder rechts. Und die Mitte viel zu wenig."

Anna Steiger, 19 Jahre, Praktikantin: "Eigentlich bin ich gegen ein Verbot, weil die sich dann einen neuen Raum suchen, wo sie sich betätigen. Deswegen ist eine geregelte Demo besser. Dass so eine Demo in Freiburg Zulauf hat, glaube ich nicht. Aber ich sehe einen Trend in ganz Europa nach rechts. Für die NPD hat das hier in Deutschland vielleicht noch keine Auswirkungen, aber man sieht den Trend auch hier schon, zum Beispiel an der Entwicklung der FDP mit ihrem Möllemann."

nga Riesterer, 15 Jahre, Schülerin: "Ich find's schlecht, dass die so offen gegen Ausländer demonstrieren dürfen. Ich finde, da müsste grundsätzlich viel mehr dagegen gemacht werden - und zwar nicht nur jetzt wegen der NPD.

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Freiburger Wochenbericht vom Mittwoch, 11. September 2002

Am Samstag wird's heiß

Die NPD-Kundgebung am 14. September soll schon am Bahnhof blockiert werden

An allen Fronten kämpft Freiburg gegen die NPD-Kundgebung am 14. September - mit Anzeigen und Ausstellungen, Kinderspielen, Konzerten und Reden von OB Dieter Salomon, SC-Trainer Volker Finke und Rhetorikprofessor Walter Jens. Das Bündnis gegen den NPD_Aufmarsch will mindestens 10.000 Menschen auf die Beine stellen, die den NPD-Zug schon am Hauptbahnhof blockieren soll.

Das Motto des Gegenbündnisses "Freiburg steht auf" soll am Samstag dieser Woche auf nahezu allen Plätzen umgesetzt werden. Frühstück wird morgens ab 10 Uhr auf dem Augustinerplatz serviert. Der grüne Oberbürgermeister, Dieter Salomon wird den Aktionstag um 11 Uhr mit einer Rede auf einer Kundgebung am Platz der Alten Synagoge vor dem Stadttheater eröffnen. Auf einer Riesenbühne am Rotteckring präsentiert KoKo Entertainment von 14 bis 23 Uhr deutsche Rockbands wie "Fury in the Slaughterhouse", Stoppok", "Son Goku" (mit Thomas D.), "4Lyn", und aus Freiburg die "Brothers" und das "Chaostheater Oropax". Einzelheiten über das Programm gibt's im Internet unter  www.koko.de. Der Stadtgarten ist ab 13.30 Uhr reserviert für das Familienprogramm "Freiburg kunterbunt für Kinder und Familien" mit Spiel- und Mitmachaktionen, Musik und Mitmachtheater. Musik, Tanz und Theater aus vielen Kontinenten werden auf dem Rathausplatz gezeigt. Das gemeinsame Programm des Jugendbündnisses  Jugend für M.u.T. läuft auf dem Augustinerplatz. Am Sonntag, 15. September wird im Theater der 1999 entstandene Film "Das Himmler-Projekt - Himmlers Geheimrede in Posen vom 4.10.43" gezeigt. Kernstück des konzertierten Programms gegen Rechts ist laut DGB-Chef Jürgen Höfflin eine Demonstration der Massen aus der Innenstadt zum Hauptbahnhof. Dort sollen der Haupt- und Westeingang blockiert werden. Es sei das Ziel der Aktion, so Höfflin, die NPD-Demonstration bereits daran zu hindern, ihren Aufmarsch durch Freiburg zu starten.

Rechtlich ist der NPD-Aufmarsch inzwischen wasserdicht. Das Verwaltungsgericht Freiburg hat den Verbotsantrag der Stadt mit Hinweis auf die Versammlungsfreiheit zurückgewiesen. Die Polizeidirektion bereitet sich mit rund 1.000 Kräften darauf vor, das Aufeinandertreffen der beiden Demonstrationszüge mit möglicherweise gewaltätigen Auseinandersetzungen zu verhindern. Freiburgs Polizeichef Helmut Mayer rechnet mit 500 bis 1.000 NPD-Demonstranten aus Deutschland, Frankreich und der Schweiz.

Unterstützung erhalten die Freiburger Polizisten von Kräften aus Bereitschaftspolizei, Einsatz- und Alarmhundertschaften und gegebenenfalls auch aus dem Sondereinsatzkommando (SEK). Die Polizei setze auf Kooperation und Deeskalation.

Karl-Heinz Zurbonsen

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Badische Zeitung vom Mittwoch, 11. September 2002

"Kreis-CDU im Abseits"

Salomon antwortet Fleischer

FREIBURG (BZ). Der Freiburger Oberbürgermeister Dieter Salomon hat die Vorwürfe des Vorsitzenden des CDU-Kreisverbandes Breisgau-Hochschwarzwald, Gundolf Fleischer, in Bezug auf die Maßnahmen der Stadt zur Verhinderung der geplanten NPD-Demonstration zurückgewiesen. Fleischer hatte Salomon vorgeworfen, er werte mit seiner Strategie die NPD auf.

In einem Brief an Fleischer schreibt Salomon, dem CDU-Kreisverband Breisgau-Hochschwarzwald sei es offenbar entgangen, dass die CDU-Fraktion im Freiburger Gemeinderat geschlossen der Linie zugestimmt habe, sich mit allen rechtlichen und politischen Mitteln gegen den NPD-Aufmarsch zu wehren und dem Auftritt der Rechtsradikalen einen breiten bürgerschaftlichen und friedlichen Protest entgegenzusetzen. "Ich freue mich allerdings sehr über die heute übermittelte Solidaritätserklärung nahezu aller Fraktionen des Kreistages Breisgau-Hochschwarzwald mit der Stadt Freiburg zu unserer Haltung gegenüber der NPD-Demonstration", schreibt Salomon weiter. "Nahezu alle heißt: Außer der CDU". Fleischer habe seine Partei mit seinen Vorwürfen "in eine Abseitsposition der politischen Landschaft manövriert." Weiter heißt es: "Ich möchte Sie dennoch als Abgeordneter unserer Region gern einladen, am 14. September bei der Kundgebung für eine offene Stadt und gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit dabei zu sein. Ihre Teilnahme wäre ein Beleg, dass auch Ihnen ein breiter und friedlicher Protestes gegen den Auftritt der rechtsradikalen NPD ein ernsthaftes Anliegen ist. Andernfalls muß ich annehmen, dass Ihre Attacke ein billiges Wahlkampfmanöver ist."

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Badische Zeitung vom Mittwoch, 11. September 2002

Alle außer CDU für Salomon

Kreisfraktionen solidarisch

FREIBURG (BZ). Nach der Kritik durch die CDU des Landkreises Breisgau-Hochschwarzwald in Sachen NPD-Kundgebung erhält Freiburgs Oberbürgermeister Dieter Salomon in dieser Angelegenheit Unterstützung von den anderen Fraktionen im Kreistag Breisgau-Hochschwarzwald.

Die Kreistagsfraktionen der Sozialdemokraten, der Grünen/Bündnis 90, der Freien Demokraten und der Freien Wähler im Kreistag Breisgau-Hochschwarzwald haben eine gemeinsame Resolution verfasst und erklären ihre Solidarität mit der Stadt Freiburg und dem Bündnis in ihrer Bemühung, "ein Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassenwahn zu setzen".

Der Mißbrauch der Begrifflichkeit "Offene Stadt" durch die Nationaldemokratische Partei sei "eine Verhöhnung aller, die wissen, dass Europas Zukunft nur durch gegenseitige Toleranz und Akzeptanz der kulturellen und regionalen Vielfalt seiner einzelnen Teile und Völkerschaften gesichert werden kann", heißt es in der gemeinsamen Erklärung der Fraktionen.

Weiter schreiben die vier Fraktionsvorsitzenden Gustav-Adolf Haas (SPD), Bärbl Mielich (Grüne), Kurt Wörne (FDP) und Franz-Josef Winterhalter (Freie Wähler): "Wir stehen zu denen, die sich gegen rückwärtsgerichtete und zerstörerische Ideologien stemmen und den Ausbau eines geistig freien und toleranten Europas begrüßen. Gerade wir, die wir in einer Grenzregion leben, sollten aus schmerzhafter Erfahrung früherer Generationen heraus alles unternehmen, um zu verhindern, dass die gemeinsame Zukunft der Region von der Engstirnigkeit Ewiggestriger beschädigt wird".

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Badische Zeitung vom Mittwoch, 11. September 2002

"Freiburg steht auf: Gegen Fremdenhass und Rassenwahn" am Samstag, 14. September

Bunt, kreativ, laut, gewaltfrei

Dem Nationalsozialismus friedlich und kreativ begegnen: So soll sich Freiburg nach dem Wunsch des Motorradclubs Kuhle Wampe am Samstag, 14. September, der angekündigten Demonstration der NPD in den Weg stellen. Auf dem mehrstündigen Programm in der Innenstadt stehen an verschiedenen Orten Auftritte bekannter Bands aus der Region, aber auch Chartbreaker wie etwa der Rapper Thomas D oder Fury in the Slaughterhouse.

"Für eine offene Stadt" - die rechtsorientierte NPD machte sich den Aufruf des Freiburger Gemeinderats zu Eigen und kündigte eine Demonstration an. Dagegen formierte sich in der Stadt schnell eine Gegenbewegung - zu besichtigen am kommenden Samstag auf vier Plätzen in der Innenstadt. Auf dem Platz vor der Alten Synagoge vor dem Stadttheater findet ab 14 Uhr ein großes Open-Air-Konzert statt. Mit dabei ist ab 15 Uhr Thomas D von den Fantastischen Vier, die Gruppen Brixx (Beginn zirka 16 Uhr), 4Lyn (17.30 Uhr), Malik (18.15 Uhr), Patrice (19 Uhr) und das Chaostheater Oropax (19 Uhr). Einer der Höhepunkte am Abend wird zweifelsohne der Auftritt der deutschen Rockband Fury in the Slaughterhouse ab 20.20 Uhr sein. Im Anschluss daran tritt die Gruppe Stoppok (21.15 Uhr) für 45 Minuten auf, ehe Rolf Stahlhofen von der HipHop-Band Söhne Mannheims gegen 22 Uhr den Konzertreigen beschließt. Übrigens: Nach Auskunft der mitveranstaltenden Konzertagentur Koko Entertainment verzichten alle Künstler auf eine Gage.

Etwas ruhiger wird es am Samstag auf dem Rathausplatz und im Stadtgarten zugehen. "Freiburg multikulti - Tour de Interkultur" lautet das Motto auf dem Rathausplatz, auf dem ab 11 Uhr Musik, Tanz und Theater aus verschiedenen Kontinenten auf dem Programm stehen. Im Stadtgarten kommen vor allem die Kinder auf ihre Kosten. "Freiburg kunterbunt für Kinder und Familien" heißt es bei Spiel- und Mitmachaktionen ab 13.30 Uhr.

Auch auf dem Augustinerplatz stehen die "Zeichen gegen Rechts", wie das Programm ankündigt. Ab 10 Uhr gibt es Musik, Info, Graffiti und Zirkus. Mit dabei ist die ZMF-Tourband C.B.Radio auf der Bühne (17.30 Uhr) oder die Independent-Rocker von Tube (15 Uhr).

Achtung: Änderungen sind möglich, bis zum Redaktionsschluss stand das komplette Programm noch nicht endgültig fest. Aktualisierungen unter  www.koko.de.

Freiburg, Platz vor der Alten Synagoge, Augustinerplatz, Rathausplatz, Stadtgarten, Sa, 14. September, 10 bis 23 Uhr

Stefan Zahler

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Badische Zeitung vom Mittwoch, 11. September 2002

SPD ruft zum Aktionstag gegen Rechts

TITISEE-NEUSTADT. Für den am Samstag, 14. September, in Freiburg stattfindenden Aktionstag "Für eine offene Stadt - gegen Rassismus und Fremdenhass" verschiebt der SPD-Ortsverein Titisee-Neustadt sein geplantes Sommerfest um eine Woche und ruft die Bevölkerung auf, sich an der Aktion gegen die NPD-Kundgebung in Freiburg zu beteiligen. "Wir wollen ein Zeichen dafür setzen, dass eine ganze Region Widerstand leistet gegen rechte politische Kräfte, die weder Lösungsansätze noch politische Alternativen vorweisen können", sagt Ortsvorsitzender Claus-Peter Wolf. Die Teilnehmer aus Neustadt treffen sich um 9.10 Uhr am Bahnhof, Zustiegsmöglichkeit in Titisee ist um 9.38 Uhr.

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Frankfurter Rundschau vom Dienstag, 10. September 2002

Freiburger CDU mag sich dem Protest gegen die NPD nicht anschließen

Gewerkschaften machen gegen einen Aufmarsch der Rechtsextremen mobil - und geraten in ein lähmendes Hickhack

In Freiburg formiert sich eine Bewegung gegen den Rechtsextremismus, weil die NPD am kommenden Samstag durch die Stadt an der Dreisam marschieren will. Doch der Protest wird überlagert von politischem und juristischem Hickhack.

Den juristischen Streit um die NPD-Demo hätte die Stadt angesichts der Aussichtslosigkeit einer Untersagung vermeiden können. So musste sich das Rathaus jetzt vom Verwaltungsgericht vorhalten lassen, das Verbot sei "offensichtlich rechtswidrig". Es gebe keine Hinweise auf Straftaten beim NPD-Marsch. Auch könne eine Kundgebung nicht deshalb unterbunden werden, weil die NPD-Position der Mehrheitsmeinung der Freiburger Bevölkerung widerspreche - auch so hatte die Stadt ihre Verfügung begründet.

Ein gutes Pflaster für Rechtsextremisten war der Breisgau nie: Die zwei letzten kleinen Neonazi-Demonstrationen fanden 1971 statt. Damals stellten sich dem Aufmarsch Hunderte von Linken entgegen.

Die rechtsextremen Republikaner saßen von 1992 bis 2001 mit rund zehn Prozent der Stimmen im Stuttgarter Landtag. Gleichzeitig schafften sie es nur mit Mühe in den 48-köpfigen Gemeinderat an der Dreisam: Einmal mit nur drei Sitzen und dann mit gerade einem Mandat; 1999 scheiterten die Rechten vollends. Auch bei rechtsextremistisch und ausländerfeindlich motivierten Straftaten rangiert Südbaden im Bundesvergleich weit hinten.

Als diesen Sommer NPD-Pläne für eine Kundgebung bekannt wurden, formierte sich unter Führung des Deutschen Gewerkschaftsbundes eine breite Gegenbewegung. Inzwischen sind darin rund 100 Gruppen von linken Vereinigungen bis hin zum Kolpingwerk engagiert. Für den 14. September wurden zahlreiche politische und kulturelle Aktionen vorbereitet. Als Redner treten auf der grüne Oberbürgermeister Dieter Salomon, Rhetorikprofessor Walter Jens und Fußballlehrer Volker Finke, Trainer des SC Freiburg. Das Kommunalparlament stellte sich einstimmig hinter das Bündnis und machte 25000 Euro im klammen Stadtsäckel locker.

Doch plötzlich gab es Störfeuer aus Stuttgart. Innenminister Thomas Schäuble (CDU) bezeichnete den Freiburger Zusammenschluss gegen Rechts als "unerträglich". Der CDU-Politiker stützte Verfassungsschutz-Vizechef Hans-Jürgen Doll, der zuvor der Stadt vorgeworfen hatte, mit ihrer Verbotsverfügung gegen die NPD "ermuntere" sie zur "Gewalt". Im Bündnis seien auch linksextreme und gewaltbereite Autonome geduldet. Als "extremistisch beeinflusste" Organisation musste die im Gemeinderat mit zwei Sitzen vertretene  Linke Liste herhalten, für deren Kandidaten Michael Moos bei der Oberbürgermeister-Wahl im Mai mehr als 14 Prozent der Freiburger gestimmt hatten. Die Polizei vor Ort hat übrigens keine Hinweise auf Gewalttätigkeiten. Nach intensiver Suche wurde lediglich auf der Internetseite der Stadt über mehrere Ecken ein Link zur Gruppe "Auf die Goschen" gefunden, die dazu aufruft, am Samstag so furchterregende Dinge wie Trillerpfeifen, faules Obst und Eier mitzubringen.

Salomon sprach im Blick auf Doll von einem "Verfassungsschutz-Fiffi". Schäuble konterte: "Herabwürdigend." Des Ministers Angriffe zeitigten Wirkung: Freiburgs CDU will den Aktionstag nur noch in Teilen mittragen und nicht an der Kundgebung teilnehmen. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Gernot Erler bezeichnete das als "einen unglaublichen Vorgang".

Entgegen ursprünglicher Absicht verzichtet das Rathaus auf den Gang in die zweite Instanz. So kann man sich nun voll auf den politischen Kampf gegen die NPD konzentrieren. Die Neonazis werden gegen die mehr als 10000 Gegendemonstranten, die erwartet werden, wohl kaum einen Stich machen.

Karl-Otto Sattler

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Badische Zeitung vom Dienstag, 10. September 2002

Keine Anzeichen für Spaltung des Bündnisses

Für eine Spaltung des Aktionsbündnisses gegen die NPD-Demo am 14-September gebe es keine Anzeichen. Das teilte gestern Organisator Jürgen Höffling vom DGB Südbaden-Hochrhein mit. Auch nachdem die Freiburger CDU angekündigt hatte, der Kundgebung fernzubleiben, weil auch linksextreme Gruppen daran teilnähmen, habe sich keine der rund 100 Organisationen vom Aufruf distanziert. Vielmehr habe Bundestagspräsident Wolfgang Thierse in eine Schreiben noch einmal das Aktionsbündnis begrüßt.

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Badische Zeitung vom Dienstag, 10. September 2002

"Ein besonderes Zeichen politischer Unklugheit"

CDU-Kreisvorsitzender Gundolf Fleischer kritisiert Freiburgs OB Salomon wegen dessen Vorgehen gegen NPD-Demonstration

FREIBURG (BZ). "Mit großer Sorge", so heißt es in einer Pressemitteilung, verfolge die CDU Breisgau-Hochschwarzwald die Auseinandersetzung um die geplante NPD-Demonstration in Freiburg, deren Auswirkungen die gesamte Region unmittelbar beträfen. Die Kreis-CDU zeiht Freiburgs OB Salomon der "politischen Unklugheit".

Wer aus Überzeugung und mit Erfolg den politischen Extremismus bekämpfen wolle, sollte "Grundrechte für alle gelten lassen, Maßstäblichkeit in seinen Aktionen zeigen und vor allem deutlich machen, dass er gleichermaßen gegen Links- und Rechtsextremismus bereit ist vorzugehen", so CDU-Kreisvorsitzender Gundolf Fleischer. Genau dies habe Oberbürgermeister Salomon nicht getan. Die von Oberbürgermeister Salomon gewählten Strategien und Maßnahmen bedeuteten eine unglückselige Aufwertung der NPD.

Die Bereitschaft zur Kollaboration mit, und die "offensichtliche in dieser Frage gefährliche geistige Nähe zu linksradikalen Gruppierungen" des grünen Oberbürgermeisters und seiner Unterstützer lasse "jedes politische Fingerspitzengefühl vermissen, dass Linksextremismus gleichermaßen wie Rechtsextremismus zu bekämpfen ist".

Besonders zu verurteilen sei der von vorneherein aussichtslose Gang von Oberbürgermeister Salomon zu Gericht; dies sei nicht nur "unsinnige Gerichtshanselei", sondern auch eine gezielte Aufheizung des politischen Klimas, "die sich am Demonstrationstag noch unheilvoll auswirken" könne, so Gundolf Fleischer.

Die Rechtmäßigkeit der NPD-Demonstration sich gezielt von einem Gericht bestätigen zu lassen, sei schon ein besonderes Zeichen politischer Unklugheit des grünen Oberbürgermeisters. Durch die gerichtliche Schelte und Blamage der Stadt Freiburg sei die NPD nämlich unnötig aufgewertet worden, so Fleischer. Hinzu komme, dass durch eine "dem besseren Argument verpflichtete Politik unter maßgeblicher Beteiligung der CDU im Landkreis und in der Stadt der Rechtsextremismus politisch bedeutungslos war und ist". Oberbürgermeisters Salomons "Strategie der Überzogenheit und Unmaßstäblichkeit - zum Teil auch Unsinnigkeit - könnte diesen Zustand künftig gefährden. Dies gelte umso mehr, wenn OB Salomon weiterhin auch dem linken Auge blind bleibe. CDU-Kreisvorsitzender Fleischer fordert Salomon auf, zum politischen Tagesgeschäft zurückzukehren und dafür zu sorgen, dass die Demonstration durch behördliche Auflagen so vorbereitet wird, dass Rechtsbruch und Gewalt unterbleiben oder kontrollierbar sind.

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Badische Zeitung vom Dienstag, 10. September 2002

Für Touristen wird's in der offenen Stadt sehr eng

Am Aktionstag am kommenden Samstag wollen allein von "Freiburg Kultour" 4 Gruppen durch die Stadt geführt werden

Der Aktionstag gegen die NPD-Demonstration am nächsten Samstag, der Tausende von Befürwortern einer "offenen Stadt" auf die Beine bringen wird, wirft seine Schatten voraus. Beschattet sind bereits die Mienen derer, die als Profis des Städtetourismus Freiburg in sonnigstem Licht zeigen möchten.

Nach Angaben von Verkehrsdirektor Wolfgang Schwehr hat Freiburg zu keiner anderen Jahreszeit so viele Tagesgäste zu erwarten wie im September. Hinzu kommt, dass die Baden-Messe am nächsten Samstag viele Besucher aus dem Umland in die Stadt locken wird. Und im Konzerthaus tagt ein internationaler Psychiatrie-Kongress. "Bei uns haben sich bereits 34 Bus-Reiseunternehmen angemeldet und für ihre Freiburg-Touristen eine Stadtführung gebucht", sagt der Chef der "Freiburg Kultour", Günter Ebi. "Und diese Gäste, die aus allen Teilen Deutschlands, aus Österreich und aus der Schweiz kommen, möchten in 46 Gruppen durch die Stadt geleitet werden." Da wohl jede Gruppe etwa 30 Besucher umfasst, wollen also etwa 1400 Touristen - auch und gerade ältere Menschen - zu Freiburgs Sehenswürdigkeiten geführt werden. "Aber", so ergänzt der Verkehrsdirektor besorgt, "das ist ja noch längst nicht alles. Erfahrungsgemäß rollt mindestens die gleiche Zahl von Bustouristen an, für die keine Führung durch die 'Freiburg Kultour' gebucht ist. Da kann's eng werden."

Dass der Aktionstag die Gäste daran hindern wird, den Rathaus- oder Augustinerplatz als fotogene Idylle zu sehen, macht den Tourismus-Werbern weniger Sorge als die Tatsache, dass die Aktionen am Ring die gewohnte Anfahrt zur Tourist-Info oder zum Karlsplatz blockieren werden. Ein Ausweg, der den Busfahrern empfohlen werden könnte, war bis gestern nicht gefunden. Da es für Reisegruppen mit älteren Menschen kaum akzeptabel ist, von fernen Parkplätzen aus die Altstadt per Tram anzusteuern, wirken die Gastgeber noch etwas ratlos. "Aber", so hofft der "Kultour"-Organisator, "wir werden sicher noch eine Lösung finden, um Freiburg gerade an diesem Tag, der für eine offene Stadt wirbt, in schönstem Licht zu zeigen".

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Badische Zeitung vom Dienstag, 10. September 2002

WIR ÜBER UNS

Gegen Rechtsextreme

Für den kommenden Samstag, dem 14. September, hat die NPD in Freiburg eine Demonstration angekündigt. Gegenveranstaltungen wird es geben. Die Stadt und ihre Bürger wollen, von gewissen Ausnahmen abgesehen, Flagge zeigen. Für die Badische Zeitung ist die Kundgebung der Rechtsradikalen Anlass, bis dahin in einer gemeinsamen Aktion mit Freiburger Werbeagenturen Stellung zu beziehen, kreativ gegen Rechts zu werben. Mit einer Anzeigenserie in den Freiburger Ausgaben setzen sich Zeitung und Werbeagenturen für ein tolerantes Miteinaner sein.

Der Aufforderung der Badischen Zeitung, für die Aktion Anzeigen zu entwerfen kamen neun Werbeagenturen nach. Einige entschlossen sich spontan, andere nach reiflichem Überlegen. Wobei es im wesentlichen um die Frage ging, ob man den Rechtsextremen damit möglicherweise zu viel Aufmerksamkeit schenkt und sie damit gar noch aufwertet. In der Stadt will sie keiner haben. Rechtsradikaler Separatismus passt weder in eine Universitätsstadt wie Freiburg noch zu einem Industrieland wie der Bundesrepublik Deutschland. Schon gar nicht bei der Vergangenheit.

Das Ergebnis des Aufrufs und der konstruktiv-kreativen Arbeit der Agenturen kann sich sehen lassen. Und ist zu sehen, an zehn aufeinander folgenden Tagen, noch bis zum 14. im Freiburger Lokalteil.

Da wird an den erfolgreichen alemannischen Widerstand gegen Wyhl erinnert, der Sportclub wird ins Spiel gebracht. Mit der PC-Frage "Systemfehler?" über einer Glatze wird genau so deutlich Stellung bezogen wie mit dem Augentest-Poster "Rechtsextremismus macht blind".

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Badische Zeitung vom Montag, 09. September 2002

"Man kann nicht an zwei Orten sein"

DREI FRAGEN AN Wolfgang Rohm von Attac-Freiburg

"Her mit dem schönen Leben - eine andere Welt ist möglich" lautet das Motto eines Aktionstages, den die DGB-Jugendorganisationen und Attac Deutschland am Samstag, 14. September, in Köln veranstalten. In Freiburg findet gleichzeitig die große Anti-NPD-Demo statt, an der sich Attac und DBG ebenfalls beteiligen. Kommen sich die beiden Veranstaltungen in die Quere, wollte Maikka Kost von Attac-Mitglied Wolfgang Rohm aus Freiburg wissen.

BZ: Der 14. September wird für Attac-Mitglieder ein Tag der Entscheidungen. Wissen Sie schon, wo Sie sein werden?

Wolfgang Rohm: Es ist tatsächlich nicht einfach, aber wir sind es gewöhnt, parallel stattfindende Großveranstaltungen zu besuchen. Attac wird also auf beiden Veranstaltungen präsent sein - in Freiburg mit sicher 20 bis 30 Leuten. Ich persönlich habe mich allerdings dafür entschieden, nach Köln zu fahren. Das stand für mich schon vorher fest. Und man kann nun mal nicht an zwei Orten gleichzeitig sein.

BZ: Nun könnte man aber sagen: Hier zählt jeder Kopf. Bei 100 000 Teilnehmern in Köln fällt es nicht auf, wenn ein paar Freiburger fehlen. Was meinen Sie?

Wolfgang Rohm: Das ist korrekt. Und viele Freiburger Attac-Mitglieder denken auch so. Deswegen haben etliche ihre Teilnahme am Kölner Aktionstag auch schon abgesagt. Für mich, der ich mich für Köln entschieden habe, war diese Entwicklung ein weiterer Grund, zu gehen. Wären nur wenige hier geblieben, hätte ich sicher umdisponiert.

BZ: Am besten wäre es doch gewesen, die 100 000 aus Köln nach Freiburg zu holen. Dann hätte sich die NPD womöglich wirklich nicht aus dem Bahnhof getraut.

Wolfgang Rohm: Traumhafte Idee. Aber leider war der Kölner Aktionstag schon lange vor dem Freiburger Termin auf den Weg gebracht worden. Es ist außerdem eine Traditionsveranstaltung, die seit mehreren Jahren stattfindet und ein weiteres inhaltliches Spektrum abdeckt. Denn es geht dort um die Forderung nach einem grundsätzlichen Politikwechsel für soziale Gerechtigkeit und Umverteilung. Aber in der Tat: Wir planen, einen Attac-Kongress nach Freiburg zu holen. Es mangelt bisher nur noch an der Organisationsstärke und am Termin.

Busfahrten nach Köln organisieren Attac und Verdi-Jugend am 14. September für 25 Euro pro Person. Anmeldungen über  freiburg@attac-netzwerk.de oder [TEL] 0761/ 135406.

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Der Sonntag vom Sonntag, 08. September 2002

Die CDU steht alleine da

Stimmen zum Ausscheren der Christdemokraten aus dem Anti-NPD-Bündnis

Der CDU-Kreisverband tritt dem Freiburger Bündnis gegen die NPS-Kundgebung nicht bei. Etliche Organisatoren des Bündnisses hat dieser Entschluss irritiert, manche sind verärgert. "Der Sonntag" hat sich umgehört.

Walter Preker, Pressesprecher der Stadt Freiburg: Die Stadt Freiburg spielt in dem Bündnis gegen die NPD-Kundgebung eine aktive und gestaltende Rolle. Das hat damals der Gemeinderat einstimmig beschlossen. Auch die CDU-Fraktion hat geschlossen dafür gestimmt. Was die Partei da jetzt macht, das kommentieren wir nicht.

Heinz Mörder, Vorsitzender der CDU-Fraktion im Gemeinderat: Die Ablehung gegen die NPD-Kundgebung ist das eine. Da besteht absolute Geschlossenheit im CDU-Kreisverband und in der CDU-Fraktion. Das geeignete Vorgehen ist eine andere Sache. Für mich als Fraktionsvorsitzender war die Solidarität gegen die NPD in der Güterabwägung entscheidend. Auch wenn sich unliebsame Kräfte angeschlossen haben, klinken wir uns nicht aus dem Gemeinderatsbeschluss aus. Die Entscheidung des Kreisverbandes will ich nicht kommentieren.

Jürgen Höfflin, DGB-Vorsitzender Südbaden-Hochrhein: Wir sind von dem Verhalten der CDu enttäuscht. In einem offenen Bündnis muss man sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigen: Wir wollen gewaltfrei gegen die NPD demonstrieren. Diesen erfüllen alle, die bei uns mitmachen. Es kommen laufend weitere Organisationen dazu, die mitmachen. Die CDU hat sich damit isoliert.

Patrick Evers, FDP-Bundestagskandidat und Stadtrat: Ich finde das Verhalten der CDU irritierend. Ich habe überhaupt keine Probleme mit dem Wortlaut des Beschlusses, der im Gemeinderat gemeinsam gefasst wurde. Selbstverständlich wendet sich die FDP ebenso gegen Rechts- wie Linksextremismus. Aber der Anlass gebietet es, dem Bündnis anzugehören.

Maria Viethen, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Gemeinderat: Es ist Wahlkampf und Schüle ist offensichtlich auf Stimmenfang am rechten Rand. Der CDU-Kreisverband spitzt Konflikte zu, während die Gemeinderatsfraktion zu einer salomonischen Lösung bereit war.

(oh, rix)

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Der Sonntag vom Sonntag, 08. September 2002

"Das geht nicht"

CDU will nicht mit Linksextremen gegen NPD demonstrieren

Die Stadt, der Deutsche Gewerkschaftsbund und zahlreiche Initiativen quer durch die Freiburger Bürgerschaft wehren sich gemeinsam gegen die NPD-Kundgebung am 14. September. Der Kreisverband der CDU weigert sich, dem Bündnis gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit beizutreten. Oliver Häußler fragte CDU-Kreisvorsitzenden Klaus Schüle nach den Gründen.

Der Sonntag: Warum weigert sich die CDU dem breiten Bündnis gegen die NPS beizutreten?

Klaus Schüle: Wir sind ganz klar gegen die NPD-Kundgebung. Wir hatten uns auch überlegt, dem Bündnis beizutreten. Als es uns klar war, dass eine ganze Reihe verfassungsfeindlicher Organisationen mitmachen, war das für uns ausgeschlossen. Dem Bündnis gehört beispielsweise die  DKP an, die der baden-württembergische Verfassungsschutz als linksextremistisch einstuft. Man kann doch nicht mit Linksextremisten gegen Rechtsextremisten demonstrieren.

DS: Dem Bündnis gehört auch die FDP an, der Sportclub, die Freiburg Wirtschaft und Touristik. Nach ihrer Logik machen diese Organisationen gemeinsame Sache mit Verfassungsfeinden?

KS: In wie weit es anderen Gruppen kalr war, dass Verbündete aus diesem Lager drin sind oder nicht, weiß ich nicht. Deswegen äußere ich mich dazu nicht. Wie die anderen Organisationen in dieser Frage entscheiden, überlasse ich denen.

DS: Das Bündnis wird von dem Großteil der Freiburger Bürgerschaft getrage, bis hin in die konservativen Kreise. Stellen Sie sich damit nicht ins Abseits?

KS: Im Gegenteil. Wir wollen ja ein politisches Zeichen setzen. Wir rufen unsere Mitglieder auf, an den politisch-kulturellen Veranstaltungen der Stadt teilzunehmen. Zudem werden wir an unseren Ständen Flugblätter verteilen, wo wir klar den Extremismus verurteilen. Insbesondere in dem Fall auch den Rechtsextremismus, weil das ja auch der Anlass ist. Wir werden zeigen, dass wir gegen jeglichen Extremismus sind, sowohl von Links als auch von Rechts. Wir haben Grundsätze und verteidigen sie, auch wenn es unpopulär sein sollte.

DS: Werden Sie in Zukunft inen gemeinsamen Auftritt, etwa bei einer Podiumsdiskussion, mit der als verfassungsfeindlich eingestuften  PDS meiden?

KS: Das sind zwei unterschiedliche Sachverhalte. Beim Bündnis gegen die NPD-Kundgebung geht es um die gemeinsame Aktion mit Linksextremisten. Im anderen Fall geht es um eine inhaltliche und politische Auseinandersetzung.

DS: Müsste die CDU nicht konsequent jede inhaltliche Auseinandersetzung mit den Verfassungsfeinden verweigern?

KS: Die meisten in der CDU machen das so. Aber in so einem Fall wie einer Podiumsdiskussion würde ich es respektieren, wenn man sagt, hier muss es die Möglichkeit der politischen Auseinandersetzung geben. Das ist ein anderer Sachverhalt, und das bewerten wir etwas anders.

Ist es richtig, dass die CDU dem Bündnis gegen die NPS-Demonstration nicht beitritt? Stimmen Sie ab unter  www.der-sonntag.de!

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Badische Zeitung vom Samstag, 07. September 2002

Stadt lenkt bei NPD-Demo ein

Rechtsmittel gegen Beschluss des Freiburger Verwaltungsgerichts zurückgezogen

Die Freiburger Stadtverwaltung geht nun doch nicht weiter juristisch gegen die geplante NPD-Demonstration vor. Das Bürgermeisteramt nahm die am Donnerstagnachmittag "vorsorglich" eingelegte Beschwerde gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Freiburg gestern wieder zurück. Zuvor hatte das Verwaltungsgericht (VG) das Verbot der am 14. September vorgesehenen rechtsradikalen Demonstration für "offensichtlich rechtswidrig" erklärt (wir berichteten  gestern). Als die Stadt am Donnerstag von dem VG-Beschluss erfuhr, legte sie zunächst postwendend Rechtsmittel ein, damit der Mannheimer Verwaltungsgerichtshof (VGH) möglichst schnell eine abschließende Entscheidung hätte fällen können. Akuter Fristdruck bestand ansonsten nicht. Gestern morgen kam die Stadtspitze dann aber zu dem Schluss, dass wohl auch der VGH die eher politische Argumentation der Stadt nicht anerkennen würde.

Die Entscheidung zum Rückzug des Rechtsmittels fiel in einer Runde aus OB Dieter Salomon, Baubürgmeister Matthias Schmelas, Ordnungsamtsleiter Hans Brugger und Bruno Gramich, dem stellvertretenden Rechtsamtsleiter. Gramich hatte am Donnerstag abend bis 23 Uhr den Beschluss des Verwaltungsgerichts analysiert und der Stadtspitze den Rückzug nahegelegt. Salomon sagte gestern, ihn habe die verfassungsrechtliche Argumentation des Verwaltungsgerichts überzeugt, "das war auch für mich ein Lernprozess." Er verwies aber darauf, dass der Gemeinderat sich einst einstimmig für ein Verbot der NPD-Demonstration ausgesprochen habe.

Am Donnerstag nachmittag war Dieter Salomon mit Joschka Fischer unterwegs gewesen ("mein einziges Wahlkampfengagement für die Grünen"). Die Entscheidung, sofort Rechtsmittel einzulegen, traf deshalb Baubürgermeister Mathias Schmelas, der per Handy in einer Sitzung über den verlorenen Rechtsstreit informiert wurde. Salomon stellte sich gestern ausdrücklich vor Schmelas: "Er wollte nur verhindern, dass Zeit verloren geht."

Mit welchen Auflagen die NPD-Demo genehmigt wird, wird derzeit von der Stadt noch geprüft.

Christian Rath

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Badische Zeitung vom Samstag, 07. September 2002

Viele Stadträte "üben Enthaltsamkeit"

Acht Löffinger Ja-Stimmen für Initiative gegen NPD-Kundgebung in der Stadt Freiburg

LÖFFINGEN (cmc). Kontovers wurde am Donnerstag im Löffinger Gemeinderat der Vorstoß von Bürgermeister Frank Schmitt diskutiert, die Initiative der Stadt Freiburg gegen die geplante NPD-Kundgebung am 14. September zu unterstützen (siehe BZ vom  31. August "Schmitt für Initiative gegen NPD-Kundgebung").

"Das Landgericht hat die Demonstration zugelassen und Freiburg wurde dabei für seine Handlungsweise gerügt", maß Eberhard Müller (SPD) dem Unterfangen der Stadt Löffingen wenig Aussicht bei. Schmitt jedoch blieb dabei, den Freiburgern ein Signal zu geben, dass auch die Stadt Löffingen sich als offene Stadt verstehe, in der Rassenwahn und Fremdenhass keinen Platz bekommen sollen. "Dies war in Löffingen nicht immer so", erinnerte der Bürgermeister an die Geschichte.

"Jede Stellungnahme betrachte ich als Aufwertung der NPD", betonte Berthold Meister (CDU) und kündigte an, den Beschlussvorschlag von Schmitt nicht mitzutragen. Auch Werner Adrion (FDP/FW) hält die Veranstaltung der NPD als "reine Publicity". "Wir können genauso beschließen, dass es im nächsten Jahr einen besseren Sommer gibt", meinte der Liberale zu dem seiner Ansicht nach wenig Erfolg versprechenden Beschlussvorschlag des Bürgermeisteramts.

Dieser kam dann doch noch mit "überwiegender" Mehrheit zum Tragen, obwohl nur acht Gemeinderäte ihre Zustimmung signalisierten. Meister blieb beim "Nein" , während sage und schreibe 16 Ratsmitglieder sich in "Enthaltsamkeit" übten.

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Badische Zeitung vom Samstag, 07. September 2002

BRIEFE AN DIE BZ

"Klammheimlich nach Rechts"

"Die CDU macht nicht mit bei einer Demo, an der sich linksextreme Gruppen beteiligen". Aha, ich wusste nicht, dass Caritas, die kirchliche Friedensbewegung PAX Christi, das gut katholische Kolpingwerk und das "Amerika"-Carl-Schurz-Haus "linksextrem" sind!

Was für ein erbärmliches Bild bilden der Kreisverband dieser Partei und sein Kreisvorsitzender! Und wie glaubwürdig als "demokratische" und gar als "christliche" Partei sind die überhaupt noch! Selbst in diesen Wahlkampfzeiten, da der "Kandidat" Stoiber Kreide gefressen hat, um doch noch für "die Mitte" wählbar zu werden, schielt die CDU hier offensichtlich klammheimlich nach Rechts, ganz Rechts!

Constanze Metzger, Schallstadt

"Persönlich betroffen"

Die Angriffe von Seiten des Verfassungsschutzes und des Landesinnenministes gegen die Stadt Freiburg und das Aktionsbündnis gegen den am 14. September geplanten NPD-Aufmarsch können nach meiner Ansicht nicht unkommentiert stehen bleiben. Als Altstadtrat der  Linke Liste/Friedensliste fühle ich mich von diesen Vorwürfen persönlich betroffen.

"Unerträglich" nennt Herr Doll, der stellvertretende Präsident des Landesamtes für Verfassungschutz von Baden-Württemberg, das Aktionsbündnis. Und "unerträglich" findet dies ebenfalls dessen Vorgesetzter Herr Schäuble, der zuständige Landesinnenminster. Das Demokratieverständnis, das diese Leute auszeichnet, ist mit solchen Äußerungen wieder einmal zu Genüge bewiesen. Unerträglich ist es tatsächlich, dass faschistische Parteien und Organisationen in diesem Land von offizieller politischer Seite nahezu ungehindert für ihre verfassungswidrigen Ziele demonstrieren können und dabei noch von der Polizei geschützt werden. Unerträglich ist auch, dass diejenigen, die solche verfassungswidrigen Veranstaltungen verhindern wollen, von eben diesen Verfassungsschützern massiv verfolgt werden. Aber das ist ja nicht weiter verwunderlich, sind doch Angehörige des Verfassungsschutzes seit Jahren in entscheidenden Funktionen zum Beispiel in der NPD tätig. Da decken sich dann Partei- und politischer Auftrag in geradezu idealer Weise.

Werner Schätzle, Altstadtrat der Linken Liste/Friedensliste

"Unter anderen Vorzeichen"

Wenn planmäßig die Wahlplakate der politischen Mitte zerstört werden, kann man dieses nicht mehr als Kinderei abtun. Es ist ein Angriff gegen die Meinungsvielfalt. Es muss erwartet werden, dass sich die Vertreter der einzelnen Parteien von dieser Art Wahlhilfe distanzieren. Der Mob, der als Sturmabteilung seiner Ideologie auftritt, wird vermutlich auch die Konfrontation mit der NPD suchen. Die politische Auseinandersetzung ist zu ernst, als dass Kinder da hinein gezogen werden. Die Fürsorgepflicht der Eltern gebietet es, dass sie ihre Kinder davon fernhalten.

Wenn die NPD aufmarschiert, ist dieses ärgerlich. Verantwortung dafür tragen diejenigen, die nur nach Verboten rufen und nichts zur geistigen Auseinandersetzung beitragen. Die Ideologie der Nazis war gegen die Menschenwürde gerichtet, die allen zusteht. Wer heute anderen die Menschenwürde abspricht, läuft Gefahr, etwas vorzubereiten, was unter anderen Vorzeichen die gleichen Auswirkungen hat, wie das, was viele im Dritten Reich erleiden mussten.

Klaus Mehrens, Freiburg

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Stuttgarter Nachrichten vom Freitag, 06. September 2002

Parteienstreit in Freiburg

NPD-Demo: CDU distanziert sich vom Gegenbündnis

Freiburg (lsw/stn) - Neun Tage vor der geplanten Demonstration der NPD in Freiburg ist ein Parteienstreit entbrannt. Die Freiburger CDU kündigte am Donnerstag an, den unter dem Dach des Deutschen Gewerkschaftsbundes ( DGB) für 14. September organisierten Aktionstag gegen die rechtsextremistische Partei nicht in vollem Umfang mittragen zu können.

Der Freiburger CDU-Kreisvorsitzende und Landtagsabgeordnete Klaus Schüle sagte, die Christdemokraten würden eine Großkundgebung gegen die NPD am 14. September ebenso meiden wie einen geplanten Protestzug in Richtung Hauptbahnhof. Grund dafür sei die Beteiligung von Linksextremisten an diesen Kundgebungen. "Dies wäre mit der Grundlinie der CDU nicht zu vereinbaren", sagte Schüle.

Schüle bezog sich auf eine Aussage des stellvertretenden Leiters des Landesamtes für Verfassungsschutz, Hans- Jürgen Doll, der in einem Gespräch mit unserer Zeitung unter anderem moniert hatte, dass in dem Freiburger Aktionsbündnis gegen die NPD auch im Verfassungsschutzbericht aufgeführte linksextreme Organisationen wie die Deutsche Kommunistische Partei ( DKP) oder die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten ( VVN) beteiligt seien.

Das Verwaltungsgericht in Freiburg hat am Donnerstag die NPD-Kundgebung zugelassen. Das Gericht entschied, das von der Stadt verhängte Versammlungsverbot sei offensichtlich rechtswidrig. Es stehe im Widerspruch zur einschlägig herrschenden Rechtsprechung, hieß es in der Urteilsbegründung. Rechtsexperten hatten diese Entscheidung des Verwaltungsgerichts erwartet.

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junge Welt vom Freitag, 06. September 2002

Vereinte Stimmungsmache

Demo gegen NPD-Aufmarsch in Freiburg: Innenminister kritisiert Pakt mit »Linksextremisten«

Für den baden-württembergischen Innenminister, Thomas Schäuble (CDU), ist es offensichtlich ein »Teufelspakt«, den einige »ehrenwerte Gruppierungen« in Freiburg im Breisgau geschlossen haben. »Unerträglich« sei es, wenn man mit »Linksextremisten« zusammenarbeite, ereiferte sich der CDU-Politiker in einem zu Wochenbeginn veröffentlichen Brief an Freiburgs Oberbürgermeister Dieter Salomon (Bündnis 90/Die Grünen). Gemeint ist das Freiburger Bürgerbündnis »Für eine offene Stadt - Gegen Fremdenhaß und Rassenwahn«, das am 14.September gegen den geplanten NPD-Aufmarsch in der Schwarzwaldmetropole demonstrieren will und seit Monaten ein vielfältiges Aktionsprogramm für diesen Tag organisiert. Über 2000 Privatpersonen und über 100 Organisationen, von der PDS bis zu Pax Christi, von der Caritas bis zum Kolpingwerk, gehören mittlerweile dem Bündnis an, darunter auch die Stadt Freiburg, die für den Aktionstag kräftig die Werbetrommel rührt.

Stimmungsmache gegen den ungewöhnlich breiten Zusammenschluß betrieb zuvor bereits der baden-württembergische Verfassungsschutz. Dessen Vizepräsident Hans-Jürgen Doll hatte via Landespresse die Beteiligung »linksextremistischer Organisationen« wie der  DKP, der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes/Bund der Antifaschisten ( VVN-BdA) oder der örtlichen  Linke Liste/Friedensliste kritisiert.

Rückendeckung erhält der Verfassungshüter jetzt von seinem Dienstherrn Schäuble. Denn den »Kampf gegen Rechtsextremisten gemeinsam mit Linksextremisten« zu führen, sei ein »verhängnisvoller Fehler gegen das Grundgebot der Gemeinsamkeit der Demokraten«, erklärte der Innenminister in dem zitierten Schreiben. Dienstrechtliche Konsequenzen gegen Doll, die der Freiburger OB gefordert hatte, lehnt Schäuble ebenfalls ab. »Es kann nicht davon die Rede sein, daß Herr Doll in eklatanter Weise seine Dienstpflichten verletzt hat«, verteidigte der Minister die Intervention des Verfassungshüters, der auch gefordert hatte, daß die Kommunen rechtsradikale NPD-Aufmärsche zu »schützen« hätten. Dazu kein Wort aus der Landeshauptstadt Stuttgart. Ebensowenig eine Stellungnahme zu der Behauptung der Landesbehörde, daß »gewaltbereite Gruppen« in Freiburg die NPD-Demo angreifen wollen. »Entsprechende Erkenntnisse liegen uns nicht vor«, erklärte dazu bereits die Freiburger Polizei.

In der Antifa-Szene wird zwar für einen Blockade des NPD-Aufmarsches mobilisiert, allerdings unabhängig vom »staatstragenden Bürgerbündnis« des DGB. Ebenso wird zur Mitnahme von Eiern und Tomaten aufgerufen. Doch man setzt darauf, daß die Anwesenheit von über 10000 Bürgern, die sich der NPD in den Weg stellen wollen, weitere Aktionen überflüssig machen (www.aufdiegoschen.de.vu).

Zu den verbalen Attacken des Verfassungsschutzes und des Innenministers, dem sich jetzt auch die örtliche CDU hinzugesellte, die bei einer Demo »nicht mitmachen« will, an der sich »linksextreme Gruppen« beteiligen, hat das Aktionsbündnis auf seinem Treffen am Dienstag eine klare Position bezogen. »Wir werden keine Gruppen ausschließen und lassen uns nicht spalten«, erklärte Freiburgs DGB-Chef Jürgen Höfflin gegenüber jW. Es sei »unerträglich«, wie Innenminister Schäuble ein breites Bündnis gegen einen NPD-Aufmarsch zu schwächen versuche. »Wir betrachten die politische und gesellschaftliche Bandbreite der Unterzeichner als Ausdruck der politischen Stärke und wichtigen Fortschritt in der Auseinandersetzung mit rassistischen, fremdenfeindlichen und antisemitischen Positionen«, heißt es in einer am Dienstag verabschiedeten Erklärung. Das Bündnis gehe aus der Diskussion »geschlossen und gestärkt heraus«, sagte Höfflin. »Für einen Wahlkampf gegen die SPD, die grüne Stadt Freiburg und gegen engagierte Menschen aus der Linken Liste und der VVN darf kein Platz sein«, kommentierte Freiburgs PDS-Direktkandidat Gregor Mohlberg. »Der Verfassungsschutz sollte lieber dafür sorgen, daß ein NPD-Verbot so schnell wie möglich mit Beweisen unterfüttert wird, anstatt diesem im Weg zu stehen«.

Martin Höxtermann

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StadtNachrichten (Amtsblatt) vom Freitag, 06. September 2002

"Freiburg steht auf": Am 14. September ein Zeichen setzen gegen Rechts

Anlässlich der geplanten NPD-Demo Aktionen auf allen Straßen und Plätzen - Walter Jens Hauptredner bei Kundgebung - Rotteckring und Bismarckstraße gesperrt

Am Samstag nächster Woche will die NPD in Freiburg eine Demonstration durchführen. Zwar hat die Stadt den Aufmarsch der rechtsextremen Partei verboten, jedoch wird die Verbotsverfügung möglicherweise vor Gericht keinen Bestand haben. Die Stadt Freiburg und der Deutsche Gewerkschaftsbund rufen deshalb gemeinsam dazu auf, beim Aktionstag am 14. September, ein Zeichen gegen Rechts und Fremdenfeindlichkeit zu setzten.

Ein großes Kultur- und Aktionssprogramm auf allen Straßen und Plätzen in der Innenstadt soll möglichst viele Menschen mobilisieren, um im Sinne der Resolution "Für eine offene Stad"" für Toleranz, Vielfalt und ein friedliches Miteinander zu demonstrieren.

Seit zirka sechs Wochen tüftelt eine städtische Arbeitsgruppe zusammen mit dem  DGB an einem Veranstaltungsprogramm für den 14. September. Auf dem Platz der Alten Synagoge vor dem Stadttheater, dem Rathausplatz, dem Augustinerplatz und im Stadtgarten werden verschiedene Gruppen, Künstler und Musiker auftreten. Anlässlich der Eröffnung der Ausstellung "Neofaschismus in der Bundesrepublik Deutschland" bekräftigte OB Dieter Salomon: "Wir wollen eine kräftige, nachdrückliche und friedliche Antwort geben auf den Aufmarsch der NPD."

Der Aktionstag beginnt am nächsten Samstag um 11 Uhr mit einer großen Kundgebung des DGB vor dem Freiburger Theater: Hauptredner wird Professor Walter Jens sein, der auf die Einladung der Stadt Freiburg vor vierzehn Tagen sofort zusagte, an der Veranstaltung teilzunehmen. Walter Jens, Jahrgang 1923, ist Schriftsteller, Literaturwissenschaftler und Kritiker. Er gehörte der berühmten "Gruppe 47" an, war von 1976 bis 1982 Präsident des P.E.N.-Zentrums und ist seit 1963 Rhetorikprofessor an der Universität Tübingen. Bei der Kundgebung werden außerdem Oberbürgermeister Dieter Salomon, Rainer Bliesener, DGB Landesvorsitzender, sowie Volker Finke, Trainer des Sport Club Freiburg, sprechen.

Ab zirka 15 Uhr findet auf dem Platz dann ein Open-Air-Konzert mit internationalen Künstlern und Bands aus der Region statt. Unter anderem wird Thomas D. mit Son Goku, Fury in the Slaughterhouse und der Kölner Sänger Stoppock bei dem Konzert auftreten. Alle Künstler spielen kostenlos, weil sie mit ihrem Auftritt ein Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus setzen wollen.

Auf dem Rathausplatz präsentieren ausländische Mitbürgerinnen ihr Land und ihre Kultur unter dem Motto "Freiburg multikulti - Tour de Interkultur". Von 11 bis 20 Uhr gibt es dort Musik aus allen Kontinenten, Kulinarisches und Informationen.

Das Freiburger Jugendbündnis  Jugend für M.U.T. / Menschlichkeit und Toleranz bestreitet das Programm auf dem Augustinerplatz. Bereits ab 10 Uhr findet dort ein gemeinsames Frühstück statt, bevor um 14.30 Uhr das Hauptprogramm mit verschiedenen Bands aus der Region beginnt. Ab zirka 20.30 legt ein DJ auf und lädt zum Tanzen ein.

"Kunterbuntes für Kinder und Familien" wird den ganzen Tag im Stadtgarten geboten. Unter anderem tritt der Circus Sapperlot und die Freiburger Jazz- und Rockschule auf.

Aufgrund der Demonstrationen, Kundgebungen und Veranstaltungen entstehen im Innenstadtbereich erhebliche Behinderungen. Fest steht, dass sowohl die Bismarckstraße als auch der Rotteckring für den Durchgangsverkehr gesperrt sein werden. Zu empfehlen ist in jedem Falle, auf den ÖPNV umzusteigen und die Park + Ride Plätze außerhalb der Innenstadt zu nutzen.

Aber auch die Straßenbahnen werden zum Teil unterbrochen: Ab 15 Uhr wird die Linie 1 aus Westen kommend beim Stadttheater enden und erst ab dem Bertoldsbrunnen weitergeführt. Das gleiche gilt für die Fahrzeuge aus der anderen Fahrtrichtung. Ebenso unterbrochen werden die Linien 5, 6 und 4 am Stadttheater. Von Zähringen aus kommend werden die 5 und die 6 bis Günterstal weitergeführt. Eine andere Linie muss der 11er Bus ganztägig nehmen: Aus St. Georgen kommend fährt er nach der Hummelstraße ohne Halt über die Lessingstraße zum Bertoldsbrunnen und dann zum Siegesdenkmal.

Bereits ab Freitag werden die Fahrradständer vor dem KG II abmontiert, um für eine große Bühne für die Kundgebung und das Open-Air-Konzert Platz zu schaffen. Alle Zweiräder müssen deshalb ab Freitag, 7 Uhr, entfernt sein. Ab Dienstag, 17. September, können die Fahrradständer wieder wie gewohnt benutzt werden.

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StadtNachrichten (Amtsblatt) vom Freitag, 06. September 2002

Oberbürgermeister Salomon verteidigt Anti-NPD-Bündnis

Vorwürfe des Landesamtes für Verfassungsschutz ungerechtfertigt

In einem Schreiben an Landesinnenminister Thomas Schäuble (MdL) hat sich Oberbürgermeister Dieter Salomon gegen die pauschalen Vorwürfe verwahrt, die der Vizepräsident des Landesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Jürgen Doll, in einem Zeitungsinterview gegen die Stadt Freiburg wegen des städtischen Verbotes des NPD-Aufmarschs am 14. September erhoben hatte.

Der Vizepräsident hatte kritisiert, dass in dem vom DGB begründeten Bündnis gegen die NPD-Demonstration auch linksradikale und gewaltbereite Gruppierungen vertreten seien. In einem Rundfunk-Interview hatte Doll anschließend die im Gemeinderat vertretene  Linke Liste/Friedensliste sowie die Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes ( VVN) als linksextremistische Organisationen eingestuft, die unter Beobachtung des Verfassungsschutz stehen.

Salomon weist in seinem Schreiben an den Innenminister darauf hin, dass der Gemeinderat einstimmig beschlossen habe, alle politischen und rechtlichen Mittel gegen den NPD-Aufmarsch zu nutzen. Eine Linie des Totschweigens und Ignorierens gegenüber der NPD könne in einer politisch aufmerksamen Stadt wie Freiburg nicht erfolgreich sein, stellt Salomon fest. Allerdings müsse sich der Verfassungsschutz vorwerfen lassen, die Gefahr des Rechtsextremismus leichtfertig zu verharmlosen.

In seiner Antwort gestand Innenminister Schäuble zu, dass man "darüber streiten kann, ob Doll ... das Gebot zur politischen Zurückhaltung in vollem Umfang berücksichtigt" habe. Es sei auch Sache der Gerichte und nicht des Verfassungsschutzes, eine mögliche Rechtswidrigkeit der Freiburger Verbotsverfügung festzustellen.

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StadtNachrichten (Amtsblatt) vom Freitag, 06. September 2002

Freiburg liest gegen Rechts

Anlässlich des Aktionstages ist in der Stadtbibliothek eine Ausstellung zum Thema zu sehen. Es werden dort Bücher vorgestellt, die anregen können, für Toleranz und Zivilcourage sowie gegen Diskriminierung, Rassismus und Fremdenhass einzustehen.

Die Ausstellung ist vom 11. September bis 1. Oktober dienstags bis freitags von 10 bis 19 Uhr und samstags von 10 bis 14 Uhr zu sehen.

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Badische Zeitung vom Freitag, 06. September 2002

Verwaltungsgericht erlaubt NPD-Demo

FREIBURG (BZ). Die rechtsextreme NPD darf am 14. September in Freiburg demonstrieren. Das Verwaltungsgericht Freiburg entschied in einem gestern veröffentlichten Urteil, das von der Stadt verhängte Versammlungsverbot sei offensichtlich rechtswidrig. Es stehe im Widerspruch zur einschlägig herrschenden verfassungs- und verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, heißt es in der Begründung der Richter. Nach Ansicht der Juristen gibt es keine konkreten Hinweise darauf, dass von der NPD-Veranstaltung Gewalttaten oder andere Straftaten ausgehen werden. Das Demonstrationsrecht schütze gerade auch das Recht von Minderheiten, Meinungen öffentlich zu vertreten. Das gelte auch für die NPD, solange sie nicht verboten sei. Es bestehe jedoch die Möglichkeit, Auflagen, etwa Redeverbote für bestimmte Personen, zu erlassen. Freiburg hat angekündigt, in die nächste Instanz zu gehen.

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Badische Zeitung vom Freitag, 06. September 2002

NPD darf in Freiburg marschieren

Verwaltungsgericht erklärt das von der Stadtverwaltung erlassene Demonstrationsverbot für "offensichtlich rechtswidrig"

Die NPD kann am 14. September in Freiburg demonstrieren. Dies entschied gestern das Verwaltungsgericht Freiburg. In einer Eilentscheidung bezeichnete das Gericht das Demo-Verbot der Stadt Freiburg als "offensichtlich rechtswidrig" und hob den Sofortvollzug des Verbotes auf. Die Stadt hat gestern umgehend angekündigt, dass sie in die nächste Instanz gehen wird.

Wie allgemein erwartet wurde, hielt keines der von der Stadt vorgebrachten Argumente der juristischen Prüfung stand. So gibt es nach Ansicht der Richter keine konkreten Hinweise darauf, dass von der NPD-Demonstration, die sich "gegen Globalisierung und Meinungsdiktatur" richtet, Gewalttaten oder andere Straftaten ausgehen werden.

Auch die Gefahr, dass sich Konflikte mit der angekündigten Gegendemonstration ergeben könnten, ließ das Verwaltungsgericht nicht gelten. Es sei vielmehr Aufgabe der Polizei "in unparteiischer Weise" die Versammlungsfreiheit sicherzustellen. Soweit von Gegendemonstranten Gewalt ausgehe oder drohe, müsse gegen diese vorgegangen werden. Die Stadt verkenne die Rechtslage "grundlegend", wenn sie stattdessen die NPD-Demonstration verbiete.

Schließlich ließ das Gericht auch das Argument nicht gelten, die Anschauungen der NPD verstießen gegen das Grundgesetz und gegen die ethischen Grundüberzeugungen der meisten Freiburger. Vielmehr schütze das Demonstrationsrecht gerade auch die Möglichkeit von Minderheiten, ihre Ansichten öffentlich zu vertreten. Solange die NPD nicht verboten sei und sich an die Gesetze halte, gelte das auch für sie, so die Richter. Mehrfach weist das Verwaltungsgericht auf die Möglichkeit hin, die NPD-Demonstration mit Auflagen einzuschränken. So halten die Richter etwa ein "Redeverbot" für bestimmte Personen denkbar, wenn von ihnen strafbare Äußerungen drohen. Am Dienstag hatte die NPD mitgeteilt, dass drei Redner auf ihrer Kundgebung geplant seien: der "freie Nationalist" Friedhelm Busse, der Landesvorsitzende Siegfried Härle und der Schweizer Rechtsextremist Hannes Müller.

cra;  Münstereck

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Badische Zeitung vom Freitag, 06. September 2002

MÜNSTERECK

Sinnloser Aktionismus

Demo-Verbot

"Mit allen politischen und rechtlichen Mitteln" wollte die Stadt gegen die geplante NPD-Demonstration vorgehen. Zwar hat ihr das Verwaltungsgericht Freiburg jetzt bescheinigt, dass das Demo-Verbot "offensichtlich rechtswidrig" war, doch schon wird der Gang zum Verwaltungsgerichtshof (VGH) nach Mannheim vorbereitet. Allerdings wird die Stadt auch dort eine Niederlage erleiden, denn erst Ende April hat der VGH in einem ähnlichen Fall das Demonstrationsrecht der NPD bestätigt. Was also soll die sinnlose Beschäftigung der Gerichte? Es wäre besser, wenn die Stadt über Auflagen für die NPD-Demo nachdenken würde. Fackeln, Fahnen und volksverhetzende Redner wie der erst jüngst strafrechtlich verurteilte Friedhelm Busse können untersagt werden. Auch ist schleunigst zu planen, wie die Routen von NPD und Gegendemonstration getrennt werden können. Der Gedanke, die NPD auf einem Waldparkplatz paradieren zu lassen, muss allerdings ausscheiden. Sie hat ihre Demonstration schließlich zuerst angemeldet. Auch das haben die Richter der Stadt vorsorglich erklärt.

Christian Rath

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Badische Zeitung vom Freitag, 06. September 2002

BRIEFE AN DIE BZ

"Ein bitterer Beigeschmack"

Die Aufmärsche der NPD zeigen wieder ihre Fratzen und das politische Freiburg wacht aus seinem Dornröschenschlaf auf und wehret entschieden den Anfängen. Das ist das beste Signal, das Freiburg aus seiner idyllischen Beschaulichkeit in die seit Jahren geplagten größeren Städte senden konnte. Und doch macht sich ein bitterer Beigeschmack immer breiter, und zwar völlig unnötigerweise.

War es nötig, dass die Stadt Freiburg eine Verbotsverfügung erlässt, deren gerichtliche Aufhebung von jedem Fachkundigen erwartet wird? Das Recht verliert seine normative und soziale Gerechtigkeit schaffenden Kraft, wenn es sehenden Auges zur Bekämpfung von etwas, wenn auch etwas extrem Unerwünschtem missbraucht wird. Die Definition des Unerwünschten wird nämlich leicht beliebig. Ich hätte mir einen OB gewünscht, der ruft: "Steht auf und kämpft, ich kämpfe mit, aber ich verteidige auch das Recht und benutze es nicht, wo es (noch) nicht greifen kann." Es ist ober- stes Gebot, dieses Recht zu wahren. Dies ohne Not und politisch selbst- herrlich aufs Spiel zu setzen, gehört in die politische Theorie des Feudalismus, und wäre eines König Salomons ebenso unwürdig gewesen wie es der modernen Demokratie unverträglich ist.

Spezifizierbares Unbehagen bereitet darüber hinaus der Beitrag in der BZ vom  3. September, in der sich eine breite Meinungsdarstellung von drei anonymen so genannten Szeneaktivisten findet, und zwar unkommentiert. Ein Forstwirt erhält die Gelegenheit auszuführen, dass es lächerlich sei, den Einsatz von Eiern und Tomaten als Gewalt zu bezeichnen, da dadurch niemand ernsthaft verletzt werden könne (!). Als ob die Ernsthaftigkeit möglicher Verletzungen für die Gewaltbereitschaft als solche relevant wäre! Für viele, allen voran Großteile der CDU Freiburg, die gerne mit aufstehen würden gegen die Neonazifratzen, wird es dadurch immer schwieriger, im Boot zu bleiben. Und dies ist ebenso bedauerlich wie es vielleicht, wie vielfach bei Fragen heikler Art, durch mediale Zurückhaltung insoweit auch vermeidbar gewesen wäre.

Birgitta Stückrath, Vorsitzende des RACDJ Freiburg

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Stuttgarter Nachrichten vom Donnerstag, 05. September 2002

Jens und Finke gegen NPD

Freiburg macht mobil

Freiburg (kaz) - An allen Fronten kämpft Freiburg gegen den für den 14. September geplanten NPD-Aufmarsch - mit Anzeigen, Ausstellungen und Reden von OB Dieter Salomon, SC-Trainer Volker Finke und Rhetorikprofessor Walter Jens.

Die Stadt will mindestens 10 000 Menschen auf die Beine stellen, die den NPD-Aufmarsch schon am Hauptbahnhof blockieren sollen. Der grüne Oberbürgermeister Dieter Salomon wird den Aktionstag um 11 Uhr mit einer Rede auf einer Kundgebung vor dem Stadttheater eröffnen. Auf einer Bühne am Rotteckring spielen Rockbands.

Die Vorbereitung des Aktionstags ist begleitet von politischen Meinungsverschiedenheiten, die jetzt sogar einen gemeinsamen Beschluss des Stadtparlaments gefährden. Die CDU-Fraktion verlangte eine Ergänzung der geplanten Erklärung des Gemeinderats, der sich in einer Resolution "gegen jegliche Form von Extremismus und Gewalt" wendet. Diese Formulierung gehe der CDU nicht weit genug, hieß es, sie fordere den Zusatz "sowohl von rechts als auch von links". Innenminister Thomas Schäuble hatte das Gegenbündnis wegen seiner Nähe zu gewaltbereiten linksextremistischen Gruppen als problematisch bezeichnet. Die Stadt Freiburg löschte inzwischen auf ihrer Internet-Homepage Links zu Gruppen, die laut Landesverfassungsschutz als gewaltbereit gelten. Freiburgs Polizeichef Helmut Mayer rechnet mit 500 bis 1000 NPD-Demonstranten aus Deutschland, Frankreich und der Schweiz.

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Badische Zeitung vom Donnerstag, 05. September 2002

CDU-Kreisverband marschiert nicht mit gegen NPD

Die CDU-Fraktion findet einen Kompromiss in Form einer Fußnote für die gemeinsame Erklärung des Gemeinderats

Die Freiburger CDU wird den Aktionstag gegen die NPD-Demo am 14. September nicht voll mittragen. Das sagte gestern Kreisvorsitzender Klaus Schüle gegenüber der BZ. Die Partei wird an der Kundgebung, auf der unter anderem SC-Trainer Volker Finke, OB Dieter Salomon und Rhetorikprofessor Walter Jens reden, ebenso meiden wie den Protestzug Richtung Bahnhof. "Die CDU macht nicht mit bei einer Demo, an der sich linksextreme Gruppen beteiligten." Allerdings wollen die Christdemokraten gegen die NPD "ein politisches Signal setzen in einem Rahmen, den wir verantworten können." Die CDU werde die anderen Bestandteile des Aktionstags wie Konzerte und Spielaktionen mit unterstützen. Laut Schüle ist die CDU - anders als SPD, Grüne, FDP und Freie Wähler - dem Aktionsbündnis nie beigetreten. Den Aufruf haben mehr als 100 Organisationen unterschrieben, von der PDS bis zu Pax Christi, vom Carl-Schurz-Haus bis zur Caritas, vom Kulturrat bis zum Kolpingwerk.

Erfolgreich waren die Bemühungen innerhalb des Gemeinderats, sich auf eine gemeinsame Erklärung zum NPD-Aufmarsch zu einigen. "Wir haben uns eine Stunde lang gefetzt", sagte Hans Essmann (SPD) gestern Abend nach der Sitzung des Ältestenrats, in dem die Fraktionsspitzen sich besprechen. Grund war die Formulierung, wonach sich das Stadtparlament "gegen jegliche Form von Extremismus und Gewalt" wendet. Die CDU-Fraktion hatte den Zusatz "sowohl von rechts als auch von links" gefordert. Das wiederum war nicht konsensfähig, weil damit etwa "Linke Liste" oder die "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes", die der Verfassungsschutz als linksextrem bezeichnet hatte, in einen Topf geworfen würden mit der NPD. Nun kommt der CDU-Zusatz als Fußnote unter die Erklärung, in der die Stadträte die Bürger auffordern, "sich uns anzuschließen, um gewaltfrei, aber deutlich sichtbar für unsere offene Stadt ein Zeichen zu setzen."

SPD-Sprecher Hans Essmann sieht darin ein "gutes Signal für eine gemeinsame Zusammenarbeit im Gemeinderat." Gleichzeitig kritisiert er den CDU-Kreisverband, er versuche "die Fraktion zu Wahlkampfzwecken zu instrumentalisieren."

Uwe Mauch

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Badische Zeitung vom Donnerstag, 05. September 2002

MITMACH-AKTION

SMS gegen Intoleranz

Das Handy macht's möglich: Schülerinnen und Schüler aller Altersstufen können ab sofort und noch bis zum 20. September per SMS protestieren: Die Landeszentrale für politische Bildung hat anlässlich des für den 14. September in Freiburg angekündigten NPD-Aufmarsches eine SMS-Aktion gestartet: "160 Zeichen gegen Rechtsextremismus". Für die besten SMS gibt's Preise und alle SMS werden am 14. September auf eine Leinwand am Augustinerplatz projiziert.

SMS schicken auf: 0175/5108129, weitere Nummern per Mail erfragen bei:  freiburg@lpb.bwl.de.

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Badische Zeitung vom Mittwoch, 04. September 2002

Auf die Plätze Freiburgs

Das Programm für den Aktionstag am 14. September steht / Bleibt die CDU im Bündnis?

Das Programm für den Aktionstag gegen die NPD-Demo am 14. September steht. Auf vier Plätzen gibt es Kundgebungen, Konzerte und Kinderspiele. Das gab gestern Abend der DGB als Koordinator bekannt. Offen ist indes, ob die CDU weiter mit dabei ist. An einer gemeinsamen Erklärung des Gemeinderats wird noch gerungen.

Etwa 80 Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Gruppen trafen sich gestern im Historischen Kaufhaus, um letzte organisatorische Fragen zu klären. Ziel ist es, mindestens 10 000 Menschen auf die Beine zu bringen. Eine Kundgebung auf dem Platz der Alten Synagoge vor dem Stadttheater läutet um 11 Uhr den Aktionstag ein. Redner sind unter anderen Oberbürgermeister Dieter Salomon, SC-Trainer Volker Finke und Rhetorikprofessor Walter Jens. Nach einer Stunde sollen sich die Massen durch die Sedanstraße zum Konrad-Adenauer-Platz (Konzerthaus) begeben, damit die NPD-Demonstranten erst gar nicht den Hauptbahnhof verlassen können. Jürgen Höfflin, Chef des DGB Südbaden-Hochrhein, ließ gestern durchblicken, dass dazu auch die Ausgänge Richtung Stühlinger blockiert werden.

Am Platz der Alten Synagoge wird eine 30 Meter große Bühne aufgestellt, auf der zwischen 15 und 22 Uhr deutsche Top-Bands wie "Fury in the Slaughterhouse", "Stoppok", "Thomas D." und "Lyn 4" auftreten. Der Stadtgarten wird ab 13.30 Uhr zum Treffpunkt für Familien (Circus Sapperlot, Spielmobil, Caritas), der Augustinerplatz will schon ab 10 Uhr mit einem Großfrühstück Jugendliche anlocken und später mit jungen Bands unterhalten, und auf dem Rathausplatz gibt sich Freiburg multikulturell mit Musik, Tanz, Theater aus vielen Ländern.

Eine eher kurze Diskussion über die Aussagen des Verfassungsschutzes, dass das Bündnis mit gewaltbereiten und linksextremistischen Gruppen zusammenarbeite, mündete in einer Resolution mit dem Hinweis speziell an Innenminister Thomas Schäuble ("Das Bündnis ist unerträglich."), dass sich die Aktivisten nicht spalten lassen. Die gesellschaftliche Bandbreite sei die politische Stärke des Bündnisses.

Ob das tatsächlich so eintrifft, entscheidet sich BZ-Informationen zufolge heute. Denn hinter den Kulissen feilen die Fraktionen und Gruppen im Gemeinderat an einer gemeinsamen Erklärung zum NPD-Marsch. Die Formulierung, das Gremium wende sich "gegen jegliche Form von Extremismus und Gewalt" geht der CDU nicht weit genug. Sie will das präzisieren um den Zusatz "sowohl von Rechts als auch von Links". Das wiederum ist nicht konsensfähig. Die Hoffnungen ruhen auf Finanzbürgermeister Otto Neideck (CDU), der schlichten soll.

Uwe Mauch

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Badische Zeitung vom Mittwoch, 04. September 2002

WIR ÜBER UNS

"Wir Profis müssen jetzt Stellung beziehen"

Am Anfang war die Idee: die Badische Zeitung forderte Freiburger Werbeagenturen auf, für eine gemeinsame Aktion Anzeigen zu entwerfen, die kreativ gegen Rechtsextremismus Stellung beziehen. Anlass dafür war nicht zuletzt der Aufmarsch, den die NPD für den 14. September in Freiburg angekündigt hat. Unabhängig von dem breiten Bündnis, das sich in der Stadt gegen diesen Aufmarsch formiert hat, sollte mit einer Anzeigenserie für Toleranz und Miteinander geworben werden.

Eine Woche hatten die Kreativen Zeit, sich im Team konstruktive Gedanken zu machen und kontroverse Debatten zu führen. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Neun Agenturen haben - kostenlos - je zwei oder drei Anzeigenmotive vorgelegt, die das Thema höchst unterschiedlich in Wort und Bild setzen. Je eine wurde von einer kleinen Jury ausgewählt. Abgedruckt werden die Anzeigen in der Badischen Zeitung - von heute an bis zum 14. September.

Die Teilnahme an der Kampagne war für einige Agenturen sofort klar. "Wir haben spontan zugesagt", erklärt beispielsweise Norbert Preußner von bin.go-Communications, "denn es erschien uns reizvoll, auf dieser professionellen Ebene einen Beitrag gegen Rechtsextremismus leisten zu können." Das Ergebnis ist eine abwehrend erhobene Hand, die im Untertitel signalisiert "Nai hämmer gsait" - eine kleine Verbeugung vor dem Widerstand in Wyhl und ein Verweis auf den alemannischen Querkopf. Soll heißen: mit uns kann man so was nicht machen. Und auch Hans-Jörg Schwarzer von der Projektagentur für Werbung, Design und Digitale Medien findet: "Das Thema selbst ist Grund genug, einen Beitrag zu leisten."

Denn Deutschland sei ein Standort internationaler wirtschaftlicher Beziehungen - da sei rechter Separatismus ausgesprochen kontraproduktiv. Seine Agentur macht aus dem deutschen Betrachter einen Fremden: der Text ist auf Chinesisch abgefasst.

Kritisch beurteilte zunächst die Agentur für creative Werbung die Anzeigen-Kampagne. "Es ist zwar eine Selbstverständlichkeit, bei so einer Aktion mitzumachen", sagt Manfred Stärk, "aber wir haben anfangs doch geschwankt - schließlich sollte man das Ganze nicht noch zusätzlich aufbauschen." Das mag mit dazu beigetragen haben, dass diese Agentur eine Anzeige entwarf, die durchaus mit Humor an die ernste Aufgabe geht: "Wir wollen hier nur einen rechten Flügel. Den vom SC." Eine klare Aussage, die jeder versteht. "Die Kreativen sind oft sensibler für die Strömungen in der Gesellschaft", sagt Manfred Stärk, "aber sie tun sich manchmal schwer damit, das zu äußern." Dafür aber sei es höchste Zeit, findet Hans-Jörg Henneberg von Maurer, Rapp & Henneberg: "Wir haben uns bislang bewusst aus der Politik rausgehalten, aber in diesem Fall fanden wir, wir müssen Flagge zeigen." Das hat die Agentur auch ganz bildlich getan: vier Farbfelder, gelb für die Sonne in Südbaden, schwarz-rot für den Sport-Club, grün für den OB. Da kann Braun nicht dazu passen: "Braunes Denken trübt die Vielfalt unserer Stadt." Ähnliches will die Agentur "Die Werbeschmiede" verhindern, wenn sie - Streichhölzer in Reih und Glied - mahnt: "Bevor der Funke zum Flächenbrand wird!" Für Jens Helmbrecht ergibt sich die Mitarbeit an der Aktion aus einer gesellschaftlichen Verantwortung: "Gerade wir Profis haben die moralische Verpflichtung, Stellung zu beziehen." Das findet auch Harald Wehrle, dessen Agentur Harald Wehrle Kommunikation die Mac-Meldung "Systemfehler?" über den Glatzenkopf gesetzt hat.

Bei einem noch krasser besetzten Motiv ist die Agentur Schneider, Raabe & Partner geblieben. Ein Hakenkreuz, das krakenartig Wurzeln zu schlagen scheint. "Das wurde auch in den Teams heftig diskutiert", erzählt Nazli Kaner. Tatsächlich ist die Provokation gewollt. Anders haben sich die Kreativen von Woerlen Business Communications dem Thema genähert: ein Teller, Suppe samt Hakenkreuznudeln und der Text "Wer sich die Suppe einbrockt ..." Günther Matthes erklärt den Mix: "Es geht darum, dass der rechte Horror ganz alltäglich stattfindet - und dass jedes Tun am Ende verantwortet werden muss." In die Verantwortung nehmen will auch die Agentur Angela Liedler GmbH. Mit einer braunen Sehtesttafel kann man sich die Botschaft zusammen buchstabieren: "Rechtsextremismus macht blind."

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Badische Zeitung vom Mittwoch, 04. September 2002

Solidarisch gegen Rechts

Grüne zum NPD-Aufmarsch

KREIS EMMENDINGEN (BZ). Die Grünen im Kreistag Emmendingen unterstützen das Aufmarschverbot gegen die NPD in Freiburg. "Wir wollen keine Nazis, weder in Freiburg noch in der Region" so der Sprecher der Grünen im Kreistag, Stefan Bilharz.

Wenn die NPD am 14. September in Freiburg marschieren wolle, dürfe die Region nicht die Augen zu machen. "Wir haben in der Region in vielen Bereichen eine erfolgreiche Zusammenarbeit. Erwähnt sei nur der Regio-Nahverkehr." Die Grünen fordern die Region auf, Freiburg in der Auseinandersetzung zu unterstützen. Die Fraktion stehe voll hinter dem Aufruf "Für eine offene Stadt - Gegen Fremdenhass und Rassenwahn".

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Stuttgarter Nachrichten vom Dienstag, 03. September 2002

Schäuble verteidigt Verfassungsschutz

Stuttgart (ari) - Die Kritik des Landesverfassungsschutzes am Umgang der Stadt Freiburg mit einer geplanten NPD-Demonstration ist nach Ansicht von Innenminister Thomas Schäuble (CDU) vollauf gerechtfertigt. In einem Brief an OB Dieter Salomon (Grüne) verteidigt Schäuble Verfassungschutzvizepräsident Hans-Jürgen Doll, der gegenüber unserer Zeitung die Freiburger Verbotsverfügung rechtlich und politisch in Frage gestellt hatte. Wenn Doll das Freiburger Aktionsbündnis als problematisch bewerte, weil ihm auch linksextremistische Gruppen angehörten, dann sei dies "völlig in Ordnung". Auch die Einschätzung, wonach die Freiburger Verbotsverfügung geradezu zur Gewalt ermuntere, leuchte ein. Es könne also nicht die Rede davon sein, dass Doll seine Dienstpflichten verletzt habe.

Dies hatte Salomon in einem Brief an den Innenminister unterstellt und sich über Dolls Äußerungen beschwert. Dieser hat jedoch nach Schäubles Ansicht allenfalls das "beamtenrechtliche Gebot zur politischen Zurückhaltung" nicht in vollem Umfang beachtet. Insgesamt lege Salomon eine "Überreaktion" an den Tag, "die völlig außer Verhältnis zu den Äußerungen von Herrn Doll steht", heißt es in dem Brief.

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Badische Zeitung vom Dienstag, 03. September 2002

DGB grenzt keinen aus

Polizei hat keine Erkenntnisse über gewaltbereite linke Organisationen in Freiburg

Die Freiburger Polizei widerspricht dem Verfassungsschutz. "Es sind uns keine gewaltbereiten, linksextremistischen Organisationen bekannt", sagte ein Sprecher gegenüber der BZ. Beim heutigen Treffen des Bündnisses gegen die NPD-Demo will sich Hauptorganisator Jürgen Höfflin, Vorsitzender des  DGB Südbaden-Hochrhein, dafür stark machen, dass keine Gruppierungen ausgeschlossen werden.

"Wir beabsichtigen nicht, irgendeine Gruppe auszuschließen und wollen uns nicht spalten lassen", stellte der DGB-Chef gestern klar. Es sei widersprüchlich, kommunistische Organisationen oder Gruppen wie die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes ( VVN) mit ihrer historischen Vergangenheit aus einem Bündnis gegen Rechtsradikale auszuschließen. Alle Unterzeichner würden ausschließlich mit friedlichen Mitteln gegen den NPD-Aufmarsch demonstrieren, versicherte er. Im Gegensatz zur Aussage von Verfassungsschutzvizepräsident Hans-Jürgen Doll sind der Freiburger Polizei lediglich "linksorientierten Gruppen bekannt". Gesicherte Erkenntnisse über ein gewaltbereites Vorgehen gegen die NPD-Veranstaltung lägen ebenfalls nicht vor, sagte der Sprecher der Polizeidirektion, Klaus König. Da wisse der Verfassungsschutz mehr als die hiesige Polizei.

Die Landesbehörde hüllt sich mittlerweile in Schweigen. "Wir geben zu diesem Thema bis auf weiteres keine Auskünfte an die Presse", sagte der Pressesprecher des Landesamtes auf BZ-Anfrage. Der Angriff des Verfassungsschutzes ziele ins Leere, weil die eigentlich linksradikale Szene Freiburgs, die aus zehn bis zwölf informell vernetzten Gruppen bestehe, gar kein Interesse an dem bürgerlichen Aktionsbündnis habe, glaubt indes Holger Schatz, Mitarbeiter beim linksalternativen Radio Dreyeckland. Dass hier im Vorfeld des 14. September Ängste über "randalierende Autonome" aufgebauscht werden, glaubt auch Winnie Lutz, seit 15 Jahren Kenner der "Szene" und selbst in diversen Gruppen aktiv. "Die linksradikale Szene ist in Freiburg bestenfalls gedanklich aktiv", meint er. "Der Verfassungsschutz muss sich mächtig langweilen, weil hier praktisch überhaupt nichts passiert." Namentlich hatte Doll, wie von der BZ berichtet, unter anderem die VVN und die  Linke Liste/Friedensliste als "linksextremistisch beeinflusste Organisationen" für bündnisuntauglich befunden. Die VVN sieht sich selbst jedoch weder als verfassungsfeindliche noch als gewaltbereite Organisation. "Wir rufen ausschließlich zu friedlichen Protesten gegen die NPD auf", erklärte VVN-Kreisvorstand Heinz Siefritz.

Außerdem gehören dem zehnköpfigen VVN-Bundesvorstand auch Mitglieder der SPD und der CDU an. Siefritz, selbst SPD-Ortsvorsitzender in Umkirch, erklärt die Nähe zur  DKP damit, dass viele kommunistische Mitglieder im Dritten Reich verfolgt worden seien. Hinweise auf eine Observation der Linken Liste/Friedensliste finden sich im Jahresbericht des Verfassungsschutzes nicht. Mittlerweile ist das Aktionsbündnis gegen den Naziaufmarsch auf über 1200 Unterzeichner angewachsen. Austritte habe es auch nach der jüngsten Diskussion nicht gegeben, berichtet DGB-Chef Höfflin. Ganz im Gegenteil sei der Zulauf unvermindert groß.

Martin Höxtermann

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Badische Zeitung vom Dienstag, 03. September 2002

Schäuble rüffelt OB Salomon

Freiburgs OB verteidigt sich

STUTTGART/FREIBURG (ruf/mac). Landesinnenminister Thomas Schäuble hält es zwar nicht für die Sache des Verfassungsschutzes zu bewerten, wie die Stadt Freiburg die geplante NPD-Kundgebung am 14. September begründet. Aber inhaltlich teilt der CDU-Politiker, wie der stellvertretende Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Jürgen Doll, das Aktionsbündnis gegen die Kundgebung einschätzt: Schäuble nennt es "unerträglich".

Der Minister hat die Kritik von Freiburgs OB Dieter Salomon am Verfassungsschutz-Vize als "Überreaktion" zurückgewiesen. Aber er hat eingeräumt, dass Doll "das beamtenrechtliche Gebot zur politischen Zurückhaltung" eventuell nicht "in vollem Umfang berücksichtigt habe", auch wenn der Beamte "seine Dienstpflicht nicht in eklatanter Weise verletzt" habe. Salomon hatte sich bei Schäuble über Doll beschwert, weil dieser über die Verbotsverfügung der Stadt gegen die Kundgebung geurteilt hatte, sie trage "die Rechtswidrigkeit auf der Stirn" und ermuntere zur Gewalt.

Schäuble zufolge ist es "herabwürdigend", dass Salomon Doll einen "Verfassungsschutz-Fiffi" nenne. Und für "schlimm" hält der Minister den Satz der Verfügung, das "geschlossene Auftreten der NPD" sei " eine Provokation anders denkender Menschen, die durch diesen Aufzug zur Begehung von Straftaten verleitet werden": Da schimmere Verständnis für potenzielle Straftaten durch. Salomon räumt ein, diese Formulierung sei "unglücklich" gewesen.

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Badische Zeitung vom Dienstag, 03. September 2002

MÜNSTERECK

Vermintes Gelände

Die Antwort des Innenministers

Das Ping-Pong-Spiel um die NPD-Demo ist wohl beendet. Innenminister Thomas Schäuble balanciert in seinem Brief an Oberbürgermeister Salomon durchs verminte Gelände, das ihm sein zweitoberster Verfassungsschützer beschert hat. Zum einen relativiert Schäuble die Aussagen von Vizepräsident Hans-Jürgen Doll mit dem Hinweis, dessen Interview sei nicht autorisiert gewesen. Und er räumt Zweifel ein, dass der Beamte Doll die gebotene politische Zurückhaltung an den Tag gelegt hat. Zum anderen verteidigt er die inhaltliche Kritik, wonach eine Stadtverwaltung nicht mit linksextremen Gruppierungen gemeinsame Sache machen dürfe. Kurzum: Doll dürfte einen auf den Deckel bekommen haben, auch wenn sein Dienstherr der Ansicht ist, dass er Recht hat.

Nun zeigt der Schlagabtausch auch das Binnenverhältnis von Behörden. Ein Verfassungsschützer überrumpelt mit seiner Behauptung nicht nur eine Stadtverwaltung, sondern auch die Kollegen von der Polizei vor Ort. Denen ist nämlich von gewaltbereiten Linken in Freiburg nichts bekannt. Da stellt sich schon die Frage, auf welchen staatlichen Ebenen wer wie was tut? Auf welchen Kanälen die Informationen fließen - oder auch nicht? Oder hat das Ganze etwas mit Wahlkampf zu tun? Denn spannend bleibt, wie die Freiburger CDU reagiert: gemeinsam mit den angeblich linksextremistischen Gruppen gegen die NPD - oder raus aus dem Bündnis?

Uwe Mauch

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Badische Zeitung vom Dienstag, 03. September 2002

Kein "Aufstand der Anständigen"

Drei Szeneaktivisten zum Vorwurf des "Linksextremismus"

Nur Randale im Kopf? Unabhängig vom Aktionsbündnis des DGB rufen linke Gruppen rund um den Szenetreff KTS am 14. September zu eigenen Aktivitäten gegen die geplante NPD-Kundgebung in Freiburg auf. BZ-Mitarbeiter Martin Höxtermann hat sich innerhalb der so genannten "linksextremistischen Szene" Freiburgs umgehört und drei Mitglieder, die in verschiedenen Gruppen aktiv sind, zu ihrem politischen Selbstverständnis und ihrer Meinung zu der bevorstehenden NPD-Demonstration befragt. Die Szeneaktivisten wollten anonym bleiben.

Student, 26 Jahre: Ich lehne die Bezeichnung "linksextremistisch" ab, weil man im Kontext der Totalitarismustheorie schnell zusammen mit "Rechtsextremisten" in eine Ecke gestellt wird. Ich bezeichne mich lieber als "Rätekommunisten" oder "Anarchisten" und sehe mich in der politischen Tradition der "Pariser Commune", des anarchistischen Spaniens oder der antiautoritären 68er-Bewegung. Die jetzt vom Verfassungsschutz angezettelte Gewaltdiskussion ist eine Strategie, um die Linke zu spalten und zu schwächen. Die Gewalt geht doch von den Neofaschisten aus. Deshalb muss man den Nazi-Aufmarsch auf jeden Fall mit allen notwendigen Mitteln verhindern.

Schülerin, 18 Jahre: Ich verstehe mich als eine revolutionäre Sozialistin und trete für eine absolut demokratisch organisierte Gesellschaft ein. Das ist für mich eine Rätedemokratie mit offenen Grenzen, in der jeder den Ort, an dem er leben möchte, frei und unabhängig von Staatsangehörigkeiten wählen kann, und in der es kein Privateigentum an Produktionsmitteln gibt. Ich möchte allerdings keinen Staats-Sozialismus à la DDR, sondern eine von unten her selbstverwaltete Gesellschaft. Randale um der Randale willen lehne ich ab, halte aber Gewalt, die von der Mehrheit der Bevölkerung als Gegengewalt mitgetragen wird, für legitim. Am 14. September sollte man alles versuchen, um die NPD friedlich zu stoppen. Sollte es jedoch zu Angriffen auf Demonstranten kommen, sei es von den Nazis oder von der Polizei, dann muss man sich auch mit entsprechenden Mitteln verteidigen können.

Forstwirt, 38 Jahre: Ich bin "Rätekommunist" und lehne einen "Aufstand der Anständigen", der nur die städtische Imagepflege zum Ziel hat, ab. Ich wünsche mir, dass am 14. September möglichst viele Menschen am Freiburger Hauptbahnhof sein werden, damit die Neo-Nazis gar nicht erst loslaufen können. Die Aufforderung, Eier und Tomaten mitzubringen, ist für mich kein Aufruf zur Gewalt. Das sind schließlich nur Lebensmittel, die niemanden ernsthaft verletzen können. Es ist lächerlich, dies als Gewalt zu bezeichnen. Wenn man sieht, was die Neofaschisten in den vergangenen Jahren schon alles angestellt haben, wie viele Verletzte und Tote auf ihr Konto gehen, ist praktische Gegenwehr dringend erforderlich.

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Badische Zeitung vom Dienstag, 03. September 2002

BRIEFE AN DIE BZ

"Horizont auf links beschränkt"

Wer schützt uns Bürger und unsere demokratische Verfassung eigentlich vor den Schnüfflern des "Verfassungsschutzes"? Der Name dieser Behörde lacht allem Hohn, was ich bisher gesehen oder gehört habe. Dieser ist kein Schutz der Verfassung und der demokratischen Grundordnung Deutschlands sondern eine nicht zu unterschätzende Gefährdung! Wie in den vorigen Jahrzehnten ist diese Behörde auf dem rechten Auge blind. Kein Wunder, wenn der halbe Verein Mitglied in der NPD ist und die Arbeit der Bundesregierung und der Opposition auf dilettantischste Art und Weise torpediert wird (schließlich ist die CDU/CSU auch für einen Verbotsantrag der NPD).

Mittlerweile sind durch rechtsextremistische Gewalttaten über 120 Menschen ermordet worden. Das wurde vom Verfassungsschutz bis dahin immer bestritten. Erst zwei große Tageszeitungen mussten diese feigen Morde und ihre Anschläge dokumentieren ( Frankfurter Rundschau und Süddeutsche Zeitung). Auch die Beobachtung der unterschiedlichen Gruppierungen sagt einiges aus. So wurde beim Neubau des Landesamtes für Verfassungsschutz von Thüringen vor zwei Jahren doppelt soviel Bürofläche für den Linksextremismus gebaut wie für den Rechtsextremismus (Der Spiegel, Juni 1999). Vermutlich ist es hier nicht anders. Und was macht dieser Chef vom baden-württembergischen "Ministerium für Staatssicherheit"? Er labert irgendeinen altbackenen Müll über Motorradclubs, Vereinigungen von Antifaschisten und anderen demokratischen Organisationen in der Stuttgarter Presse aus, ohne konkret zu werden und den Dienstweg einzuhalten.

In jedem Betrieb würden solche Versager fristlos gekündigt. Wir aber müssen diese hoch dotierten "Schützer des Rechtsextremismus" auch noch durch unsere Steuergelder finanzieren. Wer schaut denen eigentlich auf die Finger, ob die ihre Arbeit für den demokratischen Staat richtig machen? Deren Horizont ist nur auf links beschränkt. Ich jedenfalls werde dabei sein und mich über alle freuen die mit marschieren (auch auf die CDU - obwohl Rechtsradikale wie Gauweiler dort Mitglied sind) gegen alte, neue und subversive Nazis.

Günter Stein, Teningen

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Neues Deutschland vom Montag, 02. September 2002

Verfassungsschutz springt NPD zur Seite

Kritik an Demoverbot in Freiburg und Angriffe auf DGB-Aktionsbündnis

Das baden-württembergische Landesamt für Verfassungsschutz hat das Verbot der Stadt Freiburg gegen eine am 14. September geplante NPD-Demonstration scharf kritisiert und das vom  DGB initiierte Aktionsbündnis »Für eine offene Stadt - Gegen Fremdenhass und Rassenwahn« angegriffen.

Das Aktionsbündnis paktiere mit »gewaltbereiten Linksextremisten«, so begründete der Verfassungsschutz seinen in dieser Form ungewöhnlichen Vorstoß. Das Bundesverfassungsgericht habe klar gestellt, dass auch zugelassene rechtsradikale Parteien demonstrieren dürften, sofern von ihnen keine Straftaten zu erwarten seien, erklärte Hans-Jürgen Doll, Vizepräsident beim Stuttgarter Verfassungsschutz, in den  Stuttgarter Nachrichten. Deshalb müssten die Kommunen rechtsradikale Aufmärsche ermöglichen, folgerte der Verfassungshüter. Diesem »Schutzauftrag« sei die Stadt Freiburg jedoch nicht nachgekommen, weil sie eine von der NPD angemeldete Demonstration verboten habe. »Diese Verfügung trägt nicht nur die Rechtswidrigkeit auf der Stirn, sie ermuntert geradezu zur Gewalt«, ereiferte sich Doll.

Auch das von der Stadt unterstützte Aktionsbündnis ist dem Verfassungswächter ein Dorn im Auge, weil ihm auch »linksextremistische Gruppen« wie die  DKP, die Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes/Bund der Antifaschisten ( VVN-BdA), die örtliche  Linke Liste/Friedensliste sowie »gewaltbereite Autonome« angehörten.

In Freiburg reagierte man auf die ungewöhnlich polemischen Vorwürfe empört. »Diese Äußerungen sind symptomatisch für eine Haltung des Verfassungsschutzes, die in der Geschichte der BRD praktisch immer nur den Kampf gegen Links und nicht gegen Rechts geführt hat«, kommentierte Hendrijk Guzzoni von der DKP Freiburg. »Da melden sich die Finanzierer der NPD zu Wort«, konterte die Freiburger VVN, die sich über die »schmierige Kampagne« des Verfassungsschutzes »entsetzt« zeigte.

In einem Schreiben an Landesinnenminister Thomas Schäuble (CDU) betonte Freiburgs Oberbürgermeister Dieter Salomon (Bündnis 90/Die Grünen), dass der Gemeinderat einstimmig beschlossen habe, »alle politischen und rechtlichen Mittel« gegen den braunen Aufmarsch zu nutzen. »Hier wird eine politische Antwort auf die geplante NPD-Veranstaltung gegeben. Denn in einer wachen und sensiblen Stadt wie Freiburg wäre es völlig unmöglich gewesen, einen NPD-Aufmarsch einfach zu ignorieren und totzuschweigen«.

Der Vorwurf, in dem Bündnis seien auch gewaltbereite Gruppierungen vertreten, sei durch nichts belegt. »Aber wenn der Verfassungsschutz konkrete Hinweise hat, muss er die der Stadt und der Polizeibehörde auf dem Dienstweg mitteilen, nicht über Presseartikel«, sagte Salomon. Auch DGB-Landeschef Rainer Bliesener wies die Kritik der Schlapphüte zurück. Zu Ende gedacht rufe Doll zur Untätigkeit und zum Wegsehen auf. Damit verliere der Verfassungsschutz jede Glaubwürdigkeit im Kampf gegen den Rechtsextremismus.

»Wir werden niemanden ausschließen«, versicherte Freiburgs DGB-Chef Jürgen Höfflin gegenüber ND. Hier habe sich ein buntes Bündnis aus Parteien, Vereinen, Verbänden, kirchlichen Gruppen und Einzelpersonen zusammengefunden, um friedlich gegen den NPD-Aufmarsch zu demonstrieren. Unter dem Motto: »Freiburg steht auf - Gegen Fremdenhass und Rassenwahn« ist unter Schirmherrschaft von Sozialbürgermeister Ulrich von Kirchbach (SPD) am 14. September ein breit gefächerter Aktionstag geplant - mit vielen Open-Air-Konzerten, Infoständen, kulturellen Darbietungen, einem Familienfest sowie einer antifaschistischen Demonstration, zu der 10000 Teilnehmer erwartet werden, inklusive des kompletten Freiburger Stadtrats.

Zur NPD-Demo in Freiburg unter dem Motto »Gegen Globalisierung und Meinungsdiktatur« werden rund 1000 Neonazis erwartet, unter anderem auch der stellvertretende NPD-Bundesvorsitzende Holger Apfel. Auch Autonome und linksradikale Gruppen in Freiburg rufen dazu auf, die Nazimarschierer zu stoppen, und zwar »mit allen Mitteln«. Anders als vom Verfassungsschutz behauptet, gehören sie jedoch dem Aktionsbündnis nicht an und grenzen sich in eigenen Aufrufen politisch von ihm ab. Im Internet ist dies unter www.aufdiegoschen.de.vu nachzulesen.

Martin Höxtermann

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Badische Zeitung vom Samstag, 31. August 2002

DRUCK-SACHE

Verharmlosung

Der CDU-Kreisverband Freiburg kritisiert in einer Pressemitteilung die Aussagen des SPD-Kreisvorsitzenden Ulrich von Kirchbach zu den Äußerungen des Vizepräsidenten vom Landesamt für Verfassungsschutz, Hans-Jürgen Doll, zum Freiburger Bündnis gegen die NPD-Kundgebung. Doll hatte verschiedene Beteiligte an dem Bündnis als "linksextremistisch" eingestuft, wogegen sich Kirchbach aussprach.

Die CDU wertet Kirchbachs Kritik nun als "eine unzulässige Verharmlosung linksextremistischer Gruppen". Es sei "eine absolute Selbstverständlichkeit", dass die Stadtverwaltung "weder mit links- noch mit rechtsextremistischen Gruppierungen in irgendeiner Form gemeinsame Sache" machen dürfe. Die Forderung der SPD an den CDU-Landeschef Erwin Teufel und den Freiburger CDU-Vorsitzenden Klaus Schüle, sich von Dolls Äußerungen zu distanzieren, nennt die CDU in ihrer Mitteilung eine "absurde Forderung". Vielmehr fordert die CDU, dass sich die SPD klar von linksextremistischen Gruppen distanziere.

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Badische Zeitung vom Samstag, 31. August 2002

Schmitt für Initiative gegen NPD-Kundgebung

LÖFFINGEN (gw). Dem Löffinger Bürgermeister Frank Schmitt ist es ein Anliegen, dass die Stadt Löffingen die Initiative der Stadt Freiburg gegen eine geplante NPD-Kundgebung am 14. September in Freiburg begrüßt und unterstützt. Ein entsprechender Beschlussvorschlag wird dem Gemeinderat vorgelegt. Schmitt greift den Aufruf des Freiburger Oberbürgermeisters Dieter Salomon an die Mitglieder und Delegierten der Region Freiburg auf, hier gemeinsam ein Zeichen zu setzen, dass rechtsradikale Tendenzen in der Stadt und in der Region keine Chance haben. Schmitt: "Auch die Stadt Löffingen versteht sich als offene Stadt, in der Fremdenhass und Rassenwahn keinen Platz bekommen sollen."

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Badische Zeitung vom Mittwoch, 28. August 2002

DRUCK-SACHE

Weitere Kritik an Doll

Die Deutsche Kommunistische Partei ( DKP) Freiburg und das Freiburger Friedensforum kritisieren in zwei Pressemitteilungen die Äußerungen des Verfassungsschützers Hans-Jürgen Doll einhellig. Doll hatte im Zuge der Debatte über den geplanten NPD-Aufmarsch der Linken Liste/Friedensliste vorgehalten, "linksextremistisch beeinflusst" zu sein. Die DKP bezeichnet diese Aussagen Dolls als "höchst befremdlich". Das Freiburger Friedensforum nennt die Äußerungen "recht durchsichtig" und ist sich sicher: "Die Mehrheit der Bevölkerung will sich dies nicht bieten lassen und organisiert sich." Laut Freiburger Friedensforum stellt sich das Freiburger Bündnis nach wie vor "den Nazis laut, bunt und kreativ, gewaltfrei und friedlich" in den Weg.

Die DKP Freiburg nimmt Dolls Aussage zum Anlass, ihn zu ihrer Veranstaltung am Donnerstag, 5. September, um 20 Uhr in den Gasthof "Goldene Krone", Kronenstraße 6, mit dem Politikwissenschaftler Gerd Wiegel zum Thema "Linksextrem - Rechtsextrem? Wem nützt die Totalitarismus-Debatte?" einzuladen.

ELK/HPF

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Badische Zeitung vom Mittwoch, 28. August 2002

BRIEFE AN DIE BZ

"Schutz vor den Schützern"

Wer schützt uns Bürger und unsere demokratische Verfassung eigentlich vor den Schnüfflern des "Verfassungsschutzes"? Der Name dieser Behörde lacht allem Hohn, was ich bisher gesehen oder gehört habe. Dieser ist kein Schutz der Verfassung und der demokratischen Grundordnung Deutschlands sondern eine nicht zu unterschätzende Gefährdung! Wie in den vorigen Jahrzehnten ist diese Behörde auf dem rechten Auge blind. Beim Neubau des Landesamtes für Verfassungsschutz von Thüringen wurde laut Spiegel vor zwei Jahren die doppelte Anzahl von Büroflächen für den Linksextremismus geplant und gebaut als für den Rechtsextremismus Sicher ist es in Baden Württemberg nicht anders. Und was macht dieser Chef vom badenwürttembergischen "Ministerium für Staatssicherheit"? Er labert irgendeinen altbackenen Müll über Motorradclubs, Vereinigungen von Antifaschisten und anderen demokratischen Organisationen in der Stuttgarter Presse aus, ohne konkret zu werden und den Dienstweg einzuhalten.

Liebe Freiburger, lasst euch durch solche Typen nicht verschrecken, die können nicht anders, da ihr Horizont nur auf links beschränkt ist. Ich jedenfalls werde dabei sein und mich über alle freuen die mit marschieren (auch auf die CDU) gegen alte, neue und subversive Nazis.

Günter Stein, Teningen

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junge Welt vom Dienstag 27. August 2002

Freiburg wehrt sich

Verfassungsschützer unterstellt Bürgerbündnis gegen NPD-Aufmarsch Gewaltbereitschaft

»Freiburg wird am 14. September als eine offene und tolerante Stadt Flagge zeigen«, betonte Freiburgs Sozialbürgermeister Ulrich von Kirchbach (SPD) Anfang des Monats vor Medienvertretern. Gemeinsam mit dem örtlichen DGB-Chef Jürgen Höfflin stellte er seinerzeit das reichhaltige Programm vor, das rund 100 Gruppen und Einrichtungen an besagtem Tag auf die Beine stellen werden. Neben ganztägigen Veranstaltungen für Familien und Jugendliche ist auch eine antifaschistische Demonstration geplant, zu der 10000 Teilnehmer erwartet werden - darunter der komplette Freiburger Stadtrat. Motto: »Freiburg steht auf - Gegen Fremdenhaß und Rassenwahn«. Anlaß ist eine von der NPD angemeldete Demonstration eine Woche vor der Bundestagswahl, zu der mit 1000 Neonazis in der Stadt gerechnet wird.

Gegen das von der Stadt verfügte Verbot der Demonstration haben die Rechtsradikalen Widerspruch eingelegt. Die Erfahrung in ähnlich gelagerten Fällen lehrt, daß das zuständige Verwaltungsgericht ihrem Antrag aller Voraussicht nach stattgeben wird. Sehr zur Zufriedenheit von Hans-Jürgen Doll, Vizepräsident des Landesamtes für Verfassungsschutz in Baden-Württemberg. Für ihn sei die NPD zwar eine »widerliche Partei«, solange sie jedoch nicht verboten sei, müsse sie alle Grundrechte in Anspruch nehmen dürfen. Die Behörden müßten ihrem »Schutzauftrag« für solche Aufmärsche nachkommen, forderte Doll vergangenen Donnerstag in den Stuttgarter Nachrichten. Das von der Freiburger Stadtverwaltung verhängte Verbot trage »nicht nur die Rechtswidrigkeit auf der Stirn«, sondern »ermuntert geradezu zur Gewalt«, befand Doll. »Problematisch« aus der Sicht Dolls ist zudem, daß dem von der Stadt unterstützten »Aktionsbündnis« angeblich »linksextremistische und gewaltbereite Gruppen« angehörten - darunter die DKP, die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) sowie die kommunale Linke Liste/Friedensliste, die mit zwei Stadträten im Gemeinderat vertreten ist.

Die Stadt wies die pauschalen Vorwürfe Dolls umgehend zurück. In einem Schreiben an Landesinnenminister Thomas Schäuble (CDU) erinnerte OB Salomon daran, daß der Freiburger Gemeinderat einstimmig beschlossen hat, »alle politischen und rechtlichen Mittel« gegen den braunen Aufmarsch zu nutzen. Auch DGB-Landeschef Rainer Bliesener wies die Kritik der Schlapphüte zurück. »Wir verwahren uns mit aller Schärfe gegen den Versuch von Herrn Doll, den DGB und die vielen Unterstützer der Aktionen gegen den Naziaufmarsch in die Nähe gewaltbereiter Gruppen zu rücken«. Zu Ende gedacht, rufe Doll mit seiner Kritik zur Untätigkeit und zum Wegsehen auf. »Das größere Problem wird sein«, so Salomon, »daß man bei einer Kundgebung überhaupt nicht weiß, wer von der NPD dem Verfassungsschutz angehört.«

Martin Höxtermann

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Badische Zeitung vom Dienstag 27. August 2002

SPD beklagt "politische Entgleisungen"

Kritik am Verfassungsschutz

Als "politische Entgleisungen" hat die Freiburger SPD die Aussagen des Vizepräsidenten des Landesamts für Verfassungsschutz bezeichnet. Hans-Jürgen Doll hatte die Stadt kritisiert, weil sie die NPD-Demo am 14. September verboten hat und damit den Gerichten die Entscheidung überlasse. Darüber hinaus hatte er dem Bündnis gegen Rechts vorgeworfen, in seinen Reihen linksextreme und gewaltbereite Gruppierungen zu dulden (BZ vom  23. und  24. August).

Der Verfassungsschützer "diffamiert demokratische Kräfte der Freiburger Bürgerschaft", teilte gestern SPD-Kreisvorsitzender und Sozialbürgermeister Ulrich von Kirchbach mit. Verbunden mit der Kritik am grünen Oberbürgermeister Dieter Salomon, ließen Dolls Aussagen "auf Einmischung zur Bundestagswahl schließen." Und einen "gewählten Stadtrat der Linken Liste wie Michael Moos als Linksradikalen und Verfassungsfeind zu verdächtigen und ihn damit auf eine Stufe mit der NPD zu stellen ist ungeheuer." (siehe auch unten stehendes  Interview). Kirchbach fordert CDU-Landeschef Erwin Teufel sowie den Freiburger CDU-Chef Klaus Schüle auf, sich von "der ungebetenen Wahlhilfe öffentlich zu distanzieren."

Distanziert hat sich inzwischen der links orientierte Motorradclub  Kuhle Wampe von der Gruppierung "AufDieGoschen". Diese hatte auf der Homepage des Bikerclubs einen Link bekommen (also einen Hinweis, der per Mausklick auf die eigene Homepage führt). "Wir wollen mit denen keinesfalls in Verbindung gebracht werden", sagte Mathias Krißmer gestern gegenüber der BZ. Deren Internet-Seiten mit dem Aufruf, mit "allen Mitteln" die NPD-Demo zu stoppen, habe er nicht gekannt. Den Link hat er am Samstag entfernt. Krißmer räumt ein, "etwas blauäugig" gewesen zu sein. Die Leute von "AufDieGoschen" kennt er nur via E-Mail.

Keine Berührungsängste hat hingegen "Jugend für Menschlichkeit und Toleranz" (kurz:  Jugend für M.u.T.), in der sich unter anderem Jugendrat, Junges Freiburg, Schülerrat, Stadtjugendring und JugendDenkMal zusammengeschlossen haben. "Wir werden den Link beibehalten", sagte Benjamin Greschbach, der die Homepage für "Jugend macht M.u.T." betreut. Er wolle darauf hinweisen, "was im Internet zur NPD-Demo läuft." Konsequenterweise findet sich sogar ein Hinweis zu einer NPD-Homepage. "Wir gehen vom kritischen Internet-Nutzer aus, dem wir ein breites Angebot unterbreiten, egal, ob wir die Informationen für richtig oder falsch halten."

Rathaussprecher Walter Preker hingegen will "Jugend macht M.u.T." dazu bewegen, den Link zu löschen. Grund: Die Homepage der Stadt ist verlinkt mit der jungen Organisation. Bereits rausgeschmissen hat Preker bekanntlich den Link zur Internet-Seite der "Kuhlen Wampe" - die aber ist inzwischen ja radikalenfrei.

Uwe Mauch

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Badische Zeitung vom Dienstag 27. August 2002

"Der Verfassungsschutz ist keineswegs neutral"

DREI FRAGEN AN Michael Moos, Stadtrat der Linken Liste und, laut Verfassungsschutz, "linksextremistisch beeinflusst"

In seiner Rundumkritik zur Reaktion der Stadt Freiburg auf den geplanten NPD-Aufmarsch bezichtigte Verfassungsschützer Hans-Jürgen Doll kürzlich auch die  Linke Liste/Friedensliste und deren Stadträte Hendrik Guzzoni und Michael Moos, "linksextremistisch beeinflusst" zu sein. Julia Littmann sprach mit Michael Moos über diese Vorwürfe.

BZ: Reicht das Freiburger "Bündnis gegen Rechts" zu weit nach links?

Michael Moos: Das Besondere am Freiburger Bündnis ist sicher, dass es ein politisch sehr breites Bündnis ist. Und der gemeinsame Konsens verläuft dort, wo wir uns alle auf Gewaltlosigkeit verständigt haben. Ich selbst habe mich beim ersten Bündnistreffen sehr dafür eingesetzt, dass die Gewaltfreiheit in unserer Erklärung explizit genannt wird. Dass da jetzt der Vorwurf des "Linksextremismus" aufgetischt wird, ist eine uralte Masche, die immer dann kommt, wenn ein starkes, breites Bündnis mit linker Beteiligung gut funktioniert.
Im Übrigen steht nichts davon im Verfassungsschutzbericht, dass die Linke Liste überwacht wird. Und dann muss man sich natürlich auch im Klaren sein, dass der Verfassungsschutz selbst ja keineswegs eine neutrale Einrichtung ist, sondern selbst massiv politische Interessen verfolgt. Das tut er in diesem Fall mit dem dreisten Versuch, durch diffamierende Behauptungen das Freiburger Bündnis zu spalten.

BZ: Welches Interesse mag hinter diesem Vorgehen stecken?

Moos: Im günstigsten Fall diese Idee, den NPD-Aufmarsch bloß nicht aufzubauschen, sondern möglichst mit der Tagesordnung weiterzufahren, als ob nichts wäre. Diese "Totschweige-Taktik" geht von einer fatalen Fehleinschätzung des Rechtsextremismus aus. Der Verfassungsschutz täte gut daran, statt Störmanöver zu veranstalten, rechtsradikale Gewalttaten zu verhindern.

BZ: Ist das Freiburger Bündnis nach der Verfassungsschutz-Offensive geschwächt?

Moos: Das kann ich mir nicht vorstellen. Gerade in Freiburg kann man davon ausgehen, dass die Menschen hier wissen, was die angemessene Antwort auf diesen Ruf nach Distanzierung und Spaltung ist - dass nämlich am 14. September 10 000 auf der Straße sind und den NPD-Aufmarsch verhindern.

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Badische Zeitung vom Montag, 26. August 2002

DRUCK-SACHE

Schmierige Kampagne

"Entsetzt über die schmierige Kampagne des Verfassungsschutzes" ist der Kreisvorstand der "Vereinigung des Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten" ( VVN-BdA). Wie die BZ am Samstag berichtete, hat der Vizepräsident des Landesamts für Verfassungsschutz Hans-Jürgen Doll kritisiert, dass dem Bündnis gegen die NPD-Demonstration am 14. September auch "linksextremistisch beeinflusste" Unterstützer angehörten. Dazu zählt er die VVN-BdA. In einer Pressemitteilung weist die Organisation "die infame Lüge aufs schärfste zurück." Der VVN-BdA genieße in Freiburg hohes Ansehen und breite Akzeptanz. "Viele Menschen kennen unser aufrichtiges Wirken für Demokratie, soziale Gerechtigkeit sowie für eine Gesellschaft ohne Antisemitismus, Militarismus, Rassismus, Revanchismus." Der Kreisvorstand fragt sich, ob der "Verfassungsschutz von seinen eigenen personellen und finanziellen Verstrickungen mit der NPD ablenken" wolle. Dass sich die Freiburger CDU diese "verlogene Kampagne zu eigen macht, schlägt dem Fass den Boden aus", sei aber gleichwohl nicht überraschend. CDU-Kreisvorsitzender Klaus Schüle hatte den Oberbürgermeister gebeten, die Hinweise des Verfassungsschutzes zu prüfen und "gegebenenfalls" solche Gruppierungen aus dem Bündnis auszuschließen.

Anzeige erstattet

Im ganzen Stadtgebiet sind die Plakate der CDU-Bundestagskandidatin Angelika Doetsch zerstört worden. Vor allem im Zentrum, in Littenweiler und in St. Georgen. Zum Teil haben die Unbekannten auch die dreieckigen Ständer zerbrochen. Weil die Plakate der anderen Kandidaten unversehrt geblieben sind, geht Kreisvorsitzender Klaus Schüle von einer gezielten Aktion aus und hat Anzeige gegen Unbekannt erstattet.

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Der Sonntag vom Sonntag, 25. August 2002

Kein Demo-Monopol

Aktionen gegen NPD auch außerhalb des Bündnisses geplant

Erst seit dieser Woche wird die Vermutung diskutiert, am Protest gegen die NPD könnten sich möglicherweise gewaltbereite Gruppierungen beteiligen. Szenekenner wissen schon länger, dass zumindest Aktionen geplant sind, die nicht innerhalb des offiziellen Bündnisses stattfinden sollen, wie auch ein vergangene Woche in der Stadt verteiltes Flugblatt belegt.

DGB-Chef Jürgen Höfflin hatte vor Wochen angedeutet: "Wir können nicht ausschließen, dass irgendwelche Organisationen oder Leute, die nicht im Bündnis organisiert sind, auch Aktionen planen." Darüber hinaus war es um diese Frage aber still geblieben. Erst seit vergangene Woche der Verfassungsschützer Hans-Jürgen Doll die Stadt Freiburg auf dubiosem Weg über linksextremistische Aktivitäten warnte - über die  Stuttgarter Nachrichten anstatt auf dem Amtsweg - wird öffentlich diskutiert, dass am 14. September nicht alles nach Plan verlaufen könnte.

Die anonyme Broschüre "NPD-Pläne zu Fall bringen", die seit Tagen in Kneipen ausliegt, verdeutlicht dies. Neben szeneüblichen Rundumschlägen gegen Globalisierung, Kapital oder Edmund Stoiber steht dort: "Blockade 13 Uhr Hauptbahnhof" und: "Es genügt nicht, 'good will'-Parolen abzugeben und fernab der Aufmarschroute der Nazis zu demonstrieren." Vieles deutet darauf hin, dass der NPD bereits der Zugang zur geplanten Route in die Eisenbahnstraße verwehrt werden soll.

In einem Brief forderte der CDU-Kreisvorsitzende Klaus Schüle den Oberbürgermeister dazu auf, gewalttätige Gruppierungen vom "Aktionsbündnis fernzuhalten". Wohl vergeblich: "Wir sehen uns ohnehin nicht als Teil des organisierten Bündnisses" lassen Szenekenner verlauten (Namen sind der Redaktion bekannt). Sich an von der Stadt organisierten Veranstaltungen zu beteiligen, sei ohnehin nicht geplant. "Fallt nicht auf das Gerede vom Gemeinderat über die offene Stadt und seine Alibi-Veranstaltung gerein", steht im Flugblatt. Die Aufregung über die Verfassungsschutz-Warnung versteht man in der Freiburger Linken kaum: "Wo die Nazis auftreten, ist immer auch die extreme Gegenseite da", heißt es, und: "Die Stadt braucht sich nicht einbilden, sie hätte das Monopol auf Antifa-Veranstaltungen."

"Wir verlassen uns nicht auf legale Mittel oder Verbote", verkündet die Webseite mit dem Titel "aufdiegoschn", die für den NPD-Aufmarsch angelegt wurde. Eine "Schlafplatzbörse" ist dort ebenfalls angelegt - mit Demonstrationswilligen von Außerhalb muss gerechnet werden. Die Arbeitsanweisung für Auswärtige und Einheimische verkündet wieder das Flugblatt: "Nehmt Trillerpfeifen, faules Obst, Eier, und Plakate mit."

Jens Kitzler

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Badische Zeitung vom Samstag, 24. August 2002

Rathaus fühlt sich durch Link von Linken gelinkt

Autonome wollen mit "allen Mitteln" die NPD-Demo stoppen / Stadt löscht auf ihrer Homepage Vernetzung mit Linksradikalen

Der Streit um das Freiburger Bündnis gegen die NPD-Demo am 14. September nimmt an Schärfe zu. In einem Brief an Innenminister Thomas Schäuble als Dienstherr des Landesamtes für Verfassungsschutz hat sich Oberbürgermeister Dieter Salomon gegen "die pauschalen Vorwürfe" der Behörde verwahrt, wonach gewaltbereite Gruppierungen im Bündnis vertreten seien. Gleichzeitig musste gestern Rathaussprecher Walter Preker einräumen, dass am frühen Nachmittag ein Link im Internetangebot der Stadt gelöscht wurde, der zur Seite des Motorradclubs  Kuhle Wampe führte, die wiederum verlinkt war mit der Internetseite einer Gruppe namens "Auf die Goschen". Sie fordert dazu auf, "sich den Nazimarschierern direkt entgegen zu stellen - und zwar mit allen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen." Die weitere Empfehlung: Trillerpfeifen, faules Obst und Eier mitnehmen. "Vorläufiger Termin: Blockade, 13 Uhr, Hauptbahnhof."

"Davon haben wir nichts gewusst", sagte Sprecher Preker gestern: "Das war nicht in Ordnung, und dafür muss die Pressestelle den Kopf hinhalten." Allerdings sei ein Internetanbieter nicht verantwortlich für die Inhalte eines Links auf einer anderen Homepage. Er betonte, dass das breite Bündnis mit mehr als hundert Organisationen gewaltfrei gegen die NPD am 14. September aufstehen will. Die Autonomen seien eine "verschwindend kleine Minderheit", mit der Gespräche keinen Sinn hätten.

Doch Hans-Jürgen Doll nannte gegenüber dem Südwestrundfunk noch weitere Unterstützter, die "linksextremistisch beeinflusst" seien: die Linke Liste/Friedensliste, die mit Hendrijk Guzzoni und Michael Moos zwei Stadträte stellt, die "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund des Antifaschistinnen und Antifaschisten" und die Deutsche Kommunistische Partei.

Der Vorstoß Dolls sei mit dem Innenministerium nicht abgestimmt gewesen, versicherte gestern ein Sprecher. Minister Schäuble werde Salomons Brief so schnell wie möglich beantworten. Mehr wollen weder er noch das Landesamt für Verfassungsschutz zu dem Thema sagen.

Freiburgs CDU-Vorsitzender Klaus Schüle forderte gestern den Oberbürgermeister auf, den Hinweisen des Verfassungsschutzes nachzugehen und gegebenenfalls diese Gruppierungen vom Bündnis fern zu halten. Hingegen vermutet die grüne Fraktionsvorsitzende Maria Viethen, der Verfassungsschutz wolle "dieses breite Bündnis spalten" und von eigenen Fehlern im Umgang mit Rechtsextremisten ablenken.

Als "skandalös" bezeichnet die Linke Liste/Friedensliste die Vorwürfe Dolls angesichts der "Verquickung von Verfassungsschutz und NPD". Vielleicht sei sogar der Entschluss, in Freiburg zu demonstrieren vom Verfassungsschutz direkt mitbestimmt worden.

Jürgen Höfflin, Vorsitzender des DGB Südbaden-Hochrhein und damit Initiator des Bündnisses, versichert: "Der Aufruf zur Demo wurde von keiner gewaltbereiten Organisation unterzeichnet."

Uwe Mauch

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Frankfurter Rundschau vom Samstag, 24. August 2002

"Verfassungsschutz-Fiffi"

Freiburgs OB weist Kritik an Verbot einer NPD-Demo zurück

Der Umgang der Kommunen mit Demonstrationen extremistischer Parteien hat zu einer scharfen Kontroverse zwischen dem Oberbürgermeister von Freiburg, Dieter Salomon (Grüne), und dem Vizepräsidenten des baden-württembergischen Verfassungsschutzamtes, Hans-Jürgen Doll, geführt. Die Stadt Freiburg hatte einen von der NPD für den 14. September geplanten Umzug verboten.

Doll sieht in dem Verbot des Umzugs "eine unnötige Aufwertung" der NPD. Zugleich beanstandete er, dass es die Kommunen regelmäßig Gerichten überließen, extremistischen Organisationen wegen der von der Verfassung garantierten Versammlungsfreiheit dann doch Demonstrationen zu ermöglichen.

Gegenüber den  Stuttgarter Nachrichten hatte der Verfassungsschützer im Blick auf die Freiburger Verbotsverfügung erklärt: "Diese Verfügung trägt nicht nur die Rechtswidrigkeit auf der Stirn, sie ermuntert auch zur Gewalt." Doll sieht die Gefahr, dass das Verbot die Stimmung zusätzlich aufheizen wird und es während des Umzugs der Rechtsradikalen zu Ausschreitungen kommt. Nach seinen Erkenntnissen befinden sich auch linksextremistische Gruppierungen in dem Aktionsbündnis, das für den 14. September gemeinsam mit der Stadt und dem DGB zur Gegendemonstration aufgerufen hat. "Der anti-totalitäre Konsens funktioniert nach rechts, aber nicht nach links", sagte Doll.

Empört und mit ungewöhnlich scharfen Worten wies Salomon, der bis zu seiner überraschenden Wahl zum Oberbürgermeister der südbadischen Universitätsstadt im Frühjahr Vorsitzender der Grünen-Fraktion im Stuttgarter Landtag war, die Kritik zurück. Freiburg verfahre mit dem Verbot "exakt so wie viele andere Kommunen". Die Stadt respektiere zwar die Versammlungsfreiheit, jedoch habe diese ihre Grenzen bei Aufmärschen von Rechtsradikalen. Einstimmig stehe der Gemeinderat hinter dem Verbot. Dabei rechneten die Kommunalpolitiker selbst damit, dass sich die NPD die Erlaubnis zum Umzug vor Gericht erstreiten wird.

Dolls Vorwurf der Aufmunterung zur Gewalt bezeichnete Salomon als "Unverschämtheit". Wenn der Verfassungsschutz Erkenntnisse über gewaltbereite Gruppierungen innerhalb des Aktionsbündnisses besitze, möge er diese auf amtlichem Wege mitteilen. Salomon wörtlich: "Ich lasse mich von einem stellvertretenden Verfassungsschutz-Fiffi als gewählter Oberbürgermeister von Freiburg nicht so anmachen. Der kriegt von mir einen Beschwerdebrief, aber gleich an den Innenminister."

Siehe auch das FR-Spezial  Was tun gegen rechts?

Peter Henkel (Stuttgart)

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Stuttgarter Nachrichten vom Freitag, 23. August 2002

Salomon über Kritik empört

Freiburgs OB rechtfertigt Vorgehen gegen NPD

Stuttgart - Freiburgs OB Dieter Salomon (Grüne) hat die Kritik von Verfassungsschutzvizepräsident Hans-Jürgen Doll am Umgang der Stadt mit einer geplanten NPD-Versammlung zurückgewiesen.

"Freiburg verfährt mit seinem Verbot exakt so wie viele andere Kommunen", rechtfertigte Salomon am Donnerstag den Kurs, der im Gemeinderat, aber auch von der Wirtschaft mitgetragen werde: "Die Stadt spricht mit einer Stimme." Man habe die für 14. September geplante NPD-Versammlung verboten "im Wissen, dass wir vor Gericht damit nicht durchkommen". Die Stadt respektiere zwar die Versammlungsfreiheit, doch habe diese ihre Grenzen, wo mit rechtsradikalen Aufmärschen zu rechnen sei.

Doll hatte Salomon gegenüber unserer Zeitung vorgeworfen, die städtische Verfügung sei nicht nur rechtswidrig, sondern ermuntere geradezu zu Gewalt. Dies hält Salomon für "eine Unverschämtheit". Die Verfügung sei richtig und rechtlich wasserdicht. Er habe auch keine Erkenntnisse, dass sich an der geplanten und von der Stadt finanziell unterstützten Gegendemo linksradikale Gruppen beteiligen wollten. Wenn Doll anderweitige Erkenntnisse habe, dann möge er diese auf dem Dienstweg übermitteln. Das sei Aufgabe des Verfassungsschutzes. "Ich lasse mich von einem stellvertretenden Verfassungsschutzfiffi als gewählter Oberbürgermeister von Freiburg nicht so anmachen. Der kriegt von mir einen Beschwerdebrief - aber gleich an den Innenminister. Das ist der Einzige, mit dem ich verhandle", so Salomon gegenüber unserer Zeitung.

Auch DGB-Landeschef Rainer Bliesener wies Dolls Äußerungen zurück. Sie sind für ihn ein "weiterer Beweis für dessen mangelndes Urteilsvermögen". Bliesener: "Wir verwahren uns mit aller Schärfe gegen den neuerlichen Versuch von Herrn Doll, den DGB und die vielen anderen Unterstützer der Aktionen gegen den Nazi-Aufmarsch in Freiburg in die Nähe gewaltbereiter Gruppen zu rücken." Zu Ende gedacht, rufe der Verfassungsschutzvize mit seiner Kritik zur Untätigkeit, zum Wegsehen auf.

Arnold Rieger

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Badische Zeitung vom Freitag, 23. August 2002

Streit wegen Freiburger NPD-Demo

Verfassungsschützer kritisiert

FREIBURG (lit/rü). Um die von der NPD geplante Demonstration in Freiburg ist zwischen der Stadt Freiburg und dem Vizepräsidenten des Verfassungsschutzes im Land, Hans-Jürgen Doll, ein heftiger Streit entbrannt. In der gestrigen Ausgabe der  Stuttgarter Nachrichten war ein Beitrag mit schweren Vorwürfen Dolls gegen Freiburg erschienen.

Freiburg liefere ein "besonders krasses Beispiel" dafür, wie man mit gut gemeinten Aktionen alles nur noch viel schlimmer machen könne, wird Doll zitiert. Die rechtsradikale Partei erfahre dadurch eine "unnötige Aufwertung". Die städtische Verbotsverfügung ermuntere "geradezu zur Gewalt"; sie "trägt die Rechtswidrigkeit auf der Stirn", soll Doll gesagt haben.

Der Verfassungsschützer kritisierte zudem, dass dem Aktionsbündnis gegen den NPD-Aufmarsch, das vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) organisiert und von der Stadt unterstützt wird, auch zahlreiche linksextremistische Gruppierungen und sogar gewaltbereite Autonome angehörten. "Der antitotalitäre Konsens funktioniert nach rechts, nicht aber nach links", sagte er.

Oberbürgermeister Dieter Salomon (Grüne) wies die Kritik zurück. Vor allem auch den Vorwurf, die Stadt unterstütze ein Bündnis mit gewaltbereiten Linksextremisten. Wenn dem Verfassungsschutz in dieser Richtung Erkenntnisse vorlägen, sagte Salomon, "wären wir dankbar, wenn er uns dies auf amtlichem Wege mitteilen würde", und nicht in Presseartikeln.

Im Übrigen, so Salomon, werde das größere Problem bei einer Kundgebung sein, "dass man nicht weiß, wer von der NPD dem Verfassungsschutz angehört."

DGB-Landesvorsitzender Rainer Bliesener warf Doll "mangelndes Urteilsvermögen" vor. Der DGB hat für den 14. September alle öffentlichen Plätze in Freiburg für Kundgebungen reserviert und rechnet mit über 10 000 Teilnehmern. Sie sollen den Aufmarsch von 500 bis 1000 NPD-Anhängern verhindern.

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Badische Zeitung vom Freitag, 23. August 2002

"Hier kann man eine NPD-Demo nicht ignorieren"

BZ-INTERVIEW mit OB Dieter Salomon zu den Vorwürfen von Verfassungsschützer Hans-Jürgen Doll in Sachen NPD-Aufmarsch

Heftige Vorwürfe erhebt der Verfassungsschutz gegen die Stadt Freiburg im Zusammenhang mit der geplanten NPD-Kundgebung am 14. September. Hans-Jürgen Doll, Vizepräsident des Landesamtes für Verfassungsschutz, erklärte in einem Gespräch mit den "Stuttgarter Nachrichten", der Wortlaut der Verbotsverfügung der Stadt gegen den NPD-Aufmarsch ermuntere "geradezu zur Gewalt". Julia Littmann befragte OB Dieter Salomon zur Kritik des hochrangigen Verfassungsschützers an der Rolle der Stadt.

BZ: Hans-Jürgen Doll wirft der Stadt vor, sie werte mit ihrer Verbotsverfügung und dem Aktionstag die Großkundgebung der NPD unnötig auf. Hätte man vielleicht gut daran getan, anders zu verfahren?

Dieter Salomon: Das ist absurd. In einer wachen und sensiblen Stadt wie Freiburg wäre es völlig unmöglich gewesen, einen NPD-Aufmarsch einfach zu ignorieren und totzuschweigen. Hier wird eine politische Antwort auf die geplante NPD-Veranstaltung gegeben. Und für dieses Vorgehen hat sich auch nicht ein einzelner Oberbürgermeister entschieden, sondern die gesamte Bürgerschaft quer durch alle Parteien und Fraktionen - und zwar einstimmig.

BZ: In der Kritik wird auch angeführt, die Stadt ermuntere zu Gewalttaten . . .

Salomon: Also das ist erst recht absurd, uns vorzuwerfen, wir stachelten zur Gewalt an. Schließlich werben wir in dem breiten Bündnis explizit für einen friedlichen Aktionstag. Und in der Begründung der Verbotsverfügung weisen wir ausdrücklich daraufhin, dass wir die NPD-Großkundgebung untersagen, um gewalttätige Auseinandersetzungen von vornherein zu unterbinden.

BZ: Auseinandersetzungen zwischen Rechten und Linken - und genau das unterstellt auch Hans-Jürgen Doll: dass sich in dem breiten Bündnis, das der DGB unter einem Dach versammelt hat und das die Stadt vielfältig unterstützt, auch gewaltbereite Linksextremisten eingefunden haben.

Salomon: Darüber haben wir keine Erkenntnisse. Aber wenn der Verfassungsschutz da konkrete Hinweise drauf hat, dann muss er die der Stadt und der Polizeibehörde auf dem Dienstweg mitteilen, nicht über die Stuttgarter Nachrichten. Es ist unglaublich, dass da auf diesem Weg einfach pauschal behauptet wird, die Stadt sei auf dem linken Auge blind.

BZ: Wie wird die Stadt auf die von Doll erhobenen Vorwürfe reagieren?

Salomon: Wir werden uns sofort ans Innenministerium wenden und gegen diese pauschalen Vorwürfe vom Verfassungsschutz Einspruch erheben. Im übrigen wird das größere Problem am Ende doch wohl eher sein, dass man bei einer Kundgebung - wenn sie denn stattfindet - nicht weiß, wer von der NPD vom Verfassungsschutz ist.

siehe  MÜNSTERECK

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Badische Zeitung vom Freitag, 23. August 2002

MÜNSTERECK

Man ahnt die Absicht

Kritik des Verfassungsschutzes

Ganz so falsch liegt der Vizepräsident des Landesverfassungsschutzes nicht: Das vom DGB geplante, vom Gemeinderat unterstützte und von der Stadt mitfinanzierte Happening gegen die NPD-Demo am 14. September wertet dieselbe auf. Und: Die Verbotsverfügung, die das Rathaus erlassen hat, ist chancenlos; sie trage "die Rechtswidrigkeit auf der Stirn". Den Richtern, die das Verbot kippen müssen, werde der schwarze Peter zugeschoben. Nur: Was ist die Alternative? Den NPD-Aufmarsch zu ignorieren, ist eine zwar hübsche, aber weltfremde Idee. Wenn in einer Stadt die Aufrechten gegen die Rechten aufstehen und dabei auch noch Musik, Mahlzeiten und Meinungen serviert bekommen, ist das durchaus ein Signal. Nichts anderes ist der Versuch, die Rechtsextremisten juristisch zu stoppen.

Die Doll'sche Kritik mag punktuell also durchaus berechtigt sein, doch man ahnt eine ganz andere Absicht. Schießt der Verfassungsschützer ohne Rückendeckung seines Innenministers gegen den grünen Freiburger Oberbürgermeister? Und woher weiß er, dass gewaltbereite Autonome an der Anti-Demo-Demo mitplanen? Warum informiert er nicht das Rathaus, aber die Stuttgarter Nachrichten? Nicht zuletzt fällt der Vorwurf, die NPD-Aktion aufzuwerten, auf ihn selbst zurück angesichts des politischen Wirbels, den er ausgelöst hat.

Uwe Mauch

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Stuttgarter Nachrichten vom Donnerstag, 22.08.2002

Freiburgs fragwürdiger Kampf gegen die NPD

Um eine Demo zu verhindern, ignoriert die Stadt die Rechtslage und verbündet sich mit Linksextremisten

Stuttgart - Um eine geplante NPD-Demo zu verhindern, ist der Stadt Freiburg fast jedes Mittel recht. Die Rechtslage wird ignoriert, gewaltbereite Linksextremisten werden als Partner zumindest toleriert. Der Verfassungsschutz ist fassungslos.

Hans-Jürgen Doll steht nicht im Verdacht, Sympathien für die Nationalsozialistische Partei Deutschlands (NPD) zu hegen. Als Vizepräsident des Landesamtes für Verfassungsschutz ist er für die Beobachtung von Extremisten zuständig. Sein persönliches Fazit: "Die NPD ist eine widerliche Partei."

Noch aber ist die NPD nicht verboten, noch darf sie alle Grundrechte in Anspruch nehmen - auch die Versammlungsfreiheit. Das Bundesverfassungsgericht hat in den vergangenen Jahren klargestellt, dass auch Rechtsradikale demonstrieren dürfen, sofern von ihnen keine Straftaten zu erwarten sind. Allein die Befürchtung, linke Gegendemonstranten könnten Randale machen, reicht demnach für ein Verbot nicht mehr aus. Die Behörden müssen, auch wenn's schwer fällt, solche Aufmärsche ermöglichen. Doll: "Die Versammlungsfreiheit ist auch ein Schutzauftrag an den Staat."

Doll moniert, dass viele Kommunen diesem Auftrag nicht nachkommen, sondern ihn den Gerichten "aufbürden". Getragen von der Stimmung vor Ort, gehen die Bürgermeister den bequemen Weg und verbieten rechtsextremistische Aufmärsche - wohl wissend, dass dies keinen Bestand haben wird. Den Schwarzen Peter haben dann die Richter, die solche Verbote kippen müssen.

Ein besonders krasses Beispiel dafür, wie man mit gut gemeinten Aktionen alles nur noch schlimmer macht, liefert laut Doll derzeit die Stadt Freiburg. Ausgerechnet dort, wo seit 1. Juli mit Dieter Salomon ein grüner OB regiert, hat die NPD für den 14. September eine Demo angemeldet - offenbar eine bewusste Provokation, durch die sich die Rechtsextremisten eine Woche vor der Bundestagswahl als verfolgte Unschuld präsentieren wollen. Und ihr Kalkül scheint aufzugehen. Anstatt die Demo zu ignorieren, macht Freiburg mobil, als drohe der Stadt eine braune Jahrhundertflut. Goll nennt dies eine "unnötige Aufwertung" der NPD. Außerdem werde so die Lage derart aufgeheizt, dass Ausschreitungen zu befürchten seien. Schon die Begründung, mit der die Stadt die Demo verboten hat, findet Doll unsäglich. In der Verfügung wird der Aufmarsch als Provokation bezeichnet, die anders denkende Menschen zu Straftaten verleite. "Diese Verfügung trägt nicht nur die Rechtswidrigkeit auf der Stirn", schimpft Doll. "Sie ermuntert auch geradezu zur Gewalt." Genauso problematisch findet er das von der Stadt unterstützte Aktionsbündnis, das unter Federführung des DGB mit Gegenaktionen und einer Großdemonstration der NPD an diesem Tag Paroli bieten will. Dem Bündnis gehören nicht nur Demokraten an, sondern auch linksextremistische Gruppen, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Sogar gewaltbereite Autonome dürfen unbeanstandet mitmachen. Dolls Fazit: "Der antitotalitäre Konsens funktioniert nach rechts, nicht aber nach links."

Für Doll geht es ums Prinzip: Es könne nicht sein, meint er, dass die Mehrheit darüber entscheidet, ob eine Minderheit demonstrieren darf. "Jeder von uns kann einmal Minderheit sein." Gerade Grüne wie Freiburgs OB Salomon, meint Doll, müssten das eigentlich wissen. "Mancher politische Linke, der früher um den Schutz der Versammlungsfreiheit zu kämpfen hatten, ist inzwischen in Amt und Würden gelangt."

Rainer Wehaus

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Badische Zeitung vom Freitag, 16. August 2002

Genügt der "Geist der Toleranz" für ein Verbot?

Stadt prüft den Widerspruch der NPD / Jetzt sind Regierungspräsidium oder Verwaltungsgericht am Zug

Der juristische Streit um die am 14. September geplante NPD-Demonstration geht in die nächste Runde. Wie gestern kurz berichtet, hat die rechtsextremistische Partei jetzt Widerspruch gegen das von der Stadt ausgesprochene Demonstrationsverbot eingelegt. Nach Auskunft der Stadt macht die NPD in dem zweiseitigen Widerspruch geltend, das Verbot missachte die Bedeutung der Grundrechte und unterdrücke eine missliebige Meinung.

Der Anwalt der NPD hält das Verbot der NPD-Demo, die unter dem Motto "Gegen Globalisierung und Meinungsdiktatur in der BRD" steht, für "offensichtlich rechtswidrig". Jetzt prüft das städtische Rechtsamt den Widerspruch, wobei allerdings nicht damit zu rechnen ist, dass die Juristen der Stadt ihr eigenes Verbot aufheben werden. Überlassen bleibt dies entweder dem Regierungspräsidium Freiburg, das über den Widerspruch abschließend entscheiden muss, oder dem Freiburger Verwaltungsgericht. Bestand dürfte das Verbot nach derzeitigem Erkenntnisstand allerdings kaum haben. In Ihrer Verbotsverfügung von Ende Juli führt die Stadt keinen einzigen konkreten Hinweis auf geplante Straftaten der NPD-Leute an. Es heißt nur: "Erfahrungsgemäß" sei bei Aufzügen der NPD mit der Begehung von Straftaten "zu rechnen".

Solche Allgemeinplätze genügen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht für ein Verbot. Außerdem führt die Stadt an, dass "militante Gruppen" aus dem "linken/autonomen Spektrum" sich von der NPD-Demonstration provoziert fühlen könnten und ein "gewalttätiger Schlagabtausch" drohe. Solche Gefahren könne auch die Polizei "nicht beherrschen".

Doch auch die Gefahren, die durch unfriedliche Gegendemonstranten ausgelöst werden, sind kein zulässiger Grund, die zuerst angemeldete Demonstration zu verbieten. In solchen Fällen fordert Karlsruhe den Einsatz von "externen Polizeikräften" zum Schutz der Demonstranten. Schließlich argumentiert die Stadt noch mit der "öffentlichen Ordnung" und dem "gesellschaftlichen Grundkonsens", gegen den die NPD-Demo gerade in Freiburg verstoße. In Freiburg herrsche der "Geist der Toleranz" und die "offene Akzeptanz von ausländischer Herkunft und Lebensweise", heißt es in der Verbotsverfügung.

Dagegen propagiere die NPD die "Überlegenheit der eigenen Nation" und greife damit den "sozialen Frieden dieser Stadt" an. Nach Auffassung der Verfassungsrichter kann eine Kundgebung aber nicht allein deshalb verboten werden, weil die Mehrheit der Bevölkerung die dort vertretenen Auffassungen ablehnt. Wie lange die Stadt den Widerspruch der NPD prüfen will, konnte sie gestern noch nicht sagen.

Christian Rath, siehe  MÜNSTERECK

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Badische Zeitung vom Freitag, 16. August 2002

MÜNSTERECK

Verwirrende Signale

Die Stadt und ihr Demo-Verbot

Niemand wird die Karlsruher Verfassungsrichter verdächtigen, dass sie heimlich Sympathien für die rechtsextremistische NPD hegen. Und dennoch haben sie immer wieder durchgesetzt, dass sich die Partei der Skinheads und Nazi-Nostalgiker auf den Straßen zeigen darf - solange sie sich an die Gesetze hält. Für die Verfassungsrichter ist das einfach eine Frage der Grundrechte und der Liberalität - genauso wie sie die Meinungsfreiheit von Pazifisten ("Soldaten sind Mörder") verteidigt haben, ohne selbst Pazifisten zu sein. Inzwischen haben fast alle Gerichte in Deutschland die Karlsruher Linie übernommen, nur viele Stadtverwaltungen - wie jetzt in Freiburg - setzen lieber erstmal per Verbot ein "politisches Zeichen", um deutlich zu machen, dass die NPD vor Ort nicht erwünscht ist. Sonderlich mutig ist das nicht. Man reicht den Schwarzen Peter nur an Regierungspräsidium und Verwaltungsgericht weiter. Vielleicht muss man auch noch grundsätzlicher fragen: Ist ein kategorisches Verbot von NPD-Demonstrationen ein antifaschistisches Zeichen - in einer Zeit, in der autoritäres Denken wieder an Zulauf gewinnt? Oder anders formuliert: Muss der Freiburger "Geist der Toleranz" durch Verbote bekräftigt werden? Kann die vielgerühmte "Freiburger Offenheit" keine rechte Demonstration verkraften? Verwirrende Signale schaden mehr als sie Orientierung geben.

Christian Rath

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Basler Zeitung vom Donnerstag, 15. August 2002

Freiburg macht gegen Rechtsextreme mobil

Seit bekannt wurde, dass die rechtsextreme NPD im September in Freiburg eine Kundgebung plant, haben sich Stadt und Bürgerschaft zu einer Protest-Phalanx formiert. Laut Polizei rühren unterdessen «Kameraden» in der Schweiz die Werbetrommel für den Anlass in Südbaden.

Freiburg. In Basels nördlicher Nachbarstadt herrscht politische Generalmobilmachung. Stadt und Bürgerschaft setzen alles daran, um die am 14. September geplante Grosskundgebung der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) zu verhindern. Immerhin hat die Stadt einen Ruf zu verlieren. Vor zwei Jahren hat sie mit der Aktion «Freiburg: Für eine offene Stadt. Gegen Rassenwahn und Fremdenhass» eine deutschlandweite Vorreiterrolle übernommen. Die NPD sieht die «offene Stadt» als Einladung für ihren Aufmarsch unter dem Motto «Gegen Globalisierung und Meinungsdiktatur in der BRD - für ein freies Deutschland und Europa». Dazu hat die NPD auch «Kameradschaftskreise» aus Frankreich, Österreich und der Schweiz eingeladen. Nach polizeilichen Schätzungen ist mit 500 bis 1000 Rechtsextremen zu rechnen.

Weil die NPD (noch) keine verbotene Partei ist, lässt sich deren Demo-Antrag juristisch nicht ohne weiteres verbieten. Karlsruhe, Mannheim und Ludwigsburg haben dies in der Vergangenheit versucht, sind jedoch an der Rechtsprechung gescheitert. In Freiburg hat der geplante NPD-Aufmarsch bereits für viel Wirbel gesorgt. Wie Mitte Juli bekannt wurde, lag dem zuständigen Amt für öffentliche Ordnung der Demo-Antrag bereits seit März vor. Auch Gespräche zwischen Antragstellern, Ordnungsamt und Polizei über mögliche Aufmarschrouten durch die Stadt haben bereits stattgefunden. Dies ist nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zwar nicht verkehrt, dass «Kooperation und Deeskalation» als Strategie zur Vermeidung von Ausschreitungen vorsieht. Brisant aber ist, dass dies alles ohne Wissen des Oberbürgermeisters vonstatten ging. Rolf Böhme war nicht informiert worden und sein Nachfolger Dieter Salomon erhielt erst Mitte Juli Kenntnis vom NPD-Vorhaben. Der verwaltungsinterne Missstand ist inzwischen bereinigt. Salomons Rüge, das Amt für öffentliche Ordnung habe die politische Brisanz verkannt, nahm der Amtsleiter persönlich und demissionierte.

Salomon nannte es blanken Zynismus, dass die NPD Freiburgs Losung «Für eine offene Stadt» für ihre Zwecke missbrauche. Damit werde eine bürgerschaftliche Aktion für Toleranz und friedliches Zusammenleben verhöhnt und beschmutzt. «Stadt und Bürgerschaft wollen diese Kundgebung nicht. Wir werden alle rechtlichen Möglichkeiten nutzen, um sie zu verhindern.» Bis 26. August hat die NPD Zeit, gegen die Verbotsverfügung der Stadt Widerspruch einzulegen. Ist dies der Fall, entscheidet das Freiburger Verwaltungsgericht oder in letzter Instanz der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim, ob die NPD marschieren darf oder nicht.

Politisch sind in Freiburg die Reihen bereits fest geschlossen. Wie eine Phalanx stehen alle demokratischen Kräfte als «Bündnis gegen Rechts» zusammen. Unter der organisatorischen Federführung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) wird für den 14. September ein Aktionstag unter dem Motto «Freiburg steht auf - Gegen Fremdenhass und Rassenwahn» vorbereitet. Dazu wird es auf allen Plätzen und Strassen Veranstaltungen geben, die Freiburg als weltoffene und tolerante Stadt feiern. Schüler, Studierende, Wohlfahrtsverbände, Kirchen, Parteien, die Freiburg Wirtschaft und Touristik (FWT), Künstler, Stadtverwaltung und Gewerkschaften - insgesamt mehr als 100 Organisationen werden dafür sorgen, «dass Freiburgs Strassen nicht einen Tag lang den Neonazis gehören», so Jürgen Höfflin, DGB-Vorsitzender für die Region Südbaden-Hochrhein. 25 000 Euro werden aus dem Stadtsäckel für den Aktionstag locker gemacht, der in jedem Fall stattfinden wird.

Rund 10 000 Personen werden zum friedlichen Demonstrationszug beim Hauptbahnhof erwartet, um die NPD zu «empfangen». Dass dies für die Polizei Grosseinsatz bedeutet, liegt auf der Hand. Dabei könnte der Einsatz noch heikel werden. Sollten linke Hitzköpfe den friedlichen Aufmarsch für Randale missbrauchen, müsste die Polizei gemäss Verfassung zum Schutz der NPD-Anhänger einschreiten. Eine Vorstellung, die der Freiburger Polizei grösstes Unbehagen bereitet. Polizeidirektor Helmut Mayer appelliert daher nachdrücklich an die politische Vernunft aller Beteiligten.

Auch Polizeidienststellen in der Schweiz und im Elsass einschliesslich Bundesgrenzschutz sind über die NPD-Kundgebung in Freiburg informiert. Wie vom Bundesamt für Polizei in Bern zu erfahren war, werde von Schweizer Rechtsextremen bereits Werbung dafür gemacht. Auf der Rednerliste sei auch ein Teilnehmer aus der Schweiz notiert. Vermutlich, so das Bundesamt, handle es sich um ein Mitglied der «Partei National Orientierter Schweizer» (PNOS). Kontakte Rechtsextremer, wie sie etwa zwischen Hochrhein und dem Kanton Aargau bestehen, sind auch dem DGB bekannt. «Die Rechten sind gut vernetzt. Wir auch», so Jürgen Höfflin mit Blick auf die Landesgrenzen. Es werde alles dafür getan, «dass der <Aktionstag gegen Rechts> gewaltfrei verläuft. Doch wir akzeptieren keinesfalls, dass die NPD durch die Stadt marschiert. Neonazis sind in Freiburg unerwünscht.»

Elisabeth Rosenkranz

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Badische Zeitung vom Donnerstag, 15. August 2002

NPD geht gegen die Stadt Freiburg vor

Die NPD hat Widerspruch gegen die Verbotsverfügung der Stadt Freiburg wegen der am 14. September geplanten Demonstration eingereicht. In einem Schreiben eines NPD-Anwalts aus Bayern heißt es, dass die städtische Verfügung "erkennbar rechtswidrig" sei. Die Stadt wird ihre Verfügung nicht zurücknehmen und den Brief an das für den Fall zuständige Regierungspräsidium Freiburg weiterleiten.

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Badische Zeitung vom Donnerstag, 15. August 2002

Per SMS gegen Rechtsextremismus

Mit dem Projekt "160 Zeichen gegen Rechtsextremismus" beteiligt sich die Landeszentrale für politische Bildung an dem Protest gegen die geplante NPD-Demo am 14. September in Freiburg. Jugendliche aller Altersstufen sind dazu aufgerufen, per SMS gegen Rechtsextremismus Stellung zu beziehen. Die betreffenden Handy-Nummern werden rechtzeitig bekannt gegeben. Die Aktion soll am Montag, 9. September, beginnen. Am 14. September wird die Bundeszentrale auf dem Augustinerplatz in Freiburg präsent sein und für die Aktion werben. Alle eingegangenen Textnachrichten werden ins Internet gestellt und sind unter www.lpb.bwue abzurufen.

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Badische Zeitung vom Montag, 12. August 2002

AUS DEN RÄTEN

Nein zur NPD

HORBEN (gtr). Schützenhilfe aus den Umlandgemeinden wünscht sich Freiburgs Oberbürgermeister Dieter Salomon bezüglich der geplanten NPD-Kundgebung am 14. September in Freibug. Bürgermeister Werner Dammert sprach sich in der jüngsten Sitzung offen gegen diese Kundgebung aus. Man müsse zwar abwarten, wie die Gerichte entscheiden, erklärte Dammert, doch befürworten könne er die Demonstration auf keinen Fall. Seine Gemeinderäte enthielten sich jeglichen Kommentars. Lediglich Hans-Peter Buttenmüller erklärte, als er hörte, dass Freiburg 25 000 Euro für Gegenkundgebungen zur Verfügung stellt: "Da könnten wir ja auch demonstrieren."

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StadtNachrichten (Amtsblatt) vom Freitag, 9. August 2002

DGB und Stadt organisieren Aktionstag 14. September

Aktionstag unter dem Motto: "Freiburg steht auf - Gegen Fremdenhass und Rassenwahn"

Das Bündnis für den Aktionstag 14. September nimmt immer konkretere Formen an: Am gestrigen Donnerstag stellten Sozialbürgermeister Ulrich von Kirchbach und Jürgen Höfflin vom Deutschen Gewerkschaftsbund die Rahmendaten vor. An diesem Tag hat die NPD in Freiburg zu einer Demonstration aufgerufen. Unter dem Motto "Freiburg steht auf - Gegen Fremdenhass und Rassenwahn" bündeln derzeit Stadt und DGB ein umfangreiches Programm. Der Aktionstag wird in jedem Falle stattfinden - unabhängig davon, ob die Verbotsverfügung der Stadt gegen den NPD-Aufmarsch Erfolg hat oder nicht.

Während der DGB für die Organisation der Kundgebung und die Demonstration verantwortlich zeichnet, konzentriert sich die Stadt auf die Koordination der Aktionen auf den Freiburger Straßen und Plätzen. Vorgesehen ist, die gesamte Innenstadt einzubeziehen und die Vielfalt der Kulturen auf den Plätzen der Stadt eine Bühne zu geben. Gestern bekräftigte Sozialbürgermeister von Kirchbach vor der Presse: "Freiburg wird Flagge zeigen als offene und tolerante Stadt am 14. September." Die vom Gemeinderat vor zwei Jahren verabschiedete und kürzlich erneuerte Resolution "Für eine offene Stadt - Gegen Fremdenhass und Rassenwahn" hält von Kirchbach für ein geeignetes Forum, um gegen die Demonstration der NPD zu Aktivitäten aufzurufen. Bereits jetzt haben dich bei den Organisatoren zahlreiche Initiativen, Künstler und Kreise der Wirtschaft gemeldet, die den Aktionstag unterstützen.

Beginnen wird der Aktionstag mit einer Großkundgebung um 11 Uhr vor dem Theater, danach ruft der DGB zu einer Demonstration auf. Bis in den Abend hinein finden auf den großen Plätzen der Stadt Veranstaltungen statt. Die Organisation der Programme hat hierfür die Freiburger Wirtschaft und Touristik übernommen.

Aber auch im Vorfeld des 14. September laufen diverse Aktivitäten, die auf den Aktionstag aufmerksam machen werden: Eine breite Öffentlichkeitskampagne mit Plakaten, Aufklebern, Stickern und Faltblättern soll die Bürgerschaft für den 14. 9. mobilisieren. Ver.di hat bereits eine Malaktion für die "Offene Stadt" gestartet, an der Kinder bis 10 Jahren teilnehmen können. (Ver.di Südbaden, Hebelstraße 10, 79104 Freiburg, Einsendeschluss 2. 9.). Vom 4. bis 19. September wird die Ausstellung "Neofaschismus in der BRD" im Rathausfoyer gezeigt. Am Sonntag, den 8. September, findet der traditionelle Rieselfeldlauf, diesmal unter dem Motto "Wir laufen für mehr Toleranz" statt. Das detaillierte Programm und weitere Aktionen finden sie ab Ende August auf  www.freiburg.de. Am 6. September, der nächsten Ausgabe der StadtNachrichten, werden wir ausführlich über den Aktionstag berichten.

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Badische Zeitung vom Freitag, 9. August 2002

Widerstand mit "meisterhafter Logistik"

Pläne gegen NPD-Aufmarsch

"Wir wollen die NPD hier nicht marschieren lassen", sagte Jürgen Höfflin, DGB-Vorsitzender in Freiburg, auf einer Pressekonferenz am Donnerstag, "damit dürfen Sie mich zitieren." Widerständischer nämlich dürfen die Pläne des breiten Bündnisses gegen den für September geplanten NPD-Aufmarsch nicht formuliert sein. Und präziser müssen die Überlegungen zur Verhinderung auch gar nicht sein, denn "wichtig ist der ganze Aktionstag", betonte Sozialbürgermeister Ulrich von Kirchbach, "an dem die Stadt Freiburg Flagge zeigen wird gegen rechts."

Dieses wird sie tun, so der Bürgermeister, auch wenn das Verwaltungsgericht dem Verbotsantrag der Stadt stattgibt. Und dass der NPD-Aufmarsch bereits auf juristischer Ebene verhindert werden kann, da ist von Kirchbach ziemlich optimistisch: "Die Verbotsverfügung ist so gut begründet, dass sie vor Gericht Bestand haben wird." Dass das ein politischer Erfolg wäre, erläuterte Jürgen Höfflin: "Wenn die NPD-Demo gar nicht stattfinden darf, hat der politische Druck gewirkt." Und dass Freiburg sich am 14. September auch in diesem Fall auf Straßen und Plätzen zum Konzept einer offenen, toleranten Stadt bekennen würde, ist längst beschlossen.

Was da genau auf Straßen und Plätzen geplant ist, wird von Anfang September an in einem Programmheft nachzulesen sein. Kernstück der vielfältigen kulturellen und politischen Aktionen wird an diesem Tag eine große Kundgebung auf dem Platz der Alten Synagoge mit anschließendem Demonstrationszug in Richtung Bahnhof sein. So jedenfalls hat es Jürgen Höfflin im Namen des DGB-Südbaden beim Amt für öffentliche Ordnung beantragt. Alle weiteren Aktionen werden mit "meisterhafter Logistik", so Höfflin von DGB, Stadt und FWT koordiniert. Und Anfang September wird sich das Bündnis ein letztes Mal im Plenum zur Vorbereitung treffen.

lit

Informationen über das Bündnis und den Aktionstag gibt's auf zwei Internetseiten:  www.suedbaden-hochrhein.dgb-bw.de oder  www.freiburg.de

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Freiburger Wochenbericht vom Mittwoch, 07. August 2002

NPD-Demo: und tschüss!

Stadt verbietet Demonstration am 14. September

Der geplante Aufmarsch der rechtsextremen NPD am 14. September in Freiburg sorgt weiter für heftige Diskussionen. Die Stadt hat die Demonstration erst mal verboten, die Polizei bereitet sich vor, und der Widerstand formiert sich.

Noch ist gar nicht sicher, ob die NPD-ler am 14. September wirklich in Freiburg aufmaschieren werden. Auf der Homepage des NPD-Landesverbands Baden-württemberg heißt es in dürren Worten: "Demo am 14. September in Freiburg unter dem Motto: 'Gegen Globalisierung und Meinungsdiktatur, für ein freies Deutschland und Europa'". Mehr nicht. Keine Details, keine großen Aufrufe. Die Stadt hat den NPD-Antrag auf Genehmigung einer Demonstration jedenfalls verboten. Jetzt haben die Vertreter der rechtsextremen Partei bis zum 23. August Zeit, gegen das Verbot zu klagen. Mit guten Chancen für eine Genehmigung, denn in ähnlichen Fällen haben die Gerichte bisher immer zugunsten der Versammlungsfreiheit und für die NPD entschieden.

Das bedeutet für die Freiburger Polizei, dass sie die NPD-Demonstration gegen eventuelle Gegendemonstranten schützen müsste - ob ihr das gefällt oder nicht. Für Polizeidirektor Helmut Mayer gehört nicht viel dazu sich vorzustellen, wie schwierig die Lage werden kann, wenn das Verbot der Stadt keinen Bestand hat. Erwartet werden 500 bis 1.000 NPD-ler, denen bis zu 10.000 Gegendemonstranten gegenüberstehen könnten. Die Freiburger Polizei, so Mayer, verfüge über 1.000 Einsatzkräfte. Aus eigenen Kräften, so Mayer, werden wir so einen Einsatz nicht bewältigen können. Unterstützung würde aus ganz Baden-Württemberg kommen. Vielleicht, spekuliert er, tritt die NPD auch gar nicht erst auf, weil sie vpm Freiburger Protest gegen die Kundgebung beeindruckt ist. Der Widerstand ist in der Tat schon jetzt beeindruckend. Unter Federführung der Stadt und des Deutschen Gewerkschaftsbundes wird derzeit für den 14. September ein großer Aktionstag gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassenwahn geplant. Ein buntes Programm in der ganzen Stadt soll zeigen: In Freiburg ist kein Platz für rechte Parolen. So sollen Konzertbühnen vor dem Theater und vor der Synagoge bespielt werden, im Stadtgarten wird ein Programm für Kinder und Familien organisiert, auf dem Augustinerplatz für Jugendliche auf dem Rathausplatz wird musiziert und auf dem Münsterplatz ein ruhigeres Programm für ältere Menschen geboten. Un die Gerwerkschaft "ver.di" veranstaltet einen Malwettbewerb für Kinder bis 10 Jahren. Thema: Bilder über Freundschaft und Toleranz, Ensendeschluss 2. September.

Steffen Weissbäcker

Infos zum Aktionstag: DGB, Telefon 0761/3884722

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Badische Zeitung vom Montag, 5. August 2002

Bloß nicht Sahnehäubchen zur NPD-Demo sein

Bündnis gegen den NPD-Aufmarsch zielt auf Verhinderung

Rund 150 Menschen kamen am Donnerstag zum zweiten Bündnistreffen gegen den für den 14. September geplanten NPD-Aufmarsch zusammen. Als Versammlungsort hatte die Stadt Freiburg ihre gute Stube offeriert: den Kaisersaal im Historischen Kaufhaus. Dort projizierte der Freiburger DGB-Chef Jürgen Höfflin die wichtigsten Daten vom Laptop per Mausklick auf die Leinwand: Der Widerstand gegen die sich bundesweit formierenden NPDler hatte einen würdigen Rahmen gefunden, und schien - so war an diesem Abend schließlich zu erkennen - doch noch einer klaren Definition inhaltlicher Rahmenbedingungen zu bedürfen.

Zunächst resümierte Jürgen Höfflin, was es an Aktivitäten bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt bereits zu verzeichnen gibt, Sozialbürgermeister Ulrich von Kirchbach assistierte: "Die Verbotsverfügung gegen den NPD-Aufmarsch ist rausgegangen." Und nicht nur das: "Die Stadt unterstützt den zivilen Protest massiv." Muss sie auch, wenn von Kirchbachs Vision wahr werden soll: "Der Christopher Street Day war nur ein kleiner Abklatsch von dem, was hier am 14. September laufen wird!" Zweimal wöchentlich trifft sich deshalb eine städtische Arbeitsgruppe mit Vertretern des Bündnisses, um die Planung voranzutreiben. Und die gedeiht, davon konnten sich die Teilnehmer des Bündnistreffens an diesem Abend überzeugen. Zwecks besserer Übersicht waren denn auch Demo-relevante Straßenzüge und Plätze auf dem an die Leinwand geworfenen Stadtplan verzeichnet - und Jürgen Höfflin zählte auf, was wo geplant ist

Da soll es diverse Aktionen im Vorfeld geben vom Themenschaufenster im Buchladen bis zur SMS-Umfrage der Landeszentrale für politische Bildung, einen Workshop von Pax Christi über Gewaltfreiheit und einen Kuba-Abend mit Musik, um nur einige zu nennen. Noch reichhaltiger fällt die Sammlung geplanter Aktionen für den 14. September aus. Unter anderem gibt's einen widerständischen Motorradcorso und an fünf Plätzen wird für fünf Zielgruppen Unterhaltung geboten: Nachdenklich-Ruhiges auf einer Bühne auf dem Münsterplatz, Kindertaugliches im Stadtgarten, Jugendliches auf dem Augustinerplatz, Musikalisches auf dem Rathausplatz sowie Versammlung und Kundgebung auf dem Platz der Alten Synagoge.

Erst nach langer Auflistung festlicher, bunter und sportiver Darbietungen stellte Kabarettist Matthias Deutschmann die detailgenaue Planung im Plenum in Frage: "Geht es hier wirklich noch um eine Verhinderungsaktion?" Mit dem planungsintensiven Happening nämlich gerate die eigentliche Zielsetzung doch weit in den Hintergrund: unter Umständen über mehrere Stunden hinweg in großer Zahl am Bahnhof präsent zu sein und den NPD-Aufmarsch zu blockieren. "Am Ende marschiert die NPD durch Freiburg und wir liefern dazu das multikulturelle Sahnehäubchen", so Deutschmann. Das Votum im Plenum war einstimmig: Absicht des Bündnisses ist an erster Stelle die Verhinderung der NPD-Demo, das Fest ist nachrangig. Beides, Gegendemo und Fest werden Anfang September in einem dritten Bündnistreffen weiter besprochen.

lit

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Der Sonntag vom Sonntag, 04. August 2002

Hoffnung ruht auf Justiz

Mit einem "größeren Einsatz" für die Polizei rechnet Helmut Mayer, Leiter der Polizeidirektion Freiburg, sollte am 14. September die angemeldete NPD-Demonstration stattfinden. Dann werden den anreisenden 500 bis 1 000 Rechtsextremen aus Deutschland, Frankreich und der Schweiz wohl 10 000 Gegendemonstranten gegenüber stehen. Bislang hofft die Polizei noch auf juristische Unterstützung: Am 23. August muss gerichtlich über die Verbotsverfügung der Stadt Freiburg entschieden werden, falls die NPD Widerspruch einlegt.

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Badische Zeitung vom Freitag, 2. August 2002

Marschiert die NPD, rechnet Polizei mit Großeinsatz

Gericht muss bis 23. August über Verbotsverfügung der Stadt Freiburg entscheiden - falls die NPD Widerspruch dagegen einlegt

Falls die Verbotsverfügung gegen den NPD-Aufmarsch am 14. September keinen Bestand haben sollte, rechnet Helmut Mayer, Leiter der Polizeidirektion Freiburg, mit einem "größeren Einsatz", den die rund 1000 Freiburger Beamten nicht allein bewältigen könnten. Schätzungsweise 500 bis 1000 Rechtsextremisten aus Deutschland, Frankreich und der Schweiz würden voraussichtlich 10 000 Gegendemonstranten gegenüber stehen. Die Aufgabe der Polizei müsse dann sein, "der Rechtsordnung Geltung zu verschaffen".

Er hoffe auf den juristischen Bestand der Verbotsverfügung und wünsche keine Situation, in der die Polizei zum Schutz der NPD-Anhänger einschreiten müsse, sagte Helmut Mayer gestern bei einer Pressekonferenz. Doch falls die rechtsextreme Partei bis zum 23. August gegen die Verfügung Widerspruch einlege und ein Gericht das Verbot aufhebe, stehe die Kundgebung unter dem Schutz des Grundgesetzes und dürfe nicht aufgelöst werden. "Wir haben nichts, aber auch gar nichts mit der NPD zu tun", betonte Mayer wiederholt, doch seien die Polizeibeamten ihrem Diensteid gemäß verpflichtet, die Freiheit des Rechtsstaats zu schützen.

Für die Teilnehmer des Gegenbündnisses, das sich inzwischen unter dem Dach des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) formiert hat und dem mehr als 100 Organisationen und Einzelpersonen angehören, bedeute dies, dass sie bei "unfriedlichem" Verhalten mit Polizeimaßnahmen rechnen müssen. Das Amt für öffentliche Ordnung und der Polizeivollzugsdienst setzen laut Mayer bereits im Vorfeld auf eine bewährte Strategie der "Kooperation und Deeskalation", wie sie das Bundesverfassungsgericht in seinem Brokdorf-Beschluss formuliert hat. Er rechnet mit einer genauso vertrauensvollen und erfolgreichen Zusammenarbeit wie beim Deutsch-Französischen Gipfel und dem Spiel des SC-Freiburg gegen Feyenoord Rotterdam im Jahr 2001. Die Polizisten würden bereits geschult, am Tag des Einsatzes als "Gesprächspartner" aufzutreten, so Polizeirat Franz Semling, der den möglichen Einsatz mit vorbereitet.

Die Route für den Nazi-Marsch unter dem neuen Motto "Gegen Globalisierung und Meinungsdiktatur in der BRD - für ein freies Deutschland und Europa" steht laut Bernhard Keller vom Bauordnungsamt bereits fest: Die NPDler werden sich vor dem Bahnhof formieren, um dann über Eisenbahnstraße, Rotteckring, Bertoldstraße und Kaiser-Josef-Straße zum Siegesdenkmal zu ziehen. Und wenn die Idee des Kabarettisten Matthias Deutschmann wahr wird und 10 000 Demokraten den mutmaßlichen Verfassungsfeinden den Weg aus dem Bahnhof hinaus versperren? Das müsse dann "im Einzelfall beurteilt werden", sagte Mayer, ließ jedoch durchblicken, dass die Polizei kaum in der Lage sein würde, 10 000 Leute beiseite zu räumen, um 500 bis 1000 Rassisten den Weg frei zu machen.

Er halte es jedoch für durchaus denkbar, "dass die NPD von der Stimmung in der Stadt so beeindruckt ist, dass sie gar nicht kommt", meinte Bernhard Keller. Zudem hege er "die berechtigte Hoffnung", dass die Freiburger Verbotsverfügung - anders als in anderen Städten - juristisch Bestand haben wird.

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Offizieller  Stadtplan der Stadt Freiburg.

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Badische Zeitung vom Freitag, 2. August 2002

Malaktion für die offene Stadt

Wettbewerb für Kinder

Nicht nur Erwachsene wollen und sollen am 14. September gegen die von der NPD in Freiburg geplante Kundgebung demonstrieren. Vielmehr, meint Reiner Geis, Geschäftsführer der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, sollen auch Kinder zeigen, "dass wir für die Freundschaft mit unseren ausländischen Mitbürgern sind, andere Religionen achten und uns für unser schönes freies Land einsetzen". Deshalb ermuntert Verdi alle Kinder bis zu zehn Jahren, sich an einer Malaktion für eine offene Stadt zu beteiligen. Die Bilder im Format DIN A 4 sollen am 7. September auf der Kaiser-Joseph-Straße ausgehängt und von FreiburgerInnen prämiiert werden. Für die drei erstplatzierten Bilder bekommen die Kinder Spiele und Bücher; außerdem erhält der Kindergarten oder die Schule, aus denen die drei besten Gemälde kommen, von Verdi jeweils 50 Euro. Einsendeschluss ist der 2. September. Adresse: Verdi Südbaden, Geschäftsführung, Hebelstraße 10, 79104 Freiburg.

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Badische Zeitung vom Freitag, 2. August 2002

BRIEFE AN DIE BZ

"Volksverhetzer nicht tolerierbar"

Zu dem im Leserbrief vom 27. Juli geäußerten Vorschlag des CSD-Vereinsvorsitzenden Markus Hollerbach, "Statt zu versuchen, die NPD-Demo zu verbieten, sollte sich unser OB lieber überlegen, außer zum CSD auch zur NPD-Demo die Regenbogenflagge zu hissen", möchten wir bemerken: Klar müsste hierbei sein, dass das Regenbogensymbol nicht für bedingungslose Toleranz gegenüber jedem und allem steht. Wir teilen den in dieser Aussage angedeuteten Standpunkt nicht, auch eine Gruppierung wie die NPD habe das Recht, sich frei zu artikulieren. Wiederholt auffällig gewordene Volksverhetzer wie die NPD sind nicht tolerierbar. Die Anhänger dieser Gruppierung schrecken bekanntlich auch vor gewaltsamen Übergriffen gegen unliebsame Minderheiten und politische Gegner nicht zurück. Das demokratische Recht auf freie Meinungsäußerung haben, unserer Meinung nach, diejenigen nicht, die selber die Rechte anderer und Andersdenkender mit Füßen treten.

Dennoch ist es mit einem simplen Verbot dieser Partei und ihrer Demos nicht getan. Gegenüber einer gerade heranwachsenden Jugend, die grundsätzlich für viele Lebens- und auch Protestformen offen ist, wäre es vor allem wichtig, mit glaubwürdigem Beispiel voranzugehen und entsprechende Zeichen zu setzen. Das gelingt sicher nicht, wenn z.B. die "Offene Stadt Freiburg" selber eine inhumane Ausländer- und Abschiebepolitik mitträgt, wie sie zur Zeit in ganz Deutschland praktiziert wird . . . oder wenn sich AmtsträgerInnen durch Verwicklungen in Korruptionsskandälchen fast täglich selber dis-qualifizieren . . . oder PolitikerInnen ihre eigenen Wahlversprechen aufgrund irgendeiner so genannten realpolitischen Notwendigkeit ad absurdum führen . . . oder auch ein CSD von seinen VeranstalterInnen zunehmend entpolitisiert und emanzipatorische Ansprüche nahezu vollständig durch die "Werte" einer konsumorientierten Karrieregesellschaft ersetzt werden.

So müssen wir uns nicht wundern, wenn Jugendliche enttäuscht und politisch desinteressiert sind und nach anderen fragwürdigen Idealen Ausschau halten. Das von der Rosa Hilfe bei der CSD-Demo getragene Transparent "Schwule gegen Rechts: NPD raus aus Freiburg!" löste bei den ZuschauerInnen in der Freiburger Innenstadt immer wieder spontanen Beifall aus. So weit, so gut. Aber es erreichten uns auch Missfallensäußerungen - nicht von den altbekannten "Ewiggestrigen", sondern von jungen und sehr jungen Männern.

Uli Geusen, Rosa Hilfe Freiburg e.V.

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Badische Zeitung vom Montag, 29. Juli 2002

Aufruf hat schon mehr als 100 Unterzeichner

Schon mehr als hundert Organisationen und Privatpersonen haben den Aufruf des Bündnistreffens "Für eine offene Stadt - gegen Fremdenhass und Rassenwahn" unterzeichnet. Für den DGB-Regionsvorsitzenden Jürgen Höfflin ist die breite Beteiligung von Kirchen, Gewerkschaften, Parteien, Künstlern und Wohlfahrstverbänden bis hin zum Sport-Club und zur FWT eine gute Ausgangsbasis für "ein großes und buntes Fest" mit etlichen Informationsveranstaltungen gegen die geplante NPD-Demonstration am 14. September. Der DGB gehe von mehr als 10.000 Teilnehmenden am Aktionstag aus. Das zweite Bündnistreffen findet am 1. August um 18.30 Uhr im Historischen Kaufhaus statt.

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StadtNachrichten (Amtsblatt) vom Freitag, 26. Juli 2002

 CDU  SPD  Grüne  FWV
 Unabhängige Frauen & Linke Liste
 Freiheitliche  Junges Freiburg


CDU

Für wehrhafte Demokratie

Die CDU-Stadtratsfraktion wendet sich entschieden gegen den von der NPD geplanten Aufmarsch in Freiburg am 14. September. Der NPD-Aufmarsch muss verhindert werden. Die demokratischen Kräfte in Freiburg müssen Flagge gegen den Extremismus zeigen.

Die Stadträtinnen und Stadträte der CDU begrüßen die Erklärung des Oberbürgermeisters, die Stadt Freiburg werden alle zur Verfügung stehenden juristischen und politischen Mittel ausschöpfen, um den Aufmarsch zu verhindern. Für eine Partei, die kurz vor einem Verbot steht, darf in Freiburg keine Plattform geboten werden.

Sollte der Aufmarsch aus juristischen Gründen nicht zu verhindern sein, fordert die CDU die gesellschaftlichen Kräfte in Freiburg und die Stadt auf, in einer eindrucksvollen Kundgebung am 14. September klar gegen die NPD und deren Aktivitäten Stellung zu beziehen und ein unmissverständliches Zeichen gegen diese Form des Extremismus zu setzen. Die CDU wird sich dabei aktiv einbringen.

Die Freiburgerinnen und Freiburger sind aufgerufen, dem herausfordernden Auftreten der NPD eine klare Abfuhr zu erteilen. Die primitive Masche der NPD, ihre Demonstration unter das Motto "Für eine offene Stadt" zu stellen, zeigt den von vorne herein provokanten Charakter des beabsichtigten Auftretens. Dass das Motto, unter das wir in Freiburg unsere Stadtpolitik für Toleranz und gegen Rassenhass gestellt haben, in dieser billigen Weise ungedreht werden soll, zeigt den Ungeist und die tiefe Verachtung für die Werte der bürgerlichen Demokratie, die in der NPD herrscht.

Unsere Botschaft an die NPD lautet: Wir stellen uns als wehrhafte Demokratie dem Rechtsextremismus entgegen. Wir üben keine Toleranz gegenüber denjenigen, die sich die Zerstörung der demokratischen Verfassung unseres Gemeinwesens zum Ziel gesetzt haben!

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SPD

"Bunte Vielfalt statt brauner Einfalt"

Hat uns die bundesdeutsche Realität eingeholt? Werden am 14.9. nun auch in Freiburg hässliche Glatzen durch die Straßen ziehen - 30 Jahre nach dem letzten Aufmarsch? Zwar hat sich die äußere Erscheinung seit den 70er Jahren geändert, die innere Gesinnung jedoch nicht. Klar, dass man bei der deutschen Geschichte schnell den Gedanken hat "... die schmeißen wir schnell wider raus aus der Stadt". Doch ist das die richtige Antwort, wenn uns das Verwaltungsgericht eine NPD-Demo aufzwingt, die wir nicht wollen? Die Provokation mit Gewalt begegnen? Nein, die Entgegnung auf braune Einfalt muss bunte Vielfalt sein! Deshalb schließt sich die SPD-Gemeinderatsfraktion dem Aufruf des DGB's für eine gewaltfreie und friedliche Gegendemonstration an und möchte darüber hinaus deutlich machen: In einer Stadt, die mit von aktiven Widerstandskämpfern gegen NS-Terror, Rassismus und Faschismus wie Dr. Gertrud Luckner, Stefan Maier und dem "Freiburger Kreis" um Walter Eucken geprägt wurde, liberale und multikulturelle Offenheit praktiziert, sind neofaschistische Aufmärsche ein Angriff gegen unser historisches und politisches Selbstverständnis, gegen alle Bürger.

Wir müssen verhindern, dass Menschen werden ihrer Herkunft, ihres Glaubensoder ihrer Hautfarbe verbal oder körperlich bedroht, verfolgt oder Opfer von Gewalttaten werden. Durch fremdenfeindliche und menschenverachtende Straftaten sind im letzten Jahrzehnt - man denke nur an die Brandanschläge von Rostock und Gießen - über hundert Menschen getötet worden, Hunderte verletzt, In- und Ausländer gehetzt worden. Mögen NPD-Aktivisten auch nicht konkrete Täter gewesen sein, so ist es doch der von dieser Partei vertretene Ungeist, der den Nährboden und den Propagandarahmen für solche Untaten bildet.

Wir stehen für andere Werte, für die Grundrechte unserer Gesellschaft, die zu verteidigen wir uns verpflichtet fühlen: Freiheit und Demokratie, Humanität und Toleranz; dafür treten wir aktiv ein. Der Schutz der Verfassung und der freiheitlichen Demokratischen Grundordnung unseres Landes gegen Intoleranz und Neofaschismus ist eine beständige Aufgabe für uns alle.

Freiburg muss und will Vorbild sein beim Umgang mit Menschen anderer Herkunft und anderen Glaubens, mit ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern und hat dies auch deutlich bei der Initiative "Für eine offene Stadt - gegen Fremdenhass und Rassenwahn" gezeigt. Tausende ausländische Mitbürger, eine wieder erstarkte jüdische Gemeinde und unzählige multikulturelle Initiativen sind große Pluspunkte unserer Universitätsstadt, die gerade von dieser geistigen Offenheit profitiert.

Jeder und jede Einzelne von uns ist hier gefordert, Zivilcourage gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus zu zeigen. Deshalb fordern wir alle Freiburgerinnen und Freiburger auf, am 14.9.2002 für diese Werte auf die Strasse zu gehen.

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Bündnis 90 / Die Grünen

Platzverweis für Neonazis

Aufmärsche neonazistischer Kameradschaften und rechtsradikaler Parteien in Freiburg? Straßen und Plätze für dumpfe Ideologen, Rassisten und Leugner von Auschwitz - für einen Personenkreis, der für tätliche Angriffe auf Ausländer, Behinderte und Obdachlose verantwortlich ist?

Wir sagen nein!

Wir sagen aber auch, dass mit dem Verbot einer solchen Veranstaltung nicht alles erledigt ist. Schnelles und entschlossenes Handeln von Stadt und Justiz ist die eine Seite, eine gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem "Rassismus der Mitte" die andere. Hier sind vor allem diejenigen gefragt, die Freiburg als liberale und tolerante Satdt schätzen und mit ihren Mitbürgerinnen und -bürgern aus 152 Ländern gut zusammenleben. Und für die das Motto "Für eine offene Stadt - Gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus" mehr als nur ein Slogan ist.

Ein Kessel Braunes

Die Stadt Leipzig stand im Frühjahr 2002 vor der gleichen Situation wie Freiburg heute. Unter dem Motto "Wir sind das Volk" wollten 1000 aus dem gesamten Bundesgebiet angereiste Neonazis mit ihrem Anführer Christian Worch von der Leipziger Innenstadt zum Völkerschlachtdenkmal marschieren. Nachdem alle Verbotsbemühungen vor Gericht gescheitert waren, musste die Demonstration von der Stadt genehmigt werden - allerdings unter strengen Auflagen. Die Polizei prüfte genau, ob jemand eine Waffe bei sich hatte, verfassungswidrige Symbole an der Jacke trug oder verbotenerweise in Springerstiefeln und Bomberjacke angereist war. Eingekesselt von 4000 Polizisten und Grenzschützern mussten die Neonazis stundenlang am Osteingang des Leipziger Hauptbahnhofs ausharren. Auf dem Bahnhofsvorplatz hatten sich währenddessen 10000 Leipziger versammelt. Reden wurden gehalten und Rockbands spielten. Der Pfarrer der Nikolaikirche streute Konfetti und die Musiker verteilten Lachsäcke und Tröten. "Leipzig lacht über den Karneval in Braun", hieß die Aktion, die von Gewerkschaften, Kirchen, der Stadt und Parteien organisiert worden war.

Nach stundenlangem warten kapitulierten die Neonazis. Versammlungsleiter Worch warf das Handtuch und gab den geplanten Marsch auf.

Und in Freiburg?

Jetzt ist Gelegenheit zu zeigen, was das Konzept der "Offenen Stadt" für die Menschen in Freiburg heißt. Niemand - ob Muslim, Jude oder Sikh, ob behindert, farbig oder obdachlos - darf am 14. September in Freiburg vor Glatzen und Springerstiefeln auch nur einen Augenblick Angst haben. Alle sollen sich hier sicher fühlen und frei bewegen können.

Wir wollen am 14. September eine machtvolle, bunte und kreative Demonstration auf die Beine stellen, die den NPD - Aufmarsch buchstäblich ins Aus befördert.

Rote Karte für braune Kameraden!

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FWV

Kreativer Aktionstag gegen den geplanten NPD-Aufmarsch

geplanten rechtsradikalen Kundgebung der NPD auch kritisiert haben, so stehen die Freien Wähler uneingeschränkt hinter dem Oberbürgermeister und der Verwaltung, die Kundgebung am 14. September mit allen rechtlichen zur Verfügung stehenden Mitteln zu verhindern. Leider davon ausgehend, dass dies nicht gelingen wird, so werden wir dem inzwischen erfreulich angewachsenen breiten Bündnis gegen Rechtsgerichtete zur Seite stehen. Basierend auf der in Freiburg entstandenen Initiative "Für eine offene Stadt" dürfen wir den Missbrauch und die Verhöhnung durch die NPD nicht hinnehmen.

Wir begrüßen und unterstützen die spontane Initiative der Gewerkschaften und danken ihnen heute schon für ihre sofortigen Reaktionen. Auch das Jugendbündnis hat sich schnell entschlossen zur Mitwirkung bekannt.

Es ist deshalb nicht nur selbstverständlich sondern auch notwendig, dass alle politischen demokratischen Parteien und Gruppierungen Flagge zeigen und sich diesem Bündnis gegen den Auftritt der Rechtsradikalen anschließen. Wir wünschen uns, dass dieses Entgegentreten in einem gemeinsamen Aktionstag einmündet, der nicht im Geringsten einer Gegendemonstration gleichkommt. Freiburg und seine Bürgerinnen und Bürger müssen auch dabei zeigen, dass wir eine offene Stadt sind, die Toleranz, Verständigung und ein Miteinander mit allen Mitbürgern, egal welcher Herkunft, pflegt und auch in Zukunft gewillt ist, diese Resolution vom September 2002 ständig fortzuführen. Wir müssen aber auch diese uns selbst gesetzten Ziele, wann immer es geboten und erforderlich erscheint, erhalten und notfalls auch verteidigen. Und das werden wir mit allen uns zur Verfügung stehenden rechtlichen und demokratischen Mitteln tun. Der Kreisverband, seine Mitglieder und die Stadtratsfraktion werden sich auf geeignete Weise diesem kreativen Aktionstag anschließen.

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Fraktionsgemeinschaft Unabhängige Frauen & Linke Liste

Kein Fußbreit den Neonazis

Die NPD ist ein bundesweites Sammelbecken von Neonazis und FaschistInnen. Ihre Mitglieder fallen durch tätliche Übergriffe und Mordanschläge gegen MigrantInnen, Obdachlose und Homosexuelle und durch zahlreiche Verurteilungen wegen Volksverhetzung, Geschichtsrevisionismus, Verherrlichung von Gewalt und Nationalsozialismus auf. Politische Themen, wie Frieden, der Nahost-Konflikt, Globalisierung oder Arbeitslosigkeit werden von ihnen nicht inhaltlich bearbeitet, sondern instrumentalisiert, um eine rassistische, nationalistische und antisemitische Stimmung zu schüren. Der Demonstrationsaufruf der NPD muss als bewusster Affront gegen die Politik einer "offenen Stadt" gewertet werden.

Wir begrüßen die Bildung eines Aktionsbündnisses gegen den geplanten NPD-Aufmarsch am 14. September und die Aussage, dass Stadt und Gemeinderat Gegenaktionen politisch und finanziell unterstützen werden!

Wir rufen alle FreiburgerInnen dazu auf, sich den Protesten anzuschließen!

Rechtsextreme Ideologien fallen jedoch nicht einfach so vom Himmel; sie sind vielerorts in unserer Gesellschaft mehr oder weniger latent vorhanden. Deshalb ist es auch Aufgabe der Stadt, sich über den Aktuellen Anlass hinaus mit der Thematik zu beschäftigen.

Dass eine bundesweit organisierte Demo der NPD erst nach Wochen und eher en passant dem Stadtrat und einer breiten Öffentlichkeit bekannt wird, zeugt nicht gerade von einem adäquaten Umgang mit einem solch politisch brisanten Thema. Wir fordern genaue und öffentliche Aufklärung darüber, wie der seit Mitte März vorliegende Antrag der NPD über Wochen und Monate hinweg nur eine Diskussion über den reibungslosen Ablauf dieser Veranstaltung zur Folge haben konnte, und dies ohne Bekanntgabe der Sachlage an BürgerInnen und Stadtrat! Dies darf nicht noch einmal geschehen!

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FDP

NPD ohne Chance in Freiburg

Es ist schon sehr verwunderlich, dass die NPD mit ihrem geplanten Aufmarsch am 14. September versuchen will, ausgerechnet in Freiburg Fuß zu fassen. Denn Tatsache ist, dass Freiburg glücklicherweise keinen Nährboden für rechtsextremistisches Gedankengut bietet. Dennoch darf nicht vergessen werden, dass es auch hier in der Vergangenheit gelegentlich ein "Aufflackern" der Rechten gab, was die Demokraten immer wieder zur Vorsicht und zur Wachsamkeit mahnen muss. Und so begrüßen es die FDP-Stadträte ausdrücklich, dass der DGB eine Initiative gestartet hat, die am gleichen Tag in einem Fest enden soll, das sich kreativ und mit Unterstützung vieler anderer demokratischer Organisationen "gegen Fremdenhass und Rassenwahn" wenden wird. Die FDP-Stadträte sind fest davon überzeugt, dass die rechte Szene in Freiburg niemals die Chance bekommen wird, auf breite Zustimmung zu stoßen, da in unserer Stadt Werte wie Toleranz und Weltoffenheit eine wichtige Rolle spielen. Gleichzeitig erwarten die FDP-Stadträte aber auch, dass sämtliche geplanten Aktionen gewaltfrei ablaufen, da zu einem demokratischen Geist vor allem die Pflicht gehört, auf Gewalt zu verzichten. Nur so kann der Kampf gegen Extremismus  glaubwürdig und wirksam bleiben.

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Junges Freiburg

Grotesk - no merci!

Auch wenn die NPD nicht verboten ist und die Demo somit kaum untersagt werden kann, ist es wichtig eindeutige Zeichen zu setzen.

Zeichen von ALLEN, gegen eine menschenunfreundliche Gesinnung, die - egal unter welchen Motto die NPD-Demo nun letztlich abläuft - alles ausgrenzt, was 'anders' ist.

Grotesk ist, dass genau bei einer solchen Veranstaltung grenzüberschreitende Kontakte genutzt werden. Dreiste Ausnutzung des europäischen Gedankens! Die NPD hat wohl das Recht zu demonstrieren, alle Freiburger haben nun die Pflicht gemeinsam ein Zeichen zu setzen.

Am besten laden wir auch noch in der Schweiz und im Elsass zu grenzüberschreitendem Protest ein!

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StadtNachrichten (Amtsblatt) vom Freitag, 26. Juli 2002

Breites Bündnis für Aktionstag gegen Rechts

Stadt will NPD-Demo verbieten - Gemeinderat und Stadtverwaltung setzen Zeichen gegen Rechts - Initiative "Offene Stadt" bekräftigt

Am 14. Spetember plat die NPD eine Großkundgebung in Freiburg, die die Stadt mit allen Mitteln verhindern will. Ob eine Verbotsverfügung jedoch vor Gericht Bestand haben wird, ist fraglich. Die jetzt noch verbleibenden acht Wochen bis zur Demonstration wird die Stadt nutzen, um als Mitveranstalterin im Rahmen eines breiten Bündnisses einen Aktionstg gegen Rechts zu organisieren. OB Salomon: "Wir müssen uns jetzt auf den 14. September konzentrieren!"

Sämtliche Fraktionen im Gemeinderat appelierten an die Freiburger Bürgerschaft und demokratischen Kräfte, am 14. September für Toleranz, Offenheit und ein gleichberechtigtes Miteinander einzutreten.

Bereits jetzt haben sich viele Gruppen, Initiativen und Institutionen gegen die NPD-Veranstaltung gewandt und angekündigt, sich am Protest zu beteiligen. Insbesondere der DGB hat kurz nach Bekanntwerden des NPD-Antrags ein breites gesellschaftliches Aktionsbündnis angestoßen. Gleichfalls hat das Freiburger Jugendbündnis "Jugend für M.u.T. / Menschlichkeit und Toleranz" bereits Initiativen angekündigt.

Um die bürgerschaftlichen Aktionen zu unterstützen, hat der Gemeinderat 25 000 Euro außerplanmäßig bewilligt. In seiner Sitzung am vergangenen Dienstag bekräftigte der Rat erneut die Initiative "Für eine offene Stadt - Gegen Fremdengass und Rassenwahn". Die NPD hatte sich in einer Ankündigung auf dieses Motto berufen. Damit versuche die rechtsextremistische Partei die städtische Initiative zu pervertieren, so das Bürgermeisteramt. Gemeinderat und Stadtverwaltung verwahren sich in einer Erklärung ausdrücklich gegen diese Verhöhnung.

Mittlerweile hat eine Arbeitsgruppe unter der Leitung des Sozialdezernenten Ulrich von Kirchbach die Arbeit aufgenommen, um die Aktivitäten für den Aktionstag zu koordinieren. Er kündigte an, den Aktionstag in jedem Falle durchzuführen, egal ob die NPD-Demonstration stattfindet oder nicht. Von Krichbach: "Wir wollen und müssen jetzt ein Zeichen setzen gegen Rechts!" Eine Informations- und Öffentlichkeitskampagne der Stadt solle zu einer breitestmöglichen Mobilisierung der Bürgerschaft führen.

Stadträtinnen und Stadträte appelierten in der gemeinderätlichen Aussprache, die NPD zu ächten. Der Aktionstag solle mit Kreativität und Vielfalt den Aufmarsch der Neonazis konterkarieren, so Henning Wellbrock, SPD. Man könne so eine deutschlandweit beachtete antifaschistische Bürgerbewegung ins Leben rufen. Bertold Bock, CDU, rief zu einer gewaltfreien Gegendemonstration auf. Maria Viethen, Bündnis 90 / Die Grünen und Alfred Kalchthaler schlugen vor, dass der Gemeinderat geschlossen an dem Aktionstag teilnehmen solle. Darüber hinaus plädierte Maria Viethen dafür, sich verstärkt um Opfer von Rechtsradikalismus zu kümmern. Auch Claudia Herbstritt, Junges Freiburg, brandmarkte den grotesken Missbrauch der städtischen Initiative "Für eine offene Stadt" durch die NPD und rief dazu auf, am 14. September gegen Rechts aufzustehen. Michael Moos, Unabhängige Frauen und Linke Liste, kritisierte die Stadtverwaltung im Umgang mit dem NPD-Antrag: Erst vor zirka drei Wochen erfuhr die Stadtspitze davon. Oberbürgermeister Dieter Salomon hat inzwischen den Vorgang aufklären lassen und versichert, dass ein Versäumnis dieser Art nicht mehr vorkommen wird.

Am Donnerstag, den 1. August, findet um 18.30 Uhr im Kaisersaal des Historischen Kaufhauses ein offenes Plenumstreffen zum Aktionstag "Bündnis gegen Rechts" statt. Der DGB und die Stadt wollen bei dem Treffen die weiteren Aktivitäten mit der Bürgerschaft abstimmen. Bürgermeister Ulrich von Kirchbach und DGB-Vorsitzender Jürgen Höfflin werden die Sitzung leiten.

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Badische Zeitung vom Donnerstag, 25. Juli 2002

Räte demonstrieren mit

Der Gemeinderat unterstützt städtische Aktionen gegen den NPD-Aufmarsch am 14. September

Der Gemeinderat hat am Dienstag einstimmig beschlossen, am 14. September geschlossen an der Gegenkundgebung zum geplanten NPD-Aufmarsch in Freiburg teilzunehmen. Gleichzeitig bekräftigten die Stadträte den Appell "Für eine offene Stadt - Gegen Fremdenhass und Rassenwahn" vom September 2000 und stellten sich genau so einhellig hinter die von der Verwaltung angeregten Aktionen im Schulterschluss mit dem schon existierenden Bündnis gegen Rechts. OB Dieter Salomon: "Ich will mehr als 10 000 Menschen auf den Straßen sehen."

"Wir werden Mitveranstalter der am 14. September geplanten Aktionen", hatte er gleich zu Beginn der Aussprache klar gemacht - mit der Hoffnung, dass der Gemeinderat ihn dabei aktiv unterstützt. So geschah es: Der spontan von Alfred Kalchthaler (FWV) gestellte Antrag, der Gemeinderat möge "geschlossen an der Gegendemonstration teilnehmen", wurde von dem 48-köpfigen Gremium einstimmig angenommen.

Per Beschluss empfahl der Rat der Verwaltung auch, die Kundgebung der rechtsextremistischen NPD "mit allen rechtlich zur Verfügung stehenden Mitteln zu verhindern". Dazu OB Salomon: "Die Verbotsverfügung geht in den nächsten Tagen raus. Sie sehen: Die Stadt handelt".

Sozialbürgermeister Ulrich von Kirchbach stellte klar, dass die geplanten Aktionen auf jeden Fall am 14. September stattfinden, "und zwar egal, ob die NPD marschiert oder nicht". So appelliert der Gemeinderat in seinem Beschluss an die Freiburger Bürgerschaft und alle demokratischen Kräfte, "für Toleranz, Offenheit und gleichberechtigtes Miteinander aller Bürgerinnen und Bürger, unabhängig von ihrer kulturellen und ethnischen Herkunft, einzutreten".

Der Gemeinderat begrüßt und unterstützt, so heißt es im Beschluss weiter, "den zivilgesellschaftlichen und gewaltfreien Protest gegen die NPD-Kundgebung". Das vom DGB angeregte breite Bündnis werde von der Stadt als Mitveranstalterin unterstützt. Von Kirchbach: "Wir werden logistisch und organisatorisch dabei sein", außerdem habe der Oberbürgermeister die Schirmherrschaft übernommen.

"Die NPD und ihre faschistische Ideologie muss gesellschaftlich geächtet werden", forderte Michael Moos (Unabhängige Frauen/Linke Liste). Freiburg könne sich mit einem massenhaften Protest auch hier ein gutes Renommee erwerben, wobei das Ziel sein müsse, mehr als 10 000 Menschen auf die Straße zu bekommen - dann gebiete es die öffentliche Sicherheit, den NPD-Aufmarsch zu verhindern. "Diese polizeitaktischen Erwägungen sind auch dem Polizeipräsidenten nicht fremd", berichtete OB Salomon.

Henning Wellbrock (SPD), Maria Viethen (Grüne) und Claudia Herbsttritt (Junges Freiburg) sprachen sich für kreative Aktionen aus, ohne politisch zu übertreiben oder sich zu sehr von der NPD beeinflussen zu lassen.

Die Stadt Freiburg soll, so beschloss der Gemeinderat, nicht nur die Aktionen, wo erwünscht, koordinieren und als Servicestelle fungieren, sondern auch mit einer Kampagne die Öffentlichkeit für die Aktion "Offene Stadt" gewinnen. So mit Plakaten, Aufklebern, Buttons, Flyern, Anzeigen und auf der städtischen Internetseite, aber auch mit gemeinsamen Info-Ständen in der Innenstadt. Für die städtische Unterstützung bürgerschaftlicher Aktionen gegen die NPD-Kundgebung bewilligte der Gemeinderat außerplanmäßig 25 000 Euro.

Bernd Serger

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junge Welt vom Mittwoch, 24. Juli 2002

Breites Bündnis gegen NPD-Aufmarsch in Freiburg

jW sprach mit Jürgen Höfflin, DGB-Vorsitzender der Region Südbaden-Hochrhein

Am 14. September will die NPD erstmals seit 31 Jahren eine Großkundgebung in Freiburg, Baden-Württemberg, durchführen. Gegen den Neonazi-Aufmarsch in der linken Universitätsstadt hat sich am Donnerstag letzter Woche unter Federführung des DGB ein breites Aktionsbündnis gegen rechts gegründet

F: Freiburgs Straßen werden nicht einen Tag lang der NPD gehören, kündigt das Aktionsbündnis an. Wie soll dieses Ziel erreicht werden?

Wir werden am 14. September, dem Tag der geplanten neofaschistischen Demonstration, einen »Aktionstag für eine offene Stadt« organisieren und haben bereits Kundgebungen auf allen öffentlichen Plätzen Freiburgs angemeldet. Das erste Treffen des Aktionsbündnisses hat gezeigt, daß die Resonanz auf den Aufruf des DGB sehr positiv war. Ein breites Spektrum aller Menschen, die in Freiburg leben, ist gekommen: Parteien, Kirchen, Schüler und Studenten, Vertreter der Stadt, Migrantengruppen, Kulturinitiativen, Wohlfahrtsverbände und Obdachlosengruppen. Wir gehen deshalb davon aus, daß um den 14.September herum sehr viel passiert, was sich mit der Thematik Rechtsradikalismus beschäftigen wird. Vieles ist bereits konkret geplant, angefangen von Rock-Konzerten und Straßentheater bis hin zu einem Motorradkorso durch die Innenstadt. Natürlich wird es an diesem Tag auch Kundgebungen und viele Informationsstände geben. Wir werden auch ein Koordinationsbüro mit eigenem Telefon und eine Internetseite einrichten, um über alle Aktivitäten zu informieren.

F: Reicht das aus, um den Nazi-Aufmarsch zu verhindern?

Das wird die Praxis zeigen. Ich hoffe, daß sehr viele Menschen und Organisationen an diesem Tag auf die Straße gehen, um ein deutliches Zeichen zu setzen und dem NPD-Aufmarsch entgegenzutreten. Dann könnte eine Situation entstehen, in der die Polizeileitung entscheiden muß, ob die Nazi-Demo unter diesen Umständen überhaupt durchführbar ist. Schließlich erwarten wir über 10000 Gegendemonstranten.

F: Rechnet das Aktionsbündnis auch mit einem Verbot der NPD-Demo?

Von vergleichbaren Fällen in anderen Städten wissen wir, daß die Chancen für ein Demonstrationsverbot sehr gering sind. Deshalb rechnen wir nicht damit. Denn klar ist auch, daß die Stadtverwaltung seit dem 18. März von der Anmeldung weiß und bereits Gespräche mit der NPD über eine mögliche Demonstrationsroute geführt hat. Sie hat damit den Eindruck erweckt, daß es prinzipiell möglich ist, eine solche Kundgebung durchzuführen. Deshalb ist es schwierig, juristisch dagegen zu argumentieren, auch wenn die Stadt jetzt angekündigt hat, den NPD-Aufmarsch verbieten zu wollen. Dies hätte sie von Anfang an erklären müssen. Schließlich ist die NPD eine Partei, die die Demokratie mit allen Mitteln bekämpft und sich nun perfide auf die Meinungs- und Versammlungsfreiheit beruft. Wir wollen jedoch Vielfalt statt Einfalt und werden deshalb den Neofaschisten am 14. September nicht die Straße überlassen.

Kontakt: DGB Region Südbaden-Hochrhein, Hebelstr. 10, 79104 Freiburg, Tel. 0761/ 3884722, E-Mail:  freiburg@dgb.de

Interview: Martin Höxtermann

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Stadtkurier vom Mittwoch, 24. Juli 2002

NPD-Ärger

(sb). Mittlerweile gibt es kaum noch eine Freiburger Organisation, die sich noch nicht entschieden gegen die am 14. September geplante Demonstration der rechtsextremistsichen NPD in Freiburg ausgesprochen hat.

Vom Motorradverein "Kuhle Wampe" bis zum Konvent der Evangelischen Pfarrer - von der CDU bis FWT reicht die Front der Ablehnung. Das Bürgermeisteramt hat nach einer verwaltungsinternen Abstimmung nochmals die Linie bekräftigt, mit allen ihr zur Verfügung stehenden rechtlichen und politischen Mitteln gegen die Demonstration vorzugehen.

Oberbürgermeister Dieter Salomon hat das Amt für öffentliche Ordnung beauftragt, nach Anhörung der Antragsteller das Verfahren mit dem Ziel eines Verbotes einzuleiten. Gleichzeitig appelierte er an alle demokratischen Kräfte, ein deutliches politisches Zeichen gegen den Auftritt von Rechtsradikalen zu setzen. Ziel der Stadt sei es, die Kundgebung zu verhindern, lautet der einhellige Tenor. Unterdessen wurde die Teilnehmerzahl für den geplanten NPD-Aufmarsch von 2000 auf 600 bis 800 korrigiert.

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Freiburger Wochenbericht vom Mittwoch, 24. Juli 2002

NPD: Freiburg hält zusammen

In der gestrigen Gemeinderatssitzung wurde die Resolution "Für eine offene Stadt" nochmals bekräftigt. Die Stadt Freiburg stellte klar, dass sie die Demonstration nach Möglichkeit verhindern will. Für die Gegendemonstration und ähnlich geartete Veranstaltungen am 14. September stellt Freiburg nun einen Betrag von 25.000 Euro zur Verfügung, außerdem bietet die Stadt ihre Mithilfe bei der Koodination der Veranstaltungen anund bildet im Sozialdezernat eine Arbeitsgruppe. Diese wird auch eine Internetseite für NPD-Gegner einrichten.

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Badische Zeitung vom Mittwoch, 24. Juli 2002

Hohe Hürden für Demonstrationsverbote

Nur Hinweise auf konkrete Straftaten lassen Karlsruhe aktiv werden / NPD-Kundgebung in Freiburg muss wohl geduldet werden

Die Worte waren eindringlich und deutlich. In Deutschland würden zu viele rechtsextremistische Demonstrationen ohne rechtliche Grundlage verboten, beschwerte sich im Februar Everhard Franßen, der Präsident des Bundesverwaltungsgerichts. Was ihn dabei vor allem störte: Die Kommunen stehen als politische Saubermänner da, wohl wissend, dass die Verwaltungsgerichte die Verbote wieder aufheben müssen. "Wer so tut, als könnten Verwaltungsgerichte ein Auftrittsverbot für rechtsradikale Parteien erfinden, schädigt den Rechtsstaat und unsere Justiz", erklärte Franßen.

Auch in Freiburg hat inzwischen eine Diskussion begonnen, ob die für den 14. September geplante NPD-Demonstration verboten werden soll. Oberbürgermeister Dieter Salomon (Grüne) hat in einer ersten Stellungnahme angekündigt, er werde "alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen". Inzwischen ist die Stadtverwaltung etwas ruhiger geworden. Zu Recht, denn das Bundesverfassungsgericht hat für Demonstrationsverbote hohe Hürden aufgestellt. Schon Anfangs der 80er-Jahre betonte es in seinem Brokdorf-Beschluss, dass die Demonstrationsfreiheit ein für die Demokratie ganz grundlegendes Freiheitsrecht ist. Und diese Linie hat das Gericht auch in den 90er-Jahre recht konsequent durchgehalten.

Solange sich die Rechtsradikalen an die Regeln halten, muss der Staat sie gewähren lassen. Eine Demonstration kann deshalb nur verboten werden, wenn es konkrete Anzeichen dafür gibt, dass sie unfriedlich verlaufen wird oder dass sie als Rahmen für sonstige Straftaten wie etwa Volksverhetzung genutzt werden soll. Nicht ausreichend ist der Verweis auf Vorfälle in der Vergangenheit. Auch allgemeine Erkenntnisse über die Veranstalter reichen nicht aus, um eine Demonstration zu verbieten. Völlig chancenlos wäre sicher eine Verbotsbegründung, die sich auf den Schutz des "weltoffenen Images" Freiburgs zu stützen versucht.

Relativ großzügig ist das Verfassungsgericht indes im Hinblick auf Auflagen für Demonstrationen. So dürfen Behörden im Interesse der öffentlichen Sicherheit Vorgaben für Kleidervorschriften machen (keine Springerstiefel), das Skandieren bestimmter Parolen ausschließen und in gewissem Maße die Route der Demonstration beeinflussen.

Das Gericht hat seine Linie mit hohem persönlichen Einsatz durchgesetzt. Oft mussten die zuständigen Richter Wochenenddienst leisten, weil Demonstrationen kurzfristig verboten wurden und die Verfassungsbeschwerden erst Samstagvormittags, wenige Stunden vor dem geplanten Beginn einer Kundgebung, in Karlsruhe eingingen. Der federführende Richter Wolfgang Hoffmann-Riem, ehemaliger Justizsenator von Hamburg, machte sich sogar gelegentlich die Mühe, eine umstrittene Demonstration persönlich zu beobachten.

Mit gewisser Erleichterung registrierte man in Karlsruhe, dass die meisten vom Gericht ermöglichten Demonstrationen friedlich über die Bühne gegangen sind. Auch die Verwaltungsgerichte in Deutschland haben die Karlsruher Vorgaben inzwischen weitgehend übernommen. Klagen gegen voreilige Verbote haben inzwischen meist schon in den unteren Instanzen Erfolg und müssen gar nicht mehr bis zum Verfassungsgericht gebracht werden. Nur das Oberverwaltungsgericht Münster stellt sich immer wieder quer. Noch im vergangenen Sommer vertraten die nordrhein-westfälischen Richter die Auffassung, das öffentliche Eintreten für Rassismus, Antisemitismus und Ausländerfeindlichkeit dürfe aus historischen Gründen nicht als "Ausübung eines Freiheitsrechts" eingestuft werden.

In aller Deutlichkeit hat Karlsruhe diese Sichtweise jedoch zurückgewiesen. Das Grundgesetz dokumentiere seine Absage an den Nationalsozialismus gerade "auch im Aufbau allgemeiner rechtsstaatlicher Sicherungen", deren Fehlen das NS-Regime mitgeprägt habe. Zu diesen rechtsstaatlichen Garantien, so Karlsruhe, gehöre eben auch die Versammlungsfreiheit für Minderheiten. Solange eine Partei nicht vom Bundesverfassungsgericht verboten ist, sei sie "in ihrer politischen Aktivität von rechtlichen Behinderungen frei, soweit sie mit allgemein erlaubten Mitteln arbeitet", hieß es im Karlsruhe.

In den Augen von Everhard Franßen vom Bundesverwaltungsgericht liegt deshalb eine ganz andere Strategie im Umgang mit rechten Demonstrationen nahe: "Lasst sie doch demonstrieren, wir nehmen es einfach nicht zur Kenntnis", rät er. "Wer mit seinen Provokationen ins Leere läuft hat schon verloren."

Christian Rath

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Der Sonntag vom Sonntag, 21. Juli 2002

Demonstration der Toleranz

Kahlgeschorene Männer marschieren in schwarzen Jacken und Springerstiefeln durch die Freiburger Innenstadt und brüllen fremdenfeindliche Parolen. Flankiert wird der Aufmarsch von Trommlern, die ihren Instrumenten monoton-dumpfe Töne entlocken. Am Rande gehen Polizisten, um Übergriffe von Gegendemonstranten zu verhindern.

So hat sich das die NPD gedacht, als sie im März dieses Jahres eine Großdemonstration in Freiburg für den 14. September angekündigte. Es wird wohl bei der Vorstellung dieser ungeheuerlichen Provokation bleiben. Die rechtsradikale Partei hat mit ihrer Ankündigung das Gegenteil des Erhofften bewirkt: In eindrucksvoller Einigkeit wehren sich die demokratischen Parteien, zahlreiche Organisationen und Verbände und die Stadtverwaltung gegen den angekündigten Aufmarsch der Ausländerfeinde.

Nach einem kurzen Entsetzen haben die Freiburger die Initiative an sich gerissen und gezeigt, dass sie nicht gewillt sind, die rechtsradikale Partei das liberale Image der Stadt verhöhnen zu lassen. Es zeigt sich einmal mehr, dass die Resolution des Gemeinderats gegen rechte Gewalt, gegen Fremdenhass und Ausländerfeindlichkeit keine Floskel ist, sondern die Haltung in der Bürgerschaft und der Stadt widerspiegelt. Und dafür sind die Menschen bereit, auf die Straße zu gehen.

Selbst wenn die NPD ihren Aufmarsch absagen sollte, oder wenn er wider Erwarten mit einem Verbot verhindert werden kann, wird der 14 September zu einer Demonstration der Freiheit und Toleranz werden. Das haben die Organisatoren der Gegenveranstaltung angekündigt. Derzeit werden noch Vorschläge für Aktionen gesammelt. Der DGB hat bereits alle Plätze der Innenstadt für Konzerte und andere Veranstaltungen reserviert.

Einziger Schönheitsfehler bleiben die vorangegangenen Absprachen des Amtes für öffentliche Ordnung mit der NPD hinter den Kulissen über mögliche Marschrouten. Diesen Triumph können die Rechtsradikalen für sich verbuchen. Mehr dürften es aber nicht werden.

Klaus Riexinger

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Badische Zeitung vom Samstag, 20. Juli 2002

Fest statt Gegen-Demo

Bündnis gegen NPD-Aufmarsch trifft sich wieder am 1. August

Die Stadt muss sich hier wie bei der Tour de France engagieren", forderte Kabarettist Matthias Deutschmann, der am Donnerstag ebenfalls zum ersten Treffen des Bündnisses gegen den am 14. September geplanten NPD-Aufmarsch erschienen war (wir berichteten). Statt großer Gegendemonstrationen soll Freiburg, so Deutschmann, "ein wunderbares Fest veranstalten, das in die Bundesrepublik ausstrahlt".

Das sei ganz im Sinne der Stadtverwaltung, erklärte Hans Steiner, der im Rathaus die Aktion "Offene Stadt" koordiniert. Am 1. August um 18.30 Uhr trifft sich das Bündnis noch einmal im DGB-Haus, um die Ergebnisse der in Auftrag gegebenen Vorarbeiten zusammen zu fassen. Bis Dienstag, 23. Juli, kann der am Donnerstag beschlossene Aufruf noch von Erstunterzeichnern unterschrieben werden, danach wird er veröffentlicht ( freiburg@dgb.de). Inzwischen hat sich auch das Erzbischöfliche Dompfarramt und Stadtdekanat dem Bündnis angeschlossen.

Vom 1. August an ist der aktuelle Verfassungsschutzbericht, der sich unter anderem mit der NPD beschäftigt, kostenlos in der Landeszentrale für politische Bildung (LpB), Friedrichring 29, erhältlich (Besucherservice dienstags und donnerstags 9 bis 15 Uhr, Auskünfte [TEL] 0761/207730)

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Stattzeitung vom Freitag, 19. Juli 2002

Bleibt Freiburg auch in Zukunft nazifreie Zone?

Am 14.September will die NPD erstmals seit 31 Jahren eine Großkundgebung in Freiburg im Breisgau durchführen. Gegen den Neo-Nazi-Aufmarsch hat sich am Donnerstag, den 18.7. unter Federführung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) ein breites Aktionsbündnis gegen Rechts gegründet. Rund 100 TeilnehmerInnen waren zu dem Treffen ins Freiburger DGB-Haus gekommen. Dazu führte die "Stattzeitung" ein Interview mit Jürgen Höfflin, DGB-Vorsitzender der Region Südbaden-Hochrhein.

SZ:Freiburgs Straßen werden nicht einen Tag lang der NPD gehören, kündigt das Aktionsbündnis an. Wie soll dieses Ziel erreicht werden?

Höfflin: Wir werden am 14. September, dem Tag der geplanten neofaschistischen Demonstration, einen "Aktionstag für eine offene Stadt" organisieren und haben bereits Kundgebungen auf allen öffentlichen Plätzen Freiburgs angemeldet. Das erste Treffen des Aktionsbündnisses hat gezeigt, dass die Resonanz auf den Aufruf des DGB sehr positiv war. Ein breites Spektrum aller Menschen, die in Freiburg leben, ist gekommen: Parteien, Kirchen, Schüler und Studenten, Vertreter der Stadt, Migrantengruppen, Kulturinitiativen, Wohlfahrtsverbände und Obdachlosengruppen. Wir gehen deshalb davon aus, dass um den 14. September herum sehr viel passiert, was sich mit der Thematik Rechtsradikalismus beschäftigen wird. Vieles ist bereits konkret geplant, angefangen von Rock-Konzerten und Straßentheater bis hin zu einem Motorrad-Korso durch die Innenstadt. Natürlich wird es an diesem Tag auch Kundgebungen und viele Informationsstände geben. Wir werden auch ein Koordinationsbüro mit eigenem Telefon und eine Internetseite einrichten, um über alle Aktivitäten zu informieren.

SZ: Reicht das aus, um den Nazi-Aufmarsch zu verhindern?

Höfflin: Das wird die Praxis zeigen. Ich hoffe, dass sehr viele Menschen und Organisationen an diesem Tag auf die Straße gehen, um ein deutliches Zeichen zu setzen und dem NPD-Aufmarsch entgegen treten. Dann könnte eine Situation entstehen, in der die Polizeileitung entscheiden muss, ob die Nazi-Demo unter diesen Umständen überhaupt durchführbar ist. Schließlich erwarten wir über 10.000 Gegendemonstranten.

SZ: Rechnet das Aktionsbündnis auch mit einem Verbot der NPD-Demo?

Höfflin: Aus vergleichbaren Fällen in anderen Städten wissen wir, dass die Chancen für ein Demonstrationsverbot sehr gering sind. Deshalb rechnen wir nicht damit. Denn klar ist auch, dass die Stadtverwaltung seit dem 18.März von der Anmeldung weiß und bereits Gespräche mit der NPD über eine mögliche Demo-Route geführt hat. Sie hat damit den Eindruck erweckt, dass es prinzipiell möglich ist, eine solche Kundgebung durchzuführen. Deshalb ist es schwierig, juristisch dagegen zu argumentieren, auch wenn die Stadt jetzt angekündigt hat, den NPD-Aufmarsch verbieten zu wollen. Dies hätte sie von Anfang an erklären müssen. Schließlich ist die NPD eine Partei, die die Demokratie mit allen Mitteln bekämpft und sich nun perfide auf die Meinungs- und Versammlungsfreiheit beruft. Wir wollen jedoch Vielfalt statt Einfalt und werden deshalb den Neofaschisten am 14.September nicht die Straße überlassen.

Kontakt: DGB Region Südbaden-Hochrhein, Hebelstr. 10, 79104 Freiburg, Tel. 0761- 388 47 22, E-Mail:  freiburg@dgb.de

Interview: Martin Höxtermann

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Badische Zeitung vom Freitag, 19. Juli 2002

Vor 31 Jahren gab's für Neonazis eine kalte Dusche

1971 fand die letzte rechtsradikale Kundgebung in Freiburg statt / "Die trugen Anzüge und sahen wie brave Spießbürger aus"

31 Jahre lang blieb Freiburg von organisierten Neo-Nazi-Aufmärschen verschont. Zuletzt versuchten rechtsradikale Gruppen im Jahr 1971, Demonstrationszüge durch Freiburg zu organisieren, wurden aber jedes Mal von einem breiten Bürgerbündnis ausgebremst. Beteiligte Zeitzeugen erinnern sich noch gut an jene Tage. "Das war doch die Sache mit der Schlägerei", erinnert sich Herbert Jorzig, damals DGB-Kreisvorsitzender in Freiburg, an den 15. Januar 1971.

Damals hatten das "Deutsche Kulturwerk europäischen Geistes" und verschiedene der NPD nahestehende Organisationen zum 100. Jahrestag der Reichsgründung von 1871 einen Fackelzug auf den Schlossberg geplant - aus Protest gegen den "Verzicht auf die deutschen Ostgebiete". Um die Nazi-Demo habe es ein "langes Hin und Her" hergeben, berichtet der heute 83-jährige Gewerkschaftler, denn die beiden Anmelder, General Sachsenheimer und Bernd Pauli, Fraktionssprecher der NPD im Stuttgarter Landtag, hatten die Kundgebung kurzfristig wieder abgesagt.

Daraufhin bliesen auch DGB und SPD ihre geplante Gegenkundgebung auf dem Augustinerplatz ab. So meldete es am 15. Januar 1971 auch die Badische Zeitung. Dennoch marschierte am selben Abend eine 30 Mann starke Gruppe Rechtsradikaler mit Fackeln, Fahnen und Transparenten durch das Martinstor Richtung Bertoldsbrunnen. "Ich konnte die Fackelträger schon von weitem sehen", erinnert sich Bernt Waldmann, damals Stadtrat der SPD, der in der Kaiser-Joseph-Straße eine Anwaltspraxis führte. "Ich lief sofort hinunter, weil ich wusste, was sich da abspielte."

Springerstiefel und Glatzen waren damals bei den Neo-Nazis noch nicht Mode. "Die trugen Anzüge und Jungvolkfrisuren und sahen aus wie brave Spießbürger", berichtet Waldmann. Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Viele Freiburger eilten in die Innenstadt und stellten sich den Neo-Nazis entgegen. Am Bertoldsbrunnen wurde der braune Fackelzug von 200 Gegendemonstranten gestoppt.

Mit dabei: Rolf Böhme, damals Vorsitzender der Freiburger SPD. "Wir wollten den Nazis den Weg versperren", berichtet er. "Natürlich haben wir auch antifaschistische Parolen gerufen, und davon haben die sich provoziert gefühlt", erinnert sich Herbert Jorzig. Einer sei mit einer brennenden Fackel auf ihn losgegangen und habe seine Haare verbrannt. Auch SPD-Chef Böhme musste Fausthiebe einstecken, sein Kopfhaar blieb jedoch verschont.

"Die Polizei, die zunächst nur in geringer Zahl vertreten war, war nicht in der Lage, die tätlichen Auseinandersetzungen zu verhindern", berichtete die BZ danach. Beim zweiten rechtsradikalen Aufmarsch des Jahres 1971, am 23.Oktober, war die Polizei besser gerüstet. 500 Mann Bereitschaftspolizei wurden aufgeboten, um 120 "Ewig-Gestrige" in Schach zu halten, die den 15. Jahrestag des Ungarnaufstands zum Anlass ihres Treffens machten. Anmelder der rechten "Freiheitskundgebung" war diesmal die "Solidarische Offensive" aus Angehörigen der NPD und anderen rechtsgerichteten Gruppen. Treffpunkt war der Augustinerplatz.

Dort versammelte sich auch die Gegendemonstration, zu der 24 Parteien und Gruppen aufgerufen hatten - neben DGB, SPD und FDP auch verschiedene Studentengruppen, die Katholische Hochschulgemeinde und Aktion Dritte Welt. Freiburg dürfe "kein Tummelplatz provozierender Horden und Schlägergruppen von rechts werden", mahnte der gemeinsame Aufruf. Angesichts der großen Zahl von Gegendemonstranten wurde der Nazi-Zug in die Gerberau umgeleitet und lief sich in der schmalen Gasse fest. "Die kamen weder vor noch zurück", erinnert sich der heute 93-jährige Fritz Matt, damals Vorstand der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN). "Außerdem wurden die braunen Brüder von den Bewohnern der umliegenden Häusern von oben eimerweise mit kalten Wasser eingeduscht," berichtet Matt. Nach einer Stunde schließlich lösten die Neonazis unter Zusicherung freien Geleits ihre Demo auf und zogen davon.

Kontroverse Diskussionen gab es um die Zulassung der braunen Aufmärsche. "Die gesamte SPD war damals der Meinung, dass die rechten Kundgebungen gar nicht hätten stattfinden dürfen", erinnert sich Waldmann. Während Oberbürgermeister Eugen Keidel (SPD) im Januar den rechten Umzug gestattete, wurde im Oktober 1971 ein Verbot ausgesprochen. Dieses wurde jedoch vom Verwaltungsgericht aufgehoben.

"Wir waren wie viele andere Gruppen dennoch der Meinung, dass es wichtig ist, politisch mit einer Gegendemonstration zu reagieren", betont Böhme. Dank des entschlossenen Auftretens vieler Bürger und zahlreicher Parteien und Gruppen sei es 1971 zweimal gelungen, den rechten Zug aufzuhalten. Seither fanden in Freiburg keine angemeldeten, rechtsradikalen Demonstrationen mehr statt.

Martin Höxtermann

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Badische Zeitung vom Freitag, 19. Juli 2002

Aktionstag soll gewaltfrei bleiben

Bündnis gegen Rechts ruft zum kreativen Widerstand gegen den geplanten NPD-Aufmarsch auf

Gelächter erntete Sozialbürgermeister Ulrich von Kirchbach. Er berichtete von einen E-Mail der NPD, das die Stadtverwaltung gestern erhalten habe. So habe die rechtsextreme Partei beschlossen, das Motto ihrer für den 14. September in Freiburg vorgesehenen Demonstration zu ändern: aus "Todesstrafe für Kinderschänder" würde "Gegen Globalisierung und Meinungsdiktatur".

Der DGB hatte zu einem Koordinationstreffen für ein Bündnis gegen Rechts eingeladen. Der Saal im DGB-Haus platzte gestern Abend aus allen Nähten. Rund 100 engagierte Freiburgerinnen und Freiburger waren erschienen, manche verfolgten die leidenschaftliche Debatte sogar von draußen durch die offenen Fenster. Denkbar schwer fiel es dem Freiburger DGB-Chef Jürgen Höfflin, sein Ziel des Abends durchzusetzen: Er wolle nicht inhaltlich diskutieren, sondern Strukturen für ein arbeitsfähiges Bündnis schaffen. Gerade an inhaltlichen Fragen aber waren die meisten Besucher interessiert.

Zum Beispiel an der Frage, ob der Widerstand gegen die NPD unbedingt gewaltfrei bleiben muss. "Nein", befand ein junger Mann und verwies auf gewaltbereite Demonstranten aus der linksautonomen Szene, die sich in Ostdeutschland erfolgreich gegen Neonaziaufmärsche wehrten. Die große Mehrheit im Saal war aber anderer Meinung. Sie stimmte einem Aufruf zu, den Stadtrat Michael Moos (Linke Liste) mitgebracht hatte. "Zivilcourage zeigen - NPD-Aufmarsch entgegentreten", ist diese Resolution betitelt. Alle Freiburgerinnen und Freiburger werden dazu aufgerufen, sich "laut, bunt und kreativ den Nazis gewaltfrei und friedlich in den Weg zu stellen". Grundlage für diesen Aufruf ist das Papier eines Anti-NPD-Bündnisses aus Berlin.

Bunt wird es am 14. September in Freiburg zugehen, so viel steht fest. Einig war man sich darin, den Aktionstag gegen Rechts durchzuziehen - auch wenn die Stadt vor Gericht ein Verbot der NPD-Demo durchsetze. Von Kirchbach hatte eingangs klargestellt, dass die Stadt alles tun werde, um den Aufmarsch zu verhindern. Gesammelt wurden gestern Abend Vorschläge für Aktionen, zumal der DGB für den besagten Tag bereits alle Plätze der Innenstadt reserviert hat. So soll es ein "Riesen-Rockkonzert" mit regionalen Bands geben. Der DGB bringt ein Plakat heraus, das alle Bürger aufhängen sollen. Geplant ist unter anderem ein Motorrad-Korso, angedacht ein Bobby-Car-Rennen auf dem Innenstadtring. Und die Kirchen sollen ihre Glocken läuten.

Heike Spannagel

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Badische Zeitung vom Freitag, 19. Juli 2002

FWT sieht Kongress gefährdet

Die Freiburger Wirtschaft und Touristik (FWT) mit ihrem Geschäftsführer Bernd Dallmann sieht das von der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie veranstaltete "European Stanley Symposium on Bipolar disorders" von der gleichzeitig geplanten NPD-Kundgebung gefährdet. Zu der Fachtagung am 14. September werden mehrere hundert Teilnehmer aus aller Welt im Konzerthaus erwartet. Der Aufmarsch der NPD soll eben dort vorbeiführen. Die FWT hat in einem Schreiben an die Stadt gebeten, auch aus diesem Grund die NPD-Veranstaltung zu untersagen. Diese Veranstaltung schade, so Dallmann, schaden dem Ansehen der Stadt in den Augen der internationalen Gäste besonders: "Freiburg genießt einen guten Ruf als liberale Kongressstadt. Dieser Ruf soll nicht gefährdet werden."

BZ

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Freiburger Wochenbericht vom Mittwoch, 17. Juli 2002

NPD: Freiburg protestiert

Oberbürgermeister Dieter Salomon: "Wir wollen das nicht in unserer Stadt"

Für den 14. September hat die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) eine Großkundgebung in Freiburg geplant. Jetzt planen zahlreiche Freiburger Gegendemonstrationen. Unter ihnen: der OB Salomon, der Stadtjugendring, die Fraktionen und die Kirche.

Um den Aufmarsch der NPD im September zu verhindern, will die Stadt Freiburg alle rechtlichen und politischen Mittel ausschöpfen. Oberbürgermeister Dieter Salomon beabsichtigt, einen Verbotsantrag gegen die Demonstration zu erwirken. Weiter wird das Thema in der nächsten Gemeinderatssitzung am 23. Juli diskutiert.

Verschiedenste Freiburger Organisationen, christliche Einrichtungen, Parteien und Jugendorganisationen protestieren jetzt öffentlich gegen die Demonstration. Mit dabei: die "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes" (VVN), die sich in einem offenen Brief an Oberbürgermeister Dieter Salomon wendet, um dem "dreisten und provokativen Auftritt von Unverbesserlichen und Unbelehrbaren" Einhalt zu gebieten.

Gemeinsam gegen Rechts

Um die Kräfte zu bündeln, hat der Deutsche Gewerkschaftsbund Freiburg ein "Aktionsbündnis gegen Rechts" ins Leben gerufen. Am Donnerstag, 18. Juli findet im DGB-Haus ein Treffen der NPD-Gegner statt. Christine Ehrlenspiel vom VVN ist sicher, dass viele an dem Treffen teilnehmen werden: "Ich bin sehr optimistisch und denke, dass wir eigentlich beinahe das Audimax brauchen werden."

Auch ist das Engagement Freiburger Jugendorganisationen gewaltig, die zu Gegendemonstrationen aufrufen. Christoph Fritz, Vorsitzender des Stadtjugendrings: "Wenn die Veranstaltung nicht unterbunden werden kann, sollten alle Freiburger ein internationales Fest feiern, um die Offenheit und Toleranz Freiburgs zu zeigen." Dies fordert auch Michael Moos von der Fraktionsgemeinschaft Unabhängige Frauen und Linke Liste. "Es sollten sich Konzerte mit "Rock gegen Rechts" und bunte Veranstaltungen den Nazis friedlich in den Weg stellen." Die Jugendorganisationen der großen Parteien sind ebenfalls der Meinung, dass "alle demokratischen Kräfte an einem Strang ziehen müssen", so Stefan Schillinger, Sprecher der Jungsozialisten Freiburg.

Evangelische Pfarrer haben sich in einem Konvent zusammengetan. In einer Aktion sammeln sie in ihren Gemeinden Unterschriften, die Listen liegen in den Kirchen aus. Auch das Kolpingwerk zeigt sich betroffen, zumal die NPD-Kundgebung am 150-jährigen Jubiläum der Einrichtung stattfinden soll.

Nicole Gänsler

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Badische Zeitung vom Mittwoch, 17. Juli 2002

Ein Motorrad-Korso gegen Rechts

Die Aktionen gegen die geplante NPD-Demo in Freiburg werden konkreter / Bündnis wächst

Der Motorrad-Club "Coole Wampe" plant einen Korso. Der DGB hat alle Plätze der Innenstadt reserviert, wo Rockkonzerte "gegen Rechts" stattfinden sollen - die Aktionen gegen die geplante Demonstration der rechtsextremen NPD am 14. September in Freiburg werden konkreter. Ziel ist es, den Rechten keinen Raum zu überlassen.

Zu diesem Zweck formiert sich derzeit ein breites Bündnis gegen Rechts, dem inzwischen an die 20 Gruppen, Vereine, Verbände und Parteien angehören. Koordiniert wird das Bündnis vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) und der Stadt Freiburg. Mit dabei sind neben der Gewerkschaft Verdi auch die SPD, die Grünen, die CDU, die Linke Liste, die Unabhängigen Frauen, die Jusos, die Stadträte von Junges Freiburg, das Bündnis "Jugend für Menschlichkeit" sowie der Stadtjugendring. Widerstand haben auch der VVN, der Deutsche Familienverband, die AWO, die Evangelische Arbeitnehmerbewegung sowie der Konvent der evangelischen Pfarrerinnen und Pfarrer angekündigt. Mit dabei sind außerdem das Kolpingwerk und die Freiburger Bürgervereine.

An die Spitze der Bewegung hatte sich OB Dieter Salomon bereits vor einer Woche gestellt, um ein "Zeichen gegen den rechtsradikalen Spuk" zu setzen. Zum Koordinationstreffen, das am Donnerstag, 18. Juli, um 18.30 Uhr im DGB-Gewerkschaftshaus, Hebelstraße 10, stattfindet, kommt auch Sozialbürgermeister Ulrich von Kirchbach.

Den Antrag auf die Demonstration hatte die NPD bereits im März beim Amt für öffentliche Ordnung gestellt. Ein Verbot scheint unmöglich, so lange die öffentliche Sicherheit nicht gefährdet ist. Immerhin hat die NPD die zunächst angekündigte Teilnehmerzahl von 2000 bereits nach unten korrigiert: Laut DGB werden nur noch zwischen 600 und 1000 Demonstranten erwartet.

hsp

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Badische Zeitung vom Dienstag, 16. Juli 2002

"Flagge gegen den Extremismus zeigen"

OB kritisiert mangelnden politischen Instinkt im Ordnungsamt beim Umgang mit der NPD

Das Bündnis gegen die von der NPD am 14. September geplante Demonstration wird immer breiter. Und die Stadt Freiburg ist fest entschlossen, die bundesweite Kundgebung gerichtlich verbieten zu lassen. Dies bekräftigte gestern OB Dieter Salomon vor dem Hauptausschuss des Gemeinderats. Salomon räumte jedoch ein, dass dies rechtlich kaum möglich sei. Etliche Städte, darunter Karlsruhe, Mannheim, Ludwigsburg, scheiterten jüngst mit diesem Vorhaben.

Deswegen will die Stadt, so Salomon, gemeinsam mit der Polizei am 14. September eine friedliche Veranstaltung und den Schutz der Demonstranten sicher stellen. Vor allen Dingen aber sei die Stadt Freiburg dazu verpflichtet, die Bürgerschaft und alle demokratischen Gruppen zu unterstützen, die - möglichst in einem breiten Aktionsbündnis - gegen den Aufmarsch der NPD Widerstand leisten wollen.

Als eine "Verkettung unglücklicher Umstände" bezeichnete der Oberbürgermeister die Tatsache, dass er erst vor wenigen Tagen von dem Antrag der NPD erfahren hatte, obwohl das Dezernat von Bürgermeister Matthias Schmelas bereits am 18. März darüber informiert worden war. Ebenso kritisiert er, dass es im Laufe des bisherigen Verfahrens zudem zu Übermittlungspannen zwischen Amt und Baudezernat gekommen ist, bei denen wichtige Informationen Schmelas als Verantwortlichen nicht erreicht hätten. Laut Salomon habe das Ordnungsamt die politische Brisanz dieser Angelegenheit nicht richtig eingeschätzt: "So etwas darf nicht mehr vorkommen."

Die grüne Fraktion im Gemeinderat, die als erste "rückhaltlose Aufklärung" gefordert hatte, sieht den Gemeinderat sehr wohl in der politischen Verantwortung dafür, "was in der Stadt geschieht". Neben den Grünen hat auch der CDU-Kreisverband inzwischen die demokratischen Kräfte dazu aufgerufen, "Flagge gegen den Extremismus" zu zeigen. Kreisvorsitzender Klaus Schüle: "Die CDU wird sich dabei aktiv einbringen". Auch die vereinten Bürgervereine und der Stadtjugendring wollen an dem Bündnis teilnehmen.

phi/se

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Badische Zeitung vom Montag, 15. Juli 2002

Wachsender Protest gegen NPD-Demo

"Die Stadt soll Flagge zeigen"

Immer mehr Freiburger Gruppen und Initiativen wenden sich gegen die Großkundgebung, welche die rechtsradikale NPD am 14. September in Freiburg plant. Der Konvent der evangelischen Pfarrerinnen und Pfarrer hat sich ebenso zu Wort gemeldet wie das Kolpingwerk der Erzdiözese. Das Kolpingwerk ist besonders betroffen: Denn der Diözesanverband feiert ebenfalls am 14. September mit einem Fest sein 150jähriges Bestehen in Freiburg.

Das Kolpingwerk hat bereits Kontakt mit dem DGB und dem von dort initiierten Bündnis gegen Rechts Kontakt aufgenommmen, um deren Aktionen mit dem von Kolping geplanten Fest zu koordinieren. Die Diözesanvorsitzende Maria Busath hat in einem Brief an OB Dieter Salomon begrüßt, dass sich der OB mit allen Mitteln gegen die NPD-Kundgebung wehren will.

"Die Themen, mit denen die NPD um die Stimmen der Wählerinnen und Wähler wirbt, stehen nach unserer Überzeugung außerhalb des Freiraumes, innerhalb dessen mündige Christinnen und Christen in der Freiheit ihres Gewissens wählen können", schreibt der Konvent der evangelischen Pfarrerinnen und Pfarrer in Freiburg. "Freiburg ist eine offene Stadt - damit dies so bleibt, wollen wir keine Großveranstaltung, dies in Frage stellt", heißt es weiter in der Erklärung, die Dekan Traugott Schächtele entworfen hat. Geplant ist in den nächsten Tagen, eine ähnlich lautende Erklärung als Unterschriftenliste in den Kirchen und Gemeindehäusern auszulegen.

Kritik an der Stadt üben die Linke Liste/ Friedensliste. "Dass eine bundesweit organisierte Demo erst nach Wochen und eher en passent dem Gemeinderat und einer breiten Öffentlichkeit bekannt wird, zeugt nicht vom adäquaten Umgang mit einem solch politisch brisanten Thema". Es müsse aufgeklärt werden, warum der seit März vorliegende Antrag erst jetzt bekannt geworden sei. Diese müsse auch Konsequenzen nach sich ziehen. Linke Liste/ Friedensliste fordern, dass sich der Gemeinderat in seiner nächsten Sitzung mit dem Thema auseinandersetzt. Mit den Geldern aus dem Fond für eine "Offene Stadt" sollen Gegenaktionen unterstützt werden: Die Stadt müsse Flagge zeigen.

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Der Sonntag vom Sonntag, 14. Juli 2002

NPD-Treff Am Bahnhof?

Breite Front gegen Demo - Verfassungsschutz observiert auch in Freiburg

Wie solidarisch zeigen sich eigentlich die Freiburger gegenüber politischen Extremisten? Eine Frage, die wenige Tage nach Bekanntwerden der geplanten NPD-Kundgebung in der STadt geklärt scheint. Mittlerweile fiele es vermutlich leichter, zu zählen, wer sich nicht öffentlich gegen eine Demo ausgesprochen hat.

Was die Stadt von einer NPD-Kundgebung zu erwarten hat, weiß indes noch niemand genau. "Eine große Mobilisierung seitens der NPD-Mitglieder findet bisher nicht statt", sagt Jörg Hornung vom Verfassungsschutz in Stuttgart. Als rechtsextreme Vereinigung steht die Partei bundesweit unter Beobachtung des Verfassungsschutzes, "natürlich auch die in Freiburg und Umgebung". Stark vertreten sei die Partei im Breisgau nicht, so Jörg Hornung, der eine Zahl von 20 Mitgliedern angibt.

Im Internet sind bisher nur spärliche Aufrufe zur Kundgebung zu finden, die unter dem Motto "Todesstrafe für Kinderschänder" ablaufen soll. Auf Anhieb finden sich lediglich kleine Hinweise auf NPD-Webseiten in Zwickau und Frankfurt. Danach aber scheint schon festzustehen, dass man sich am 14. September auf dem "Platz zwischen Hauptbahnhof und Intercity-Hotel" treffen will.

Sollte die Veranstaltung stattfinden, werden die Demonstranten am Hauptbahnhof wohl kaum Willkommen geheißen. Parteien, Kirchen, zahllose Gruppen und Organisationen zeigten sich schon dieser Tage solidarisch und schlossen sich dem "Aktionsbündnis gegen Rechts" an. Alle äußerten Unverständnis gegenüber dem Amt für Öffentliche Ordnung. Wie diese Woche bakannt wurde, verhandelten die Behörden und ihr Amtsleiter Hans Brugger bereits seit März mit der NPD über die geplante Veranstaltung. Auch dem zuständigen Bürgermeister Matthias Schmelas soll die Sachlage bereits seit März bekannt sein. Dem Oberbürgermeister jedoch nicht, und das sorgt für Ärger. "Wenn die betreffenden Stellen es nicht für nötig halten, den OB zu informieren und stattdessen mit den NPD-Funktionären Demonstrationswege abstimmen, dann handelt es sich um Personen, denen offensichtlich ein notwendiges Minimum an Sensibilität fehlt.", so drückten es die Jusos in einer Mitteilung aus.

Erste Planungen für Gegenveranstaltungen sollen bei einem "Bündnistreffen" am 18. Juli im Gewerkschaftshaus des DGB stattfinden, zu dem "alle Demokraten" eingeladen sind. "Die Straßen Freiburgs werden nicht einen Tag lang der NPD gehören", proklamierte Jürgen Höfflin, Regionsvorsitzender des DGB, in einer Pressemitteilung. Wir werden mit fantasievollen Mitteln versuchen, auf allen Freiburger Straßen und Plätzen für eine offene und demokratische Stadt zu werben."

Die Linke Liste / Friedensliste fordert bereits zu einem heutigen Treffen in der KTS, Basler Straße 103 auf. Im "Kulturtreff in Selbstorganisation" wird sich wohl auch zeigen, wie weit die Linke Szene Freiburgs, die dort ein Refugium hat, sich der drohenden NPD-Demo stellen wird. Wer Informationen bei der Antifa-Freiburg suchte, tat dies bisher allerdings vergebens. Die Web-Links zur Antifa führen allesamt ins Leere, laut Insider-Aussagen hat sich die Gruppierung in Freiburg aufgelöst.

Jens Kitzler

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junge Welt vom Freitag, 12. Juli 2002

Geheimverhandlung mit NPD

Breites Bürgerbündnis will braune Wahlkampfkundgebung in Freiburg im Breisgau verhindern

Offensichtlich soll die NPD-Demonstration von seiten der städtischen Ämter genehmigt werden, ohne daß mit allen juristischen oder kreativen Mitteln versucht wurde, eine solche Kundgebung zu verhindern. Wir sind über diese Handhabung verärgert«, monierte der DGB-Regionsvorsitzende von Freiburg im Breisgau, Jürgen Höfflin, am Dienstag in einer Pressemitteilung mit. Erst zu diesem Zeitpunkt war über die Tagespresse bekanntgeworden, daß die rechtsradikale NPD für den 14. September eine bundesweite Wahlkampf-Großkundgebung in der baden-württembergischen Universitätsstadt angemeldet hat. Geplante Teilnehmerzahl: 2000. Polizei und Ordnungsamt sollen bereits seit mehreren Wochen Gespräche hinter verschlossenen Türen mit den Rechtsradikalen über eine mögliche Marschroute führen. Ein weiteres »Kooperationsgespräch« ist für nächste Woche geplant.

Der Öffentlichkeit und den politischen Gremien blieb dies alles verborgen, obwohl die Anmeldung bereits seit März im Ordnungsamt auf dem Tisch liegen soll. »Das politische Signal, das von einer Genehmigung der Demonstration ausginge, wäre verheerend. Die NPD bekämpft unsere Demokratie mit allen Mitteln und will sich nun perfide auf die Meinungs- und Versammlungsfreiheit berufen. Dazu sagen wir nein«, erklärte der DGB. Die Gewerkschafter haben alle Demokraten zu einem Bündnistreffen am Donnerstag nächster Woche ins Freiburger Gewerkschaftshaus eingeladen. »Wir erwarten, daß sich der Gemeinderat und der Oberbürgermeister an die Spitze eines breiten Bürgerbündnisses gegen den NPD-Aufmarsch stellen«, forderte Höfflin.

Dieter Salomon, seit zwei Wochen erster grüner OB der Schwarzwaldmetropole, erklärte pflichtgemäß, daß Stadt und Bürgerschaft einen solchen rechtsradikalen Spuk »entschieden ablehnen« und »alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen« werden, um den Aufmarsch zu verhindern. Es sei unerträglich, daß die NPD Freiburgs Losung »Für eine offene Stadt« mißbrauche und als Einladung interpretiere. Damit wurden eine bürgerschaftliche Aktion für Toleranz und ein friedliches Zusammenleben verhöhnt. Gleichzeitig räumte das grüne Stadtoberhaupt allerdings ein, daß ein Verbot angesichts vieler Verwaltungsgerichtsurteile möglicherweise »nicht zu halten« sei. Dies zeigten Beispiele aus Karlsruhe, Mannheim und Ludwigshafen.

Es wäre in der linken Hochburg Freiburg die erste rechtsradikale Kundgebung seit 35 Jahren. Entsprechend rührig geben sich die Neonazis, die die halbe Stadt bereits mit NPD-Plakaten zugekleistert haben und Flugblätter in alle Haushalte der Stadt verteilen wollen, wie NPD-Kreisverbandssprecher Stefan Meier gegenüber der Presse angekündigt hat. Schließlich hätten die Freiburger Kameraden die Unterstützung des Landes- und Bundesverbandes. Daß der braune Aufmarsch stattfinden wird, gilt für die NPD als sicher. »Im wesentlichen ist alles besprochen, jetzt geht es nur noch um Details in den Auflagen«, erklärte Meier.

Ob die demonstrative Zuversicht nicht etwas verfrüht ist, wird sich zeigen. Der DGB jedenfalls ist entschlossen, mit einem »Aktionstag für eine offene Stadt« den Aufmarsch der Neofaschisten in Freiburg zu verhindern. Die Liste der Gruppen, die ihn dabei unterstützen wollen, wird jeden Tag länger.

Infos: DGB-Region Südbaden-Hochrhein, Hebelstr. 10, 79104 Freiburg, Tel. 0761/3884722, E-Mail:  freiburg@dgb.de

Martin Höxtermann

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Badische Zeitung vom Freitag, 12. Juli 2002

Widerstand wächst

Jugend und Verdi gegen NPD

Der Widerstand gegen den von der NPD für den 14. September in Freiburg geplanten Aufmarsch wächst. Wie "Junges Freiburg", das eine Stadträtin und einen Stadtrat im Gemeinderat hat, mitteilt, habe das Bündnis von sieben Jugendorganisationen "Jugend für Menschlichkeit und Toleranz" (MuT) sehr schnell reagiert: Ein Flugblatt entstand, das - an den Schulen verteilt - Schülerinnen und Schüler ermutigen soll, sich an den Aktionen "gegen die Demonstration der Rechten" zu beteiligen.

Außerdem hat "MuT" begonnen, Studierende an den Freiburger Hochschulen über die geplante Gegen-Demonstration zu informieren. Und nicht zuletzt sammelt das Bündnis auf seiner Homepage  www.jugendfuermut.de alle Informationen über die NPD-Demo und über geplante Gegenaktionen.

Heftig wendet sich auch der Verdi-Ortsverein Freiburg gegen die "Verhöhnung der Opfer von faschistischen Attacken". Gerade Gewerkschaftsmänner und -frauen "waren und sind Opfer des Naziterrors". Deshalb fordert Verdi, die NPD-Kundgebung mit allen juristischen und politischen Mitteln zu verhindern, und ruft wie der DGB zu einem breiten Bündnis auf.

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StadtNachrichten (Amtsblatt) vom Freitag, 12. Juli 2002

Stadt will NPD-Demo verhindern

OB Dieter Salomon begrüßt Bündnis gegen rechts

Die Stadt Freiburg wird sich mit allen rechtlichen Mitteln gegen die für den 14. September geplante Kundgebung der rechtsradikalen NPD in Freiburg wehren. Oberbürgermeister Dieter Salomon stellt unmissverständlich klar:"Die Stadt und die Bürgerschaft lehnen eine solche Kundgebung entschieden ab. Wir werden die rechtlichen Möglichkeiten nutzen, um die Veranstaltung zu verhindern, und appellieren an alle demokratischen Kräfte, ein deutliches politisches Zeichen gegen den Auftritt von Rechtsradikalen zu setzen!"

Der Oberbürgermeister begrüßt deshalb auch die Initiative des Deutschen Gewerkschaftsbundes zu einem Aktionsbündnis gegen rechts. Zum weiteren Vorgehen hat OB Salomon kurzfristig die städtischen Ämter zu einem Gespräch Mitte Juli eingeladen.

Das Bürgermeisteramt nimmt auch in Kauf, dass möglicherweise eine Entscheidung gegen die NPD vor Gericht keinen Bestand hat. Dann kommt es umso mehr darauf an, mit eigenen Aktionen die Rechtsradikalen in die Schranken zu weisen.

Die Stadt verwahrt sich dagegen, dass das Motto der städtischen Initiative "Für eine offene Stadt - Gegen Fremdenhass und und Rassenwahn" von der NPD für den geplanten Auftritt in Freiburg missbraucht wird. Das Bürgermeisteramt betrachtet den Verweis als eine Verhöhnung und Beschmutzung einer bürgerschaftlichen Aktion, die parteiübergreifend für Toleranz und ein friedliches Zusammenleben in Freiburg eintritt."Im Sinne dieser Aktion wollen wir ein demokratisches und gemeinsames Zeichen gegen den rechtsradikalen Spuk setzen!" stellt Salomon fest.

Der Oberbürgermeister bedauerte, dass offensichtlich schon über mehrere Wochen auf der Arbeitsebene Gespräche mit Vertretern der NPD geführt worden sind, um einen möglichen Demonstrationsweg abzustimmen. Daraus könne geschlossen werden, dass die Stadt sich nicht gegen die Demonstration wende. Das ist ausdrücklich nicht der Fall, sondern die Stadt lehnt das Ansinnen der NPD eindeutig ab.

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Badische Zeitung vom Donnerstag, 11. Juli 2002

Bündnis gegen Rechts

SPD schließt sich an

Die Freiburger SPD hat ausdrücklich die Initiative der DGB-Region Südbaden-Hochrhein für einen Aktionstag gegen den geplanten Aufmarsch der NPD am 14. September in Freiburg (wir berichteten) begrüßt und sich dem Aktionsbündnis gegen Rechts angeschlossen. Gleichzeitig fordert die SPD alle demokratisch gesinnten Kräfte auf, "sich gemeinsam gegen die Provokation der NPD zu stellen und ebenfalls dem Aktionsbündnis beizutreten".

Derweil kritisiert die SPD-Gemeinderatsfraktion das Verhalten des Amts für Öffentliche Ordnung, "das durch seine zurückhaltende Informationspolitik eine Mobilisierung erst jetzt, kurz vor der Sommerpause, möglich macht". Die Fraktion fordert eine Aufklärung der Umstände, die zu dieser Verzögerung geführt haben. Im übrigen begrüßen Kreisverband und Fraktion die Erklärung von OB Dieter Salomon, die NPD-Demonstration verbieten zu wollen.

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Badische Zeitung vom Donnerstag, 11. Juli 2002

MÜNSTERECK

Der Dezernent und die Politik

Matthias Schmelas in Nöten

Matthias Schmelas hat mal wieder ein Problem. Der schon länger umstrittene Baubürgermeister, zu dessen Dezernat auch das Amt für öffentliche Ordnung zählt, muss heute dem OB eine, wie es im Rathaus heißt, lückenlose Dokumentation dessen vorlegen, was seit dem 18. März in seinem Dezernat in Sachen NPD-Demo geschehen - und nicht geschehen ist. Seit diesem Tag weiß er und weiß es auch sein Amtsleiter, dass die NPD für den 14. September eine Demonstration angemeldet hat, die unter dem Motto "Todesstrafe für Kinderschänder" stehen soll und zu der 500 bis 1000 Rechtsradikale aus dem ganzen Bundesgebiet erwartet werden. Nur der Oberbürgermeister erfuhr bis vor kurzem davon nichts, auch nicht davon, dass das Ordnungsamt schon seit dem 20. März (!) mit NPD-Vertretern über geeignete Demonstrationswege verhandelt. Das bekam nun wiederum auch Schmelas nicht mit, was ihn aber als Chef des Dezernats nur beschränkt entlastet.

Inzwischen weiß Matthias Schmelas, dass er das alles politisch wohl etwas falsch eingeschätzt hat. Um so beflissener war er jetzt am Mittwoch im Verkehrsausschuss bemüht, sich als Ökologe zu profilieren. Die Stadträte trauten ihren Ohren nicht: So will der Baubürgermeister das Carsharing im Hochbauamt einführen, die Lokale Agenda im Tiefbauamt - und für den Kfz-Verkehr in Freiburg werde sein Dezernat künftig "nicht mehr als unbedingt notwendig" unternehmen. Was so ein grüner OB im Rathaus alles bewirken kann! Dabei ist Schmelas eigentlich in der CDU.

Bernd Serger

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Badische Zeitung vom Mittwoch, 10. Juli 2002

Stadt wehrt sich gegen NPD-Demo

Salomon: Wir werden alles tun, um Kundgebung zu verhindern

Die Stadt Freiburg will sich mit allen ihr möglichen rechtlichen und politischen Mitteln gegen die am 14. September geplante Kundgebung der rechtsradikalen NPD wehren. Der DGB ruft für denselben Tag zu einem "Aktionstag für eine offene Stadt" auf und arbeitet an einem breiten Aktionsbündnis gegen Rechts.

OB Dieter Salomon begrüßte gestern diese Initiative. In der Dezernentenkonferenz im Rathaus stellte er klar: "Die Stadt und die Bürgerschaft lehnen eine solche Kundgebung entschieden ab. Wir werden die rechtlichen Möglichkeiten nutzen, um die Veranstaltung zu verhindern, und appellieren an alle demokratischen Kräfte, ein deutliches Zeichen gegen den Auftritt von Rechtsradikalen zu setzen."

Bevor sich der Gemeinderat gestern im nichtöffentlichen Teil seiner Sitzung mit diesem Thema befasste, stellte Salomon fest, er habe von den Plänen der NPD erst am vergangenen Wochenende erfahren. Der OB bedauerte, dass schon über mehrere Wochen das Ordnungsamt auf der Arbeitsebene Gespräche mit Vertretern der NPD geführt habe, um einen möglichen Demonstrationsweg abzustimmen. Daraus könne man, wie gestern der darüber verärgerte DGB-Chef Jürgen Höfflin, schließen, dass die Stadtverwaltung sich nicht gegen die Demonstration wende. "Das ist ausdrücklich nicht der Fall", so Salomon.

"Wir wollen diese Veranstaltung nicht", betonte er im Gemeinderat. Dieser politische Standpunkt sei angesichts vieler Verwaltungsgerichtsurteile möglicherweise "rechtlich nicht zu halten". Aber, so fuhr Salomon fort, "die NPD muss das einklagen". Er sei überzeugt davon, dass wenige Tage vor der Bundestagswahl nicht nur der DGB, sondern auch die demokratischen Parteien zu Kundgebungen aufrufen werden.

Salomon nannte es wie der DGB und der Kreisverband der Grünen unerträglich, dass die NPD Freiburgs Losung "Für eine offene Stadt" missbrauche und als Einladung interpretiere, hier in der Stadt einen Aufmarsch zu veranstalten. Damit werde eine bürgerschaftliche Aktion für Toleranz und ein friedliches Zusammenleben verhöhnt und beschmutzt.

Um ein "Zeichen gegen den rechtsradikalen Spuk" (Salomon) zu setzen, lädt der DGB alle Demokraten am 18. Juli um 18.30 Uhr ins Gewerkschaftshaus, Hebelstraße 10, in Freiburg ein: "Freiburgs Straßen werden nicht einen Tag lang der NPD gehören!"

se, Münstereck

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Badische Zeitung vom Mittwoch, 10. Juli 2002

MÜNSTERECK

Spät, aber nicht zu spät

Das Rathaus und die NPD

Der Versuch, die rechtsradikale NPD als verfassungsfeindlich verbieten zu lassen, ist ins Stocken geraten - zu viele NPD-Leute ließen sich ihr finsteres fanatisches Treiben auch noch vom Verfassungsschutz bezahlen. Doch auch ohne das Verbot ist klar, dass es sich bei dieser Partei um eine deutschtümelnde Nationalistensekte mit rassistischen und antisemitischen Einschlägen handelt, die immer mal wieder auch mit Neonazis zusammen geht. Ob das nach wie vor von Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat angestrebte Verbot der NPD überhaupt der richtige Weg ist, um dieser bundesweit etwa 6500 Mitglieder starken Organisation beizukommen, ist umstritten, doch kann dies nicht heißen, dass man den Rechtsextremen nun freiwillig das Feld - oder in Freiburg: die Straßen überlässt. Es ist dem neuen OB Dieter Salomon zu danken, dass er mit seiner Entscheidung, die NPD-Kundgebung am 14. September mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln zu verhindern, auch die bisherigen Pannen im Rathaus deutlich gemacht hat: Doch was ist das für ein Ordnungsamt, das über Wochen vertrauensvoll mit NPD-Vertretern zusammenarbeitet, um geeignete Demonstrationswege auszubaldowern - ohne jedes Gespür für die politische Brisanz dieses Tuns? Hier muss dringend was geschehen.

Bernd Serger

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Freiburger Wochenbericht vom Mittwoch, 10. Juli 2002

Stadt gegen geplante NPD-Demo

Die Stadt will sich mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln gegen die am 14. September in Freiburg geplante Kundgebung der rechtsradikalen NPD wehren. OB Dieter Salomon begrüßte die Initiative des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), der zu einem Aktionsbündnis gegen rechts aufgerufen hat. Es könnte sein, dass eine Entscheidung gegen die NPD vor Gericht keinen Bestand hat. Umso mehr komme es darauf an, die Rechtsradikalen mit Aktionen in die Schranken zu weisen. (stw)

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Badische Zeitung vom Dienstag, 9. Juli 2002

Der neue OB: "Wir wollen das nicht in unserer Stadt"

Die NPD plant kurz vor der Bundestagswahl eine bundesweite Großkundgebung in Freiburg - der Antrag liegt der Stadt vor

Ausgerechnet der Freiburger Slogan "Für eine offene Stadt", nämlich für mehr Toleranz und Miteinander, soll auf die hiesige Nationaldemokratische Partei (NPD) inspirierend gewirkt haben. "Die NPD wird diese Einladung annehmen", heißt es in einer Presseerklärung. Soll heißen: die NPD plant für den 14. September eine bundesweite Großkundgebung in Freiburg, unterstützt von Bundespartei und Landesverband, derzeit anvisierte Teilnehmerzahl: 2000.

Der Antrag auf diese Demo liegt dem Amt für Öffentliche Ordnung seit einigen Wochen vor, zwei Kooperationsgespräche zwischen Antragstellern, Ordnungsamt und Polizei haben bereits stattgefunden, ein weiteres folgt in der kommenden Woche. Und - etwas zeitversetzt - wird nun in der heutigen Dezernentenrunde beraten, welche Möglichkeiten die Stadt hat, sich gegen den NPD-Aufmarsch zu wehren.

Viel zu machen gibt es gegen diese erste rechte Kundgebung seit mehr als 35 Jahren nicht, erklärt Ordnungsamtsleiter Hanns Brugger: "Nur wenn eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit zu befürchten ist, kann man solche Veranstaltungen verbieten." Viele Städte, unter anderem Karlsruhe, Mannheim und Ludwigsburg konnten es - in jüngster Zeit - jedenfalls nicht. Und nach einem Verbot sieht die Lage derzeit auch in Freiburg zumindest aus Sicht der Veranstalter gar nicht aus. NPD-Mann Stefan Meier vom Freiburger Kreisverband ist zuversichtlich: "Im Wesentlichen ist alles besprochen, jetzt geht es nur noch um Details in den Auflagen." Und ansonsten gilt es, so Meier, für die Veranstaltung zu werben. Damit nicht nur die "Kameraden" von außerhalb antreten, will die NPD mit Flugblättern auch in den Haushalten der Stadt und des Umlands auf das Ereignis hinweisen. Und, sagt Stefan Meier, auch die "Kameradschaftskreise" in den Nachbarländern Schweiz und Frankreich werden eingeladen, die dann ihrerseits in ihren Organen zum Aufmarsch trommeln.

Keine Bedenken, dass nun ein grüner OB dem geplanten Unterfangen skeptisch gegenüber stehen könnte? "Ach, wissen Sie, der Mann ist ja noch neu im Geschäft, mit dem muss ich auch erstmal reden." Der neue Mann jedoch zeigt sich wenig kooperationsfreudig. "Es ist ganz klar, dass wir das in unserer Stadt nicht wollen", so Dieter Salomon schon vor der Debatte in der Dezernentenrunde.

Ob sie wollen oder nicht: Falls es zu der geplanten Kundgebung käme, hätte die Polizei einen Arbeitstag vor sich, den Pressesprecher Ulrich Brecht als "heftig" einschätzt: "Das ist eine schwierige Situation für uns." Schon jetzt beraten die Ordnungskräfte das Amt mit Sachverstand bei der Festlegung möglicher Marschrouten - und machen sich bei Kollegen in Land und Bund, und auch beim Landeskriminalamt, kundig, was deren Erfahrungen bei ähnlichen Aufmärschen angeraten sein lassen. Zunächst jedoch bleibt abzuwarten, ob die NPD mit ihrem Antrag in Freiburg tatsächlich noch auf Widerstände stößt.

Julia Littmann

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Badische Zeitung vom Dienstag, 9. Juli 2002

MÜNSTERECK

Stolpersteine

Demonstrationen

Die ersten Fässer sind - mit Mühe und deshalb großem Hallo - angezapft, nun liegen für den neuen OB auch die ersten Stolpersteine aus. Gestern etwa im Hauptausschuss des Gemeinderats. Da lautete die Frage: Wie geht Dieter Salomon mit dem rot-grünen interfraktionellen Antrag um, die Stadt Freiburg "als Zeichen der Verbundenheit und Solidarität" mit den Forderungen der Schwulen und Lesben am Christopher Street Day offiziell beflaggen zu lassen - und zwar mit deren Regenbogen-Flagge. Salomon, der schon im OB-Wahlkampf für die Schirmherrschaft zugesagt hatte, ließ nicht abstimmen, weil das Hissen von Fahnen reines Verwaltungsgeschäft sei - und er gab mit seinem Nein der schwulen Bewegung auch noch den Rat mit, "nicht übers Ziel hinaus zu schießen". Er hat recht: Die Zeit ist zwar reif für so eine Großveranstaltung, doch die Begeisterung in der Bevölkerung darüber sicher nicht einhellig. Dass er selbst beim Thema Beflaggung die am 14. September geplante NPD-Demonstration als Vergleich heranzog, war unglücklich - auch wenn er gleich hinzu fügte, dass man diese rechtsextremistische Kundgebung "verbieten sollte". Er wird es schwerlich schaffen, doch muss Freiburg, das sich seit zwei Jahren als "offene Stadt - gegen Fremdenhass und Rassenwahn" empfiehlt, auch dazu stehen.

Bernd Serger

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